"Es ist doch erst halb sechs und du willst schon schlafen gehen?"
Sechs Stunden Klinik können einen schon schaffen, aber davon weiß der Knabe glücklicherweise noch nichts. Davon ahnte nicht mal ich was, als ich heute Morgen Punkt Acht Uhr Dreißig im Labor ankam und mir anschließend ein roter Zettel für die Klinik in die Hand gedrückt wurde. "Sie fahren jetzt sofort da hin."
Dort verbrachte ich die meiste Zeit auf einer Liege, eine Infusion nach der anderen, leider kein Fröhlichmacherzeugs wie damals nach dem Unfall, und mittlerweile bin ich so zerstochen, dass ich bei einer Drogenrazzia durchaus in Erklärungsnöte käme.
"Ihre Milz ist zu groß", runzelte der Ultraschaller und ich witzelte: "Na Gott sei Dank, ich befürchtete schon, Sie würden mir das von meiner Leber sagen."
Dafür war der Blutdruck wieder in den behaglichen 80er Bereich abgerauscht, was mir zusätzliche Infusionen einbrachte. "Ihnen fehlt Flüssigkeit", sagte die Schwester entschuldigend und ich guckte auf den Beutel, den sie mir da anhängte. "Wenn Sie mir mal meine Tasche gäben, da is auch noch ne Flasche Wasser drin."
Große Klappe meinerseits, ich weiß - aber mein einziges wirksames Allheilmittel im Kampf gegen die Widrigkeiten des Seins. Wenigstens schaff ich das noch aus eigener Kraft und muss dazu nicht erst Pillen schlucken.
Als ich zwei Etagen höher geschoben wurde in eine kleine Kammer mit zwei Monitoren und einem Arzt und ich diesen fiesen schwarzen Schlauch sah, wurde ich mutig: "Ohne Spritze lass ich Sie da aber nicht rein!"
Er hat mich angeschmunzelt, das ist das letzte, woran ich mich erinnern kann.
Als ich erwachte, lag ich abseits in Nummer Drei, meine Papiere lagen auf meinen Beinen und irgendwo sah ich da einen roten Stempel. Aha. Übeltäter gefunden, Schnelltest positiv. Na dann kann ich ja jetzt erst mal nach Hause fahren.
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"Können Sie nicht!" schaute mich die Schwester entgeistert an. "Nach einer Narkose dürfen wir Sie nicht gehen lassen. Auch nicht zur Bahn. Sie müssen abgeholt werden." Ja toll. Und von wem? Junior I könnte in frühestens drei Stunden da sein und Junior II besitzt leider keinen Mopped-Führerschein. Stellte ich mir übrigens witzig vor: Junior II auf einem Mopped und Mutter Helma hängt hinten drauf und schläft im Fahrtwind... Ich könnt jetzt glatt ein Comic dazu malen. Na ja vielleicht morgen. Außerdem liegt Junior II selber grad auf 'nem Krankenlager und täte sich bedanken, würde ich sagen: "Los, steig in die Bahn und gib deiner Mutti Begleitschutz."
Erst mal jedenfalls bekam ich meinen Arztbrief und die Instruktion, wie es weitergehen würde.
"Wer holt Sie ab?"
"Ich ruf meinen Sohn an. Wenns Ihnen nix ausmacht, würd ich gern draußen vor der Tür warten. Ich muss mal an die frische Luft." Sechs Stunden Krankenhausmief gehen einem echt auf die Lunge. Verstand sie.
Manchmal ist es gut, dass Krankenschwestern etwas überlastet sind. Da ist es nämlich OK, wenn Patientin H vor die Tür geht - und nicht mehr wiederkommt :)
Zunächst ging ich nämlich in den angrenzenden Supermarkt, auch um meine Aufmerksamkeit und die Sinne zu testen, und weil das ganz gut funktionierte, ging ich anschließend direkt zu meinem Auto. Hey, bis nach Hause sinds zehn Minuten, das werde ich ja wohl hinkriegen. Natürlich kriegte ich das hin.
Wie lange ich nun anschließend schlief, weiß ich nicht. Mich hatte das Ding-Dong einer eingehenden Handynachricht geweckt. Böse war ich darüber nicht: Es hatte mich aus einem Traum geweckt, von dem ich mir sage "Es geht wohl wieder los, oder was?" Ich weiß noch, dass ich im Auto saß, dass ich von zwei Männern verfolgt wurde, dass ich mich sichern wollte von wegen innen alles verriegeln und so - aber nicht konnte.
Der Nachteil ist nur... Ich bin jetzt wach, hellwach sozusagen - und keiner spricht mit mir oder antwortet mir. Außer der Magen. Vorlautes Ding.