Mittwoch, 3. Juni 2009

Einmal Brasilien Und Zurück

Ihr werdet es sicher auch alle längst in Funk und Fernsehen gehört und gesehen haben: Dieser noch immer völlig ungeklärte Absturz einer Air France Maschine auf dem Weg von Brasilien nach Paris.
Was wir zumeist - wenn auch etwas betroffen - wie im Vorbeigehen zur Kenntnis nehmen, hat mich heute - eben vom Sofa aus - doch etwas mehr beschäftigt. 

Es ist wohl auch schwierig, zwischen Voyeurismus und aufrichtiger Anteilnahme zu unterscheiden und ich liege wohl nicht falsch, wenn ich das allgemeine Verhältnis auf 80 zu 20 aufteile. 
Doch was mich wirklich sehr berührt, sind die Geschichten der Menschen, sobald sie einen Namen, ein Gesicht - und vielleicht sogar auch eine Stimme bekommen. Fotos, Filmaufnahmen aus vergangenen Tagen, hervorgeholt von Ehemännern, Ehefrauen, Vätern, Müttern... Hervorgeholt von all jenen, die fassungslos daheim oder am Flughafen sind und auf die Ankunft ihrer Liebsten warteten.
Und irgendwann erreichen diese Nachrichten - ich weiß nicht, ob Euch das auch so geht - einen Punkt, wo ich denke: Was würde ich eigentlich machen, wenn?
Es ist nicht, dass es Angst in mir hervorruft. Angst vor dem Fahren, Fliegen, Leben.
Es ist eher... die Bestürzung darüber, wenn ich in solchen Momenten erkenne, was wirklich wichtig ist. Worum es wirklich im Leben geht. Nicht dass ich es nicht auch so weiß, aber... 

Habt Ihr Euch nicht auch schon oft gefragt, ob der Krach um die nicht geschlossene Zahnpastatube oder den nicht herunter geklappten Toilettendeckel völlig unsinnig ist? Ob das wirklich sein musste? 
Habt Ihr Euch nicht schon oft gefragt, wann Ihr Eurem Partner zum letzten Mal wirklich auch gezeigt habt, wie wichtig er Euch ist - und es nicht nur sagt? 
Habt Ihr Euch nicht schon oft gefragt, ob Ihr am Ende eines Tages nach einem heftigen Streit noch zueinander finden könnt oder ob der andere gar nicht mehr heimkehrt?

Vor kurzem habe ich eine Reportage über ungeklärte Morde in Deutschland gesehen und unter anderem ging es um eine Bäckerstochter, die mit ihrem Vater den Laden führte und mit ihm am Mordtag einen Streit hatte. Es ist etwa 15 Jahre her - doch noch heute beginnt die Tochter während des Interviews zu weinen, wenn sie sagt: "Ich bin so froh, dass ich ihm noch tschüss gesagt habe, als ich ihm den Bäckerwagen übergab. Ich hab erst überlegt, ob ich es tue, und jetzt bin ich so froh, dass ich es getan habe."

Wie oft oder schnell sagen wir "Ich liebe dich" und denken, dass das genügt?
Wie oft geraten wir aus Kleinigkeiten heraus in Zorn und brechen einen unnötigen Streit vom Zaun?
Wie oft reagieren wir unseren Frust an dem Menschen ab, der uns am nächsten ist?

Und wie wenig denken wir auch im Alltag darüber nach, was für ein Geschenk es ist, dass wir einen Menschen aufrichtig lieben können?
Wie oft nehmen wir es als selbstverständlich hin, dass der andere da ist?
Wie oft sind wir mit uns selbst beschäftigt, anstatt auf den Menschen neben uns einzugehen? 
Wie oft denken wir über eigene Befindlichkeiten nach, statt auf seine Bedürfnisse einzugehen?

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber... Bei mir rüttelt es an meinem Bewusstsein. Das bewusste Ja zum Leben und auch das bewusste Ja zum Lieben. Und das nicht um jeden Preis. Aber besonders dann, wenn wir spüren, dass es genau der Mensch an unserer Seite ist, neben dem wir noch in einhundert Jahren erwachen möchten. Wenn Ihr wisst, dass es DER Mensch ist, dann... vergesst es auch nicht wieder.

Eure philosophische Helma




1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Liebe Helma,
das ist ein Punkt wo ich auch mal wieder drauf eingehe.
Ich bin der Meinung dass ein Streit der Beziehung dienlich ist.
Streit gehört einfach dazu um ein Demokratisches Verhältnis zu schaffen. Nur leider ist es so dass meist der Streit nicht beigelegt wird auf Grund fehlender Kompromisse.
Schlimm ist es dann wenn jemand aus dem Leben gerissen wird und ein Streit noch im Raume schwebt. Nur woher soll man wissen dass so was eintritt? Sollte man deswegen nur um des Friedens willen keinen Streit ausleben? Hinnehmen und Dinge Tolerieren die einem nur Unbehagen bereiten? Sollte man nicht lieber eine vernünftige Streitkultur entwickeln. Ich habe es an mir beobachtet dass es auch mit Einigkeit geht. Ich meine selbst wenn ein Streit in der Luft liegt und gerade in seiner stärksten Phase ist kann ein Paar, welches sich versteht, einem Besucher das Gefühl vermitteln das alles in Ordnung sei. Das ist ein Konsens den die wenigsten schaffen... Viele Streiten auch in der Öffentlichkeit oder mit Unterstützung von Verbalattacken oder gar Beleidigungen. Das eigentlich Zollt von fehlendem Respekt.
Daher wünsche ich mir von meiner Umwelt das sie (damit meine ich nicht alle) erst einmal Streiten lernen denn dann ist es, in einem wie von dir beschriebenen Fall, zwar schlimm wenn jemand aus dem Leben gerissen wird aber man hegt nicht solch schlimme Gedanken wie

„Bloß gut ich habe noch Tschüß gesagt“.

M.