Sonntag, 31. Mai 2015

Es ist wieder da

 

Dieses Foto ist einige Jahre alt. 
Aus einer Zeit, die nicht wirklich unbelastet war, nicht wirklich unbeschwert. 
Aus einer Zeit, als mir der "große Umbruch" noch bevorstand. Wenn ich vorher gewusst hätte, was mir alles bevorsteht - ich gestehe: Ich bin nicht sicher, ob ich all das auf mich genommen hätte. Obwohl... Vermutlich doch. Denn das, was ich bekam, ist nichts im Vergleich zu dem, das ich bis dahin hatte. 
In den Jahren danach, die diesem Foto folgten, war ich teilweise schockiert von dem, was ich sah. Eine Frau, müde, ausgebrannt, müde vom Kämpfen, müde vom Zweifeln, müde von allem - und das hat man mir auch deutlich angesehen. Und was mir selber noch deutlicher auffiel: Dieses Lachen war weg. Es war einfach nicht mehr da. Meist habe ich nur noch gelächelt, und meist zeigte mindestens ein Mundwinkel nach unten - trotz Lächeln.
Manchmal, wenn ich diese Fotos betrachtete, dann bekam ich Angst davor, dass die Summe des Erlebten, die Summe des Gesehenen und Erfahrenen mich zynisch machen würde. Dass ich eine einsame, verbitterte Alte werden würde, die ihre Freude verlieren würde an all dem, das sie noch tun würde. Zuviel Schatten und zu wenig Licht. 
Ich bin nicht sicher, was mich gerettet hat. 
Vielleicht war es die Musik? Die Musik hat mich IMMER an alles erinnert, das tief in mir lebt. Mit der Musik hatte ich nachts keine Angst im Dunkeln. Mit der Musik habe ich immer wieder an die Liebe geglaubt. Mit der Musik mache ich alles, das ich tu, mit Herzblut und mit Leidenschaft. Na gut, fast alles. Manchmal muss man ja auch tun, was man nicht mag. 
Vielleicht waren es die besonderen Menschen, die mir begegnet sind? Davor und vor allem auch danach?
Vor einigen Tagen habe ich unwillkürlich entdeckt, dass es wieder da ist: genau dieses Lachen.
So aus vollem Herzen, so ohne einen - auch nicht leicht - herabgezogenen Mundwinkel.
Ich habe gelacht, über irgendetwas, und dabei mein Spiegelbild in einem Fenster gesehen.
Und mich erschrocken. Weil es wieder da ist.
So unverhofft für mich. So unerwartet für mich. 
Ich habe mich seither nicht wirklich beobachtet, und trotzdem ist mir aufgefallen, dass es dageblieben ist. 
Gestern Nachmittag waren wir spazieren und irgendwo kehrten wir ein, wo ich für den Mann eine Johannisbeerschorle und für mich einen Kaffee einkaufte.
"Gab es sonst noch irgendwas Schönes?" fragte der Liebste, als ich ihm das Glas hinstellte und mich zu ihm setzte.
"Ich weiß nicht, ich habs nicht gesehen."
"Hast du nicht geschaut?"
"Äh nein.. Ich hab eher nur zu Boden geschaut."
"Wieso?"
"Weil da einer hinterm Tresen stand, der mich die ganze Zeit angestarrt hat. Sowas verunsichert mich." Ich denk ja immer sofort, habe ich noch irgendwas zwischen den Zähnen oder einen Fleck auf der Bluse, ein Loch in der Jacke.
Und dann dachte ich an den Kaffeeverkäufer, der mir Zucker anbot, den ich dankend ablehnte. In meinen Kaffee kommt nur viel Milch, kein Zucker.
"Schon klar. Sie sind süß genug, nicht wahr?"
Und ich habe gelacht.
Und der andere hat gestarrt. 
Erst später, am Abend, fand ich das schön, den Gedanken daran. Sowohl als auch.

Man kann nur gewinnen, denke ich.
Wenn man in einem Leben festhängt, das einen nicht mehr oder noch nie erfüllt hat, wenn man an nichts mehr, nur noch an Wunder glaubt, wenn man darauf hofft und wartet, dass etwas (Wunderbares) passiert, wenn man das Lächeln verliert, das, das ganz von innen kommt - dann ist es Zeit, etwas zu tun. Nur für sich selbst. Denn egal, was danach kommt - das steht man durch. Es bleibt einem auch gar nichts anderes.
Und DANN geschehen Wunder.
Also trau Dich..

Dienstag, 26. Mai 2015

Get lost tonight!!!





Waaaahhhh!!!! Was für ein Schmalzschinken, was für ein Schmalztyp - aber heilige Scheiße, ich war 15, ich war zum ersten Mal so richtig dolle verliebt in einen Jungen von der Nachbarschule - jeden Freitag, jeden Samstag, der möglich war, ausgehen, ihn sehen, aus der Ferne anschmachten, Herzchen in den Augen, erhitzte Wangen, glänzende Augen, Arme hochwerfen beim Tanzen!! So ausgelassen kennen mich die wenigsten, was aber nicht bedeutet, dass ich das nicht kann!!
Oh Gott, was für eine geile Zeit, abends ausgiebig duschen, das Haar fönen, den Lidstrich ziehen, die Wangen pudern, ein Glas selbstgemachter Wein - oder später tats auch ein Piccolo...

YEAH Baby, ich hab soooooo Lust auszugehen!!!
Ganz so wie früher!!

OK, von ganz, ganz früher habe ich gerade keine Fotos für Euch.
Geht sicher auch ohne ;)









Na fo ein Mifft!

Mit nur einem, also mindestens einem Tag Verspätung bin ich wieder in L angekommen und habe es verpasst - das Wave Gothic Treffen. Ich selber bevorzuge ja deutlich fröhlichere Farben zum Anziehen und so (auch wenn ich je nach Laune gerne auch mal schwarz gekleidet sein mag), aber ich mag das total: All die wahnsinnig kunstvoll zurechtgemachten, bemalten, verkleideten, frisierten Gäste von überallher. Deutlich zu wünschen lässt nur seit wenigen Jahren das Wetter übrig - WONNEmonat Mai ist zu irgend nem Ramschmonat verkommen.
Wenigstens regnet es hier nicht ständig wie in M, da muss man ja irgendwann depressiv werden - oder wenigstens in emotionale leichte Schieflage. Ob das Wetter also dran schuld war, dass die letzten Tage doch recht... stressbesetzt waren? Kennt Ihr auch dieses wie klebrige Gefühl, das an einem dranhaftet und man sich - ähnlich vermutlich wie in einem Spinnennetz - einfach nicht befreien kann, sondern es mit jeder Bewegung nur noch schlimmer macht?

Jedenfalls bin ich wieder bei der Jugend eingekehrt - und mein Stimmungspegel hob sich bereits in der Eingangstür: Ob sie doch endlich lernen? Die Wohnung jedenfalls war deutlich aufgeräumter und ordentlicher, da habe ich über den im Gegensatz zum letzten Besuch noch mehr verkümmerten Kühlschrank nur milde gelächelt: Kaffee war noch im Haus und die Milch und Kekse hatte ich mir in weiser Voraussicht selber mitgebracht. Auch Muddi lernt schließlich dazu ;)
Und während der eine Sohn sich auf die morgige erste schriftliche Prüfung einstimmt, packt der andere für den lang geplanten und schon vor Monaten bezahlten Kurzurlaub (trotz des erst vor kurzem begonnenen neuen Jobs, ja-ha, manchmal geht sowas, muss man nur aushandeln): Hach! Wenn ich sehe, wie er entspannt auf seinem Bett sitzt, etwas isst und nebenbei die Tasche packt, da freu ich mich gleich noch mal mehr auf den eigenen, auch in Kürze anstehenden Urlaub. TUI, den haben wir uns verdient.
Überhaupt hatten wir uns das ja vorgenommen, öfter zu verreisen, auch wenn es immer mal nur 1 oder 2 Tage sein würden, vorzugsweise übers Wochenende. Aber raus aus dem Alltag, Neues sehen, Anderes entdecken.
Jetzt muss nur noch der Sommer in die Puschen kommen. Immerhin ist es dieses Jahr, glaube ich, das erste Jahr, in dem ich schon zeitig gerüstet bin mit Sommerkleidchen in allen möglichen Farben und Formen - nur zum Tragen komm ich nicht, ist einfach zu kalt meist.
Mifft, fage ich, ganff groffer Mifft!

Quelle Bild: http://image3.spreadshirtmedia.net/image-server/v1/compositions/124705665/views/1,width%3D235,height%3D235,appearanceId%3D2/Man-hat-mir-soeben-die-Weltherrschaft-und-Kekse-..-Pullover---Hoodies.jpg

Sonntag, 24. Mai 2015

Hassliebe

 Ich gestehe: Auch als Frau bin ich schon ein wenig technikaffin. "Ein wenig" definiert z. B., dass mich der Sound eines V8 restlos begeistert, ich jedoch nun nicht bei jedem entsprechend vorbeidonnerndem Vehikel mit raushängender Zunge, Schnappatmung und starrem Blick dastehe. "Ein wenig" definiert auch, dass ich z. B. von den Vorzügen (m)eines iPads doch recht überzeugt bin, ich jedoch nicht die Möglichkeit haben muss, darüber meinen TV, die Beleuchtung meines Wohnraumes oder gar noch die Spülung meines Klosetts bedienen kann. Insofern wusste ich bei der Kurzreportage über eine Stadt in Südkorea nicht, ob mich der Grusel oder das Staunen über technisches Machwerk ergreifen sollte. Wenn nicht nur innerhalb einer Wohnung sämtliche Abläufe computergestützt ablaufen, sondern auch das Leben outside nicht ohne eine totale (computergestützte) Überwachung und Steuerung machbar ist, dann mag das Positives bergen: Es wird beinah sofort registriert, wann ein Kind zu weit von daheim entfernt ist bzw. wird. (Ob die Kriminalität insgesamt allerdings dadurch eingedämmt werden konnte, wurde in dem Beitrag übrigens nicht dokumentiert.) Andererseits jedoch bekommt die Bezeichnung "der gläserne Bürger" für mich damit eine recht reale Bedeutung. Fakt ist ja: Als Milchglasbürger empfinde ich uns Deutsche auch - und seit der Erfindung des Internets & Co. ist es für big Brother noch wesentlich einfacher geworden, sich über unsere Gewohnheiten und unser Leben an sich genau zu informieren, ohne dass wir das mitunter wissen bzw. überhaupt mitkriegen. 
Auch von der Erfindung der Handy's war und bin ich ja restlos begeistert. Es ist so enorm, was wir damit anstellen können, und ein schnödes Tastenteil, das nur zum Telefonieren gemacht ist, kommt uns gar nicht mehr in die Tüte. Nicht mal mehr ein Erstklässler würde sich darüber freuen. Wieso auch: Das Teil kann ja sooo viel mehr als Telefonieren! Und schüttle ich nicht auch heute noch ab und an mein müdes Haupt über Sohnemann, der seit 2 Jahren ein iPhone besitzt und sich bis heute nicht darum schert, dass Safari an der Stelle keine Tour durch die Pampa Afrikas beschreibt, sondern den Internetbrowser? Was für (ungeahnte) Ressourcen, die da nicht genutzt werden?
Und ich empfinde es auch schon als Fortschritt, dass ich - egal ob beim Sport, Bummeln oder sonstigem in der Art - meine Lieblingsmucke hören kann und trotzdem immer mit nur einem Gerät up to date bleiben kann: Mails (check), Facebook (check), Navigation (check), Blogs (check) - und das alles eben mit Musik.
Gestern jedoch war ich etwas, das man gerne von der Queen sagt: "Not amused". Ich meine, da gönnt man sich schlappe 15 Minuten NUR für sich selbst, abgeschottet von der Außenwelt, nur die Musik und ich, solange ich ein gewisses Programm durchlaufe - und dann stellt man fest, dass zum Beispiel die Erfindung eines Gruppenchats durchaus zum Nachteil werden kann. Bei nur sieben Beteiligten 32 Nachrichten innerhalb dieser fünfzehn Minuten zu empfangen - also Musikgenuss geht anders. Ich weiß ja nicht, wie das beim Smartphone ist, doch beim iPhone unterbricht die Musik ganz kurz, kündigt den Eingang einer Nachricht an und spielt dann weiter... Grimmppppppffff!
Ein Handy jedoch hat auch einen entschiedenen Nachteil: Vom Besitzer wird erwartet oder gar vorausgesetzt, dass er eben auch immer erreichbar ist. Seit diesem Jahr signalisiert Whatsapp dem treuen Nutzer auch, dass Nachrichten nicht nur übermittelt, sondern auch tatsächlich gelesen wurden.
"Du hast auf meine Nachricht noch nicht geantwortet."
"Äh... Nachricht?"
"Tu nicht so, du hast sie längst gelesen, die Haken sind blau!"
Wie schnell scrollt man Nachrichten mal durch, während man im Bus steht, beim Einkauf ist oder - ganz profan - auf der Toilette sitzt? Verschiebt das Antworten auf später, weil man grad mit anderen Dingen beschäftigt ist - und vergisst es dann auch mal?
Oder auch die andere Tour: "Du hast ein Diensthandy!"
"Ich weiß! Aber muss ich deswegen rund um die Uhr erreichbar sein? Auch abends und an Wochenenden?"
"Du weißt genau, dass ich nur anrufe, wenn es wirklich dringend ist!"
Ja genau. So wie man ganze viermal innerhalb von dreißig Minuten anruft, nur um jedesmal zu sagen: "Wir müssen heute unbedingt noch das Protokoll fertigkriegen, ich meld mich gleich dazu!"
Das Protokoll übrigens ist bis heute nicht geschrieben. Dass sowas durchaus erschöpfend und entnervend ausarten kann, ist vielleicht nachvollziehbar. Weil das nur die "unwichtigen" Anrufe sind. Abgesehen von den hundertfünfzig "wichtigen" Anrufen am Tag.
"Na gut, dann richte ich mich jetzt ab sofort nach der Assistenz, wann ich die anrufen darf."
"Das ist nicht fair! Wie oft ist mein Handy abends noch an? Es ist Samstag und ich rufe dich wegen einer E-Mail an, die du mir geschrieben hast. Ich dich, nicht umgekehrt, wegen high priority und so!?"
Wie habens die Chefs eigentlich früher gehandhabt? Zu tiefsten Ost-Zeiten, als Otto Normalbürger nicht mal ein Festnetztelefon besaß, weils auch hier jahrelange (!) Wartezeiten gab? Genau: Es hatte alles bis Montag Zeit. 
Ich liebe mein iPhone. Aber manchmal hasse ich diese Erfindung. Kein Wunder irgendwie bei aller technischer Entwicklung, dass wir zum Beispiel nicht mehr am Waschbrett stehen und nen krummen Rücken und aufgeriebene Hände bekommen, wir nicht erst umständlich Wasser im Kochtopf erhitzen müssen, um das Kind in der Zinkwanne zu baden, die Flüstersauger alle Flusen aufklauben, ohne uns auf den Sack zu gehen, wir mit dem Auto von A nach B in zehn Minuten statt 30 Minuten Fußweg kommen, wir entspannt und mit hochgelegten Füßen online einkaufen und bezahlen können und somit einen nervigen Nachmittag in der vollgestopften Innenstadt sparen - und uns am Ende eines Tages dennoch ausgebrannter, entnervter fühlen als unsere Mütter oder Großmütter. 

Freitag, 22. Mai 2015

To whom it may concern - Part II


 

Könnt Ihr interpretieren wie Ihr wollt.
P.S.: Mir gehts gut! ;)
P.P.S.: Mir fällt grad auf - so ein schönes langes grünes Kleid habe ich ja auch!
Also vermutlich doch bestens ausgestattet für den nahenden Kurzurlaub :)

Donnerstag, 21. Mai 2015

To whom it may concern - Part I

Im nächsten Leben werde ich Sekretärin

...pflegt Chef immer zu sagen, wenn ihm mal wieder die Arbeit und auch die Verantwortung über den Kopf wächst, wenn Ärger sich zusammenbraut und sich das für maximal eine Stunde geplante Meeting ("Beim letzten Mal waren wir nach zehn Minuten durch!") auf satte drei Stunden ausdehnt, Leute sich anschreien und kurz davor sind, sich mit Papierbällchen zu bewerfen.
"ICH würde dir das nicht raten", antworte ich dann immer, "DAS Los ist schwerer als du dir vorstellst."
Immerhin unterschreibt man oft für Blumen und Präsente, die man selber aber real nie bekommen hat - sondern eine andere Frau.
Immerhin steht man tagtäglich todesmutig zwischen Chef und Mitarbeiterfront, verbiegt die Pfeile, die von Chef in Richtung Mitarbeiterfront gehen, damit ein etwaiger Treffer nicht mehr gar so schmerzt.
Immerhin ist man tagtäglich verantwortlich, wenn der Kaffee mal wieder scheiße schmeckt oder schlichtweg kalt geworden ist ("Ab sofort bezahlt ihr den Kaffee selber, damit ihr mal merkt, was das kostet, wenn ihr immer die Hälfte wegkippt!" Ich meine, wo er recht hat.... Wie kann man ohne jeglichen Skrupel so ein wunderbar aromatisches lecker Getränk in den Ausguss schütten? Das ist zweifellos Frevel ohne Ende.
Immerhin läuft tagtäglich von früh bis abends das Fingerspitzengefühl auf Hochtouren: Ab wann ist es günstig, Gehaltserhöhungen für manche Mitarbeiter vorzuschlagen und auszuhandeln so wie auch Lohn und Arbeitszeiten für neue Mitarbeiter (mein Sohn! ha!), wann kann man überhaupt mit schwerverdaulichen Dingen aufwarten oder wo betreibt man besser zunächst etwas Smalltalk, um dem Dampfkessel ein wenig Druck abzulassen?
Immerhin ist man diejenige, die gerne vorgeschoben wird, wenn es darum geht, Termine abzusagen, die kurz vor knapp liegen, sprich: wo die Gäste bereits auf dem Weg sind. Und die dann auch nicht gerade glücklich darüber sind. "Du hast da so ne Ader, du machst das schon", sagt Chef dann. Na toll.
Immerhin ist man tagtäglich der Punchingball, der Arsch vom Dienst sozusagen, der immer, wirklich immer als erstes die volle Breitseite kriegt, berechtigt oder nicht, - und der sich dann gut überlegen muss, wie er darauf reagiert und umgeht. (Manchmal überlege ich auch gar nichts, dann heule ich ein bisschen heimlich auf dem Klo und dann gehts auch wieder.) Eine gute Sekretärin, habe ich mir vor vielen Jahren mal sagen lassen, kocht erst mal ein Käffchen und serviert es dem Chef. Hätte ja manchmal nicht übel Lust, in den Kaffee was mit reinzutun. Salz vielleicht. Oder Rizinusöl. Strafe muss sein, schließlich. Aber ich kann mich beherrschen! Auch wenn ich dafür schon mal Kaffee von ihm bekommen hab, in den er heimlich einen Teelöffel Salz versenkt hatte. Weil er sauer auf mich war wegen irgendwas. Und ich so erschrocken ob des hässlichen Geschmacks, dass ich den Kaffee vor Schreck in den Papierkorb spuckte. Alle haben gelacht, nur ich hab ewige Rache geschworen ;)
Das bislang "Lustigste", das ich mal erlebt habe, war kurz nach der Wende die Fülle an Anrufen von irgendwelchen Finanzheinis, die den bis dato unbeleckten, unbescholtenen Ossi locken wollten mit irgendwelchen Spekulationen im Immobilien- oder auch Bohrinselsektor. Der Chef, dem ich damals zu Diensten war, ließ sich immer irgendwas aufschwatzen, für das ich im Nachhinein und innerhalb der Fristen sämtliche Widerrufe aufsetzte und versendete. Also trug er mir auf: "Wenn wieder so einer anruft - gar nicht erst durchstellen." Also habe ich mich wie ein treuer Hund sozusagen quer vor seine Tür gelegt und niemanden von diesen Finanzarschkrampen reingelassen. Zumeist - und das ist ja bis heute so - erkennt man die allein am herablassenden, geschäftsmäßig tuenden Tonfall. Die haben echt alle den gleichen.
"Hallo, hier ist XY, ich würde gerne Herrn Dr. XY sprechen."
"Um was geht es bitte?"
"Sie sind aber neugierig. Wer sind Sie denn? Was ich möchte, bespreche ich mit Herrn Dr. XY."
"Sie werden entschuldigen, aber Herr Dr. XY ist sehr beschäftigt und es ist mein Job, die wichtigen von den unwichtigen Anrufen zu unterscheiden."
"Dies IST ein wichtiger Anruf."
"Dann sagen Sie mir bitte kurz, um was es geht."
"Das werde ich doch nicht mit einer Sekretärin bereden!"
"Dann kann ich Sie leider auch nicht durchstellen."
"Na sagen Sie mal, was ist denn das für ein Chef, der es nötig hat, sich hinter seiner Sekretärin zu verstecken?"
An dieser Stelle folgten weitere menschlich fragwürdige Verbalausfälle, die ich nicht mehr wiedergeben kann, weil ich die in der Tat vergessen habe. Ich weiß jedoch noch sehr genau, wie entspannt lächelnd ich ihm zugehört habe, ohne etwas dazwischenzurufen - und einfach mittendrin auflegen ist ja schließlich auch unhöflich. Also habe ich süffisant lächelnd abgewartet, bis er fertig war und dann auf seine letzte Frage: "Oder wie sehen Sie das?" gesagt: "Wissen Sie, ein Gespräch auf dieser Ebene ist mir zu dumm" und dann habe ich aufgelegt. Solche Typen sind ja wie Terrier, die geben nicht auf - er hats dann noch um die zwei mal probiert, aber dann hatten wir endlich auch unsere Ruhe, der damalige Chef behielt sein Vermögen im Strumpf und baute sich davon sein Schlösschen.

Andererseits: Chef möchte ICH auch nicht sein. Mir reicht die Verantwortung, die ich so schon trage. Mehr muss nicht.
Thematisch ist dieser Post sicherlich so ganz anders als der von gestern. Was nicht bedeutet, dass das von gestern vergessen ist. Kann es gar nicht. Aber ich muss mich auch selber... weglenken, bevor ich völlig verrückt werde. Und wie es die Conny in ihrem Kommentar auch schrieb: Letztlich kannst du hundert Mal zum Therapeuten gehen oder entsprechend viele Bücher lesen; es gibt Dinge, da kann Dir einfach niemand helfen. Da muss man selber durch und schauen, wie man zurechtkommt. Mal geht das besser und mal eben.. nicht.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Don't feed the fear

Momentan lese ich beinah zeitgleich auf verschiedenen Blogs ein (großes) Thema: Angst.
Über manche Ängste schmunzeln wir, solange diese noch nicht in Phobien ausgeartet sind. Die Angst vor Höhe, vor Spinnen, vor Ratten und Mäusen und so weiter und so weiter.
Über wiederum andere Ängste sprechen wir zuweilen nicht, weil wir uns nicht selber immer wieder an etwas erinnern möchten, das wir entweder gut verarbeitet oder meinetwegen auch gut verdrängt haben. (Ich glaube zum Beispiel, dass ich bis heute hin ganz gut verarbeitet habe, vor neun Jahren einen schweren Verkehrsunfall dank meiner defekten Lenkung verursacht zu haben: Ich kann inzwischen wieder angstfrei Auto fahren, inzwischen nicht selten auch ziemlich rasant, na ja, was so ne kleine Kiste halt hergibt. Angst kommt nur dann wieder hoch, wenns stürmt oder rutscht, aber das ist, denke ich, normal.)
Neun Jahre Verarbeitung also, um damit klarzukommen.
Neun Jahre Verarbeitung haben aber nicht ausgereicht, um ganz andere, aber auch mit diesem Unfall verbundene Traumata zu überwinden. Es fühlt sich ähnlich an wie mit der Angst vor dem Auto fahren: Ich denke nicht darüber nach, aber es genügt ein einziges Wort, ein einziges Tun oder Nicht-Tun, um diese Arschloch-Dämonen wieder hochkommen zu lassen.
Im Zaubermann'schen Blog startet (hoffentlich) dazu gerade eine Kommentier"diskussion" (hm ja, ich zitiere den Blog ziemlich oft grad, kann ich aber auch nix für, ist halt so) - und just sein Eingangspost mit den ersten beiden Kommentaren dazu brachte mich dazu, endlich mal rauszulassen, was mich seit wenigen Tagen belastet.
Meistens wissen wir ja, was uns ängstigt, was uns Bauchschmerzen bereitet - und ich persönlich neige seit einigen Jahren dazu, mich solchen Situationen, Begegnungen etc. zu entziehen, mich ihnen nicht (mehr) zu stellen. Ja ich weiß, man soll sich seinen Ängsten stellen, aber nicht immer hilft das auch. Ich hab nämlich zum Beispiel immer noch Angst vor Höhe, vor Spinnen und auch vor Mäusen oder Ratten, sofern die sich in die Wohnung oder so wagen. Als Kind war ich da wesentlich schmerzbefreiter, habe mit dem Nachbarskind eine Ratte gefangen und die auf meinem Arm spazieren lassen, bis das Mistvieh mir in den Daumenballen biss. Ich bin zwar nicht phobisch, aber die Angst ist da, jeden Tag neu, jede Begegnung lang neu. Man wird mich also nie niemals im Untergrund auf ein Date mit einer Kanalratte finden. Spinnen werden bis heute vom Mann vor die Tür gesetzt. Der kann sie in die Hand nehmen und raustragen, das könnte ich nicht mal dann, wenn man mir tausend Euro dafür bietet.
Aber können wir tatsächlich lernen, uns auf Angstsituationen vorzubereiten?
Können wir uns seelisch und moralisch auf etwas einstellen, das uns dann letztlich nicht doch eiskalt und urplötzlich und damit in gewisser Hinsicht auch unvorbereitet erwischt?
Können wir uns... ja wie sag ichs... darauf trainieren, wie wir dann damit umgehen? Uns verhalten?
Und wenn - ändert das dann was an der Angstsituation?
Ändert das dann was daran, wie wir uns fühlen?
Kann ich, will ich mich zum Beispiel darauf vorbereiten, belogen zu werden - egal von wem? Oder wenigstens zurechtgebogene "Wahrheiten" serviert zu bekommen - und am Ende selber dran schuld zu sein, weil "du hast ja nicht gefragt"? Türenknallen hinnehmen zu müssen, weil woanders womöglich Argumente ausgegangen sind? Sich selber zu fragen, wie viel man hinterfragen will, weil man nicht weiß, ob man selbst die Antwort verschmerzen kann? Oder ob dann die Antwort überhaupt ehrlich wäre? Lieber nichts fragen - diesem ausweichen, und dafür am großen Loch in der Brust krepieren?
Ein Partner, ein Freund, eine Freundin, ein Kind - niemand muss transparent für den anderen sein. Ich selbst möchte das so auch nicht sein. Es gibt niemanden, der restlos alles von mir weiß - und das muss auch nicht so sein. Auch ich will nicht restlos alles wissen; das wäre eine Last mitunter, die ich gar nicht tragen kann und auch nicht will.
Aber es gibt Situationen... die mir nach allem Erlebten immer noch Angst und Schmerz bereiten. Denen ich entweder ausweiche, sofern das geht. Oder von denen ich mir Transparenz wünsche, damit eben diese Angst nicht weiter und nicht unnötig genährt wird. Ich erlebe diese Situation nicht zum ersten Mal, ich kann ihr nur bedingt ausweichen, aber konnte ich mich darauf auch vorbereiten? Nicht wirklich. Seitdem schlafe ich schlecht und taumle wie betäubt durch den Tag. Möchte schreien, mich befreien - und bleibe dennoch ganz ruhig und still, wie gelähmt. Jedenfalls äußerlich.

Montag, 18. Mai 2015

Die Spitze des Eisberges

"Unser Bewusstsein, das, woran du denkst, was du noch weißt, was gegenwärtig in deinem Kopf ist. Doch das alles das ist nur die Spitze eines Eisberges. Das, was unterhalb der Wasseroberfläche in die Tiefe ragt, unser Unterbewusstsein, das ist viel, viel größer. Es ist nicht weg, nur weil du es nicht mehr weißt. Es ist immer da."
An diese Worte eines Menschen, den ich sehr schätze, musste ich heute morgen denken, als ich mich - zugegeben, mit Bauchschmerzen - an einen Vertragstext setzte, den es von Englisch in Deutsch zu übersetzen galt.
Für die Menschen, bei denen Englisch ein Alltagsbegleiter ist, mag das alles ein Klacks sein.
Jedoch ich habe vor zehn Jahren zum letzten Mal englisch gesprochen, übersetzt. Damals war ich schon ein wenig stolz auf mich. Vertragstexte, Bedienungsanleitungen für technische Anlagen - es war ja nicht so, dass ich die gelesen habe wie einen deutschen Text, aber ich konnte es. Es lag mir.
"Mit jeder Seite wirst du immer besser", hatte mein damaliger Chef zu mir gemeint.
Schon meine Englischlehrerin damals sagte: "Ihr Notenschnitt ist eine Drei. Aber auch nur deshalb, weil Sie mit tausend anderen Dingen nebenbei beschäftigt sind [andere sagen ja auch faule Socke dazu]. Sie können es. Sie können viel mehr."
Also gab sie mir eine Zwei. Verdient oder nicht. Würde vermutlich heute so auch nicht mehr passieren. Eher andersrum, wenn ich so an die Erfahrungen mit meinen Jungs oder deren Klassenkameraden denke.
Im Urlaub in Italien zum Beispiel habe ich immer den Liebsten reden lassen. Nach ein paar Jahren des Nicht-sprechens weiß man vielleicht noch die einen oder anderen Vokabeln, aber man ist einfach soooo unsicher! Allein der Gedanke, man steht vor der Bäckerin oder im Lokal und eiert sich einen ab, bloß weil man Angst hat, sich zu blamieren - oh Gott nee. Wozu hat man schließlich einen Mann?
Heute Morgen jedenfalls nutzte mir das nix. Die letzten vier Tage hatten wir frei - und die haben wir auch genutzt, ohne an die Arbeit zu denken, ohne an Pflichten zu denken. Sich treiben lassen, doch das war wirklich schön. Und entspannend.
Und nun stand ich da, der Liebste war los ins Büro, ich konnte niemanden fragen und Chef pochte auf die Uhr: "Bis Mittag brauch ich das, muss doch wissen, ob ich unterschreiben kann oder nicht!"
So fing ich an. Vertiefte mich. Nur ein einziges Wort, das mir so gar nicht mehr gegenwärtig war, schlug ich nach. Eine einzige Wortwendung war enthalten, von der ich wusste "Das wird so nicht übersetzt, das ist ein Begriff für irgendwas - nur für was?"
[Wer von Euch weiß, wie man "gegengezeichneten transfer-acceptance deeds" übersetzt?? Hat was mit Abschlagsrechnungen zu tun. Danke :) ]
Bei allen anderen Worten, die ich sicherheitshalber noch mal im Wörterbuch nachlas, lächelte ich: "Na bitte, stimmt doch, geht doch."
Das tat mir irgendwie gut. Zu fühlen, dass ich doch noch mehr konnte als ich mir selber zugetraut hatte. Zu sehen, dass ich doch noch nicht alles vergessen hatte.
Es ist wie mit der Stenografie: Jahrelang nicht praktiziert - aber man vergisst sie nicht. Sobald man beginnt zu schreiben, fällt einem alles wieder ein.
Mein Unterbewusstsein. Ausgegraben aus den Tiefen eines Eismeeres. Eingefroren, aber nicht abgestorben. Und darauf jetzt einen heißen Kaffee!

Freitag, 15. Mai 2015

Die frühen Jahre

Auch letzte Nacht bin ich sehr spät ins Bett gekommen. Es war wohl halb drei oder so. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal nicht der Gedanke an Job, Pflichten oder sonstiges mich umtrieb, sondern einzig und allein mein Kopfkino.
Das - BÄÄMM - ansprang, nachdem ich hier noch gelesen hatte.
Wenn Geist und Körper müde und relativ entspannt sind, dann genügt oftmals nur ein kleiner Anstupser, sei es der Klang einer Melodie, ein Wort, ein Bild, um Erinnerungen hochkommen zu lassen.

Schon sehr früh, als ich noch nicht zur Schule ging, und auch später in den Ferien war ich immer bei den Großeltern auf dem Land. Ich habe es wahnsinnig geliebt, dort zu sein. Vermutlich, weil meine Großmutter diejenige war, die mich oft auf dem Schoß hielt, mich vergötterte, mich badete und windelte (ja, auch daran kann ich mich noch erinnern, ganz ernsthaft, und meine Mum hat mir bestätigt, dass diese Erinnerungen stimmen), mich oft mit in ihrem Bett schlafen ließ, wenn in der Nacht die dunklen Monster mit den langen Zähnen kamen.
Wie oft ist sie mit mir zum Bäcker auf der anderen Straßenseite gegangen, dann haben wir Milch und Brot gekauft und für mich war immer ein Pfannkuchen dabei.
Wie oft hat sie mit mir den Urgroßvater besucht, der nur ein paar Häuser weiter mit seiner Tochter lebte. Wie habe ich diese Küche geliebt, in der jeden Sommer Johannisbeeren eingekocht wurden und dann atmete das ganze alte Haus diesen süßen Duft nach Marmelade. Ich habe es geliebt, dieses wunderbare alte Haus mit den knarrenden Dielen.
Wie oft wollte ich immer eine Prinzessin sein, mit einer Krone auf dem Kopf und einem weißen Spitzenkleid. So oft und so gern, dass meine Mum ihr Hochzeitskleid für mich zerschnitt und zurechtbastelte. Fünf Jahre alt war ich da.
Doch wenn ich bei den Großeltern auf dem Land war, dann wollte ich keine Prinzessinnenkleider. Dann hatte ich die kurzen Lederhosen an, habe die Zuckererbsen vom Strauch geklaut, Kartoffelkäfer von den Blättern gesammelt, damit sie den Großeltern nicht die Ernte verdarben; bin in den Bäumen herumgeklettert, um Kirschen und Eierpflaumen zu pflücken, zu naschen und den Rest von der Großmutter einkochen zu lassen.
Stundenlang habe ich mich darin vertieft, im naheliegenden Tümpel die Frösche einzufangen, auf der flachen Hand sitzen zu lassen, bis sie zurück in den Teich sprangen. Jeden Abend, der die Hitze des Tages noch atmen ließ, saß ich am Tisch mit der Gummidecke, aß die belegten Brote, baumelte mit den nackten Beinen und nachts, wenn ich dann im Bett lag, hörte ich den Fröschen zu.
Sie waren so wunderbar unbeschwert, diese Jahre, diese ersten frühen Jahre, in denen meine Haare strubblig, strohblond und kurzgeschnitten waren und ich mich nicht entscheiden konnte, Prinzessin oder Räubertochter sein zu wollen.
Meine Großmutter ist schon seit vielen Jahren tot, seit sechsundzwanzig Jahren, um genau zu sein.
Ich vermisse sie noch heute.
Wie unglaublich gern würde ich noch heute mit ihr auf dieser Holzbank vor dem Haus sitzen, ratschen, die Abendsonne genießen, mit dem Rücken am Haus, das die Wärme des Sommers zurückgab... Ich würde ihr so unglaublich gern zeigen, was aus mir geworden ist. Eine Frau, die sich bis heute nicht zwischen Prinzessin und Räubertochter entscheiden kann... Und es mittlerweile auch gar nicht mehr will.

Donnerstag, 14. Mai 2015

Homecoming



Letzte Nacht schlief ich schlecht.
Der Abend hatte ein sanftes Gewitter gebracht, die Fenster blieben geöffnet, es war streichelzart mild und der Mann lag neben mir, atmete ruhig im Schlaf - also eigentlich alles Zutaten, die ich liebe, die ich so mag.
Trotzdem schlief ich schlecht.
Ich war müde, ich war überarbeitet, der Tag voller to do's, die nicht warten konnten und zugleich sehr hohe Aufmerksamkeit beanspruchten.
Zahlenreihen, die waagerecht und senkrecht passen mussten. Seitenweise Zahlenreihen.
Protokolle. Einladungen. Der Tisch voller Papier, das immer noch nicht abgearbeitet ist.
"Bist du gut wieder nach Hause gekommen?"
"Ja. Keine Stau's, Gott sei Dank. Ich war so müde. Und bisschen unaufmerksam. Bloß gut, dass die Autobahnen stellenweise echt leer waren."
"Du bist verrückt, wirklich. Warum bist du nicht ganz entspannt am Mittwoch heimgefahren?"
"Weil ich dann mindestens einen halben Tag verliere und die Arbeit nicht schaffe."
"Na und? Wenn dir was passiert, bleibt die Arbeit ganz liegen, dann hat keiner was gekonnt."
Stimmt alles.
Ich bin ehrlich: Es zog mich nach Hause. Doch, auch der Berg an Arbeit war ein Grund. Es zog mich hierher, wo es still ist. Ruhig. Friedlich.
Und außerdem liebe ich es, an so wunderbaren Sommerabenden über die Straßen zu düsen. Die Musik aufzudrehen. Mitzusingen oder den Gedanken nachzuhängen. Ich mag den Gedanken, wie es wäre, jetzt auf dem Weg nach Irgendwohin zu sein. Da, wo man mit nackten Beinen im See steht, wo das Kleid im Wind flattert, wo man sich ein Eis kauft und die Sonne auf die nackten Schultern brennt. Für sowas reichen mir ein, zwei Tage. Ein, zwei Tage, wo ich die Last des Alltags ausblenden kann und möchte, wo ich alles hinter mir lassen kann, den Kopf freibekomme.

Letzte Nacht bin ich immer wieder erwacht, fragte mich, ob die Zahlenlisten stimmten, die ich gestern Abend noch per E-Mail versendet hatte. Was, wenn nicht? Zwei Tage zu spät gesendet und dann vielleicht falsch. Ich war versucht aufzustehen, den Laptop anzuschalten, noch mal alles durchzusehen. Zum gefühlten hundertsten Male.
Lass es gut sein, habe ich mir dann gesagt, selbst wenn es so ist, kannst du es nicht mehr ändern.
Heute Morgen, noch vor dem Frühstück, habe ich ihn dann doch angeschalten und alles kontrolliert. Keinen Fehler gefunden. Aber festgestellt, dass ich Ergänzungen hätte schreiben können. Eine Art Legende. Schreiben können oder schreiben müssen? Am Endergebnis hätte das eh nix geändert, die Vergabeverhandlungen stehen bevor, die Einladungen sind versendet und akzeptiert.
"Sehr gute Arbeit, danke", schrieb mir nur eine Stunde später der Chef, und ich war unglaublich erleichtert. Endlich weicht der Druck in der Brust und aus dem Kopf, entspannt sich mein Körper.

Es ist Feiertag. Freier Tag. Ruhetag. Und ich bin endlich zu Hause. Von innen und außen.
Ich sollte mal wieder einen richtigen Urlaub machen. Nicht nur hier und da immer mal ein paar Tage. Nein, mal so richtigen Urlaub. Zwei, drei Wochen irgendwohin, weit weg, natürlich am liebsten ans Meer. Ich träume so lange davon. So sehr träume ich davon - und tue es doch nicht.
Der Liebste will unbedingt nach Indien, gemeinsam mit mir. Indien.. Ein fernes, weites Land, es reizt mich, aber ich habe auch sehr Respekt davor. Vor dem stundenlangen Flug, vor der unglaublichen Hitze - und vor den bevorstehenden Eindrücken. Indien, denke ich beklommen, bedeutet Stress in der Seele für mich. Sehen, verarbeiten, Hitze ertragen.
Was würde ich stattdessen wollen? Ich weiß nicht... Eine Südseeinsel vielleicht? Irgendwas, wo ein Strohhäuschen am Strand steht? Wo man tagsüber am Strand entlanglaufen kann, barfuß, aus einer Kokosnuss trinkt und abends der feine Sand aus den Haaren rieselt. Wo nix passiert. Wo es keinen Fernseher gibt. Kein Handy. Nichts. Ich weiß gar nicht, ob ich das selber aushalten könnte. Vermutlich hätte ich nach einer Woche spätestens genug. Aber für den Moment... bin ich sehr verliebt in diese Vorstellung.

Sonntag, 10. Mai 2015

Wird doch eh alles überbewertet. Na fast alles.

Frauen sind schon auch merkwürdige Wesen. So merkwürdig, dass wir uns selber oft genug nicht erklären können, warum wir wie ticken. Schneiden uns die langen Haare ab, bereuen diesen Akt keine 12 Stunden später und dann freuen wir uns über jeden Zentimeter, der nachgewachsen ist.
Erklären den Valentinstag für eine Erfindung der Industrie, um den rechtschaffenden Leuten das sauer verdiente Geld aus der Tasche zu ziehen. (Karl. Wer ist schon Karl?) Freuen uns dann aber doch wie Bolle, wenn der Mann mit irgendner Aufmerksamkeit nach Hause kommt (der Zaubermann findet ja, Blumen oder so zu genau diesem Tag wären der größte Fehler ever, Fakt ist aber auch: Bringt der Mann außer der Reihe Blumen mit, wittert das Weib schlechtes Gewissen oder so. Genau: Er kann eigentlich nur verlieren ;))
Als der Liebste übrigens vor kurzem mit einer besonderen Schokolade nach Hause kam, sie mir überreichte mit den Worten: "Hier, was zum Gesundwerden für dich", da bin ich schon ein bisschen herumgehopst vor Freude und er sagte: "Ich finde das schön, dass du dich so freuen kannst." Während ich ja hingegen zu Weihnachten ein iPad auspackte und ihn da ratlos anblickte: "Äh... Und was soll ich damit?"
Merke also: Es kommt NICHT auf einen bestimmten Tag im Jahr an, den die Industrie oder Karl der Industrielle oder wer auch immer dazu bestimmt hat, Frauen, Mütter, Väter oder einfach Namen besonders zu bedenken und möglichst auch zu beschenken. Ich finde auch nicht wichtig, dass etwas teuer war - ganz im Gegenteil, das finde ich erschreckend. Ja ich weiß, klingt komisch von einer, die sich ein iPhone 6 gewünscht hat (geile Kamera, findet auch Sohnemann II) - und dass es das dann schon im Januar gab statt zu gegebener Zeit, lag wiederum daran, dass der Mann es vergünstigt bekommen konnte. Nu ja, wurde halt im Januar beschenkt - und gefeiert wird halt paar Monate später.
Denn letztlich ist es doch das, worum es geht: Dass man das, was man von sich geben möchte (und ich möchte hier nun noch mal betonen, dass ich mich über die "gute Besserung Schokolade" mindestens genauso gefreut hab wie über das Telefon, auch wenn finanziell natürlich Welten dazwischen lagen), dass man sie mit dem Herzen schenkt, mit Gefühl. Dass es Spaß macht, jemandem eine Freude, eine Überraschung zu bereiten, dass es einem selber Freude macht, dem anderen dabei zuzusehen, wie die Augen glänzen und die Wangen rosa werden vor Freude.
Dazu brauchen weder der Liebste noch ich irgendwelche vorgegebenen Tage.
An dieser Überzeugung hielt ich auch heute immer noch fest, als ich in L eintraf, punktgenau auf die Minute, trotzdem kein Begrüßungskaffee für mich bereitstand und auch von einem Stück Obstkuchen oder ner Blume weit und breit keine Sicht war.
Wer braucht schon Muttertagsgedöns, wenn die Jugend einem überrascht am Halse hängt "Muuuummmm!!!! Du hier??? War das so verabredet??? Wusste ich gar nicht!!", einen gar nicht mehr loslassen mag und selbst den weiblichen (sehr hübsch anzusehenden übrigens) Besuch nach zwei Stunden wieder zur Tür hinauskomplimentiert, weil man auch bisschen Zeit für die Mutter haben möchte?
Ich war dann übrigens doch sehr, sehr erleichtert, dass ich heute Morgen, als ich die Tasche packte, noch ein Ei und exakt 125 ml Speiseöl mit eingepackt hatte. Sonst wäre das nix geworden mit den 24 winzigen Muffins, die ich am Nachmittag dann gebacken habe, damit wenigstens ETWAS auf dem Kaffeetisch gestanden hat heute.
Denn als ich in den Kühlschrank schaute, da... musste ich dann doch ein bisschen lachen.
Muttertag hin oder her - aber den Empfang zumindest hatte ich mir dann doch etwas anders vorgestellt. Dass der Jüngere meinen Besuch vergessen hatte - okay, aber der Ältere hatte es gewusst. Und keiner war einkaufen.
"Stand in der Tür nicht doch ne Flasche Prosecco?" wurde ich auf Fratzenbuch gefragt.
"Leider nein! Da stand nur eine aufgeblähte Tüte Milch!"
Wenigstens war die noch nicht sauer. Gott sei Dank! Kaffee ohne Milch geht schließlich gar nicht. Aber gar kein Kaffee... also meine Toleranz hat schon durchaus Grenzen!



Mittwoch, 6. Mai 2015

Im Zeichen des Genusses. Eigentlich.

Doch doch, mich gibts schon noch. Bin grad gestern gefragt worden, ob alles okay bei mir sei - kein Blog, keine sonstige Konversation - ob man sich Sorgen machen müsse.
Normalerweise ist es ja so: Hört man von den Leuten nix, geht es ihnen gut. Die Erfahrung mit mir *kreisch* zeigte in den letzten Jahren allerdings genau das Gegenteil.
Aber doch: Mir gehts gut. An das verlängerte Wochenende hatten wir noch zwei Tage Urlaub angehangen - eigentlich geplant zu verreisen. Doch dann schraubte und werkelte der Liebste an seinem Wagen rum, aus geplantem 1 Tag wurden insgesamt drei, das Wetter ließ auch zu wünschen übrig und so fielen die Pläne buchstäblich ins Wasser.
Und wie habe ich diese freien Tage genutzt? Genau richtig: essen und schlafen. 

 Angefangen hatte alles auf dem Viktualienmarkt. Ich liebe das ja echt, so mit der Korbtasche über einen Markt zu schlendern, hier ein bisschen Obst, dort ein bisschen Gemüse oder auch einen Bund Blumen einzukaufen; überall schnuppert es nach Gewürzen oder Kaffee oder Tee, man probiert hier, kostet da... Wie zum Beispiel diese frisch zubereiteten Obst- und Gemüsesäfte. Was rechts bisschen aussieht wie - mit Verlaub - Moppelkotze, entpuppte sich als der leckerste Drink ever: Spinat, Äpfel, Mango - um nur einige Zutaten zu nennen (die anderen habe ich leider vergessen, das Alter, Ihr wisst ja), dagegen konnte der Drink des Liebsten mit vor allem Karotten und Ingwer überhaupt nicht anstinken. Fand ich jedenfalls.

Fortgesetzt wurde das lukullische Treiben mit einer selbstgemachten Pizza, von der ich hier gelesen hatte. Man möge es mir verzeihen, aber das... gibt es bei uns dann doch nicht noch mal. Die Zutaten lasen sich wirklich lecker und das erste Stück hat dann auch sogar geschmeckt. Aber irgendwie... Ich weiß nicht. Zwei Stücken haben wir jeweils gegessen, als ich dann zwei Stunden später noch eins nahm, entwickelte mein Magen sowas wie Gänsehaut. Typische Abwehrhaltung also, wo ich dann wusste: Mehr sollteste davon jetzt nicht mehr essen! Ich glaube, das Problem war die Kombination von roter Bete und dem Creme fraiche Mix. Ein Mix, der mir noch Stunden später irgendwie schwer im Magen lag. So schwer, dass ich mich an meinem letzten freien Tag, nämlich gestern, am Fluss niederließ und am liebsten den ganzen Nachmittag nicht mehr aufgestanden wäre, wäre es dem Liebsten nicht irgendwann doch zu langweilig geworden. Ich meine, wir hatten gefühlte 30 Grad! Das Wasser für mich zu kalt (Gebirgswasser, das wird ja auch im Sommer nicht wirklich warm) zum Anbaden, aber um dort zu liegen, ab und an mal die Füße oder so einzutauchen... Das hat schon was!

Menschen reagieren ja recht unterschiedlich auf Hitze. Kennt man ja. Die einen werden müde, die anderen aggressiv, wiederum andere werden unleidlich, ohne dass sie selber genau wissen warum. Wetter, wo auch die Kleinsten schon mal quengelig werden. In solchen Momenten bin ich dann doch sehr, sehr erleichtert, dass meine Jungs schon erwachsen sind. Ich liebe Kinder, doch inzwischen liebe ich es vor allem, wenn ich sie wieder an Mutter oder Vater zurückgeben kann. Auch wenn ich diesen Spruch "Kleine Kinder, kleine Sorgen..." mittlerweile nachvollziehen kann. Wobei - es ist ja nun auch kein Geheimnis mehr: Junior bekommt wieder einen Job. Das heißt, genau genommen kann er jetzt wählen: Fängt er bei uns an oder doch in der anderen Firma, die vor allem besser bezahlt?
Vor rund zwei Wochen hatte Chef angemerkt: Wir brauchen unbedingt personelle Verstärkung. Das Unternehmen ist um Ingenieur und Ingenieur gewachsen, das kaufmännisch-administrative im Verhältnis nur wenig. Was also bedeutet, dass mehr und mehr Arbeit im Backoffice anfiel, aber nicht wirklich Personal da ist, um das aufzufangen. Hier wird mir übrigens auch immer wieder Landesverrat und so nachgesagt - doch solange ich diesem Unternehmen immer noch angehöre, kann ich darüber nur schmunzeln.
Die erste "Aufstockung", die wir beide bereits aus anderen Projekten kennen, lehnte ab: Sie hat bereits ab Juli, pünktlich mit dem Ende ihres Erziehungsjahres, eine Vollzeitstelle. Besser kann sowas nicht laufen! Und ich schwöre Stein und Bein, dass ich erst einen Tag nach ihrer Absage - abends beim Essen zubereiten - auf die Idee kam: Wieso eigentlich nicht... mein eigener Sohn?
Beherzt den Chef gefragt, der sich wiederum mit der eigenen Regierung abgestimmt - und gestern war er nun da, sich vorstellen und überhaupt.
"Bist du sicher, dass wir hier das richtige tun?" hat Chef die zweite Assistentin befragt und die hat gesagt: "Na klar, wieso nicht?" - "Na die Helma ist eine 150 Prozent Mutter. Da darf ich am Ende nischt gegen den Sohn sagen, da wird es pausenlos krachen. Brauchen wir am Ende auch nicht."
Eins kann ich ihm versichern: Kritik ist für mich in Ordnung - solange sie fair und sachlich bleibt.

Das habe ich auch gestern und heute Morgen zum Liebsten gesagt, nachdem das Gewitter leider nicht nur draußen vor dem Fenster stattgefunden hatte (ein geiles Gewitter übrigens, das naturgemäße; schade nur, dass das so kurz war). Und bei Kritik hängt es nicht allein am Ton, sondern für mich vor allem auch an der Wortwahl. Zu Ehezeiten wurde die komplette Zoohandlung abgehakt, wenn es darum ging, mir Tiernamen zu geben. Bis heute reagiere ich sehr dünnhäutig auf solche Dinge, auch dann, wenn ich selbst nicht davon betroffen bin. Sei es in der Firma oder privat.
Insofern... waren die letzten Tage sehr von Genuss geprägt, sehr schade, dass der Ausklang des letzten Abends so ganz anders war - und leider bleibt genau das dann auch in der Erinnerung hängen.
Eins jedenfalls habe ich mir geschworen: Keine Weinschorle mehr, wenn es so drückend warm ist - weil die dann schon ausreicht, mich übermütig zu machen. Und nicht jeder Übermut tut letztlich auch gut.