"Happiness
is not a destination.
It is the way
of life."
(Unbekannt)
Ich weiß noch, wie ich als Kind meinen Eltern Löcher in den Bauch fragte, alles wissen wollte und jede Frage mit "Warum..." begann und ich selbst auf Antworten mit der wiederholten Frage reagierte: "Und warum?"
So lange, bis entweder meine Eltern nicht mehr weiterwussten oder sie endlos genervt reagierten:
"Warum! Warum! Warum ist die Banane krumm? Weil keiner in den Urwald zog und die Banane wieder geradebog!"
Als Kind habe ich darüber gelacht und mich damit zufrieden gegeben. Irgendwann war eben Schluss mit der endlosen Fragerei und dem Suchen nach Antworten. Manchmal gab es eben einfach keine Antworten mehr. Glaubte ich.
Später, als ich die Liebe entdeckte, blieben zu oft die Fragen unbeantwortet - und ich selbst zu oft unbefriedigt zurück. Irgendwie verließ ich mich auf die Meinung anderer, von denen ich glaubte, sie wüssten bereits mehr als ich, hatten sie bereits Erfahrungen gesammelt, bei denen ich noch ganz am Anfang stand. Viel zu oft habe ich im Nachhinein bereut, dass ich Entscheidungen traf, die gar nicht aus mir selbst herauskamen - sondern der Auffassung anderer entsprachen, die meinten, sie hätten genug gesehen, erlebt, erfahren, um mir zu sagen, wie alles zu funktionieren hatte. Wie der Lauf der Welt und eben der Liebe zu gehen hatte. Die erste große Liebe. Die erste schmerzhafte Enttäuschung. Die Scheu, ihm die Fragen zu stellen, die ich hatte; stattdessen eben die anderen fragte - und falsche Schlüsse zog, falsche Entscheidungen traf - jedenfalls falsch für mich. Ich habe einige Jahre gebraucht, um mich damit abzufinden, um mich auch mit den Konsequenzen dessen abzufinden - und damals schwor ich mir: Das passiert mir nicht wieder.
Zuallererst höre ich auf das, was in mir ist, was mein Bauch mir sagt. Noch heute spreche ich mit anderen Menschen, wenn ich Probleme oder Sorgen habe. Aber am Ende entscheide ich ganz allein, was für MICH der richtige Weg ist, was für MICH der richtige Schluss ist und welchen Weg letztendlich ICH gehen möchte. Und wenn sich später herausstellt, es war der falsche Weg, die falsche Entscheidung - dann kann ich aber immer noch dazu stehen und damit umgehen, weil es eben meine Überzeugung war, mein Bauchgefühl.
Und mit diesem habe ich auch immer entschieden, alles zu geben und alles zu tun - und nur wenn es dann immer noch nicht reichte, dann sollte es eben nicht sein, und dann hatte aber zumindest ich alles für diese eine Sache getan. Mehr wäre nicht gegangen - und dann ist es auch irgendwie ok.
Klingt irgendwie alles logisch, klingt irgendwie alles selbstverständlich, oder? Trotzdem hab ich viele Jahre für diese meine Entwicklung gebraucht, viele durchweinte Nächte, zerbissene Kissen, zerwühlte Laken, schlaflose Nächte, ruhlose Tage, schmerzhaftes Alleinsein und das Gefühl: Ich kann irgendwie nicht mehr...
Als ich damals meinen Ehemann verließ und von zu Hause auszog, wusste ich zwar von der allerersten Sekunde an: Es ist die richtige Entscheidung, denn es ist MEINE Entscheidung, die ich ganz allein für mich getroffen hatte - dennoch habe ich sehr lange noch nach der Trennung versucht zu verstehen, was da vor sich gegangen war, warum alles so weit gekommen war - und warum es so hatte zuende gehen müssen. Währenddessen er lediglich damit beschäftigt war, meinen Platz neu zu besetzen. Die Kopfarbeit, die ich auch für ihn hatte mit leisten wollen, das sich Auseinandersetzen mit Ursache und Wirkung, das Verstehen des Ganzen, nur um es in Zukunft anders, besser machen zu können, diese Chance für ihn und mich, damals wollte ich das. Allen seinen Fragen habe ich mich gestellt, nur die Antworten machten ihn nicht zufrieden. Weil er nur eine Antwort hatte haben wollen: Dass ich mich verirrt hatte und meinen Fehler einsehen, nach Hause zurückkehren würde. Was für mich zu keinem einzigen Zeitpunkt in Frage kam.
Ich glaube, das war - abgesehen von der Kindheit - die einzige Frage-Antwort-Phase, die mir nicht weh getan hat. Ganz im Gegensatz zu den Jahren, die dann folgten. Das sich Verlieben, das Entstehen neuer Hoffnungen, Träume und Sehnsüchte - die nicht oft, aber sehr nachhaltig und zumeist plötzlich beendet und enttäuscht wurden. Irgendwann habe ich es angefangen zu hassen, mir immer selbst die Antworten suchen zu müssen, Fragen zu stellen, die ich nachts an die Wand malte, in den Nachthimmel schrieb, Fragen, die ich dem anderen nicht mehr stellen konnte oder durfte, völliger Rückzug des anderen, keine sms mehr, keine E-Mails mehr, geschweige denn ein vis-á-vis, um wenigstens verstehen zu können: WARUM liebst du mich nicht mehr, WARUM willst du mich nicht mehr? Es war mir fast unmöglich, mich neu auf die Füße zu stellen, solange ich das, was vorher passiert war, nicht verstehen konnte. Solange ich mit dem, das bis dahin passiert war, nicht abschließen konnte. Ich bin so, ich muss es erst verstehen, um dann auch den sogenannten Haken hinter etwas setzen zu können. Oder auch meinen Frieden zu machen. Ich wollte immer die Antworten, am liebsten gleich und sofort. Ich habe gefragt und gefragt und gefragt. Und mich ertappt dabei, dass es mir so ging wie damals meinem Ex-Mann: Mir gefielen die Antworten nicht. Ich wollte andere Antworten. Solche, die mir die Hoffnung ließen, dass immer noch eine Chance bestand. Dass immer noch eine Tür würde offen bleiben.
Und da war meine Unfähigkeit, den Dingen ihre Zeit zu lassen. Oder war es einfach nur Ungeduld? Das sich-noch-nicht-gewöhnt-haben an das Alleinsein, das Alleinleben? Ich konnte den Anblick nicht ertragen, all diese glücklichen Paare, die knutschend und händchenhaltend durch die Stadt liefen, beim Kaffee saßen und sich lächelnd anschauten. Boah, ich musste wegschauen. Diese fette Frau mit den unmöglichen Leggings und dem viel zu kurzen Shirt, den ungepflegten Haaren - wieso hat die einen Mann und ich nicht? Wieso ist sie glücklich und ich nicht? Was hat sie, das ich nicht habe? Oder hat sie einfach etwas richtig gemacht und ich nicht? Doch dann so ein Paar, das nebeneinander, aber nicht miteinander läuft. Er sagt etwas, sie faucht zurück. Sie fragt etwas, er geht an die Decke, er sagt etwas, das nicht im entferntesten an "Schatzilein" erinnert.
Dann also doch lieber alleine? So lange, bis mir jemand begegnete, der in mir dieses unverwechselbare Gefühl erweckte: "SO MUSS ES SEIN?" Aber würde mir das noch einmal passieren? Wenn so viele das nicht wenigstens ein einziges Mal erlebten, würde ich dieses Empfinden dann gleich ein zweites Mal geschenkt bekommen? Daran konnte ich nicht glauben, daran konnte ich einfach für mich nicht glauben. Und ich konnte meiner Mama nicht glauben, die sagte: "Du hast noch so viel Zeit." Nein, hatte ich nicht, meinte ich. Sie rann mir durch die Finger, so empfand ich es. Jeder Tag ein Regentag, egal wie sehr die Sonne schien. Jeder Tag ein Schattentag, egal wie hell es war.
Heute weiß ich: Auch wenn niemand gestorben ist - man muss trauern können. Und man muss Trauer zulassen können. Egal wie lange es dauert. Die Zeit, die es braucht, muss man sich geben, die muss man haben. Egal wie sehr es schmerzt. Nein, es gibt keinen Schalter, den wir umlegen können - und vielleicht ist das auch gut so. Wenn alles immer so einfach wäre, wüssten wir eines Tages nichts mehr zu schätzen. Was uns nicht passte - zack - Schalter umlegen und fort damit. So geht das nicht.
Heute bin ich dreiundvierzig Jahre alt und habe so einiges in meinem Leben durchlebt und durchgestanden. Heute weiß ich: Antworten gibt es immer, Antworten kommen immer - nur kommen sie gerne auch erst nach einer ganz langen Zeit. Was ist ein halbes Jahr, wenn es um den Rest des Lebens geht? Was ist ein Jahr oder noch länger? Warum sind wir so ungeduldig, nicht abwarten zu können, den Dingen IHRE Zeit geben zu können, die sie mitunter brauchen? Warum wollen wir den Schmerz nicht zulassen, obwohl wir erst durch ihn ein ganzes Stück weiterkommen? Warum glauben wir immer, wir würden unser Umfeld nerven, weil wir nicht loslassen können? Ich bin heute noch sehr, sehr dankbar für diese eine Freundin, die sich immer wieder angehört hat, wie ich immer wieder dieselben Fragen stellte, dieselbe Sehnsucht beschrieb, dieselben Ängste und Zweifel. Sie hatte diese Antworten nicht, aber sie hat mir immer und immer wieder zugehört. Auch dafür hängt mein Inneres an ihr, ich glaube, sie weiß es nur nicht. Ich glaube aber, dass sie damals schon wusste, dass alles nur seine rechte Zeit brauchte. Und sie hat sie mir gelassen. Und abgewartet. Und mich irgendwann zum Schreiben überredet: "...und wann bloggst du?" Ein wunderbares Ventil. Mein einziges wahres Ventil.
Heute bin ich gefühlsmäßig genau da, wo ich immer hinwollte. Ich fühl mich so unglaublich frei. Und wohl und entspannt. Ich führe das Leben, wie ich es immer leben wollte. Meine kleine süße Wohnung spiegelt mich wieder. In jedem Winkel. So wie ich es immer wollte und das früher nicht möglich war. Ich glaube, ich komme endlich langsam bei mir selbst an. Und das, genau DAS war all die letzten Jahre wert - mit ihrem Schmerz, ihren Tränen - und all den kleinen Glücksmomenten zwischendurch.
Das Leben wartet nicht. Es geschieht - genau jetzt. Mit dir. Mit uns. Mit allem, was dazugehört. Leben ist das, was du selbst daraus machst. Was morgen ist, das weiß niemand. Gar niemand. Aber für mich persönlich birgt das auch genau die Hoffnung, die mich jeden Tag trägt:
Alles ist möglich, alles und zu jeder Zeit. Und jetzt kann ich warten. Auch auf Antworten.
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