Samstag, 22. Juli 2017

A Matter of Trust



Bis vor drei Tagen lag vor meinen Söhnen und mir eine Zeit der Unsicherheit und der Anstrengung. Für den einen noch nicht abschließend geklärt, ob er in den neuen Job übernommen würde und für den anderen noch offen, ob er in der Heimatstadt einen Ausbildungsplatz bekäme oder es doch bei der Zusage für den über 100 Kilometer entfernten Ort dort, wo Fuchs und Igel sich gute Nacht sagen, bliebe. Was dann die Frage aufwarf: Was wird mit der Wohnung in L, auflösen und jeder Junge zieht in eine andere WG oder in eine eigene Einzimmerwohnung? Zumal wir noch aus der Erfahrung von vor fünf Jahren wissen, dass eine WG in L nicht einfach zu bekommen ist - und mit dem Entdecken von L als wirklich coole Study-Stadt ist es bis heute immer noch ein ausgesprochener Glücksgriff.
Dass jeder eines Tages sein eigenes Zuhause haben wird, ist auch fraglos - jedoch für den Moment empfand ich für beide die aktuelle Konstellation als einen dicken Pluspunkt: Der eine übt sich im Sozialverhalten und der andere versinkt nicht in der Einsamkeit, in die er eben gerade jetzt nicht geraten sollte. Das gab schon... etliche schlaflose Nächte in der letzten Zeit, aber manchmal... Es ist schon merkwürdig zuweilen: Man öffnet morgens nach einer weiteren zergrübelten Nacht die Augen, man steht auf und während man beim Zähneputzen in den Spiegel schaut, sich in die Augen schaut, da.. lässt man los und denkt: "Du kannst es jetzt eh nicht ändern, aber wir werden schauen, dass wir das Beste draus machen. Haben wir doch bislang auch immer irgendwie hinbekommen."
Man denkt und grübelt, dann akzeptiert man die Situation und überlegt Wege - und dann... kommt alles doch ganz anders.

Am Mittwoch auf dem Weg nach L drehte ich die Musik auf, wie immer, wenn der Kopf übervoll ist. (Ich kann eigentlich nur alleine Auto fahren, weil vermutlich niemand meine Playlist und vor allem nicht den Lautstärkepegel ertragen würde. Wird also wieder spannend in einer guten Woche, wenn dann Herr Blau neben mir sitzt. Werde ihm seine Ohrstöpsel einpacken, sicher ist sicher ;)) Und wie immer entwickle ich auf diese Weise die meisten umsetzbaren Ideen. Kam ich in L an, sprach mit beiden Jungen, entwarfen wir eine to-do-Liste und dann am Abend kommt der eine nach Hause: "Ich hab den Job. Die Kollegen haben gesagt, sie wollen auf jeden Fall mit mir arbeiten, der Disponent will das auch, jetzt muss nur noch der Chef zustimmen, aber der wird dann wohl auch nicht Nein sagen."
"Und das erzählst du mir hier so nebenbei???" Ich bin förmlich auf ihn zugesprungen, habe ihn gedrückt und auf die Wange geküsst und er verdrehte wie immer schmunzelnd die Augen: "Diese Frau macht mich fertig!"
Als ich gestern Nachmittag die Bürotür hinter mir schloss und mich noch einmal auf einen kurzen Zwischenstopp nach L begab, um anschließend nach M weiterzufahren, da meldete sich der andere: "Ich tanze hier gerade im Dreieck!! Ich muss doch nicht nach *Kuhdorf*, ich hab die Zusage für L! Ich kanns noch gar nicht glauben!!" Der Rest ging in meinem Jubelschrei unter. Zehn Minuten später tanzten wir gemeinsam im Dreieck und dann spürte ich, wie mir mit einem Mal die Beine weich wurden und nachgaben: Die Anspannung wich mit einem Schlag.
Alle Probleme mit nur einem Zweizeiler des künftigen Arbeitgebers gelöst, keine offenen Fragen, keine Sorgen, keine zusätzlichen finanziellen Belastungen.
Als ich ins Auto stieg, blieb ich noch einen Moment sitzen, führte ein, zwei Telefonate und spürte ich selbst währenddessen noch immer eine wunderbar ungläubige Fassungslosigkeit in mir, wie sich innerhalb von nur wenigen Tagen alles verändert hatte. Ich begann mich zu fragen, ob nunmehr, nach all den Jahren des Kampfes, der Mühen, der schlaflosen Nächte und der angespannten Tage jetzt endlich, endlich die Erleichterung eintreten würde, nach der ich mich so gesehnt und die ich mir so für uns drei gewünscht hatte. Die 15 Jahre der Ehe waren schon ein absoluter Krampf, die gut 15 Jahre seit dem Ende der Ehe waren es umso mehr - und jetzt sollte es tatsächlich auch mal etwas einfacher für uns werden?
Gerade für meinen Ältesten freue ich mich so irre, weil er sich schon jetzt nach den drei Wochen einfach nur wohl dort fühlt, bereits jetzt erste Kontakte geknüpft hat und auch sagt: "Warte nicht nach der Spätschicht auf mich, wir trinken mal noch ein Bier."
Das hat es in den zwei Jahren in unserem Unternehmen nicht gegeben - und es hieß immer: "Das liegt ja nur an deinem Sohn."
Ja eben nicht. Es ist einfach auch eine Frage des Umgangs. Und vielleicht bringe ich das zu gegebener Zeit auch mal an - und befreie auf diesem Weg auch gleich meine Seele von den vergangenen 25 Monaten, in denen sich eine verdammt große Menge ansammelte.

Als ich den Schlüssel in das Zündschloss steckte und den Motor anließ, da fühlte ich mich mit einem Mal so unfassbar entspannt und zugleich so müde, dass ich am liebsten wieder ausgestiegen und noch eine Nacht in L geblieben wäre. Aber hier wartete Herr Blau, ich wollte einfach auch nach Hause, und ich wollte auch gleich noch mal diesen Moment der Musik, die ich so sehr aufdrehen kann, wie ich es brauchte und wie es die Technik zuließ.
A Matter of Trust.
Seit zwei Tagen in meiner Playlist und ich hör ihn rauf und runter, nicht nur, weil ich gerade jetzt in genau der richtigen Stimmung für genau diesen Sound bin, sondern auch weil er so richtig gut zu Herrn Blau und mir passt. Mit jeder Zeile.
Alles eine Frage des Vertrauens.
Und wenns daran mangelt, dann hilft vielleicht auch ein bisschen Glauben, Wünschen und Hoffen.

Am späten Abend schrieb der Ältere: "Habe heute den Vertrag unterschrieben. Am 1. August gehts los. Ich hab die nächste Woche noch mal frei, bin aber schon zum Sommerfest am Donnerstag mit eingeladen."

Ich hab ihnen versprochen, dass wir die Kuh übers Haus fliegen lassen, wenn ich wieder da bin.


7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich freu mich so sehr fuer Dich und Deine Jungs. Auch auf die Gefahr hin, dass es sich ausgelutscht anhoert: Alles wird gut!

Liebe Gruesse,
Luna

petra {limeslounge/gk} hat gesagt…

Klasse, ich freu mich für Euch! 🎉

Bohli hat gesagt…

Einfach nur Glückwunsch. Manchmal sind es die kleinen Momente die einen zum Lächeln bringen - weil sie genau das tun was sie sollen ;-)

Herr MiM hat gesagt…

Ach schön... einfach schön, wenn denn auch mal etwas glatt läuft.

Pyrgus hat gesagt…

Das freut mich sehr für euch! Ach ich kenne das, man macht sich oftmals zuviel Sorgen und nimmt sich selbst die Kraft, die man eigentlich braucht, um die Situationen durchzustehen. Ich für mich habe gemerkt, dass ich die besten Lösungen meist nicht nach stundenlangem Grübeln ins Hirn bekomme, sondern eher mal so zwischendurch, auf dem Silbertablett, wenn ich gar nicht damit rechne.

Dann habt ihr ja doppelten Grund zu feiern! Viel Spaß!
Gabi

Mirtana hat gesagt…

Das ist so schön <3

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ich danke Euch!
Ja Gabi, mit der Grübelei nimmt man sich selber die Kraft, das stimmt. Jedoch hätte der Ausbildungsort in *Kuhdorf* so einige Konsequenzen bedeutet, auch für mich, von denen mir noch nicht ganz klar war, wie wir das alles hinbekommen würden.
Dass die Jungs mal jeder ein eigenes Zuhause haben werden, ist ja alles klar, aber für den Moment ist das grad ein wirklicher Glücksgriff, den ich auch jetzt immer noch nicht glauben kann ;) Er nimmt so enorm viel Belastung (warum, mag ich im Detail so aber nicht aufschreiben) und ich bin auch froh, dass auch für die beiden Jungs diese Lösung derzeit die beste ist. Dass sie sich noch eine Weile haben und dadurch "wachsen" ;)