Donnerstag, 6. November 2014

In einem Jahr bin ich ja schon zwanzig - krass!

...das waren heute Morgen Deine ersten Worte, nachdem Du geschätzt zwanzig-, gefühlt aber mindestens fünfzigmal den Wecker klingeln lassen hast, bis Du Dich endlich Richtung Badezimmer bewegtest und ich heimlich in die Küche schleichen konnte, um die Geburtstagskerzen anzuzünden!

Mein lieber Junge,

nun bist Du 19 Jahre alt - und seit Deinem letzten Geburtstag ist eine Menge in unserem Leben passiert. So vieles hat sich verändert, ich bin ausgezogen und Du und Dein Bruder, Ihr habt es Euch in unserer Wohnung gemütlich gemacht. Nun sagen wir: Es ist gemütlich immerhin an den Tagen, die ich bei Euch bin. So wie gestern. Und heute. Und morgen.
Ein bisschen habe ich mich schon gefragt, warum Du Dir zum Geburtstag einen Laptop von mir gewünscht hast. "Ich muss meine Hausarbeit schreiben, und der alte ist kaputt, der geht ständig aus und speichert nichts" hast Du es begründet. Aber als ich mir so das Leergut in der eigentlich nicht so großen Behausung ansah, dachte ich zunächst an eine Quizfrage hier unter den Bloggern: "Wie viele Flaschen passen in eine Zweizimmerwohnung? Schätzen Sie mal!" und dann dachte ich mir so: "Von dem Erlös kannste Dir ja fast alleine einen kaufen!"
Aber so ist das bei Dir: Du weißt genau, wie Du bekommst, was Du möchtest. Und von wem. Vermutlich müssen wir Dich also umtaufen in Prinz Charming, aber ich kann sagen: Ich mag das.
Ich mag Dich haargenauso wie Du bist!
Nun, oder sagen wir - ich mag das meiste von Dir!
Als Du noch klein warst, warst Du offen, neugierig, aufgeschlossen, Du bist auf jeden zugegangen, hast "Hallo" gesagt und alle möglichen Fragen gestellt. Du hast allerdings auch alle möglichen Fragen von anderen beantwortet, auch die, die mich gerne mal in eine missliche Lage brachten: Mit Notlügen kam man mit Dir nicht weit, unbedarft, wie Du warst, hast Du alles immer fein säuberlich aufgedeckt und uns mit einem unschuldigen Blick bedacht.
Du hast mich gelehrt, in Deiner Gegenwart am besten einfach immer bei der Wahrheit zu bleiben - egal wie weh es tut! [Inzwischen bin ich auch dann gnadenlos ehrlich, wenn Du nicht in meiner Nähe bist, siehst Du mal, und Du bist sicher, dass Du wirklich nicht mehr Erzieher werden willst?]
Du sagst jedem offen Deine Meinung - auch mir.
Du solltest vielleicht nur wissen, dass es Dinge gibt, wo ein Mann einfach zu schweigen hat - und nicht der Frau, wenn sie übers Waschbecken gebeugt die Zähne putzt, die Hand auf das winzigkleineachwassagichfastgarnichtzusehende! Bäuchlein legst und fragst "Na was ham' mer denn hier?"
Und was mir wirklich sehr am Herzen liegt: Du solltest auch wissen, dass es nicht der Muskelberg ist, der aus einem Jungen einen Mann macht - und dass gewisse Zusatzstoffe richtig große PipiKaka bleiben. Es ist mir völlig egal, ob das Ganze legal ist - und wer Dir einredet, dass Du das unbedingt brauchst, dem reiß ich auch gerne den Arsch auf bis zum Stehkragen! Jawohl - ich! Du solltest wissen, dass auch ein Lamm das Schaffell abwerfen und zum Löwen mutieren kann! [Kennst Du Sandi noch? Die hat mich mal so erlebt und begeistert gemeint, dass mir das stünde! Ich kann das also!]
Du sollst auch wissen, dass ich jeden, wirklich jeden Moment genossen hab, den Du noch in meinem Bauch warst, so wie ich auch wirklich jeden Moment genossen habe, seit Du auf der Welt bist. Auch Dein Glück bedeutet mir wahnsinnig viel, mehr als Du vermutlich jemals wissen wirst - und ich hab Dich nicht auf diese - zugegeben wahnsinnig gewordene - Welt gebracht, damit Du Dich jetzt selber zugrunde richtest.
Und dann wollte ich Dir noch sagen, dass Du und Dein Bruder, dass Ihr beide mir jeden Tag wahnsinnig fehlt, auch wenn ich es vielleicht nicht so sage oder schreibe. 18 Jahre sind eine sehr lange Zeit - und doch schrumpfen sie zu einer Winzigkeit in dem Moment, wenn ich Dich nur 18 Jahre aktiv begleiten konnte. Dir zusehen konnte, mit Dir lachen, mit Dir shoppen oder einfach nur auf dem Sofa lümmeln und irgendeine bekloppte TV-Sendung gucken kann.
Wenn Eltern ihr Kind verlieren, dann weine ich mitunter stundenlang (meistens heimlich!), ich muss weinen, wenn Kinder ihre Mutter oder ihren Vater begraben, weil ich mir nicht vorstellen kann, mag und auch nicht muss, was wäre wenn - und was wird dann aus Dir und Deinem Bruder?

Also nehme ich Dich doppelt fest und herzlich in die Arme, drücke Dich doppelt fest und herzlich an mich und wünsche ich Dir alles Liebe und alles Glück dieser Welt, das Du brauchst, um Deinen eigenen Weg gehen zu können, der Dich so strahlen lässt wie Du schon als Kind gestrahlt hast.

Deine Mum.

P.S. Wenn ich einen Wunsch frei haben darf, dann wünsche ich mir - wenn Ihr es schon nicht schafft, den Geschirrspüler zu benutzen - dass Du dann auch niemals bitte auf die Idee kommst, die Pilze, die mir ergo regelmäßig aus Spülbecken und Geschirrspüler entgegenwachsen, irgendwann vielleicht mal zu rauchen!




5 Kommentare:

ganga hat gesagt…

Lieber Helma,

was für eine schöne Liebeserklärung an den Sohnemann.
Ich wünsche dir einen schönen Tag
Barbara

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ich dank Dir :)

Goldi hat gesagt…

Schluck, Klos im Hals, es ist mehr als wunderschön, das Du Deinen Sohn so liebst und es ebenso formulieren kannst. Mutter sein lernt man, habe ich vor kurzem irgendwo gelesen oder gehört, mit der Liebe die Du für Deine Kinder empfindest und zeigst, konntest Du sicher die kleinen Fehler beim Lernen wiedergutmachen und hast Deine zwei zu wirklich guten Jungs gemacht :-*

antje hat gesagt…

Einfach wunderbar!

Herzlich,
Antje

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Goldi, ja, das Muttersein lag mir sicher nicht im Blut, aber so platt das auch klingen mag: Ich hab wahnsinnig viel von und durch meine Kinder gelernt. Auch diese besondere Form der Liebe, die so ganz anders ist als zu einem Mann/ einer Frau, und mit einer besonderen Innigkeit. Man kann alles im Leben überstehen - aber nicht, wenn den Kindern etwas passiert. Glaube ich.

Danke, Antje!