Dienstag, 21. Januar 2025

Ich. Ich. Ich.

Ich bin ja seit rund drei Jahren auch bei Instagram angekommen. Hab mir dort zwei Profile angelegt: ein öffentliches für die Malsachen und einen Ziggenheimer, wo ich aber nicht jeden reinlasse.

Jetzt kann man ja drüber streiten: Braucht man das oder kann das weg? Gibt mir das was oder stiehlt es mir nur kostbare Freizeit, die ich stattdessen mit wundervollen analogen Erlebnissen füllen könnte? Was soll ich sagen... Es ist tagesformabhängig, wie viel oder wenig ich dort unterwegs bin. Der Mann würde ja sagen "ZUVIEL!", aber seitdem ich dort bin, isser auch da :) Und hin und wieder machts ja auch irgendwie Spaß, hier und da mal was zu lesen oder auch zu entdecken. Doch, kommt da auch vor. 

Früher, zu Facebook-Seiten, da gabs ja öfter mal Diskussionen, auf die ich mich einließ und wo der Mann immer mal fragte, wozu ich mir das antäte. Ob ich mit meinem eigenen Leben nicht genug zu tun hätte und so. Aber manche Themen interessieren mich. Sie reizen mich. Ich will dann mehr wissen, mehr erfahren. Über Sichtweisen, über Beweggründe. Ich will verstehen, was ja nicht immer zwangsläufig bedeutet, dass man selbst dann auch seine Ansicht ändert. Aber es ist schon öfter vorgekommen, dass ich zumindest meinen Blickwinkel neu justiert habe.

Inzwischen lasse ich mich aber auf ganz vieles auch nicht mehr ein, egal auf welcher Plattform. Es gibt Themen, die sind so hoch emotional beladen - das führt zu nichts außer einem Krampf im Kopf. Doch was mir zuweilen auffällt, ist, wie ich-bezogen unsere Gesellschaft sich für mich anfühlt. Wir Ossis waren früher nicht so. Na klar hatten wir auch genauso Ego-Schweine. Aber im Allgemeinen hatten wir einen Zusammenhalt. Den vermisse ich heute. So wie ich es vermisse, dass die Leute Bitte und Danke sagen. Dass sie, wenn sie in einem Lokal Platz genommen haben, der Bedienung verdammt noch mal ins Gesicht schauen und in ganzen Sätzen formulieren können, wonach ihr Begehr ist. Dass Jüngere aufstehen, wenn Ältere die Bahn oder den Bus betreten. Ich sage nicht, dass wir das nicht mehr haben. Aber für mich fühlt es sich so an, als seien genau das die besonderen Momente geworden, über die man in bunten Bildchen und Filmchen bei Insta & Co. fabuliert - aber die Realität immer weiter davon entfernt ist. Wo ist sie hin, die Empathie? Wenigstens so ein kleines bisschen?

So ganz hab ich die Algorithmen bei Insta noch nicht kapiert, warum mir da verschiedene Stories vorgespielt werden. Seit einiger Zeit bekomme ich beispielsweise Takes eingespielt, in denen Frauen von ihren Fehlgeburten erzählen. Man realisiert ja nicht immer sofort und gleich, was da jetzt kommt - und vermutlich, wenn man da mal so drei, vier Sekunden geschaut hat, hängt man schon in der Schleife.

Jedenfalls war da eine junge Frau, die hat, glaube ich, bereits ein oder zwei Kinder, und hat nun Bilder und Texte von ihrer aktuellen Fehlgeburt, die sie in ihrem Badezimmer erlitten hatte, ins Netz gestellt. Da stockte mir schon für einen Moment der Atem, ich war auf dieses Bild nicht vorbereitet. Einen ganz kurzen Moment lang dachte ich: "Oh je... Muss das wirklich ins Netz?" Aber genau so schnell dachte ich: "Jeder verarbeitet auf seine Weise." So denke ich zumindest grundsätzlich. Dann schrieb aber eine andere junge Frau - und ich muss sagen, sie schrieb sehr freundlich, höflich, zurückhaltend - dass sie selber gerade eine Fehlgeburt erlitten hätte und sie sich gewünscht hätte, es wäre eine Triggerwarnung vor dem Beitrag oder das Foto erst im zweiten Slide. Bei ihr würde nun der Schmerz wieder aufbrechen, so von jetzt auf gleich, und ob es da nicht einen schonenderen Weg gegeben hätte? Was mich wirklich irritiert und irgendwie auch erschüttert hat, war die Reaktion der Kommentierenden und auch der Besitzerin der Fotos: Ihr Kind brauche keine Triggerwarnung, und überhaupt wäre es an der Zeit, an Tabuthemen zu rütteln. Sichtbar zu machen, was Frauen widerfährt, damit keine Frau mehr denken müsse, sie sei allein damit.

Wenn Ihr mich fragt, ich konnte irgendwie beide Standpunkte nachvollziehen. Aber letztlich bin ich doch mehr Team "Frau Überrumpelt". Ist es wirklich so schwierig, Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen zu nehmen? Zu bedenken, dass andere Frauen gerade genau dasselbe durchmachen müssen, dies jedoch nicht so offen vor sich her tragen können - und auch vorbereitet werden wollen, bevor sie ungefragt mit Bildern konfrontiert werden, die alle Wunden wieder aufreißen? Stichwort Algorithmus! Zu bedenken, dass jeder Mensch auf seine Weise mit dieser Erfahrung umgeht - und vielleicht nicht so souverän von dem Erlebten berichten kann? Was wäre so schlimm daran, ihre Fotos erst ab dem zweiten Bild zu zeigen? Und vorangestellt ein Text, den man lesen und für sich entscheiden kann: "Okay, das geht" oder "Oh nein, das kann ich grad nicht"? Es kamen dann tatsächlich gehäuft Kommentare wie "Dann geh halt nicht ins Netz, wenn du das nicht aushalten kannst" oder "Ich zeig das jetzt hier, weil ich das nur so verarbeiten kann" und so weiter und so weiter. Warum konnte sie nicht einfach sagen "Hey, es tut mir leid, hab ich nicht bedacht, dass das jemandem anderen so weh tun könnte"? Warum wird stattdessen betont, wie richtig das eigene Verhalten ist und dass "die anderen dann eben halt Insta deinstallieren sollten, wenn sie damit nicht umgehen können"? Es hinterließ mich sprachlos, muss ich gestehen.

Und einen Moment lang dachte ich: "Wenn wir von irgendeinem Produkt schreiben, müssen wir *Werbung* vorn dranklemmen. Vielleicht sollte es ja auch eine Anweisung hierfür geben?" Aber dann dachte ich.. Wie traurig ist diese Welt geworden, wenn wir ihr jetzt schon per Gesetz mitgeben müssten, wie sich Rücksicht und Miteinander gestalten, nur weils den Menschen an Empathie mangelt? Weil sie sich sehen, ihre Bedürftigkeit, ihren Schmerz - und nicht das des anderen neben sich?

Manchmal kann ich irgendwie verstehen, dass mein Papa bevorzugt nur noch Natur-Dokus schaut..

4 Kommentare:

Queen All hat gesagt…

Meine Mutter sagte mal zu mir "Das eigene Päckchen ist immer das größte." und genau so erlebe ich es immer wieder. Hilft mir aber auch, wenn ich mich mal wieder zu sehr um mich selbst drehe.

Dies und Jenes hat gesagt…

Instagram hab ich zwar auch einen Account, aber da geht schon lange nix mehr rein. Im moment hab ich es deaktiviert. Es gibt aber ein paar Accounts die besuche ich öfters weil die gut für mich sind wegen Gesundheit und Essen, ja und dann bleib ich auch ab und hängen und zappe mich so durch und danke ich wieder wenn so ein Kinderfoto veröffentlicht wurde muss das sein in der heutigen Zeit. Finde es auch gut, dass Themen veröffentlicht werden, die mehr oder weniger Tabu sind. Manchmal hinterlasse ich einen Kommentar, aber eher selten, denke mir meinen Teil.
Und ja Naturdoko schauen wäre manchmal besser vor allem in den letzten Tagen.
Liebe Grüße
Ursula

Anonym hat gesagt…

Von den Sachen, die du vermisst, kann ich bei den allermeisten wirklich nur mit dem Kopf nicken - gutes Benehmen scheint verpönt zu sein. Wenn ich fahre, egal wo, kann ich immer den Zahnbefund anderer Leute begutachten, weil sich kaum noch jemand die Hand vor den Mund hält, wenn man müde ist und gähnt.
Beim Platz anbieten kann ich immer öfter feststellen, dass das überwiegend ausländische junge Männer machen, wahrscheinlich Türken. Andere deutsche junge Männer motzen ja schon rum, wenn ich sie im ihren Platz bitte, weil sie auf einem gekennzeichneten Platz für Alte, Kranke, Schwangere sitzen. - Irgendwie ist es in den letzten Jahren nicht unbedingt besser geworden. - Gruß, lieben, an dich

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Hat der den letzten Kommentar schon unter meinen Namen gesetzt?