Donnerstag, 31. Dezember 2020
Falies Nawidatt
Donnerstag, 17. Dezember 2020
Das wahre Gesicht
Mir als Zwillinge-Geborener wird ja immer gerne nachgesagt, dass ich ein Mensch mit zwei Gesichtern sei. Deshalb sei mir nicht zu trauen. Dass mein Ex mir das am Ende unserer Ehe erklärte, konnte ich sogar nachvollziehen. Dass mein Chef mir das manchmal gerne vorhält, eher nicht, weil ich immer eine klare Linie verfolge: Fair muss es sein. Wenn ich einmal die Handlung eines Mitarbeiters kritisch empfinde, bedeutet das nicht, dass ich gleich den ganzen Menschen kritisch sehe - und es bedeutet auch nicht, dass dieser Mitarbeiter deswegen nicht auch positive Seiten hat. Dass der Chef das nicht trennen kann (oder will), ist sein Ding, nicht meins.
Ich habe in meinem persönlichen Umfeld einige Freunde und ich habe virtuell wenige Freunde, mit denen ich grundlegend eine gemeinsame Basis empfinde. Es ist keiner dabei, der sich - in welcher Form auch immer - radikalisiert oder der völlig neben der eigenen Spur läuft. Schon zu Zeiten der Flüchtlingskrise und jetzt im Corona-Jahr zeigen die Menschen deutlicher Ansichten, die ich manchmal verwundert, manchmal irritiert betrachte und zur Kenntnis nehme, manchmal mit ihnen in (mitunter leidenschaftliche) Diskussionen verfalle - aber eins bleibt uns immer gleich: Wir mögen uns. So wie wir sind. Vielleicht gab es manchmal auch eine Zeitlang Funkstille, weil man etwas zu hitzig aneinander geraten war oder weil man einfach dachte: E bissl Abstand tut vielleicht auch mal ganz gut. Aber eine Freundschaft zu beenden... Grad wenn sie seit vielen Jahren besteht...
Ich habe gelesen und gehört, dass manch einer von ihnen Freundschaften verloren hat ob ihres Standpunktes, doch für mich selbst hatte ich mir diese Frage bisher noch nie gestellt. Ich sah den Anlass nicht dafür. Weil ich gerade bei den persönlichen Freunden immer eins sehe: den eigentlichen Menschen dahinter, der mir etwas bedeutet. Kann man nicht verschiedener Meinung und trotzdem befreundet sein?
Gestern las ich im Status eines realen, persönlichen Freundes eine Mediennotiz über die Corona-Impfung. Warum sie besser sei als ihr Ruf - und warum die Bedenken unbegründet seien. Diesen Artikel habe ich mir fast bis zuende durchgelesen und dann habe ich den Freund gefragt, ob er selber auch daran glaubt, was er da vermittelt. (Ja, die Frage hätte ich mir eigentlich sparen können, denn irgendwann vor Jahren gehörte er selbst zur Medizin und dass er grundsätzlich alles befürwortet, wusste ich ja schon.)
Er antwortete mir mit Verweis auf verschiedene Statistiken, aber eine belastbare Argumentation, die für die m/RNA-Impfung spricht, konnte er mir nicht geben. Natürlich kann er das nicht - das können selbst die Obersten vom RKI nicht, die zumindest an der Stelle im Oktober offen antworteten: „Wir gehen alle davon aus, dass im nächsten Jahr Impfstoffe zugelassen werden. Wir wissen nicht genau, wie die wirken, wie gut die wirken, was die bewirken, aber ich bin sehr optimistisch, dass es Impfstoffe gibt.“ (Quelle: https://correctiv.org/faktencheck/2020/12/09/unwissenheit-ueber-covid-19-impfstoffe-aelteres-interview-mit-rki-chef-wieler-wird-irrefuehrend-verbreitet/)
Wenn seit rund 25 Jahren an einem DNA-Impfstoff geforscht wird, wo es noch kein einziger bisher in die Zulassung geschafft hat - wie vertrauenswürdig ist es dann, innerhalb von nur sieben oder acht Monaten einen Impfstoff gegen ein neu mutiertes Virus zu finden, von dem man bis zu seinem ersten Auftreten in Europa noch so gar nichts wusste? Und wenn man dazu in öffentlich-rechtlichen Medien über die Wirkungsweise liest, warum darf man dann nicht Zweifel oder eben auch Furcht davor haben, was diese Impfung vielleicht in meinem eigenen Körper auslöst? Erkenntnisse darüber gibt es so ja nicht, können auch nicht vorliegen.
"Welche Risiken und Nachteile gibt es? Bei DNA-Impfstoffen besteht theoretisch die Möglichkeit, dass die in die Zelle verbrachte DNA in das eigentliche Erbgut der Wirtszelle eingebracht wird. Als mögliche Folgen werden eine verstärkte Tumorbildung oder Autoimmunkrankheiten befürchtet. Umfangreiche Studien im Tierversuch haben keinen Hinweis darauf gegeben. Im Gegensatz zu DNA-Impfstoffen werden RNA-Impfstoffe nicht in den Zellkern transportiert. Daher besteht auch nicht die theoretische Gefahr, dass diese in das Erbgut von Körperzellen integriert wird. Theoretisch wäre es möglich, dass andere bereits im Körper vorhandene Viren die Impf-RNA in DNA "umschreiben", so dass diese sich doch in das Erbgut einer Zelle integrieren und dort Folgeschäden auslösen könnte. Eine solche Umschreibung wird jedoch nicht beobachtet. [...]" (Quelle: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/gentechnik-impfung-101.html)
Vielleicht verändert diese Form der Impfung also nicht meine DNA, bewirkt aber womöglich die Bildung von Tumoren? Natürlich ist mir bewusst, dass mir das jederzeit auch ohne diese Impfung widerfahren kann - aber muss ich dieses Risiko denn zusätzlich eingehen? Muss ich das, solange keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen (können)? Im Faktencheck von Correctiv wird ausgeführt, dass Wieler im Oktober ja nur so reden konnte, weil er die Ergebnisse noch nicht kannte, die dann Anfang November vorlagen. Ernsthaft? DAS soll mir die Sorge nehmen? Tut sie nicht. Weil es für mich persönlich keinen Unterschied macht, ob man 7 oder 8 Monate getestet und zusammengefasst hat. An allen sonstigen Impfstoffen wird doch sonst jahrelang getestet und ein aufwendiges Prozedere angewandt, bis eine Zulassung überhaupt erst möglich ist.
Grundsätzlich zähle ich nicht zu den Impfgegnern. Meine Kinder und ich haben die übliche Grundimmunisierung und vor vier Jahren ließ ich mich auch gegen Hepatitis impfen, bevor wir nach Indien flogen. (Sicherlich habe ich mich ab und an schon mal gefragt, ob die nach einem halben Jahr nach der Reise - also gut ein Jahr nach der ersten Impfung - erstmals auftretenden Probleme daher kommen könnten, aber.. DAS zu hinterfragen, DEM nachzuforschen und das dann auch zu beweisen... geschenkt.) Einen sogenannten Vakzin-Impfstoff zu bekommen, habe ich so nie wirklich hinterfragt, weil ich mir immer sagte: Das ist in etwa wie sich im wahren Leben einen Virus einzufangen. Und entweder reagiert mein Körper darauf oder er tut es nicht.
Aber einen DNA-Impfstoff nach nicht mal einem Jahr Testphase zu bekommen, dessen tatsächliche Auswirkungen erst mit den kommenden Jahren statistisch belastbar erfasst werden können?
Als ich diese Gedanken gestern Abend über whatsapp dem Freund stellte, überraschte mich dann doch die recht heftige Reaktion, die vor allem eins beinhaltete: beleidigendes Vokabular und persönliche Abwertung all derer, die sich gegen die Impfung entscheiden - und eine persönliche Abwertung meiner Person.
Das hat mich überrascht und es hat mich verletzt. Nicht nur, dass man als Art Egoistenschwein und Idiot bezeichnet wird, als "Anhänger Bhakdis, mit dem man nicht diskutieren kann", sondern auch mit "was ist denn dein bisschen Muskel-/Schmerz gegen uns Hochrisikopatienten?" Er empfahl mir, für den Fall einer Triage (sein Lieblings-Schlagwort momentan) eine Vollmacht zu unterzeichnen, dass ich im Fall eines Falles erst nach den Geimpften behandelt werden möchte, auch dann, wenn mir vorher die Luft ausgeht. Sein Kind sei schließlich grad in Quarantäne, weil Kontakt zu einer positiven Person - und ich fragte: "Du, das hat meine Freundin mit zwei Kindern schon mehrfach hinter sich [Kita und Schule, ein Trauerspiel für Eltern und Kinder, Anmerkung der Redaktion], was willst du mir denn jetzt damit sagen?"
Nichts. Er wollte mir nichts mehr sagen - und ich kann grad nicht einschätzen: weil er keine Argumente hatte oder keinen Bock? Letzteres hätte ich sogar verstanden und akzeptiert. Wenn er gesagt hätte "Du pass auf, wir kommen da nicht zueinander, wir haben da grundverschiedene Standpunkte, belassen wir es dabei" - dann wäre es auch gut gewesen. Und ich hätte es verstanden und respektiert.
Und was antwortete er statt dessen?
Dass es ihm leid täte, aber die Freundschaft sei hiermit beendet, er könne da nicht weiter.
Weil ich zu diesem Zeitpunkt noch unterwegs war und keine andere Möglichkeit hatte, schickte ich ihm eine Sprachnachricht, woraufhin er antwortete "Sprachnachrichten sind obsolet."
Wow. Okay. Also wenns mehr dazu nicht mehr zu sagen gab... Fünfzehn Jahre Freundschaft. Mit viel Begleitung und vielen Sendepausen zwischendurch, von denen man aber immer wusste: Der andere ist immer noch da. Und jetzt... das?
Wofür? Ich habe das nicht verstanden, gestern Abend nicht - und ich verstehe es immer noch nicht.
Versuche zu reflektieren, was ich an welcher Stelle wie vielleicht missverständlich ausgedrückt haben könnte. Versuchte zu verstehen, warum ich ein Egoistenschwein bin, das wissentlich den Tod aller in meinem Umfeld befindlichen Hoch-/Risikopatienten in Kauf nimmt, obwohl ich sämtliche AHA-Regeln mitmache und nur diese Impfung für mich ablehne. Versuchte zu verstehen, warum er Angst um seinen Arsch hat, aber nicht versteht, dass ich mich genauso um meinen Arsch sorge? Weil ich sagte, dass ich aktuell genug Probleme mit meinem Körper habe und nicht noch mehr Probleme brauche - was ist falsch daran? Weil ich nicht zwangsläufig dran sterben muss?
Ich fragte mich (und ihn), warum er mich nach den fünfzehn Jahren Freundschaft nicht besser kannte als mir zu unterstellen, ein Anhänger von irgendjemandem zu sein, von dem ich maximal weiß, wie man den Namen schreibt, aber mich noch nie mit seinen Aussagen und Thesen befasst hatte. Dass er mir nicht zugestand, mir eigene Gedanken zu machen aufgrund dessen, was auf offziellen, also anerkannten Seiten bekannt gemacht wurde.
Am Abend saß ich irgendwie geknickt und immer noch überrascht von all dem auf meinem Sofa, aber ich sagte mir dann auch: Wenn es so einfach für ihn ist.. Wenn er tatsächlich keine anderen Argumentationen als Beleidigungen hat, oder anstatt einfach zu sagen "Du pass auf, passt grad nicht für mich, ist mir zuviel", dann soll es so sein. Dann trennen sich von hier an die Wege.
Er hatte mich dann ohnehin blockiert. So sei es dann.
Vor ein paar Wochen oder Monaten (ich hab so ein scheiß schreckliches Zeitgefühl) las ich irgendwo, dass Corona auch ein was Gutes hätte: Es würde viele (schmerzhafte) Wahrheiten zutage bringen, die man mitunter nicht für möglich gehalten hätte. Und vermutlich gehören solche Erfahrungen auch dazu.
In einem ganz anderen Zusammenhang hatte ich erst vor zwei Tagen zu jemandem gesagt: "Schönwetterfreunde braucht kein Mensch. Wirklich kennenlernen tust du jemanden erst in Belastungsmomenten. Wenns drauf ankommt. Wer dann noch für dich da ist, auf den kannst du bauen. Auf alle anderen kannst du scheißen."
Dienstag, 15. Dezember 2020
Jerusalema
Montag, 7. Dezember 2020
What If I'm Wrong
Ein klein wenig Weihnachtsstimmung habe ich schon in ihr Zuhause gebracht, habe ihnen ein Abendessen zubereitet und möchte die Zeit, die wir hier haben, genießen. Gerade jetzt möchte ich umso mehr, dass sie es gut haben..
Vor gut einer Woche, vielleicht ist es auch noch ein paar Tage länger her, da debattierte ich mit einer Freundin über persönliche Befindlichkeiten und auch über die aktuellen Entwicklungen. Irgendwann schrieb sie mir, dass ich auf jedes schlüssige Argument ihrerseits ein schlüssiges Gegenargument hätte - und das war ein Moment, in dem ich mich irgendwie schlecht fühlte mit dieser Aussage. Mir ist bewusst, dass ich bei aller "Pflegeleichtigkeit" durchaus auch mal anstrengend sein kann. Nur geht es mir nicht darum, mich im Recht zu fühlen oder auf meiner Meinung zu beharren. Mit jedem Dialog habe ich die Chance, mich selbst zu hinterfragen, meinen Standpunkt zu hinterfragen - und diesen auch anzupassen oder gar zu wechseln, sofern die Argumente sich für mich stimmig anfühlen. Das bedeutet aber auch, nicht alles widerspruchslos hinzunehmen, sondern auch mal so lange zu fragen, bis mein Bauchgefühl mir signalisiert: Okay, gut jetzt.
Doch je tiefer wir in die Debatte stiegen, desto mehr wurde mir vor allem eines bewusst: Eigentlich.. bin ich müde. Eigentlich weiß ich viel zu wenig. Eigentlich habe ich überhaupt keine Ahnung von vielen Dingen - und erlaube mir dennoch, eine Meinung zu haben. Eine Sicht auf die Dinge, von der ich genauso weiß, dass es vollkommen egal ist, was ich denke und was ich nicht denke. Ob ich falsch liege oder nicht. Es spielt einfach keine Rolle.
Mit eben jener Freundin debattierte ich schon vor gut einem Jahr darüber, ob und was ich einem bestimmten Menschen glauben kann und glauben soll. Irgendwann in dieser Diskussion fragte sie mich: "Warum ist es dir so wichtig, ob das stimmt oder nicht?"
Damals konnte ich ihr nur vage auf diese Frage antworten, inzwischen weiß ich konkret, wann mir die Wahrheit wichtig ist: wenn es etwas mit mir selbst macht. Wenn ich nach Offenbarungen anderer nicht mehr schlafen und an kaum etwas anderes denken kann. Wenn ich nach Wegen suche, ob und wie ich dem anderen helfen kann, wenn man gemeinsam weint - dann will ich wissen, dass all das.. nicht auf einer Lüge basiert. Ich will nicht, dass mit dem Empfinden eines anderen Menschen gespielt wird - und ich will auch nicht, dass mit meinem Empfinden gespielt wird.
Und als sie mir antwortete, dass ihr in vielen Dingen auch einfach das (Hintergrund-) Wissen fehlt und sie deshalb auf diejenigen vertraut, die Entscheidungen beeinflussen bzw. treffen dürfen, alles andere für sie zu schwierig und anstrengend sei, da dachte ich: Ja, sie hat recht. Es ist anstrengend und es ist irgendwie sinnlos anstrengend.
Vor siebzehn Tagen hat sich ein Mensch für immer verabschiedet. Ein Mensch, der per Definition vielleicht gerade so kein Kind mehr war, in seinem Wesen und aus verschiedenen medizinischen Gründen jedoch das Kind geblieben war. Vielleicht ist dieser Abschied kein überraschender gewesen - aber zu sehen, wie sehr die Eltern unter diesem Abschied leiden, das ist kaum in Worte zu fassen. Und du kannst auch nicht wirklich etwas tun, außer ihnen zuzuhören, wann immer sie mit dir reden wollen, mit ihnen zu weinen, außer sie an dich zu drücken und einfach nur festzuhalten. Ihnen den Rücken freizuhalten von all den "irdischen" Dingen, für die ihnen noch immer Raum & Zeit fehlen. Tage, an denen sie sagen, sie möchten am liebsten überhaupt nicht aufstehen. Tage, an denen sie nur trinken, statt zu essen, und alles wieder zu erbrechen.
Und mich berührt es umso mehr, weil ich selbst immer gesagt habe: Du kannst alles im Leben überstehen und irgendwie überwinden - aber nicht, wenn du dein eigenes Kind begraben musst. Selbst wenn du irgendwann an den Punkt gekommen bist, wo du ihn gehen lassen willst, weil alles andere auch kein wirkliches Leben mehr ist. Trotzdem bringt es dich um, wenn es eines Tages dann doch soweit ist und du derjenige bist, der seinem Kind die Augen schließen und ihn nach dem Waschen in den Sarg legen musst.
In dem Moment spielt keine Rolle mehr, woran du glaubst oder glauben möchtest - da ist einfach nur noch Schmerz, den man versucht, mit aufzufangen, indem du auch nur irgendwas tust, dass es den Eltern leichter macht, sich nicht auch noch darum kümmern zu müssen.
In solchen Momenten - aber da kann ich auch nur für mich sprechen - bin ich einfach nur dankbar, wenn ich in den Weihnachtstagen bei meinen Kindern sein kann, wenn ich den Mann mit mir nehmen kann, damit er bei seiner Mama sein kann. Vielleicht dürfen wir fünf alle an Weihnachten zusammen sein, vielleicht nun doch nicht - aber wie es auch kommen mag: Ich denke nicht mehr pro und nicht mehr contra - ich denke nur noch eins: Ich bin dankbar, wenn ich bei meinen Kindern sein darf. Ganz egal, ob es das Weihnachten ist, wie wir es uns gewünscht hätten, oder dass es vielleicht doch hätte anders gehen können. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte... dann, dass niemand einsam sein muss. Aber selbst auf meiner Blümcheninsel in meinem Kopf weiß ich, dass die Realität eine ganz andere ist.