...pflegt Chef immer zu sagen, wenn ihm mal wieder die Arbeit und auch die Verantwortung über den Kopf wächst, wenn Ärger sich zusammenbraut und sich das für maximal eine Stunde geplante Meeting ("Beim letzten Mal waren wir nach zehn Minuten durch!") auf satte drei Stunden ausdehnt, Leute sich anschreien und kurz davor sind, sich mit Papierbällchen zu bewerfen.
"ICH würde dir das nicht raten", antworte ich dann immer, "DAS Los ist schwerer als du dir vorstellst."
Immerhin unterschreibt man oft für Blumen und Präsente, die man selber aber real nie bekommen hat - sondern eine andere Frau.
Immerhin steht man tagtäglich todesmutig zwischen Chef und Mitarbeiterfront, verbiegt die Pfeile, die von Chef in Richtung Mitarbeiterfront gehen, damit ein etwaiger Treffer nicht mehr gar so schmerzt.
Immerhin ist man tagtäglich verantwortlich, wenn der Kaffee mal wieder scheiße schmeckt oder schlichtweg kalt geworden ist ("Ab sofort bezahlt ihr den Kaffee selber, damit ihr mal merkt, was das kostet, wenn ihr immer die Hälfte wegkippt!" Ich meine, wo er recht hat.... Wie kann man ohne jeglichen Skrupel so ein wunderbar aromatisches lecker Getränk in den Ausguss schütten? Das ist zweifellos Frevel ohne Ende.
Immerhin läuft tagtäglich von früh bis abends das Fingerspitzengefühl auf Hochtouren: Ab wann ist es günstig, Gehaltserhöhungen für manche Mitarbeiter vorzuschlagen und auszuhandeln so wie auch Lohn und Arbeitszeiten für neue Mitarbeiter (mein Sohn! ha!), wann kann man überhaupt mit schwerverdaulichen Dingen aufwarten oder wo betreibt man besser zunächst etwas Smalltalk, um dem Dampfkessel ein wenig Druck abzulassen?
Immerhin ist man diejenige, die gerne vorgeschoben wird, wenn es darum geht, Termine abzusagen, die kurz vor knapp liegen, sprich: wo die Gäste bereits auf dem Weg sind. Und die dann auch nicht gerade glücklich darüber sind. "Du hast da so ne Ader, du machst das schon", sagt Chef dann. Na toll.
Immerhin ist man tagtäglich der Punchingball, der Arsch vom Dienst sozusagen, der immer, wirklich immer als erstes die volle Breitseite kriegt, berechtigt oder nicht, - und der sich dann gut überlegen muss, wie er darauf reagiert und umgeht. (Manchmal überlege ich auch gar nichts, dann heule ich ein bisschen heimlich auf dem Klo und dann gehts auch wieder.) Eine gute Sekretärin, habe ich mir vor vielen Jahren mal sagen lassen, kocht erst mal ein Käffchen und serviert es dem Chef. Hätte ja manchmal nicht übel Lust, in den Kaffee was mit reinzutun. Salz vielleicht. Oder Rizinusöl. Strafe muss sein, schließlich. Aber ich kann mich beherrschen! Auch wenn ich dafür schon mal Kaffee von ihm bekommen hab, in den er heimlich einen Teelöffel Salz versenkt hatte. Weil er sauer auf mich war wegen irgendwas. Und ich so erschrocken ob des hässlichen Geschmacks, dass ich den Kaffee vor Schreck in den Papierkorb spuckte. Alle haben gelacht, nur ich hab ewige Rache geschworen ;)
Das bislang "Lustigste", das ich mal erlebt habe, war kurz nach der Wende die Fülle an Anrufen von irgendwelchen Finanzheinis, die den bis dato unbeleckten, unbescholtenen Ossi locken wollten mit irgendwelchen Spekulationen im Immobilien- oder auch Bohrinselsektor. Der Chef, dem ich damals zu Diensten war, ließ sich immer irgendwas aufschwatzen, für das ich im Nachhinein und innerhalb der Fristen sämtliche Widerrufe aufsetzte und versendete. Also trug er mir auf: "Wenn wieder so einer anruft - gar nicht erst durchstellen." Also habe ich mich wie ein treuer Hund sozusagen quer vor seine Tür gelegt und niemanden von diesen Finanzarschkrampen reingelassen. Zumeist - und das ist ja bis heute so - erkennt man die allein am herablassenden, geschäftsmäßig tuenden Tonfall. Die haben echt alle den gleichen.
"Hallo, hier ist XY, ich würde gerne Herrn Dr. XY sprechen."
"Um was geht es bitte?"
"Sie sind aber neugierig. Wer sind Sie denn? Was ich möchte, bespreche ich mit Herrn Dr. XY."
"Sie werden entschuldigen, aber Herr Dr. XY ist sehr beschäftigt und es ist mein Job, die wichtigen von den unwichtigen Anrufen zu unterscheiden."
"Dies IST ein wichtiger Anruf."
"Dann sagen Sie mir bitte kurz, um was es geht."
"Das werde ich doch nicht mit einer Sekretärin bereden!"
"Dann kann ich Sie leider auch nicht durchstellen."
"Na sagen Sie mal, was ist denn das für ein Chef, der es nötig hat, sich hinter seiner Sekretärin zu verstecken?"
An dieser Stelle folgten weitere menschlich fragwürdige Verbalausfälle, die ich nicht mehr wiedergeben kann, weil ich die in der Tat vergessen habe. Ich weiß jedoch noch sehr genau, wie entspannt lächelnd ich ihm zugehört habe, ohne etwas dazwischenzurufen - und einfach mittendrin auflegen ist ja schließlich auch unhöflich. Also habe ich süffisant lächelnd abgewartet, bis er fertig war und dann auf seine letzte Frage: "Oder wie sehen Sie das?" gesagt: "Wissen Sie, ein Gespräch auf dieser Ebene ist mir zu dumm" und dann habe ich aufgelegt. Solche Typen sind ja wie Terrier, die geben nicht auf - er hats dann noch um die zwei mal probiert, aber dann hatten wir endlich auch unsere Ruhe, der damalige Chef behielt sein Vermögen im Strumpf und baute sich davon sein Schlösschen.
Andererseits: Chef möchte ICH auch nicht sein. Mir reicht die Verantwortung, die ich so schon trage. Mehr muss nicht.
Thematisch ist dieser Post sicherlich so ganz anders als der von gestern. Was nicht bedeutet, dass das von gestern vergessen ist. Kann es gar nicht. Aber ich muss mich auch selber... weglenken, bevor ich völlig verrückt werde. Und wie es die Conny in ihrem Kommentar auch schrieb: Letztlich kannst du hundert Mal zum Therapeuten gehen oder entsprechend viele Bücher lesen; es gibt Dinge, da kann Dir einfach niemand helfen. Da muss man selber durch und schauen, wie man zurechtkommt. Mal geht das besser und mal eben.. nicht.
5 Kommentare:
Punktlandung dieser Post!
Wo soll ich unterschreiben?
LG von einer zur Zeit ziemlich gestreßten Sekretärin, die niemals Chef werden möchte.
Als ich noch vor Ort im Büro war, jeden Tag den Wahnsinn live erlebte, da dachte ich zuletzt mitunter: SO werde ich aber auch nicht alt werden ;)
Inzwischen, mit dem Abstand durch das Home Office, kann ich das alles wesentlich leichter ertragen und weigere mich standhaft, mehr als 2 Tage aller 14 Tage vor Ort zu verbringen.
Außer nächste Woche, da habe ich mich überreden lassen, weil ich anschließend satte drei Wochen nicht vor Ort sein werde - dem Kurzurlaub sei Dank! :D
Bis auf die Stelle mit dem Sohnemann, würde ich das an Deiner Stelle komplett so ausdrucken und dem Chef bei seinem nächsten Anflug von "im nächsten Leben werde ich Sekretärin" mit einem liebreizenden Aufgenaufschlag hinblättern.
Hätte eine Konversation mit meiner Kollegin sein können ;-) Sehr gut pariert Helma, Glückwunsch.
Danke Bohli ;) Dass ich diese Situation bis heute nicht vergessen hab (ich weiß sogar noch, wie der klang), schiebe ich mal darauf, dass ich selber überrascht war, wie schlagfertig ich pariert hatte. Immerhin war ich damals gerade 20 Jahre jung, sehr schüchtern und überhaupt - ich hätte mir das selber nicht zugetraut. Was heute... freilich schon anders wäre ;)
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