Samstag, 3. November 2012

Entwicklungen

Als ich vor nunmehr beinah 11 Jahren mein Leben neu ordnete und neu begann, da ging ich nur mit meinem damals kleinen Sohn, unseren Sachen - und Juniors Bett. Alles, was mich heute umgibt, verdanke ich den wenigen Menschen, die immer für mich da waren, so wie sie es vermochten, und Menschen, die ich von ganzem Herzen liebe.
Und natürlich auch mir :)
Junior I entschied damals, dort bleiben zu wollen, auf der anderen Seite. Was das für uns alle im Lauf der Zeit bedeutete, konnte wohl niemand vorhersehen - und ich möchte das hier auch nicht ausbreiten. Ich weiß nur eines: Es gibt nur zwei Dinge, die ich in meinem Leben tief bereue, sie zugelassen zu haben - und eines davon ist dies. Nie niemals wieder. Vergangenes lässt sich jedoch nicht umkehren, man hat zumindest in der Gegenwart die Chance, das Beste aus allem zu machen.
Das war in diesen elf Jahren immer mein Bestreben. Es den Kindern so leicht wie nur möglich zu machen, wenn man denn überhaupt von "leicht" sprechen kann in solchen Situationen. Und ich war immer bestrebt, bestimmte Gewohnheiten aufrechtzuerhalten: Ihr Süßkram beim Wocheneinkauf. Zeitschriften, die sie lesen wollten. Frühstücken im Bett. Viel Musik hören (damals hatten wir alle drei noch eher denselben Geschmack :)), viel Schmusen und Kuscheln, viele Gute-Nacht-Geschichten. Taschengeld.. na und so weiter. Vieles jedenfalls, grad wenn ich es hier selber noch mal so lese, das doch selbstverständlich ist. Eigentlich.
Das war es aber nicht für beide.
Und so darf es im Grunde auch nicht verwundern, dass ein Bruder auf den anderen Eifersucht entwickelte: "Wieso er, wieso nicht ich?"
Dass wir viele Jahre solche Kämpfe fochten und es lange dauerte, nicht allein den Gedanken, sondern vor allem auch dieses Gefühl in ihm zu bestärken: "Ich lieb dich über alles, ich bin wahnsinnig stolz auf dich und darauf, was du aus dir gemacht hast - und wann immer du es möchtest, bin ich da."
Im Grunde aber führen wir bis heute solche Diskussionen, wenn es zum Beispiel um so simple Dinge geht, wie das Jungenzimmer in Ordnung zu bringen. Oder zu halten.
"Wieso muss ich hier mit aufräumen? Beim Vater drüben muss ich auch immer alles alleine machen."
Und er will dann nicht einsehen, dass ich unser Leben auch nur in unserem Bereich regeln kann, und nicht für ihn in einem anderen Lebensbereich.
Dennoch gab es in den letzten Jahren immer wieder Momente, in denen er mich erstaunte, überraschte ob seiner Gedankenwelt. Mit der Entwicklung seiner Gedanken ganz aus eigener Kraft. Diese überaus sensiblen Antennen, die alles aufnehmen, aber nur ganz wenig davon auch herauslassen.
Meine kleine große Auster.
An seinem eigenen Lebensraum und damit seinem eigenen Ruhepol arbeiten wir derzeit noch mit aller Kraft.
Dann, da bin ich mir sicher, wird er erst so richtig aufblühen. Sich freischwimmen. Und sich hoffentlich bewusst werden, dass er kein Niemand ist.
Gestern habe ich beim Einkauf Weihnachtskalender mitgenommen. Ich weiß, ist noch Zeit. Aber der Preis war ansprechend und die Kalender keine Null-Acht-Fuffzehn-Teile.
Irgendwann gegen zehn abends kam Junior heim, noch geschafft vom neuen Job, aber irgendwie entspannt. Ich glaube, es gefällt ihm dort. Ich glaub, es macht ihm nicht nur Spaß, sondern tut ihm ebenso gut, dass er Anerkennung nicht nur von der Mama bekommt.
Und so betrat er das Zimmer und begutachtete Bruders Kalender.
"Der ist ja cool", meinte er und lächelte. "So einen wünsch ich mir auch."
Und ich lächelte und zeigte zur Kommode auf der anderen Seite des Zimmers, die im Halbdunkel lag.
"Guck mal, was da steht."

Ich lächelte immer noch, als ich mich in mein Bett verkrochen und die Decke bis an den Hals gezogen hatte. Vielleicht ist es für Außenstehende nicht so nachvollziehbar. Oder sichtbar.
Aber mir wurde bewusst:
Er entwickelt sich. Er entspannt sich. Er schwimmt sich frei. Schon jetzt.
Am Ende ist es immer die Summe all der kleinen Dinge im Leben, die etwas Großes vollbringen.
Es wird alles gut.


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