Dienstag, 13. September 2011

Stadtkinder

Ich hab ja nie aufm Dorf gelebt, auch in Kindertagen nicht. Trotzdem hatten meine Eltern auf ihrem Gehöft am Stadtrand alles mögliche rumrennen, das man auch in der Pfanne braten kann: Hühner, Enten, Karnickel... Und in schöner Regelmäßigkeit hatten wir auch einen Haus- und Hofhund, der das liebe Vieh und auch deren Besitzer bewachen sollte. Die wurden übrigens nie gebraten, sondern verkauft! Nicht dass hier einer noch was Falsches denkt.
Schlachten konnte mein Vater das Viehzeug auch nie selbst, dazu kam immer die Tante vom Dorf. Gott, wie habe ich das gehasst: Ente, Huhn, Karnickel, ritsch-ratsch. Und was ich noch schlimmer fand: Wenn meine Mutter das gemordete Vieh ausweidete und mir noch auftrug: "Los, komm mit her und guck zu, dann weißt du, wie das geht!"
Nee Leute. Nicht mit mir. Schon damals war ich eigensinnig genug, durch alle Räume zu flitzen, bis ich in meinem Zimmer angekommen war und mindestens fünf Türen hinter mir zugeschlagen hatte.
MIT MIR NICHT!
Ich hasste den Anblick, ich hasste den Geruch - ich hasste überhaupt das alles und stieg dafür lieber auf den Kirschbaum oder zwischen die Rharbarber-Stangen.
Und heute? Heute kauf ich mit Vorliebe filetierten und tiefgefrorenen Fisch in der Form von Bauklötzchen. Hähnchen nur küchen- und bratfertig auf der Alu-Folie und niemals frisch, weil ich es einfach nicht hinbekomme, in den küchen- aber noch nicht bratfertigen Bauch zu fassen.
Ich bin halt ein echtes Stadtkind!
Daran musste ich am heutigen Nachmittag wieder denken, als ich mich nichtsahnend zu einer Fahrradtour überreden ließ und bereits kreuzlahm war, als ich nach 26 km bergauf, bergab an einer Forellenaufzucht angekommen war und dort einfach nur noch ins Gras fiel, Arme und Beine von mir gestreckt: "Habe fäddisch!" Nach einer Viertelstunde hatte ich knallrote Oberschenkel und ein brennendes Gesicht von der Sonne sowie ein paar nette Ameisenbisse. Egal. Ich MUSSTE ruhen.
Während Schatzi einkaufte. Ich sage nur: Regenbogenforelle.
"Bitte gleich ausgenommen und ohne Kopf!" hatte ich ihm aufgetragen.
"Wieso ohne Kopf?"
"Ich finde das eklig, wenn die vom Backen so weiße Augen kriegen."
Na ja. Mitgebracht hat er sie natürlich mit Kopf. War ja klar. "Ich schneid sie dann schon ab", beschwichtigte er mich, bevor ich mich entrüsten konnte.
Nun weiß man ja als Stadtkind mit Bauklötzchenfischen zwar, wie so ein frischer Fisch riecht; aber man weiß nicht mehr, wie der sich anfasst.
Eklig. Leute, ich sag Euch: eklig.
Da lagen sie nun vor mir, Schatzi inzwischen auf dem Sofa und - flupp - in meine Hand genommen, war der Fisch auch schon wieder weg. Zupacken - flupp - weg - zupacken - flupp...
Wie war das noch? Festhalten und mit Salz abreiben, damit der Schleim von der Haut ging und man die Biester bearbeiten konnte? Das Wissen war ja gerade noch so hängengeblieben, aber... ja was soll ich sagen... Blanke Theorie von Kindesbeinen an! Und wie geht das in der Praxis?
Und ich dachte: "Himmelarschundzwirn, wieso musste ICH mir diese Radtour antun, wo ich nicht mehr weiß, obs vorne oder hinten mehr weh tut, wo ich keinen Muskel mehr schmerzfrei bewegen kann, wo ich es mit ach und krach zurück an den heimischen Hof geschafft habe, unterwegs im Walde mich von Bären gemordet, von Wegelagerern gemeuchelt sah - und jetzt einen toten Fisch zu fassen versuche, nur damit Schatzi und ich ein leckeres, fettarmes und gesundes Essen auf dem Tisch hatten?"
Oh Mann. Hinbekommen hab ich es dann doch noch. Gott sei Dank. Ende gut, alles gut. Fast.
Denn eins ist fakt: Ich werde Schatzi knebeln und ans Bett fesseln und während er noch denkt, es gehe auf zum Liebesspiel - werde ich ihn sich selbst überlassen, mir im Nebenzimmer gepflegt ein Weinchen einschenken und endlich mit dem gottverdammten Urlaub anfangen!

Keine Kommentare: