Auch letzte Nacht bin ich sehr spät ins Bett gekommen. Es war wohl halb drei oder so. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal nicht der Gedanke an Job, Pflichten oder sonstiges mich umtrieb, sondern einzig und allein mein Kopfkino.
Das - BÄÄMM - ansprang, nachdem ich hier noch gelesen hatte.
Wenn Geist und Körper müde und relativ entspannt sind, dann genügt oftmals nur ein kleiner Anstupser, sei es der Klang einer Melodie, ein Wort, ein Bild, um Erinnerungen hochkommen zu lassen.
Schon sehr früh, als ich noch nicht zur Schule ging, und auch später in den Ferien war ich immer bei den Großeltern auf dem Land. Ich habe es wahnsinnig geliebt, dort zu sein. Vermutlich, weil meine Großmutter diejenige war, die mich oft auf dem Schoß hielt, mich vergötterte, mich badete und windelte (ja, auch daran kann ich mich noch erinnern, ganz ernsthaft, und meine Mum hat mir bestätigt, dass diese Erinnerungen stimmen), mich oft mit in ihrem Bett schlafen ließ, wenn in der Nacht die dunklen Monster mit den langen Zähnen kamen.
Wie oft ist sie mit mir zum Bäcker auf der anderen Straßenseite gegangen, dann haben wir Milch und Brot gekauft und für mich war immer ein Pfannkuchen dabei.
Wie oft hat sie mit mir den Urgroßvater besucht, der nur ein paar Häuser weiter mit seiner Tochter lebte. Wie habe ich diese Küche geliebt, in der jeden Sommer Johannisbeeren eingekocht wurden und dann atmete das ganze alte Haus diesen süßen Duft nach Marmelade. Ich habe es geliebt, dieses wunderbare alte Haus mit den knarrenden Dielen.
Wie oft wollte ich immer eine Prinzessin sein, mit einer Krone auf dem Kopf und einem weißen Spitzenkleid. So oft und so gern, dass meine Mum ihr Hochzeitskleid für mich zerschnitt und zurechtbastelte. Fünf Jahre alt war ich da.
Doch wenn ich bei den Großeltern auf dem Land war, dann wollte ich keine Prinzessinnenkleider. Dann hatte ich die kurzen Lederhosen an, habe die Zuckererbsen vom Strauch geklaut, Kartoffelkäfer von den Blättern gesammelt, damit sie den Großeltern nicht die Ernte verdarben; bin in den Bäumen herumgeklettert, um Kirschen und Eierpflaumen zu pflücken, zu naschen und den Rest von der Großmutter einkochen zu lassen.
Stundenlang habe ich mich darin vertieft, im naheliegenden Tümpel die Frösche einzufangen, auf der flachen Hand sitzen zu lassen, bis sie zurück in den Teich sprangen. Jeden Abend, der die Hitze des Tages noch atmen ließ, saß ich am Tisch mit der Gummidecke, aß die belegten Brote, baumelte mit den nackten Beinen und nachts, wenn ich dann im Bett lag, hörte ich den Fröschen zu.
Sie waren so wunderbar unbeschwert, diese Jahre, diese ersten frühen Jahre, in denen meine Haare strubblig, strohblond und kurzgeschnitten waren und ich mich nicht entscheiden konnte, Prinzessin oder Räubertochter sein zu wollen.
Meine Großmutter ist schon seit vielen Jahren tot, seit sechsundzwanzig Jahren, um genau zu sein.
Ich vermisse sie noch heute.
Wie unglaublich gern würde ich noch heute mit ihr auf dieser Holzbank vor dem Haus sitzen, ratschen, die Abendsonne genießen, mit dem Rücken am Haus, das die Wärme des Sommers zurückgab... Ich würde ihr so unglaublich gern zeigen, was aus mir geworden ist. Eine Frau, die sich bis heute nicht zwischen Prinzessin und Räubertochter entscheiden kann... Und es mittlerweile auch gar nicht mehr will.
4 Kommentare:
Liebe Helma, jetzt hast du mein Kopfkino gestartet... Ich habe ähnliche schöne Kindheitserinnerungen. Nur ich konnte mich nie zwischen Prinzessin und Strubbellise entscheiden:-)
Heute finde ich Strubbelprinzessin geht auch. Du hast wieder so schöne Worte gefunden, dafür liebe ich deinen Blog♥ Hab ein schönes Wochenende, glg Puschi
Ich danke Dir! :)
Und ich denke an Punkt und meine Mama und überhaupt.... meinen Wunsch ihm ähnlich schönes, leichtes, freies zu ermöglichen...
Summer
Fünf Jahre alt....die Großmutter...die Kindheit... yapp, da wurden auch bei MIR Erinnerungen wach.
Danke für den reminder, er fand sein Echo im heutigen Beitrag des ZauberBlogs ;-).
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