Samstag, 8. April 2023

Angekommen und noch nicht angekommen

 Da waren wir nun. Zurück in L. Mit ungefähr einhundert statt dreißig Umzugskisten. Der Mann genervt vom ganzen Stress, der körperlichen Anstrengung und der Gesamtsituation. Ich müde und am Anschlag. Nochmal, da waren wir uns erst mal einig, werden wir einen Umzug nicht mehr selber machen. Sondern alles abgeben an Menschen, die das täglich machen. Auf jeden Fall aber werden wir dann an beiden Wohnorten Parkverbote beantragen, besser ist das ;) Also beantragt und genehmigt waren sie ja, die Papiere dazu hatte der Mann auch überall dabei - aber der Mann dachte, eben auch, er könnte sich das Geld für die Verbotsschilder sparen, weil da in M schon seit Wochen welche standen, an die wir dann einen Zettel anbrachten. Beachtet hat die Schilder natürlich kein Schwein, und in M, wo die Polizei für solche Sachen zuständig ist, wurde von den Beamten freundlich erklärt: "Diese Schilder sind leider nicht DIN-gerecht. Wenn sie das wären, könnten wir sofort abschleppen lassen, so aber dürfen wir das nicht." Herzlich willkommen in Deutschland :) Hat mich sehr amüsiert. 

Andererseits frage ich mich: Was genau wollen wir eigentlich abgeben? Das Einpacken würde der Mann sowieso wieder selber machen wollen - immerhin bewahrt er eine Unmenge an Erinnerungsstücken auf, an die er keine fremden Finger lässt. Möglicherweise hat sich das auch ausgezahlt - es ist tatsächlich nichts kaputtgegangen, nichts bis auf ein einziges Teil aus Glas, von dem ich mir ein erleichtertes Grinsen nicht verkneifen konnte "Es gibt doch noch einen Glas-Gott!" Ich meine, Dekanter mögen gut und praktisch sein. Aber wenn man in der Realität so ein Teil lediglich im Schrank zu stehen hat, das nicht nur Platz wegnimmt, sondern auch pottenhässlich aussieht, dann kann man schon mal dankbar sein, dass einzig dieses Teil sich von dieser irdischen Welt verabschiedet hat ;) Aber auch sonst war ich in den letzten Monaten beim Einpacken und auch jetzt zuletzt beim Wiederauspacken immer wieder erstaunt, WAS der Mann da so alles aufbewahrt. Also nicht, dass mich wer falsch versteht: Ich mag es, Erinnerungsstücke aufzubewahren, die habe ich auch. Und ich mag es, Dinge zu schätzen. Aber.. muss man wirklich ALLES aufheben? Nein, ein Messi ist er nicht, Gott bewahre. Aber zuletzt standen in unserem Wohnbereich noch acht Kisten. Acht, von denen er sagte: "Das mach ich mal in Ruhe, du kannst ja schon mal anfangen und deins da ausräumen." Nur dass da von mir gar nichts mit drin war: Jede Kiste geöffnet, hineingeschaut, wieder zugemacht: Was seins war, sollte und wollte er selber verräumen. Nicht nur einmal hatten wir uns in diesen Tagen angefaucht: "Fass einfach meine Sachen nicht an!"

Als die Kisten dann aber so drei, vier Tage immer noch rumstanden, wurde es mir unter den Fingernägeln doch etwas kribblig. Bevor mein innerer Vesuv aber ausbrechen konnte, erbarmte er sich, sortierte aus und um und die leeren Kisten wurden zusammengefaltet, verschnürt und in den Keller gebracht. Im Gegenzug drohte sein Lavastrom alles im Umkreis von rund fünf Metern gnadenlos zu vernichten, als wir bei Ikea vorm Click & Collect standen, der Typ mit dem Lastenwagen kam und ich zum Mann meinte: "Siehste, geht doch" - und der Typ dann aber sagte: "Wartense mal ab, da kommen noch zwei!" Als diese drei Lastenwagen vorm Gefährt des Mannes standen, da wurde mir selbst etwas mulmig und ich dachte noch: "So, jetzt krachts gleich" und dann brach der Ätna auch schon aus: "Sag mal spinnst du, was hast du denn da alles eingekauft?!"   "Alles das, was auf meinem Merkzettel stand, den wir am Montag extra noch mal Stück für Stück durchgegangen sind", erklärte ich sanft, aber mit etwas Sicherheitsabstand, den ich dann  flugs vergrößerte, als ich feststellte, dass ich versehentlich einen Juteteppich zuviel eingekauft hatte. Kann ja mal passieren, immerhin bastelten wir wochenlang an dieser Ikea-Liste, bis ich final auf Kaufen gedrückt hatte. Diesen überzähligen Juteteppich konnte ich auch problemlos zurückgeben und wir waren noch nicht mal ganz zu Hause, da war die Erstattung auch schon an mich unterwegs. Also manchmal macht mir das ja schon alles ein bisschen Angst, wie digital die Welt geworden ist, wieviel nur noch digital geht - und ob wir da noch hinterherkommen, wenn wir dreißig Jahre älter geworden sind. Aktuell aber stelle ich immer wieder fest, dass diese digitalen Möglichkeiten tatsächlich auch wirklich was Gutes haben. Es geht halt einfach so vieles einfacher und schneller.

Jedenfalls habe ich nicht nur festgestellt, dass ich, wenn man nicht alleine, sondern mit einem gemeinsamen Hausstand umzieht, natürlich nicht alles an einem einzigen Abend verräumen und morgens alles an seinem Platz wiederfinden kann; ich habe aber auch festgestellt, dass mir das in all den vierzehn Tagen auch irgendwie regelrecht schietegal war. Wir waren beide tagelang müde und irgendwie am Anschlag, wir haben einfach nur geschaut, dass die wichtigsten Dinge, wie Essen & Schlafen,  geordnet waren, und der Rest folgte nach und nach in aller Ruhe.

Jetzt wohnen wir seit drei Wochen in L, genießen den herrlichen Platz, den wir mit der doppelten Quadratmeterzahl genießen, genießen, was wir von hier aus fußläufig alles erreichen können: zur einen Seite den wunderbaren Park, zur anderen Seite die Innenstadt oder auch die Mama des Mannes. Ich genieße, dass ich, wann immer ich will, innerhalb von zehn Minuten meine Jungs sehen kann und dass ich bei jedem morgendlichen und abendlichen Verkehrschaos immer anti-zyklisch fahre und trotz Weg ins Office immer entspannt unterwegs bin. Das einzige, woran ich mich gewöhnen muss, ist, dass ich jetzt eben nicht mehr bis 7.45 Uhr im Bett liegen, anschließend Zähne putzen, Käffchen kochen und mich entspannt am Schreibtisch niederlassen kann, gerne auch in Flanell-Schlafhosen mit Strickpullover und dicken Socken - sondern dass der Wecker nunmehr beinah jeden Morgen noch vor sechs Uhr klingelt und ich vor sieben Uhr mit müden, verquollenen Augen hinaus in die Kälte muss. Das bedeutete in den ersten Tagen, dass ich bereits abends noch vor acht auf dem Sofa gähnte und unmittelbar danach auch einschlief - aber der Mensch gewöhnt sich ja an alles, man muss ihm nur die Zeit dazu lassen ;)

Jedenfalls.. Wir sind wieder da - und auf die Frage im Umfeld, ob wir uns schon angekommen fühlen, musste ich überraschend gestehen: Noch nicht. Die Wohnung fühlt sich noch ungewohnt an, fast wie eine Ferienwohnung, die wir nur vorübergehend besiedeln. Im Gegenzug ist es selbst für mich ein komisches Gefühl, dass die Wohnung in M jetzt nicht mehr unsere ist, dass wir dorthin nie mehr zurückkehren werden. Ich werde meinen Hausarzt vermissen und auch meinen Rheumadoc. Ich werde die Isar vermissen und sogar die U-Bahn. Überhaupt werde ich einiges vermissen, tatsächlich. Aber wie ich ja grad sagte: Der Mensch gewöhnt sich an alles, solange man ihm die Zeit dazu lässt :) Und ich bin hauptsächlich froh, wieder da zu sein. 

10 Kommentare:

Lutz hat gesagt…

Willkommen dorheeme! ;-)

Ach, wenn der Umzug nicht wäre, dann wäre das Umziehen eine tolle Sache. Eine neue Wohnung ist wie ein neues Leben, sang doch mal Jürgen Marcus. Oder so ähnlich. Und irgendwie ist immer alles schöner als in der alten Wohnung.

Und dass Dein innerer ... - ich komm' gerade nicht drauf, Du weißt schon, wen ich meine - gemeinsam mit Dir ermüdet ist, beruhigt mich auch. Vor den Realitäten muss selbst er die Waffen strecken.

Ja, so ein Home Office hat seine guten Seiten. Ich weiß, wovon ich rede. Wenn man ausreichend Selbstmotivation und Selbstkontrolle hat, ist das eine tolle Sache. Die ganzen Fahrtwege fallen weg, man kann auch mal etwas rumschlumpern, hat hier und da die Möglichkeit, auch andere notwendige Dinge zu tun.

Andererseits ist die Gefahr riesig, dass Arbeit und privat ineinanderfließen und irgendwann nicht mehr zu trennen sind. Man ist nicht nur immer erreichbar. Man selbst läuft auch Gefahr, kein Ende mehr zu kennen. Da sind ja noch Sachen, "die wichtig sind" und die unbedingt gemacht werden müssen. Das fängt mit mal abends länger arbeiten an und geht über eine halbe Nachtschicht bei einem "ganz wichtigen Projekt" weiter und endet bei regelmäßigen Wochenendarbeiten, "weil das sonst liegenbleiben" würde. Home Office ist also ein zweischneidiges Schwert.

Du wirst Dich schon schnell wieder einleben. Dafür werden nicht nur Deine Jungs sorgen, sondern vielleicht auch alte Bekannte, deren Kontakte durch die räumliche Nähe wiederbelebt werden könnten. Und neue Bekannte. Du wirst sehen, jetzt beginnt der Frühling zu sprießen, das wird Deine Glückshormone so richtig in Wallung bringen und wenn Du erstmal bei richtig schönem Sonnenschein im ...-Park spazierengehst und die frische, warme Frühlingsluft atmest, wirst Du glücklich sein.

angelface hat gesagt…

willkommen im neuen ZUhause...
na das war ja nun wirklich ein Mammutprojekt was ich da alles lese...und der Lutz hat schon sehr recht mit dem was er dir darunter kommentiert!!!
genauso ist es...erst mal ankommen, setzen lassen - hinsehen und nichts überstürzen
v i e l e s regelt sich von selbst mit der Zeit wenn du richtig fuß gefasst hast...
ich wünsche dir tatsächlich viel gegenseitige Geduld und eine lange Athmung
alles Neue muss sich erst in euch festsetzen um akzeptiert zu werden, dass nun nichts mehr so ist - wie es war...
toi toi toi im neuen ZUhause...
herzlichst angel

Ursula hat gesagt…

und ich dachte schon die Kisten haben Dich verschluckt.
Wünsche ein wunderschönes zu Hause. Und wegen Isarmissing man kann ja hinfahren.
Eins nach dem anderen.
LG
Ursula

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Lutz, mit dem "kein Ende kennen" - das hatten wir genug in den letzten Jahren ;) Den Mann hat immer genervt, wenn ich noch bis 20 - 22 Uhr saß. Das aber zumeist nur dann, wenn Urlaub kurz bevorstand oder besondere Termine drückten.
Wenn man im Office sitzt, verändert sich das zwangsläufig. Zum einen deshalb, weil ich keinen Chip besitze, um die Alarmanlage zu aktivieren (und somit mit dem letzten Mitarbeiter mitgehen muss), zum anderen, weil es jetzt keine Sekundenbruchteile mehr dauert, um im Feierabend zu sein - sondern Minimum 30 min Heimreise ;)

Heute Abend ist ein Treffen der "alten Kollegengarde". Ich freu mich darauf - das letzte Mal ist vier Jahre her (dann kam Corona). Einige sind zwischenzeitlich überraschend verstorben, andere werden vermutlich aktuell noch im nachösterlichen Urlaub sein. Ich bin mal gespannt, wer heute Abend da sein wird.

Das mit dem Frühlingswind und so hat ja zwischenzeitlich schon geklappt - aber heimisch in der neuen Wohnung fühl ich mich immer noch nicht. Mittlerweile aber glaube ich, dass das vor allem auch an der Größe der Wohnung liegt. Ich bin die einfach nicht gewohnt, ich hab noch nie auf 120 qm gewohnt. Und wenn wir erst alle Bilder an die Wand gebracht haben, so wie wir uns das vorstellen, wenn ich hier und da auch noch eine persönliche Note reingebracht hab - dann wirds schon werden mit dem heimischen Gefühl ;)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Angel, im Nachhinein betrachtet entpuppte sich das Ganze für uns schon etwas als ein Kraftakt. Am Ende war es ja nicht mal der Umzugsakt selbst - sondern all die ganzen Dinge, die man monatelang vorher schon für sich im Kopf mit herumträgt, organisiert, macht, einpackt... Dass der Mann und ich aktuell so müde sind, empfinden wir unabhängig voneinander als den Effekt, wenn der Druck im Kopf nachlässt. Na ja und etwas Frühjahrsmüdigkeit kommt wohl auch dazu :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, ja da hat es der Mann aktuell wieder etwas besser als ich - der kann jetzt nämlich nach Lust und Laune nach M fahren :) Er hat schon 3 Termine vereinbart, während ich noch überlegen muss, wie ich das mache, wann ich mal mitfahre und so.
Ich muss ja jetzt immer dafür Urlaub nehmen. Aber spätestens, wenn mir die Steine ausgehen, MUSS ich mal mit hin. :)

Grit hat gesagt…

Hallo Hellma,
nach diesem unglaublichen Kraftakt und der nervenaufreibenden Zeit, ein herzliches Willkommen hier in Sachsen. Ich bin erst einmal umgezogen und das hat schon gereicht mit wenig "Gepäck". Wir leben in einem Haus und was sich die Jahre über so angesammelt hat.... Bei einer kleinen Wohnung kämen wir gar nicht auf den Gedanken irgendwas Unnützes aufzuheben, für den Fall der Fälle. Ich wünsche Dir ein gutes Einleben in der neuen Wohnung und alles Gute! Das richtige Umfeld hast Du Dir ja schon ausgesucht. Viele Grüße, Grit.

Juna hat gesagt…

Ihr habt wirklich alles alleine gemacht?
Seid ihr denn des Wahnsinns? Never ever würde ich mir das antun. Ok, ich kenne es von Minnijule an, dass die netten Jungs mit dem großen LKW vorfahren, alles einladen und wenn ich dann am neuen Ort ankomme schon alles ausgeladen haben, die Möbel aufgebaut sind und nur noch ausgepackt werden muss oder eben schon ausgepackt ist.

Die Variante mit ein- und auspacken habe ich noch nie selbst gewählt, aber die Umzüge von uns ins gemeinsame erste Zuhause sowie vom "Süden" hoch in den Norden durften alles Jungs machen, die es können. Was für eine Wohltat, alles nur einpacken, auswischen, abwischen und dann wieder auspacken. Ok die wirklich, wirklich teuren Liebhaberstücke aka Musikinstrumente hat der Mann im Auto selbst transportiert alles andere war ihm egal und mir auch. Erinnerungsstücke waren eben xfach sicher verpackt und gut. Innerhalb von 12 Stunden war alles im LKW die knappen 300km transportiert und am Ziel alle Kartons und Möbel in den richtigen Zimmern und bis auf die Küche alles wieder aufgebaut. Für den Preis den wir gezahlt haben hätten wir es niemals selber leisten können. Sollten wir nochmal umziehen müssen, wird es ebenso laufen, davor graut es mir allerdings, wenn ich so an all die Möbel und Inhalte denke, die hier dazu gekommen sind ;-)

Ich wünsche euch, dass ihr bald angekommen seid. Wirst du nun dauerhaft wieder zum Office gehen oder legst du wieder HO-Tage ein?

Queen All hat gesagt…

Haben unseren Umzug auch gerade mal seit etwas mehr als 6 Wochen hinter uns. Mir kam es schon vor, als läge er ewig zurück. Jetzt hab ich alles wider bildlich vor mir, auch wie wir wochenlang ebenfalls immer völlig erschlagen waren. Hatten uns auch entschieden, alles selber umzuziehen, wir haben ja nicht so viel - dachten wir. Immerhin waren nur zwei Sprinter-Touren nötig und wir hatten helfende Hände. So langsam ist alles an seinem Platz aber wenn man mal einen ganzen Haushalt auf einen Haufen packt, ist das halt doch ein bisschen mehr...
Hoffe, ihr lebt euch genau so leicht ein, wie wir. Wobei das Ferienwohnung-Gefühl gut nachvollziehbar ist. Selbst im Urlaub wollen wir gerade gar nicht weg.

Tectakes hat gesagt…

Dass Ihr alles alleine macht ist toll;)