An mein breites Grinsen über die Karikatur der zwei Schweinchen auf ihrem Haufen kann ich mich noch gut erinnern - auch wenn das bereits ein halbes Leben lang her ist. Sie kam mir wieder in den Sinn, als ich heute Abend einen Blogpost über Alleinerziehende las - und ein Resümee darüber, ab wann man sich überhaupt alleinerziehend nennen darf. Dass es einer Frechheit gleichkäme, wenn Frauen, deren Männer entweder permanent arbeiten oder wochenlang krank im Bett liegen, auch nur im Scherz sagten, dass sie "allein erziehend" wären. Überhaupt wurde mir erst heute jene Begrifflichkeit bewusst - dieser Unterschied zwischen "allein erziehend" und "alleinerziehend".
Und ich habe mich schon ein wenig gewundert. Auch über Kommentare in jenem Post, die von unguten Erfahrungen erzählten mit Frauen, die dieses "Alleinstellungsmerkmal" für sich ganz allein beanspruchten. Kein Mann, keine Freunde, keine Familie in der Nähe - man ist allein mit den Kindern und auch nur dann ist man alleinerziehend. Und alles andere eine Frechheit oder wenigstens Anmaßung.
Ich lehnte mich zurück und schüttelte leicht und ein wenig ungläubig den Kopf. Weil ich nicht umhin kam, mich zu fragen, mit was für einem - sorry - Scheiß die Menschen sich eigentlich auseinandersetzen? Haben sie echt nicht Wichtigeres in ihrem Leben zu tun, als anderen Menschen begreiflich zu machen "Du verwöhnte Göre, du hast schließlich einen Mann und genug Geld und überhaupt - damit bist du nie im Leben alleinerziehend, du weißt ja gar nicht, wovon du da eigentlich sprichst!" Man ging ja selbst so weit zu behaupten, dass Single-Mamas auch dann nicht mehr als alleinerziehend angesehen werden, wenn sie ihre Kinder aller vierzehn Tage zu ihrem Papa geben können und auch regelmäßig Unterhalt bekämen.
Oh. Mein. Gott.
Wo ist sie, die Fähigkeit der Menschen, gönnen zu können - ohne Neid und Häme?
Wieso sich nicht einfach mal für einen anderen freuen können, so ganz vorbehaltlos?
Wieso nicht einen anderen an der eigenen Schulter ausweinen lassen, ohne darüber zu befinden, ob zu recht oder zu unrecht?
Wieso nicht den anderen einfach mal in den Arm nehmen, an sich drücken und sagen: "Hey... Wo drückts?"
Warum bei der Freude eines anderen über ein Kompliment antworten mit: "Ach, das geht mir jeden Tag so"?
Warum beim Kummer des anderen sagen: "Ach, daran ist er selber schuld, er hätte ja..."
Warum nicht einfach mal anerkennen, dass wir alle nur Menschen sind mit einer uns eigenen Belastungsgrenze? Und dass es manchmal einfach nur ausreicht, ein bisschen von diesem Druck rauszulassen und aufgefangen zu werden - und schon fühlt man sich um einiges besser.
Woher kommt das, dass der Mensch nicht nur immer höher, schneller, weiter sein will, sondern vor allem auch der Beste von allen?
Woher kommt es, dass man sich selbst nicht einfach auch mal zurücknimmt, um den anderen vortreten zu lassen?
Wie ist das möglich, sich selbst als das Maß der Dinge zu nehmen und alles andere abzuwerten?
Gerade wandert mein Blick hinaus vor das Fenster, wo sich blattgoldene Bäume und Tannen im Wind wiegen, ich höre nebenbei Musik und während ich daran denke, mir einen wunderbar aromatischen Kaffee zuzubereiten und die Stricksockenfüße auszustrecken, genieße ich, dass ich es hier warm und gemütlich habe, dass es mir soweit gut geht, dass ich die Ruhe in meinem Kopf und in meinem Bauch grad unendlich genieße. Manchmal, wenn ich in der Küche stehe und darauf warte, das heiße Wasser über den Kaffee gießen zu können, schaue ich auf das Haus gegenüber. Auf die großen, einladenden Fensterfronten, die den Blick in ihr Inneres freigeben. Grad am Abend, wenn die ersten Lichter angehen. Hinter dem einen Fenster Mutter, Vater und Kind jeden Abend am Tisch sitzend, während sie essen und meistens nicht reden. Hinter dem anderen Fenster den Mann, wie er an seinem Schreibtisch vor dem Computer sitzt, abwechselnd schreibt und sich durch die Haare fährt, während sein Mann nur ganz selten dieses Zimmer betritt, vielleicht, um ihn nicht zu stören. Dort das andere Fenster, wo das Kind Abende lang auf einem riesengroßen Sofa turnt, während es nebenbei in den Fernseher schaut, der so groß ist, dass ich bequem mitschauen könnte, während Mutter und Vater abwechselnd durch die Zimmer wuseln, Essen zubereiten oder Wäsche sortieren, immer irgendwie in Bewegung sind. Oder da das andere Fenster, wo sich das Paar sehr heftig in der Küche stritt und man hernach beide sehr lange nicht sah, die Blumen in den Blumenkästen verdorrten und dann die Wohnung mit einem Mal leer war.
Menschen.. Ich betrachte sie, weil Menschen mich immer noch faszinieren können.
Es gibt so unfassbar viele von uns, jeder ist sein eigenes Wesen mit seiner eigenen Gefühlswelt und seiner eigenen Gefühlstiefe. Mit seiner eigenen Belastbarkeit, mit seiner eigenen Grenze von Freude zur Traurigkeit, von Hilfe geben bis Hilfe brauchen, mit der eigenen Grenze von Stärke zur Schwäche. Große Menschen, kleine Menschen. Dünne Menschen, dicke Menschen. Niemandem steht es zu, einen anderen zu bewerten oder gar abzuwerten. Niemand ist besser oder schlechter in den Phasen, in denen es uns nicht so gut geht wie dem anderen. Wir sind alle... eins: Menschen.
3 Kommentare:
Mich macht das müde, es erschöpft mich, dieses lauthalse Beschimpfen, Neiden, Provozieren, Meckern, Drohen - selbst wenn ich es nur lese oder höre. Körperlich muss man sich auch noch im Supermarkt und Straßenverkehr täglich damit auseinandersetzen.
Völlig egal, ob man ihre Politik bzw. ihre Partei mag, ich glaube, dass Frau Merkel von Einigen auch deshalb gewählt wurde, weil ihr Pöbeleien so fremd sind, weil sie sachlich und ruhig argumentiert und damit das Gegenstück zu den hysterischen Trumps, Erdogans und Putins dieser Welt darstellt.
Ich finde es manchmal ganz schön schwer, sich das Menschliche, Verständnisvolle und Mitfühlende zu erhalten, bei all dem Lärm. Nett, dass du mit so warmen Worten dran erinnerst.
Lieben Gruß
Nach deinen Worten werde ich versuchen, meinen "Zorn" auf einen Mitbewohner etwas zu drosseln. Er ärgert sich über andere im Haus, die ihre Reklamezettel auf der Heizung liegen lassen und schmeißt sie wütend in den Fahrstuhl, damit sie von der Frau, die an einem Tag sauber macht, mitgenommen werden. Meist nehme ich sie aber vorher raus und werfe sie in meinen Papierkorb.
Wenn er immer "brav" und "gesetzestreu" wäre, könnte ich seinen Ärger ja noch verstehen. Doch die Hinterlassenschaften seines Hundes nahm er mit einer großen Serviette auf und warf sie nicht etwa in den 20 m entfernten Papierkorb, sondern einfach in den Straßenrand an den Bordstein. Als ich was sagte, meinte er nur, alle werfen ja ihren Dreck hier weg, da kann ich das auch machen. - Mir blieb einfach die Spucke weg.
Berlin ist so unendlich dreckig und es stimmt leider, dass viele fast alles auf die Straße werfen - dabei wäre es so leicht, denn Papierkörbe gibt es genug.
Er ist aber uneinsichtig wie ein Kind - ich habe es anfangs ganz in Ruhe versucht.
Vielleicht muss man auch nicht mit allen Menschen gut klarkommen.
Liebe Grüße zu dir
"Vielleicht muss man auch nicht mit allen Menschen gut klarkommen."
Seitdem ich mir das sage, gepaart mit "und ich muss auch nicht von allen gemocht werden", ist vieles einfacher geworden. Und statt mich über den Idioten aufzuregen, der mir gerade dumm grinsend vor den Kinderwagen gerannt ist, denke ich mir "hey, immerhin muss ich nicht mit ihm leben und Karma oder was auch immer wischt ihm dafür schon noch eine"
Nagut, aufregen tu ich mich trotzdem noch, aber keine 3 Tage mehr, sondern nur noch 3 Stunden und dann ist wieder gut. Weil's auch gute Menschen gibt, Leute die ich mag und die mich moegen obwohl wir so unterschiedlich sind aber wir goennen uns das und am Ende freuen wir uns für den anderen mit, ganz ohne Neid und Habgier.
Dieses Nicht-Neiden und Goennen-Koennen geht aber am besten bei denen, die ich wirlich mag. Irgendwie. Vielleicht muss ich mal nachdenken, warum das bei anderen nicht ganz so gut geht. Vielleicht weil mir die Art wie sie davon erzählen nicht gefällt? Ich denke mal drüber nach und gehe in mich.
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