Mittwoch, 10. April 2019

Das Versprechen, das wir geben


Es war im Jahr der Trennung vom Vater meiner Kinder, es war wohl auch nur wenige Wochen danach. Nur kurz wollte ich eine Freundin besuchen, ihr etwas übergeben, glaube ich, vielleicht auch abholen, ich weiß es nicht mehr so genau.
"Wir warten hier im Auto auf dich", sagten die Kinder und der Große schaute mich an: "Du kommst doch auch gleich wieder, oder?"
"Ja", versprach ich, "es dauert nicht lange. Ich bin gleich wieder da."
Aber so war es nicht. Sie fragte mich, wie es mir ginge, und zu jener Zeit war das wie wenn man einen prall gefüllten Ballon ansticht: Er lässt alles raus.

Erst viel später erfuhr ich, dass in der Zwischenzeit der Große aus dem Auto gestiegen war und vor dem Grundstück der Freundin auf und ab lief. Dass er immer wieder sagte "Du hast gesagt, es dauert nicht lange, und jetzt kommst du gar nicht. Du hast mich belogen. Genauso wie der Vater, ihr habt mich beide belogen."
Offen gesagt, es ging mir durch und durch, als ich das erfuhr. Es ging mir so durch, warum ich so unüberlegt versprochen und gehandelt hatte. Vielleicht hatte ich die Uhr nicht im Blick, vielleicht hatte ich auch nicht im Blick, wie lange der Besuch bei der Freundin tatsächlich gebraucht hatte. In jedem Fall mehr als etwas zu übergeben und abzuholen.
Wenn ich überhaupt heute so über die vergangenen Jahre nachdenke.. über Versprechen, die ich gab in dem guten Glauben, die auch einhalten zu können - um sie dann doch dann und wann aufzuweichen, abzuändern, der aktuellen Situation anzupassen.
Damals glaubte ich tatsächlich, das bedeute Flexibilität im Denken und Handeln. In Wahrheit ist es schlichtweg Unzuverlässigkeit.
Mein eigenes Kind hatte aufgehört, mir zu vertrauen, indem es sich nie sicher sein konnte, ob gegebene Versprechen auch eins zu eins eingelöst oder doch abgeändert würden. Mein eigenes Kind fühlte sich von mir verraten und belogen. Ich sehe noch heute sein kindliches Gesicht vor mir, die großen enttäuschten Augen.

Ich habe nie wieder etwas versprochen, von dem ich mir nicht sicher war, ob ich es würde einhalten können. Entweder habe ich mit Vorbehalt zugesagt - oder ich habe nur noch Dinge versprochen, deren Einlösung keine Frage war. Natürlich gibt es auch Situationen, die sich ändern, worauf Du selbst auch keinen Einfluss hast. Dann müssen Pläne, Vorhaben, Zusagen manchmal angepasst oder schlimmstenfalls auch zurückgenommen werden. Das dann aber in beiderseitiger Absprache.

Ansonsten gilt seither für mich:
Ein Versprechen ist ein Versprechen. Und wenn du es nicht halten kannst, dann gib es auch nicht.

5 Kommentare:

Die Mitvierzigerin hat gesagt…

Dein Post erinnert mich an ein Versprechen aus meiner Kinderzeit, welches mir meine Mutter mal gab. Ich war gerade 9 Jahre alt und hatte ein Kinderbuch über Alma - Ata (eine Stadt in Kasachstan) gelesen und ihr davon vorgeschwärmt. Sie hat mir damals leichtsinnig versprochen, mal mit mir dorthin zu fahren. Im Nachhinein betrachtet war dieses Versprechen völlig unsinnig und sie hat es kurze Zeit danach auch schon wieder vergessen. Doch ich habe noch viele Jahre daran gedacht. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass wir nie in Alma - Ata waren. Die Stadt selbst war es auch nicht, der ich hinterhertrauerte. Ich trauerte vielmehr um das gebrochene Versprechen, dass immer irgendwie zwischen uns hing. Es waren noch viele andere Gelegenheiten, die mich an meiner Mutter zweifeln ließen. Schlimme Dinge sind zwischen uns vorgefallen. Doch das gebrochene Versprechen von damals ist noch immer in meinem Gedächtnis....
Ich habe daraus gelernt. Meinem Sohn verspreche ich niemals etwas, von dem ich mir nicht absolut sicher bin, es auch halten zu können. Er macht sich manchmal lustig drüber, dass mein Standardsatz lautet "Ich werde mein Möglichstes tun... ". Aber ich weiß, dass er sich auf mich verlässt und dass er mir glaubt. Sein Vertrauen ist sein größtes Geschenk an mich...

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Mitvierzigerin, lieben Dank für Deinen Kommentar! Ich weiß gar nicht, ob mein Sohn da heute noch dran denkt, aber ich tu es. Und ich glaube, inzwischen habe ich sein Vertrauen wiedergewonnen. Meinem Empfinden nach weiß er inzwischen sehr wohl, dass ich immer da bin und auch immer zu meinem Wort stehe. Es gibt auch nach wie vor Situationen, in denen ich es ihnen sage, und dann verdreht er die Augen, lacht und sagt: "Aber das weiß ich doch, Mutsch."
Vielleicht ist es am ehesten daran zu erkennen, dass er sich immer gleich bei mir meldet, wenn er irgendetwas hat, mit dem er nicht weiterweiß.
Manchmal denk ich, dass die Situation vor dem Haus meiner Freundin vor allem etwas mit der Trennungssituation an sich zu tun hatte, und dass er sich in dieser Zeit so verloren wie sonst nicht gefühlt haben muss. Das tut mir bis heute irgendwie weh, und möglicherweise bin ich auch deshalb bis heute noch immer so nah an den (beiden) Jungen dran. Nähe an einer langen Leine. Das war ein harter Weg.

gretel hat gesagt…

Ich lasse mal wieder einen lieben Gruß da.

Deine Geschichte und auch die Antwort von Mitvierzigerin aus anderer Perspektive finde ich unwahrscheinlich berührend. Ich versuche auch, mit Versprechen sehr sparsam zu sein, weil ich die Antennen der Kinder spüre, manchmal gelingt es nicht, weil ich fest überzeugt von bin, das Versprechen halten zu können oder weil das "vielleicht" bei den Kindern nicht richtig ankommt.
Deinen Söhnen geht es hoffentlich gut. Jetzt, da meiner nicht mehr bei mir wohnt, werden die Sorgen trotzdem nicht kleiner, sondern eher größer, da man nicht mehr alles im Blick hat.
Liebe Grüße

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Gretel, ach Mensch, ich freu mich immer so, wenn ich was von Dir lese!
Ja, die Antennen der Kinder.. Grad die vom Ältesten sind unfassbar sensibel, aber ich muss einfach ehrlich sagen, dass ich nicht immer die Zeit hatte, mich auf alles einzulassen. Es gab eine Zeit, in der ist mir alles schlicht über den Kopf gewachsen. Selbst wenn es nie böse Absicht oder bewusste Nachlässigkeit war, so hab ich dennoch zwar immer gedacht, Versprechen einhalten zu können, auch erklärt, wenn etwas nicht ging - aber in Summe..
Und ja, die Sorgen werden nicht kleiner, wenn sie nicht mehr bei einem wohnen. Grad weil man eben nicht mehr alles im Blick hat. Eine räumliche Distanz hilft uns aber auch, dass sie ihren Weg finden. Darauf vertraue ich.
Sagen wir es so: Dem Jüngeren geht es gut, beim Älteren haben mich die letzten Wochen doch einige Sorgen geplagt, insbesondere gesundheitliche, auch hinsichtlich der mentalen Gesundheit. Im Moment geht es ihm wieder besser, vielleicht hat die Woche Urlaub zum Durchatmen doch auch ganz gut getan. Ich bin extrem froh und dankbar, dass es die Jobkonstellation ermöglicht, dem Jungen seinen Raum zu lassen und dennoch immer noch nah genug dran bleiben zu können. Mit etwas anderem könnte ich derzeit nicht leben.

Goldi hat gesagt…

Du bist wiedergekommen, du warst all die Jahre da, du bist heute da!

Ja, das Bild von dem Knirps vor dem Haus tut weh, aber es war ein Moment, wir selber wissen, dass Minuten besonders, wenn man in einem "Angsttunnel" steckt, sich wie Jahre anfühlen...

Ich verspreche nur was ich halten kann bzw. setze ich alles daran mein Versprechen umzusetzen und gebe erst dann Ruhe, wenn ich es getan habe. Zu oft wurden mir Versprechungen gemacht, die nie auch nur im Ansatz eingehalten wurden. "Meine" Menschen, die heute um mich rum sind, wissen das sie mir nichts versprechen dürfen. Ich kann das Schema "dann musst du es einhalten" nicht durchbrechen und die Enttäuschung, die darauf folgt ist für unser miteinander bzw. mein Vertrauen tödlich. Ja, ich kenne mein Schema, der Verstand ist da auch vollkommen klar, aber die Gefühle gehen dann einen anderen Weg. Mit innerem Gespräch lässt sich bei mir einiges gerade biegen, aber ich brauche enorm lange und viel Kraft um das Vertrauen, dann wieder aufzubauen, also zum Wohle von mir und dem engen Kreis, keine Versprechen.