Mittwoch, 7. Dezember 2016

Ich will doch nur spiel'n!

Letztens las ich irgendwo, dass nicht Facebook, Twitter & Co. die schlimmsten Enthüllungsmonster seien - sondern Vierjährige im Kindergarten.
Einem Spontanprusten unterlegen, hätte ich beinah das köstlichste aller guten-Morgen-Getränke verschüttet - in Erinnerung an meinen Vater, der diesen Satz vermutlich nicht nur doppelt und dreifach unterstrichen, sondern auch mit tonaler Vehemenz (ausreichend bis zum Stadtrand, ach nee, da wohnense ja, als sagen wir: bis zur Stadtmitte) bekräftigt hätte.
Meine Mama - Zeit ihres Lebens Erzieherin - hat, glaube ich, zwei Kardinalsfehler in ihrem Leben begangen: eine redselige Tochter zu bekommen und diese dann auch noch mit in ihren Kindergarten zu nehmen. Dass sie mich nicht in ihrer, sondern in der Gruppe ihrer Kollegin unterbrachte, war möglicherweise ein dritter Kardinalsfehler. Ich weiß heute nicht mehr, wie oft diese Erzieherin zu meiner Mutter schritt: "Sag mal, was war denn bei euch los, Helma hat da sowas erzählt?!" Ich weiß demzufolge auch nicht mehr, wie oft meine Mutter puterrot nach Ausreden gesucht und mein Vater abends die Augen verdreht und entnervt ausgeatmet hat: "Man kann sich ja nirgendwo mehr blicken lassen!"

Und weil ich auch heute noch dann und wann ganz gerne erzähle (lustigerweise im Blog mehr als im Realen, nu ja, immerhin), war dies jetzt die - zugegeben etwas längere - Einleitung zu dem, was ich eigentlich erzählen wollte. Nämlich was über meine Eltern.

Meine Mama ist ein Spieljunkie. Also nicht für Geld, das hat sie nie gemacht, wird sie auch nie. Aber Spielen just for fun ist einfach ihr Ding. Unzählige Abende und mitunter auch halbe Nächte haben wir "Mensch ärgere dich nicht" oder Rommé oder Bridge gespielt. Dann - vor rund 15 Jahren - hielt bei Ziggenheimers sen. der erste Computer Einzug - und mit Solitär fing dann alles erst so richtig an. Sie hat sich auch übrigens geschätzte zehn Mal bei Günter Jauch beworben. Eine Antwort ist leider nie gekommen. Und Lotto - ach, von Lotto muss ich nix erzählen. Aber da sind sich beide auch einig: Lotto muss.
Sie waren sich überhaupt in der Hinsicht meist einig: Der Papa schaut Fußball oder Dokumentationen aus Fauna und Flora und die Mama sitzt am PC und zockt. Der Papa hatte vielleicht nur nicht bedacht, dass die Mama dann NUR noch zocken würde.
"Ja wo soll deine Mutter schon sein? Am PC natürlich!" hat er zu oft entnervt ins Telefon geschrien, "ich kann froh sein, wenn ich hier noch was zu essen kriege!"
Die Mama hat gnädig lächelnd abgewunken: "Was regst du dich so auf? Du spielst ja nicht mit mir."
(Ich glaube, ich bin Mamas Kind!)
"JA und du weißt auch ganz genau, wieso!" hat er sich dann erst recht in Rage geschäumt.
Und dann lacht die Mama nur noch - genauso wie ich am anderen Ende der Leitung.

Es muss um die 20 - 25 Jahre (ja tatsächlich!) her sein, da saßen die Mama und der Papa abends gemütlich beim "Mensch ärgere dich nicht". Der Papa brachte drei seiner Kegel ins Häuschen, während die Mama drei ihrer Kegel noch nicht mal ins Spiel bringen konnte. Der letzte Kegel vom Papa stand vorm Häuschen und was ihm zu seinem Sieg noch fehlte, war der Würfel mit ner Eins. Siegessicher hat er gezählt: "Das schaffst du nie! Du müsstest jetzt drei Sechser und einen Fünfer würfeln, um mich hier rauszuschmeißen, aber eh du da bist, bin ich schon drin!"
Und die Mama würfelte.
Die erste Sechs.
Die zweite Sechs. (Da wurde der Papa leicht nervös.)
Die dritte Sechs. (Ich vermute leichten Blasenschlag des Papa-Blutes in den Adern.)
Als die Fünf kam, packte der Papa das Brett und warf es in so hohem Bogen in die Zimmerecke, dass noch Jahre später Kegel wiedergefunden wurden.
"DAS IST BETRUG!!" hat er gebrüllt und noch so einiges anderes, das ich trotz aller Schwatzhaftigkeit hier gar nicht wiedergeben möchte.
Die Mama hat sich gelassen amüsiert: "Ich glaube, du hast den Sinn des Spiels nicht verstanden."
(Ich BIN ihre Tochter!)

Fakt ist: Er hat seither kein Brettspiel mehr angefasst.
Und wir haben der Mama vor zwei Jahren ein Tablet zu Weihnachten geschenkt und ihr erklärt, wie sie damit sowohl offline als auch online spielen kann. Sie muss ja schließlich mit der Zeit gehen - auch beim Spielen.
Und unabhängig sein. Ich habe es bewusst vermieden, mich zu fragen, wie oft der Vater wohl seine drei Kinder verflucht hat. Zu essen wird er wohl immer noch bekommen haben, er sieht zumindest ganz danach aus!

10 Kommentare:

Gunda hat gesagt…

Haha, herrliche Geschichte! :) Ich wäre wohl in Eurer Familie das Papa-Kind gewesen. Kann ihn gut verstehen und möchte auch nicht so gern "Mensch ärgere dich nicht" spielen. :p ;)
Tja, und das mit dem Kindermund kennt man ja ... - wer sich in Gefahr begibt ... :)

Viele Grüße
Gunda

gretel hat gesagt…

So genau möchte ich wohl gar nicht wissen, was das ununterbrochen sabbelnde kleine Kind jeden Tag alles in der Schule erzählt. Seit Kindergartentagen bis jetzt (5. Klasse) wird herzig, blauäugig, hemmungslos alles weitergetragen.
Wir spielen hier gerne mal, aber nicht zu oft. Wenn, brauchen alle starke Nerven, weil der Mann ein notorischer Schummler ist. Da könnte man doch glatt manchmal ganz wie dein Papa reagieren.....
Liebe Grüße

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Gunda, ich liebe Mensch ärger dich nicht heute noch, weil es ein kurzweiliges und - wenn man das möchte - recht lebendiges Spiel sein kann :) Der Mann liebt ja eher so die Denk- und Strategiespiel (ich sage nur: Monopoly *würg*) - aber ich bin eher für das Actionreiche. Da darf so ne Pappe auch ruhig mal in die Ecke fliegen :D

Ha ha ha Gretel - ich erkenne mich in Deinem Kind so völlig wieder :D
Oft wird übrigens hier im Blauen Ziggenheim auch nicht gespielt, ist ja auch bisschen öde so zu zweit. Aber wenn wir mal auf der Insel sind... Habe da letztens erst ein "uralt" Video rausgekramt, muss vor 6 1/2 Jahren gewesen sein - joar, da ging die Post ab! Am lautesten war natürlich ich. Ich kann auch lebhaft :D

Abalone hat gesagt…

Bei uns wurde auch immer viel gespielt. Bei Mensch-ärger-Dich-nicht mit meinem Bruder galt Schummeln-was-das-Zeug-hält und wenn wir im Sommer im Garten unseres Wochenendhäuschens Karten gespielt haben, flogen immer die Hölzer über den Tisch. Man darf halt nicht Sätze wie "Karte oder 'n Stück Holz" sagen, wenn man sich mitten in der Natur befindet... ;o)

Ansonsten spiele ich nach wie vor gerne - mein Schrank ist proppenvoll mit Spielen - und dabei ist es mit ziemlich egal, welche Art von Spielen. Hauptsache man spielt mit den richtigen Leuten und es ist dabei so richtig schön chaotisch!

ganga hat gesagt…

Eine köstliche Geschichte mit viel Identifikation:-)
Und dass ihr dafür sorgt, dass die Mutter mit der Zeit geht. Super. Das der Vater euch alle miteinander darüber manchmal verfluchen möchte kann ich mir gut vorstellen. Er kann aber auch froh sein, dass er seine Ruhe hat beim Fernsehen von Flora und Fauna, dass könnte nämlich auch anders sein.
Herzliche Grüße
Ganga

Annika hat gesagt…

Schön, liebe Helma.
Mein Vater hat uns gnadenlos bei Monopoly abgezockt. No mercy für die lieben Kleinen. Ich bekam nie die Schlossstraße. Verdammt.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Abalone, genauso ist das: Wenn die richtigen Leute mit am Tisch sitzen, dann macht das richtig Spaß. Aber wir wohnen einfach alle viel zu weit voneinander entfernt und finden uns entsprechend selten alle zusammen.
Außer Weihnachten! Weihnachten ist dieses Jahr auf der Insel - ich freu mich schon jetzt!!

Ja da musste ich lachen, Ganga: Es könnte in der Tat ganz anders für ihn laufen ;) Wenn wir dann aber mal spielen, dann kommen öfter mal so die verschiedensten Einwürfe. So was wie: "Orrr, geht das auch ein bisschen leiser?" oder "Hab ich euch doch gleich gesagt - mit eurer Mutter braucht ihr gar nicht zu spielen, ihr habt keine Chance!" :D

No Mercy, Annika? Kennt meine Mutter auch nicht. Getreu ihrem Sternzeichen (Stier!) stürmt sie über jedes Spielfeld und putzt alles weg, das sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hat. Da kennt se nix!

Goldi hat gesagt…

Ohja, solche Spieleabende/tage sind toll. Herr Gold ist zu zweit leider nicht so spielfreudig und unser Anti-Monopoly findet er doof - liegt daran das ich immer gewinne und das niemals gar nie nich mit Schummeln :-D -

Nila hat gesagt…

*Kicher* ich oute mich zum Papakind. Ich spiele mit meiner Familie nie wieder Mühle.......grmpf
Hahaha, ich arbeite in einer KITA. Ich kann euch allen nur sagen, ich erfahre jeden Tag die neuesten Klatsch-und Tratsch Geschichten aus den vielen Familien meiner Schützlinge.
Sie sind mehr als redselig. Oft krabbeln sie freudig auf meinen Schoss und los geht mit dem erzählen.....
Gott Sei Dank haben wir Schweigepflicht. hihihi
Erst vorige Woche hatten wir ganz eine witzige Angelegenheit. Da erzählte mir ein Mädchen, dass sich Ihre Mama die "Muschi" rasiert hatte, sich aber dabei ganz tief in den Schamlippen geschnitten hat, dass Papa mit ihr nähenfahren musste.
Jetzt muss ich jedes Mal wenn ich diese Mama sehe, leise vor mich hingrinsen. SorrY! :)
Ganz liebe Grüße von einer amüsierten KITA-Tante
Nila

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja ne is klar, Goldi! :D

Danke Nila - jetzt habe ich Kopfkino!!! :D
Aber interessant auch, was Eltern ihren Kindern so erzählen! Ich meine, im KITA-Alter hätte ich meinen Jungen nicht gesagt, was ich gemacht habe und was mir dabei passiert ist.
Eigentlich... würde ich ihnen das in keinem Alter erzählen :D