Montag, 25. April 2016

Ein ewiger Kreis



"I Love Leo". Gestern war wieder einer dieser entspannten Sonntage, an denen man sich mit Freunden im Kaffeehaus trifft, etwas isst, trinkt. Sagte ich schon, dass ich diese Sonntage liebe?
Und dann entdeckten wir dieses kleine Kleinod von Café, irgendwo am Ende einer Häuserzeile kurz vor dem Englischen Garten. Eben "I Love Leo" - so heißt es tatsächlich.
Eins, das nicht gar so rettungslos überfüllt war wie all die anderen Cafés, von denen man denkt: Die sind zwar schön, weiß aber auch nicht jeder. Tja denkste. Auch zum Sonntag mit Mistkackwetter hats die Leute vor die Tür getrieben. Oder besser gesagt: aus der einen in die andere.
So weit bin ich, glaube ich, noch nie für ein Stück Kuchen und einen Milchkaffee gelaufen, zwar im Mantel, aber im kurzen Rock und Stiefeln - und scheiße nee, ich habe gefroren! Blöder Schnee - und das so kurz vorm Wonnemonat Mai, das glaubt einem doch kein Mensch! Auch jetzt rieselt es dicke Flocken - und das, obwohl meine Wetter-App ihre Meinung änderte und aus "Schnee am Mo-Die-Mi" kurzerhand Regentage mit irgendwas um sechs Grad vermeldete. 
Echt blöd, dass ich morgen auf Reisen gehe.
Noch blöder, dass ich seit etwa 10 Tagen Sommerreifen drauf hab. Mäh!

Ja, ich habe gelesen, dass Prince gestorben ist - habe aber trotzdem nicht meinen whatsapp-Status oder mein Profilbild geändert. Weil ich keinen Bezug zu ihm hab, musikalisch nicht und auch sonst nicht. Natürlich ist es immer traurig, wenn sich jemand für immer verabschiedet, aber wenn ich ehrlich sein soll, hat mich der Abschied, von dem Nieselpriem schrieb, betroffener gemacht. Obwohl ich keinen von ihnen kenne. Prince nicht, Nieselpriem nicht - und Jessica auch nicht. 
Aber eine junge Frau mit einem kleinen Kind... Insbesondere als Mama denkt man an die eigenen Kinder, die immer die Kinder bleiben, egal wie erwachsen sie geworden sind. 
Leben und Sterben, der ewige Kreislauf, eins gehört zum anderen, das weiß man alles vom Kopf her. Das Schwierige an diesem Abschied ist, dass er für immer ist. Dass er der einzige ist, der nicht umkehrbar ist. Und je frühzeitiger er passiert, desto schmerzhafter ist das doch.
Fühlt es sich nur für mich so an, dass in den letzten Monaten so viel... "gestorben wird"?
"Wir sind jetzt in dem Alter, wo das immer häufiger passiert", empfindet es Herr Blau, aber ich weiß nicht, ist das so? Achten wir jetzt mehr darauf als vielleicht noch vor zehn, fünfzehn Jahren?
Eigentlich glaube ich das nicht, weil ich nicht auf Abschied fokussiert bin. Grundlegend nicht, in meinem Lebensprinzip nicht. Egal, ob ich 20, 30 oder 40 Jahre alt war. Ich bin es auch jetzt nicht. 
Und dennoch lese ich momentan gefühlt öfter, dass da jemand gestorben ist, den man entweder aus den Medien kennt - oder man liest es in verschiedenen Blogs. Oder es geschieht in der eigenen Familie.

Der Jüngste ist jetzt seit drei Wochen beim Bund - und hat inzwischen seine Einstellung zum Krieg und zum Leben revidiert. Von wegen "Ins Gras beißen müssen wir doch alle mal, ist doch egal, wo."
Inzwischen haben sie in Bild und Film zu sehen bekommen, was Kriegsführung bedeuten kann.
Und es hat ihm zunächst gehörigen Respekt vermittelt - vor dem Leben. Weil wir eben nur dieses eine haben.
Dennoch überlegt er, sich eventuell als Soldat auf Zeit verpflichten zu lassen. Sicher ist er sich darin noch nicht, weil er weiß: Jeder, der länger als ein Jahr beim Bund bleibt, ist automatisch auch zu Auslandseinsätzen verpflichtet. Ich will mein Kind nicht verlieren. Kein Vater, keine Mutter will das. Aber erst recht will ich ihn nicht verlieren in solchen sinnlosen Kriegen um Macht und Geld für die Gierigen der Welt, die selber immer sicher und geschützt hinter Panzerglas Auto fahren und in ihren Wolkenkratzern Kaffee trinken, während für sie draußen die Kinder anderer sterben oder ihnen Arme, Beine weggerissen werden - oder ihre Seele auf dem Schlachtfeld zugrunde geht. 

Ich wünsche mir, Sonntage so wie gestern verbringen zu können. Entspannt in den Kaffeehäusern sitzen, mit beiden Händen die Tasse Kaffee zum Mund führen, lachen, bis die Tränen in die Augen schießen und der Bauch schmerzt; mir den Kuchen genüßlich auf der Zunge zergehen lassen und mit den Söhnen ab und an ein bisschen darüber schnaken, wie ihr Tag so war und obs was Neues gibt. 
Jeder Mensch sollte das Leben genießen können. Und dürfen. 


8 Kommentare:

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Gestorben wird immer. Jeden Tag. Gefühlt sterben schon seit Jahren zig Prominente weg - ich denke da an Amy Winehouse, Robin Williams, Michael Jackson, Whitney Houston und dann natürlich all die anderen, bis in die jetzige Zeit und jüngst halt Prince. Die Frage ist, wie man damit umgeht? Ich persönlich empfinde den Tod als einen Teil des Lebens und habe zu einem großen Teil für mich akzeptiert, dass der Vorhang irgendwann fällt. Ich wünsche mir bis dahin genug Zeit, um leben zu können, wie ich es mir wünsche und mir noch ein paar Träume zu erfüllen. Schade finde ich es, wenn Menschen zu früh gehen, soviel noch vor hatten oder halt Kinder hinterlassen. Das tut mir dann immer besonders weh.

Ich würde mein Kind, egal wie alt, auch nicht in irgendeinem Einsatz verlieren wollen, nur weil die großen Bonzen Krieg spielen müssen.

Möge Dein Sohn weise wählen, ich bin mir sicher, es gibt auch genug Wege, bei denen man sein Leben nicht riskieren muss.

Kalt ist es hier auch. Und wie. Ich war vorhin mit Winterjacke draussen, das ist soo besch...eiden!

Das Cafe klingt toll. Hier sind alle Cafes sowas von überlaufen, dass es fast keinen Spaß macht, drin zu sitzen.

Liebe Grüsse und habe einen schönen Montag!
Clara

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, ja, wie heißt es doch: "Lebe das Leben, du kommst da eh nicht lebend raus." Oder so ähnlich. Letztlich muss man das wohl verinnerlichen - und vielleicht haben wir in unserer westlichen Welt dieses Thema auch zu weit tabuisiert, so dass es heut weniger als Kreis des Lebens empfunden wird, sondern allem voran eben als Verlust.
Mich persönlich macht es jedoch immer wieder betroffen, wenn es Menschen trifft, die einfach noch zu jung waren. Die noch nicht wirklich gekostet hatten vom Leben. Noch nicht genug. Und eben die Kinder zurücklassen, gerade die kleinen bzw. kleineren Kinder.

Und der Junge... Kannst Du Dir vorstellen, wie froh ich bin, dass er jegliche Dinge noch immer mit mir bespricht und vor allem auch Wert auf meine Einschätzung legt? Auch dann, wenn er sich für etwas anderes entscheidet? Zum Beispiel habe ich ihn gefragt, ob es nicht auch denkbar wäre, eine zivile Ausbildung bei der Bundeswehr zu machen und dann über diese Schiene dort zu bleiben. Er will sich darüber informieren, wenn er die Grundausbildung hinter sich hat, und die dauert noch gut zwei Monate. Gestern wurde mir gesagt, dass eine zivile Ausbildung wie auf dem freien Markt ist: Man wird ausgebildet, aber ob übernommen oder nicht, entscheidet der Kapazitätsbedarf. Bzw. das Vitamin B. Na ja mal schauen, erst mal muss er ja die 3 Monate hinter sich bringen, dann schauen wir weiter. Jedenfalls ich möchte nicht, dass er in den Krieg ziehen muss - und nach dem bisherigen "Lehrmaterial" der letzten 3 Wochen hat er seine Einstellung dazu glücklicherweise eben revidiert.

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Hallo Helma, ja, ich kann mir vorstellen, wie froh es eine macht, wenn der Sohn noch soviel mit der Mutter bespricht. Das ist ja nicht alltäglich. Immerhin finde ich gut, dass er sich dieses Lehrmaterial ankucken musste, so kann er sich ein klares Bild machen und läuft da nicht blindlings rein.

Lg
Clara

Pyrgus hat gesagt…

Liebe Helma,
ich verstehe dich gut, und ich bin so froh, dass meine Söhne um die Wehrpflicht herum gekommen sind damals. Gibt so schöne Lieder von Reinhard May zum Thema: "Nein, meine Söhne geb ich nicht" und noch ein anderes, da fällt mir der Titel grad nicht ein.

Als einer von Vielen in einen Krieg ziehen, der eigentlich nicht der unsere ist, nur damit irgendwelche Bündnisvorgaben erfüllt werden? Ob da ein Leben bei draufgeht, ist egal. Sperr ihn zur Not ein und mach nen Riegel vor die Tür. (ach wenn das manchmal möglich wäre...)
herzlich
Gabi

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Helma, auch wenn die Soldaten aus einem Krieg körperlich unverletzt nach Haus kommen - ihre Seele hat auf jeden Fall einen Schaden wegbekommen. Manche erholen sich nie davon und manche nehmen sich noch Jahre später das Leben, weil sie mit den Bildern im Kopf nicht fertig werden.

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Sch... mein Text ist weg.
Ich hatte geschrieben, dass die Soldaten vielleicht körperlich gesund aus einem Krieg nach Haus kommen - ihre Seele nimmt immer Schaden.
Lieben Gruß zu dir!

VibesBild hat gesagt…

Das dämliche an Soldaten ist, dass deren Sinn und Bestimmung eben einzig jener ist, als Kanonenfutter für die Gier der Mächtigen hinhalten zu müssen. Also mal auf einem sehr kurzen und platten Nenner zusammen gefasst. Alle Kriege - ausnahmslos - sind sinnlos und ich kann verstehen, dass es Dich er-schüttert, dass Dein Sohn nicht nur eingezogen ist, sondern sogar erwägt, sich auf Zeit zu verpflichten.

Der Mist ist eben der, dass wir auf den Erhalt des Friedens, auf den Erhalt friedvoller Momente, auf den Erhalt von Liebe keinen Anspruch haben. Je älter ich werde, desto schwerer fällt mir das Gehenlassen. Unlängst feierten wir den Geburtstag meines alten Herren. Das war ein so wunder-volles Zusammentreffen, so schön und tief be-rührend... und dann switchte mir der innere Zensor dazwischen, der mir zuzischte, dass seine Erdenpräsenz absehbar befristet ist. Das macht mich so unendlich traurig, weil ich ihn nicht gehen lassen will. Weil da irgendwas in mir drin trotzig einfordert, ein Anrecht auf ewiges Glück gepachtet zu haben. Ja, ich weiß, dass das alles dumm ist, dass es unreif, kindisch ist. Mein Daddy ist ja ein recht alter, recht rüstiger Herr und er blickt auf ein langes, abenteuerreiches und erfülltes Leben zurück. Viel abwegiger ist es dann - für mich - wenn junge Leben riskiert werden. Für so einen verdammten Mist...

Da kann ich Dir nur wünschen, dass Du trotzdem weiterhin die schönen Momente genießen kannst - und wünschend, dass Dein Sohn eventuell doch noch um-denkt.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebes Vibesbild, das waren haargenau meine Worte vor Wochen an den Sohn: "Ich will nicht, dass du das Kanonenfutter für die anderen bist! Du bist ein Wunschkind, ich wollte dich unbedingt haben - aber doch nicht dafür!"

Ja, ich hab auch manchmal darüber nachgedacht - liegt es am Alter, dass mir das Gehenlassen immer schwerer fällt? Dass am liebsten alles so bliebe wie es ist? Mit den Eltern, mit den Kindern - überhaupt mit den Menschen, die man liebt?
Nein, ich finde Deine Gedanken nicht kindisch, nicht unreif - sie drücken doch letztlich nur die Liebe zu Deinem Papa aus!

Und der Junge... Er hat zumindest dahingehend umgedacht, dass er nur übergangsweise beim Bund bleibt. Er denkt inzwischen über eine ganz normale zivile Ausbildung nach - aber er findet sich einfach nicht. Er weiß, was er nicht will, aber er weiß nicht, in welche Richtung er gehen will und welche Möglichkeiten er hätte. Wie oft habe ich gesagt: "Lass dich doch mal beraten!" Aber siehe heutigen Post... Er kam einfach nicht in Gang und je länger er zu Hause war, desto schlimmer wurde das.
Er wird zunächst 7 Monate beim Bund sein; Auslandseinsätze sind damit erst mal ausgeschlossen. Deswegen dränge ich auch so, dass er sich das Sportabzeichen holt, um im Bewerberverfahren beim Zoll eingeschlossen zu bleiben. Während er denkt: "Ich hab seit dem Test im Januar nichts mehr von denen gehört, wer weiß, vielleicht habe ich den ja gar nicht bestanden." Telefonische Nachfragen haben nix gebracht (sind auch nicht gerne gesehen) - aber sie hatten ihm letztes Jahr geschrieben, dass er bis Juni Zeit hat, das Abzeichen einzureichen. Ich bin da soooo dran, dass er das macht, denn nein: Auf Dauer wünsche ich mir unbedingt was anderes als den Bund.
Ja, wir haben Frieden in der Welt nicht gepachtet - aber ich sehe auch nicht ein, dass wir unsere Kinder hergeben müssen für die Idiotie anderer Leute weiter oben.