Dienstag, 18. Oktober 2022

Catch Me I'm Falling


..oder auch nicht ;)

Vorletzte Nacht konnte ich einfach nicht schlafen, nicht zur Ruhe finden. Erst malte ich noch ewig lang Steine und Postkarten, bis der Rücken krumm wurde, dann legte ich mich rüber aufs Sofa und wühlte mich durch Spotify. Irgendwann um drei Uhr steckte der Mann seinen verstrubbelten Kopf mit den müden Augen um die Ecke und meinte: "Denkst du dran, dass du nachher arbeiten musst?"
(Ich muss ja immer lachen, WIE er seinen Kopf um die Ecke schiebt. Kennt Ihr noch Jurassic Park? Der Dino in der Küche, der seinen Kopf in Profilposition langsam vor die Küchentür schob - genauso machts der Mann auch :))
Jedenfalls lächelte ich: "Ja weiß ich."
Er legte sich wieder schlafen, ich stöberte noch ein bisschen und ging dann gegen halb vier ins Badezimmer. Eher der Vernunft geschuldet denn der Müdigkeit, denn ich lag auch im Bett noch eine ganze Weile wach, wühlte mich hin und her, richtige Schlafposition, ne, doch nicht, andersrum, Beine raus, Beine rein, zu warm, zu kalt, ach es war nervig irgendwie :)
Jedenfalls habe ich in dieser Nacht eine neue Playlist zusammengebastelt. Alle meine ganz persönlichen Hits aus der Zeit der Achtziger in meiner ganz persönlichen Liste. Im Dauerrepeat, so viel und so lange und so oft ICH möchte. Ach, was kam DA alles an Erinnerungen hoch!


Ach und wie hab ich DAS geliebt, mich zurechtzumachen! Eine Friese dank Zuckerwasser und Haarspray wie Angela Davis, Kosmetik von Action (das war damals einfach das Beste, was es auf unserem Markt gab), die hautengen Jeans vom Bruder, in die ich mich zwang, auf dass der Knopf die ganze Nacht lang halten möge, den Kassettenrekorder auf Maximalstufe im Badezimmer, das ich natürlich stundenlang blockierte für das ganze Programm vom Duschen bis zum perfekten Lidstrich und im Kopf immer die Aussage von Jennifer Rush: "Ich liebe Schwarz. Schwarz macht schlank und sieht geil aus."
Die erste große Liebe, der erste schüchterne Kuss - und aus uns trotzdem nichts wurde, weil wir beide zu schüchtern waren. Wie er mich trotzdem beobachtete, wenn ich in der Disco tanzte.
Wie ich die Blümchentapete in meinem Zimmer mit Postern von Peter Cornelius tapezierte und von meinem ersten echten Freund träumte, der hoffentlich so sehnsuchtsvolle blaue Augen hatte wie der Wiener Liedermacher. 
Wie ich mich draußen vor meinem Fenster halbnackt im Schnee wälzte, nur damit ich krank wurde und meinen zweiten Liebeskummer wenigstens verkrochen und versteckt zu Hause rausheulen konnte - und aber eben leider trotzdem nicht krank wurde.

Hach ja. Mit so vielen Jahren Abstand blicke ich heute ganz verklärt auf diese Zeiten. Was die Musik heute vor allem in mir auslöst, ist die Lebendigkeit von einst. Die pure Lebensfreunde. Die pure Lebenskraft. Diese Ausgelassenheit.
Als der Mann gestern Abend nach Hause kam, spielte gerade genau dieses Lied Catch Me I'm Falling - und ich tanzte ausgelassen und vergnügt vor seinen Füßen, egal, wohin er ging. In der Küche, im Wohnbereich, im Schlafbereich und wieder zurück.
Nein, es hat ihn nicht genervt, ganz im Gegenteil. Ich liebe seinen Blick, wie er mich dann anschaut, wie er dann lächelt, wie er sich über mich freut und wie er sich anstecken lässt.
Wir haben gestern Abend den ganzen Abend Musik gehört, getanzt, gesungen, es war einfach wunderbar.

Es war fast so wie früher, nur in erwachsen. 

6 Kommentare:

DrSchwein hat gesagt…

Das gefällt mir.
Nur Peter Cornelius hat mich kurzzeitig verwirrt. Alleine schon der Name. War das nicht "Du entschuldige, i kenn di"? Oder so ähnlich.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Jaaaa DER wars :)
Der Cornelius ist schuld an meiner Liebe zur Musik - und an dem von mir bevorzugten Männer-Typ *lach*

angelface hat gesagt…

dur eißt einen mit deiner Schilderung geradezu mit!!!!!
du siehst mich entzückt auflachen...
schwerelos in Leichtigkeit ---oh oh, wie gut kann ich dir das nachfühlen....
das Gefühl...
gänsehaut...ohne Ende..
sich in die Musik fallen lassen - augen zu und drehen...
wunderbar einfach nur wunderbar
sollte öfters JEDER Machen wenn einen der Alltag erschreckt, stört oder zu sehr negativ umweht...
einfach mal nach der Musik dancing queen sein....
toll
ich mach das auch....und zwar oft..lacht angelface...
musik beschwingt und beweegt....
in dir und auch andere die ein Gespür dazu haben...
hat mir gut gefallen....
angel

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke Angelface :)
Was Ähnliches hatte der Mann zu mir an dem Abend auch gesagt: dass ich ihn mitreiße, ihn anstecke und ihm ein gutes Gefühl vermittle ;)
Und es ist genau DAS: Wenn mir die Welt zu laut, zu schnell, zu kalt, zu brutal, überhaupt zu negativ wird, dann muss ich mich in die Musik flüchten, sonst würde mich dieser Strudel mit hinab ziehen - und das will ich nicht. Das kann ja auch niemand wollen ;)

Lutz hat gesagt…

Musik spielt in diesem Alter - sagen wir mal, so von 13/14 bis mind. 18/20 - eine ganz besondere Rolle. Und so bleiben halt gerade diese Lieder auch in ganz besonderer Erinnerung. Weil sie auch die Begleitmusik zu so vielen außergewöhnlichen, erstmaligen Lebenssituationen waren. Es gibt heute noch ein paar ganz bestimmte Lieder, die ich mit einem ganz bestimmten Lebensabschnitt, teil sogar Situationen verknüpfe. Trotz dass es schon ein paar Tage her ist und dementsprechend die Erinnerungen etwas verblassen.

Aber das schafft eine ganz besondere Verbindung einer jeden Generation mit der Musik ihrer Jugend. Ich habe mir auch seit längerem eine Playlist mit den besten Songs der 80er gemacht. Die ist ungefähr 10 Stunden lang. :-) Real life ist da auf jeden Fall auch mit dabei. Die läuft bei mir, wenn ich früh meine Schönheits-OP im Bad mache oder wenn ich etwas länger im Auto unterwegs bin. Und wenn ich dann mal die Nase voll davon habe, kommt die nächste Playlist dran. Die Bests of DeMo, Clapton, Marquess, NDW, Prince oder Rammstein. Je nach Gemütslage. Und wenn ich mal Zeit übrig haben sollte, baue ich mir die nächste zusammen.

Ich glaube mich übrigens sogar zu erinnern, dass ich zu "Entschuldige, i kenn di" meine ersten Anschmachtversuche in der Schulklasse absolviert habe. In dem Alter natürlich nichts weiter als eine heimliche Schwärmerei. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie es überhaupt mitgekriegt hat.

Mein Lieblingssong aus dieser Zeit - sofern man sich bei dieser Menge überhaupt auf einen Lieblingssong festlegen kann: Duran Duran - The Wild Boys https://www.youtube.com/watch?v=M43wsiNBwmo

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Lieber Lutz, ich glaube, Musik spielte in so ziemlich jedem Jahr meines Lebens eine immens große Rolle ;) Irgendwo las ich mal "Musik heilt Deine Wunden und reißt sie alle wieder auf" - oder so ähnlich. Es gibt sehr viele Titel, die ich nicht direkt mit einem Erlebnis verbinde - aber mit einem Lebensgefühl. Entweder weil es mich an etwas (wieder)erinnert - oder weil es mich in etwas bestärkt. Und das nicht nur in jenem zarten Alter, sondern auch mittendrin - und heute noch immer.

SchönheitsOP im Bad.. Das muss ich mir merken ;)

Der Mann hatte zu meiner Liste übrigens gesagt, ich müsse auch noch dieses und jenes mit aufnehmen, unter anderem auch Duran Duran. Das hab ich abgelehnt: "Das ist MEINE Liste mit MEINEN Lieblingstiteln. Da kommt nur rein, was ICH will." :)
Er hat sie trotzdem abonniert :D