Mittwoch, 14. August 2013

Kieselsteine in meinem See

Eigentlich hätte ich noch eine volle halbe Stunde Arbeitszeit. Doch kaum hat der Chef das Haus verlassen, greife ich zu Stift und Blog (mein Wortspiel für heute ;)).
In den letzten Wochen und Monaten hat sich so viel Arbeit, Anstrengung & Co. bei mir aufgeladen, dass ich inzwischen einen Punkt erreicht hab, wo ich das Gefühl habe zu verbrennen, von innen und von außen.
Auf der Skala des Burnouts erreiche ich 11 von 16 Punkten und sei höchst gefährdet. Seit Wochen plagen mich Magenschmerzen, mein Sport verschafft mir keinen inneren Frieden und keinen freien Kopf mehr, nachts kann ich nur schlecht schlafen und morgens nach dem Aufstehen bin ich schon nach zwei Stunden vollkommen erschöpft. Für meine Hobbies fehlen mir Zeit und Kraft und jeden Tag wünschte ich mir, ich könnte einfach nur schlafen, schlafen, schlafen. Selbst nach ruhigen entspannten Wochenenden bin ich müde und ausgelaugt. Mein Magen schmerzt wieder, seit Wochen schon, und als ich vor zwei Tagen die Online-Apotheke nach einem adäquaten Mittel aufschlug, dachte ich mir mitten beim Blättern: "Mädel, was machst du hier eigentlich? Du bekämpfst die Symptome, nicht die Ursache!"

Was also musste ich tun? Mich von Dingen lösen, die Zeit und Energie kosten und die jetzt nicht lebensnotwendig sind. Das fängt, so denke ich, im Kleinen an. Mein Facebook-Konto habe ich deaktiviert. Seit Tagen schau ich keinen TV mehr. Meine Telefone bleiben abends konsequent aus. Arbeit mit nach Hause nehme ich nur noch im Fall von Alarmstufe Rot. Die Hausarbeit wird wieder mit auf die Jugend verteilt (ich finde, fünf Wochen Urlaub sind durchaus genug, damit sie voller Saft & Kraft wieder loslegen können), von den Anrufen beantworte ich nur die, die ebenfalls den Marker "Alarmstufe Rot" tragen.
Gestern Abend wollte ich auf die Hausarbeit pfeifen, ok, das ist mir nicht ganz so gelungen. Ordnung muss sein, na ja und die Wäsche bügelt sich auch nicht von allein. Dafür habe ich mir nebenbei Badewasser eingelassen und mir einen Tee dazu gekocht. Die Musik spielte und ich lag einfach nur da im warmen Wasser und wollte an nichts mehr denken. Ich wollte nicht mal mehr etwas fühlen. Kennt Ihr diesen Punkt, wenn man sich derart ausgebrannt fühlt, dass man nicht mal mehr das Bedürfnis nach den elementaren Dingen hat? Wenn man sich so angespannt fühlt, dass man glaubt, man muss sofort zerspringen, wenn auch nur irgend jemand etwas sagt? So ging es mir in den letzten Tagen. Beinah allergisch reagiere ich auf auch nur den kleinsten Misston, auf die kleinste Forderung; ich spür ein Aggressionspotential in mir, das ich eigentlich so gar nicht von mir kenne.
Als ich Sonntagabend erfuhr, dass mein Ex-Mann auch nach mittlerweile 11 Jahren immer noch nicht müde ist, Schlechtes von mir unter die zu verteilen, die es sich anhören wollen, und es sich damit auch wagte, den Kindern frech in ihr Gesicht zu lügen, ja sie sogar vor Dritten vorzuführen und selbst unmöglich zu machen - da platzte mir, gelinde gesagt, der Arsch.
Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, wieso mich das so aufgeregt hat, es ist doch nichts Neues. Dennoch hat es mich tief getroffen, dass dieser Typ inzwischen nicht mal Halt davor macht, seine eigenen Kinder - ich formuliers mal so rum - zu beschmutzen. Sicherlich wäre ich als Mutter auch traurig, wenn mein Kind mich nicht zu seiner Abschlussfeier einlädt. Gleichwohl hätte ICH zumindest mich gefragt, warum es das nicht tat. Und dann mein Kind gefragt.

In meinem Umfeld höre ich immer wieder: "Ihr müsst euch endlich lösen." Ja ich hab mich davon gelöst, äußerlich vor 11 Jahren, innerlich befrei ich mich von gewissen Mustern und Denkstrukturen - und das dauert leider immer noch etwas an. Aber es ist schon viel besser geworden. Finde ich. Im Gegensatz zu der Zeit bis vor zwei, drei Jahren. Aber ich kann doch meinen Söhnen nicht sagen, dass sie sich um ihren Vater nicht mehr scheren sollen. Sie sind erwachsen, sie sehen ihn kritisch - aber sie lieben ihn. Er ist ihr Vater. Ihrer Meinung nach ist sowieso dessen Freundin an allem schuld. Insofern bat ich meine Söhne lediglich: "Was der Vater über mich erzählt, interessiert mich nicht und ich möchte auch nicht, dass das hier in meiner Wohnung thematisiert wird. Wenn ihr aber ein Problem habt, über das ihr sprechen wollt oder wo ihr nicht wisst, wie ihr es lösen sollt - ich bin immer für euch da."
Sie fanden es gut - und ich auch.

Und so muss ich das auch mit allem anderen handhaben. Damit es mir endlich wieder besser geht.

Denn am Sonntag reiste ich mit einem Heilpraktiker durch halb Deutschland, und ins Gespräch über die Physis, die Psyche, das Messbarkeit und die Nichtmessbarkeit von Symptomen, Krankheiten und Erscheinungen ließen ihn einen Satz äußern, der mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht: "Der Mensch ist nicht auf die Welt gekommen, um zu leiden. Seine Natur hat es eingerichtet, dass es Warnmeldungen abgibt, wenn etwas falsch läuft. Und man muss sich im Ganzen betrachten, als ein ganzes System, wo man die Komponenten nicht voneinander trennen kann. Stell dich wie einen See vor. Überall, wo man Kieselsteine hineinwirft, entstehen Wellen. Je mehr Kieselsteine geworfen werden, desto mehr Wellen entstehen. Am Anfang sieht man darüber hinweg. Bis zu dem Tag, wo die Wellen etwas bewirken."

Vermutlich bedeutet das, dass ich meine Baustellen doch mehr oder weniger zeitgleich abarbeiten muss. Die Kieselsteine aus dem See tragen muss - am besten mit einem Kescher. Ich weiß nur nicht, wie ich das anstellen soll. Und außerdem bin ich.. viel zu müde.
Vielleicht sollte ich wirklich doch mal eine Kur beantragen und erst einmal eine Grundlage schaffen. Denn momentan... kann ich überhaupt nichts mehr bewegen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo,
das klingt gar nicht gut. Leider fällt mir jetzt auch nichts ein, dass Dir sofort weiterhilft. Eine Kur ist aber sicher mal ein Anfang. Dann würde auch Dein Chef mitkriegen, dass es so nicht weitergeht. Das Blöde ist, dass man im Job rotiert, kaum weiß wie man mal wieder alles geschafft hat und nachher ist doch pünktlich alles fertig. Man geht auf dem Zahnfleisch und der Chef denkt sich dass doch alles klappt.
Ich an Deiner Stelle würde das mit der Kur mal anwerfen.
Viel Glück beim Kieselschippen!
Allerliebste Grüße
Nicole

Anonym hat gesagt…

..ja das Thema Kur habe ich selber erst in meine Richtung erfahren müssen.. sagen wir mal ich habe mir das anhören müssen und ... ich weis es war / es ist gut gemeint.. nun liebste Helma - ich kenne nur eine - also : aller liebste Helma!! ich könnte dich an wem erinnern den du schon gesprochen hast und... der dir hier an dieser stelle weiter helfen kann...
du hast meine Mail ad und meine Tel nr.
melde dich..

lg!
...

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Nicole, danke für Deinen Kommentar :)
Vor mittlerweile 3 Jahren ist mein Chef an Krebs erkrankt und nach einem dreiviertel Jahr Chemo und Bestrahlung schwor er: "Ich trete kürzer und mache weniger."
Er hat bis heute sieben neue Leute eingestellt (was viel ist, wenn man bedenkt, dass wir ein eher kleines bis vielleicht mittleres Unternehmen sind, meinen ersten ausgebildeten Azubi durfte ich behalten und mir jetzt (seit letzte Woche Donnerstag) einen neuen einstellen. Also sollte an der Stelle alles gut sein? Ja, das sollte es! Dennoch konzentriert sich die Arbeit auf bestimmte Personen, und mein Chef entschuldigt sich sogar mittlerweile dafür oder versucht, die Arbeit auf andere Tische zu schieben.
Der zweite große Punkt ist wohl eben auch die Baustelle "Privatleben". Am Anfang trug ich mich recht schwer mit der Fernbeziehung, dann später kam ich an den Punkt, wo ich es okay fand, und jetzt sind wir an einem Punkt, wo die Energie eindeutig nachlässt: Eine Lösung muss endlich her, weil wir uns irgendwo zwischen den paar hundert Kilometer aufreiben zwischen Missverständnissen, ungesagten Worten, Gedanken, Emotionen und dem Gefühl, dass jeder an seinem eigenen Strang zieht anstatt gemeinsam an einem. Die Entlastung fehlt, weil wir in den wenigen freien Tagen damit beschäftigt sind, zueinander zu fahren, während man vielleicht lieber mal die Zeit genutzt hätte, Dinge aufzuarbeiten, die unter der Woche mehr und mehr liegenbleiben.
Wenn ich das hier alles so aufschreib, denk ich, ich kann alles analysieren und verstehen, und dann müsste jetzt der nächste Schritt folgen: Wie löse ich das ganze Knäuel auf? Und genau da bleib ich stehen, weil ich nicht weiß wie, und fühle mich mittlerweile überfordert, wenn - egal wer - sagt: "Du solltest mal..."

Und zu Anonym II: Lieben Dank für Deinen Beitrag, und wenn ich Deine Telefonnummer und auch Deine Mailaddy habe, bedeutet das also, dass ich Dich auch wirklich kenne.. Ich habe den Beitrag nun mehrmals gelesen, doch ich komme partout nicht darauf, wer von denen, die ich kenne, so schreibt und "redet" wie Du. Ich hab höchstens eine Ahnung, aber ich kann einfach nicht sagen, wer Du bist. Und wen ich also anmailen könnte.