Als ich vor ein paar Tagen dieses Foto von uns dreien fand, da ging mir das ziemlich unter die Haut, aus zweierlei Gründen. Zum einen war das eine Zeit, in der zumindest für Euch noch die Welt in Ordnung war. Für Euch gab es die Familie, den Vater, die Mama, den Bruder und Euer Zuhause, Euer gemeinsames Zimmer mit den Dinosauriern, Machbox-Autos und den gefühlt tausenden kleinen Schnipseln, auf denen Ihr aufgemalt habt und ausgeschnitten habt, was Ihr real nicht besessen habt.
Für Euch habe ich mir gewünscht, dass Ihr eine unbeschwerte, glückliche Kindheit habt - und auch wenn ich selbst die Entscheidung zu gehen niemals auch nur eine Sekunde bereute, so schmerzt mich der Gedanke daran, was es für Euch bedeutet haben muss, wie Ihr Euch gefühlt haben müsst, tatsächlich bis heute.
Inzwischen bist Du nicht nur erwachsen, Du hast nicht nur Deinen Job, sondern mittlerweile auch ein eigenes Zuhause mit Deiner Liebsten. Mit ihr entdeckst und bereist Du die Welt, besprichst nun mit ihr den Alltag, teilst ihr Deine Gedanken mit und so ganz leise wie über Nacht bist Du nicht mehr mein Baby, bin ich nicht mehr Dein erster Anlaufpunkt, nicht mehr das Wichtigste in Deinem Leben.
Nicht dass Du mich falsch verstehst: Mir tut es nicht weh und ich hadere nicht mit dieser für mich neuen Situation. Du bist glücklich - und das ist es, was mich glücklich macht!
Was ich fühle, ist die Wehmut, wie schnell letztlich doch die Jahre vergangen sind, in denen Du nachts mit Deinem Kuscheltier an meinem Bett standest und fragtest, ob Du bei mir schlafen dürftest; Du hättest schlecht geträumt und würdest nicht mehr schlafen können. Wie schnell die Jahre vorbei sind, in denen ich Dir vom Fieber durchschwitzte Schlafanzüge auszog, gute-Nacht-Geschichten vorlas, Deine Hausaufgaben kontrollierte, Dich so lange zum Kinderarzt begleitete, bis wir feststellten, dass die mysteriösen Bauchschmerzen keine körperliche Ursache, sondern mit der Situation auf dem Gymnasium zu tun hatten; Dich in Deinen Ferien immer zu Oma und Opa ans Meer und später ins Ferienlager brachte, weil ich etwas anderes einfach nicht bezahlen konnte; Deine kleinen Liebesbriefe so lange aufgehoben hatte, bis die Farbe rettungslos verblasst war. Es gibt so vieles, von dem ich so oft denke, das sei doch noch gar nicht so lange her.. Wie Du zwei Monate lang auf meiner Heimatinsel zur Schule gingst, weil ich in der Klinik war. Mein Antrag auf Haushaltshilfe wurde abgelehnt mit der Begründung, dass Du schon 12 seist. "Aber ich kann doch einen Zwölfjährigen nicht zwei Monate lang allein zu Hause lassen", hatte ich verblüfft reagiert. "Das ist uns bewusst, aber das ist eine Gesetzeslücke der Politik." Im Gegenzug empfindest Du die Insel bis heute als Dein zweites Zuhause und würdest auch am liebsten dort leben. Am allerliebsten in so einem Mehrgenerationenhaus, wo wir alle zusammen wären, wenn auch jeder mit seinem eigenen abschließbaren Wohnbereich. Aber eben.. alle zusammen. Welch wundervoller Gedanke!
Vielleicht lässt sich dieser Wunsch eines Tages erfüllen, vielleicht auch nicht in dieser Form. Wichtig ist im Grunde auch nur eins: dass es Dich gibt. Dass Du glücklich bist. Dass Du so ein wunderbarer Mensch bist, der es am liebsten hat, wenn es harmonisch und entspannt ist. Ich liebe diese Ruhe in Dir, die Gelassenheit, Deinen Mut, Deine Zuversicht, Deine Unbeschwertheit. Ich liebe es, wie Du Deinen Weg gehst, unbeirrt, scheinbar mühelos. Ich liebe Deine Freundlichkeit anderen Menschen gegenüber. Ich liebe Dein Lachen. Ich liebe Dein offenes, sonniges Wesen.
Früher habe ich Euch auf die Beine gestellt, Euch das Laufen gelehrt. Das Radfahren. (Nie werde ich vergessen, wie Du damals, kaum sieben Jahre alt, sagtest, du könntest es nicht, ich also immer mit Dir mitlief und Dich am Gepäckträger hielt - und irgendwann auch mal losließ. Prompt schlugst Du einen Bogen, bist mit dem Rad ins stachlige Gebüsch gekippt und wütend kamst Du rausgestiefelt: "ICH HAB DOCH GESAGT, DASS ICH DAS NICHT KANN!" Von da an konntest Du es dann aber ;))
Ich hab Euch durch den Schnee gezogen, ganz gleich, wie anstrengend das zuweilen gewesen war.
Es wird die Zeit kommen, da werde ich es sein, die Du auf die Beine stellst. Die Du an das Laufen erinnerst (vielleicht), an das Essen und Trinken (vielleicht). Es wird die Zeit kommen, in der ich Dich brauche wie Du mich brauchtest, als Du ein Kind warst (vielleicht). Es wird die Zeit kommen, in der ich Deine Kraft brauche (vielleicht). Aber soll ich Dir was sagen? Es ist ein wahnsinniges Glücksgefühl, wenn man weiß, dass am Ende des eigenen Lebens jemand da ist - so jemand wie Du.
Alles Liebe zu Deinem Geburtstag ♥️
Deine Mama
4 Kommentare:
♥️
puh wie wunderschön
so einen Geburtstagsgruß-gedanken miterleben
zu dürfen...
damit rufst du Erinnerungen hervor
die jede Mutter
vielleicht ähnlich mit ihren eigenen Worten
unheimlich gerne schreiben würde -
wenn sie es könnte - es oft aber nicht so ist
weil...
viele xxx- Gedanken -
es verhindern
dieses ja fast * Gedicht das eine * Lebens-Geschichte ist
hat mich tief innen berührt...
danke...
lieben GRuß angelface
Welch' wunderbare, berührende Zeilen! Herzlichen Glückwunsch an Deinen Sohn.
Viele liebe Grüße, Grit.
Liebe Helma,
was für ein schöner und berührender Text.
Im Nachhinein wirken die Jahre mit dem Kindern auch auf mich so, als seien sie viel zu schnell vergangen - aber letztlich hatten sie schon auch ihre Längen mit Tagen, die sich endlos dehnten und deren Ende ich herbei gesehnt habe.😆
Ich wünsche euch, dass ihr immer so verbunden bleibt wie du es hier beschreibst! Herzliche Glückwünsche nachträglich. Euch beiden.
LG
Britta
Kommentar veröffentlichen