Dienstag, 21. Oktober 2014

Auf die Frage, wie es mir denn hier geht

...antworte ich meist: "Gut! Wirklich gut! Besser als gedacht!" - und ich meine das auch so.
Wohl auch dem Umstand geschuldet, dass ich mich hier im Home Office in einer sicheren, bekannten Welt bewege, mich nicht von früh bis abends mit fremden anderen Menschen auseinandersetzen muss und abends müde & geschafft nach Hause krieche; dass mir hier genug Zeit für mich selbst bleibt und somit die Abende mit den gelben Seiten ausgiebig genießen kann.
Ich sage das also nicht nur so dahin, zumindest bei den meisten Fragern nicht, weil ich bei denen weiß, dass sie es ehrlich interessiert.
Auf die Frage, wie es mir denn mit der Jugend geht, versuche ich hingegen meist, auf die widrigen Umstände ihres neuen Lebens hinzuweisen: Weil es mich in die Lage bringt, Dinge aufs Korn zu nehmen, im Nachhinein sogar darüber zu lachen - und mich diese Art eines Galgenhumors davon ablenkt, dass mir die beiden... einfach wahnsinnig fehlen.

Natürlich fehlt mir nicht, dass ich jeden Abend Essen zubereitete und am Ende allein die Wäsche wusch, trocknete, bügelte, die Wohnung in Ordnung hielt und mich auch um den Papierkram kümmerte.
Mir fehlt nicht, dass ich jeden Abend die Jungs an die Wohnungstür zitierte, weil die Schuhe quer davorstanden, obwohl wir ein Schuhregal dastehen haben.
Mir fehlt nicht, dass die Handtücher nach Benutzung zusammengeknüllt auf dem Fußboden lagen.
Mir fehlt nicht, dass niemand den Müll wegbrachte, auch dann nicht, wenn ich ihn gekonnt so an die Wohnungstür stellte, dass sie erst umständlich drüber wegsteigen mussten, um aus dem Haus zu kommen (Sie haben ihn in der Regel mit dem Fuß zur Seite geschoben. Ganz emotionslos.)
Mir fehlt auch nicht, dass ich in Taschen oder unter den Betten Essensreste fand, denen inzwischen Arme & Beine gewachsen waren und damit nur noch darauf warteten, standesamtlich und damit namentlich als Zuwachs im Register der Stadt M. aufzutauchen.

Dennoch hat mein Lebensmodell nicht vorgesehen, die Jugend schon mit 18 Jahren zurückzulassen.
Wenn sie selber gingen, OK, ihre Entscheidung, damit könnte ich echt gut leben. Aber selber gehen? Das Kind zurücklassen, das trotz allem Testosterons noch nicht ganz nestflüggebereit ist?
Wäre ich nicht fortgegangen, hätte ich mir vermutlich über kurz oder lang eh eine eigene Wohnung genommen, vermutlich in der Innenstadt (war eh immer so bisschen mein geheimer Wunsch). Unterm Strich wäre das nämlich bezahlbarer gewesen, als für alle drei jeweils eine Wohnung zu finden.
Man könnte sich nach der Arbeit in der Stadt treffen, was essen gehen oder was trinken.
Sie könnten an Wochenenden auf einen Kaffee vorbeikommen (Eintritt nur ohne Wäschesack gestattet), man könnte zusammen ratschen oder auch  gemeinsam shoppen gehen.
Wir wären... zusammen - auch mit ein wenig Sicherheitsabstand zwischen uns.
Und das fehlt mir.
Sie fehlen mir.
Sie fehlen mir sehr.
Im heutigen kurzen Chat mit der kratzigen Stimme aus Hessen überfiel mich diese Sehnsucht so bewusst und so überraschend heftig, dass ich den Chat abbrechen und meine Arbeit unterbrechen musste.
Auch jetzt, wo ich hier schreibe, meine Emotionen herauslassen MUSS, habe ich mich noch nicht wieder ganz beruhigt, auch wenn ich mich schon mindestens zehnmal zur Ordnung gerufen habe.
"Ist doch normal, geht vielen Eltern so", schrieb Hessen.
Menno, das weiß ich. Mir aber grad egal, dass es vielen Eltern auch so geht.

8 Kommentare:

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Ach Helma, es ist doch nur normal, dass sie Dir fehlen. Irgendwann ist es einfach "Normalität", aber ich denke, dass Du einfach noch ein Weilchen brauchst. Und das steht Dir doch auch zu - schliesslich sind es Deine Kinder und Loslassen hin oder her - aber auch das will erstmal verarbeitet werden.

Liebe Grüsse :)

Regenbluemchen hat gesagt…

Hallo,
ich bin eine neue, meist stille Mitleserin von dir.
Nun möchte ich dir auch mal kurz ein Kommentar schreiben weil ich dich sehr gut verstehe.
Ich bin vor knapp einem Jahr zu meinem Freund nach Irland gezogen und habe meinen Sohn (23) sozusagen verlassen. Wir haben 22 Jahre zusammengelebt und für mich war es schwer loszulassen... Trotzdem glaube ich das es der einzig richtige Weg war. Ich vermisse ihn, so wie du deine Kinder, manchmal zerreißt es mich fast vor Liebe und Sehnsucht... aber er vermisst mich nicht... er ist glücklich in seiner WG und ich merke das er immer erwachsener und selbstständiger wird. Im Dezember werde ich ihn besuchen und ich freue mich wahnsinnig auf ihn, allerdings sein Kommentar zum Besuch war "könntest du dann mal eventuell richtig sauber machen?" naja, so sind sie halt die Jungs :D
Ich sende dir liebe Grüße,
Kathi

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, in den Wochen, seit ich umgezogen bin, habe ich eher immer nur das Positive gesehen bzw. mich darauf konzentrieren wollen, damit mir das alles eben auch leichter fällt. Ich wollte nicht daran denken, dass gerade der Jüngere hin und wieder sagte: "Kannst du nicht doch hierbleiben? Und wenn er nun mit herzieht?"
Seit ich fort bin, sagt keiner von beiden was, aber ich fühle es, wie er an mir hängt, wenn ich da bin. Der Große ist da schon einen Schritt weiter, aber er ist auch schon 24, er WILL auch weiter sein, weiter gehen, er will es "allein" schaffen bzw. auf eigenen Füßen stehen.
Der Jüngere schon auch, der sagte ja selber mal: "Wir müssen ja nicht in einer Wohnung leben, aber ich brauch dich bei mir, in meiner Nähe."
Und gestern in dem Chat kam das so mit Macht auf mich zu, erinnerte ich mich so sehr daran, dass irgendwie nix mehr ging danach.

Liebe Kathi, herzlich willkommen bei mir und lieben Dank für Deine Worte!!
Als ich Deine Zeilen las, dachte ich: "Oh mein Gott, Irland, und ich jammer hier rum wegen ein paar hundert Kilometer, wo ich auch noch jobbedingt die Chance hab, meine Kinder wenigstens monatlich zu sehen..." Da wurde ich schon recht still.
Und nein, die Entscheidung selbst bereue ich auch nicht. Ich glaub schon auch, dass sie richtig war, nicht nur für die Beziehung selbst, sondern auch für die Jungs. Damit sie eben - wie Du selber auch schreibst - selbständiger werden. Damit sie lernen, was es bedeutet, im Alltag zu leben mit Job und Haushalt ;)
Denn als ich nach gut 4 Wochen das erste Mal nach dem Umzug nach Hause kam, bin ich schon umgefallen - ungefähr drei Stunden lang haben wir geputzt und aufgeräumt ;) Beim zweiten und dritten Besuch wars entschieden besser, und ich übersehe dabei sehr gekonnt, dass sie ja immer genau wissen, wann ich nach Hause komme, und dass sie vermutlich auch erst einen Tag vorher Ordnung machen :) Zumindest beklagt sich der Jüngere immer öfter über den Älteren: "Ich HASSE es, dass der immer alles rumliegen lässt! Wieso kann er seine Brotkrümel nicht selber wegräumen" etc. - und ich muss dann doch immer ein bisschen lachen und sagen: "Siehst du, jetzt weißt du, wies mir immer mit euch ging. Du lässt dafür immer die Handtücher im Bad liegen, anstatt sie aufzuhängen" :)
Sie werden sich schon zusammenraufen, denke ich. Ich hoffe es.
Das war letztlich auch dieser "beruhigende" Gedanke für mich: Sie sind nicht wirklich ganz allein, sie haben immer noch sich.

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Huhu Helma, das stelle ich mir auch schmerzhaft vor, wenn Du merkst, der Jüngere kann noch nicht loslassen bzw. braucht noch "seine Mama". Das ist wirklich keine leichte Situation und mich hätte es da wohl auch erstmal sehr mitgenommen. Mit Sicherheit wird es sich aber entspannen und vielleicht gibt es ja Möglichkeiten, wie er sich die "Nestwärme" auch so in seinen Alltag integrieren kann, auch ohne dass Du da bist. Im Grunde bist Du ja sowieso "da", nur etwas weiter weg. Vielleicht hilft ihm dieser Gedanke?

Liebe Grüsse :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Weißt Du, ich vermute mal, dass der Junge inzwischen weniger darüber nachdenkt als ich. Noch mal vermutet, könnte ich mir auch vorstellen, dass er vor allem "nur" dann daran denkt, wenn entweder die Küche nicht aufgeräumt ist oder der Einkauf erledigt werden muss oder der Bügelwäschekorb überquillt... ;)
Ich denke aber auch, dass ihm die Abende fehlen, in denen wir vor dem TV gelegen und geschwatzt haben und dann mit der Zeit doch so einige Dinge erzählt wurden (vor allem Herzensdinge), die tagsüber irgendwie verdrängt werden.
Und ich denke, wenn sich die zwei Jungs mal richtig aufeinander eingespielt haben, dass es dann schon auch besser wird. Dass es für sie normal ist wie es ist.
Sie verstehen mich ja und akzeptierens auch. Ist halt aber auch nicht dasselbe, wenns der Kopf versteht; deshalb fühlt der Bauch trotzdem mitunter anderes.

Anonym hat gesagt…

*umärmel*

ach, Schatzi........ ich kann dir so nachempfinden. Obwohl ich sie beide noch bei mir hab. Sie fehlen mir ja schon die 2 Wochen in denen wir im Urlaub sind und sie zu Hause bleiben.

Aber seit wann muss ich denn hier beweisen, dass ich kein Roboter bin? Lach :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Suse, schön, dass Du wieder da bist :) Seit wann Du was beweisen musst? Frag Blogger, ich hab da nix gemacht, ich schwörs :)

Anonym hat gesagt…

:)
Danke sehr, mein Schätzchen.
Kannste mich mal ordentlich in den Hintern treten? Brauche das jetzt, lachh :)