Mittwoch, 1. Mai 2013

Ich pfeif auf Nelke und Orchester

Denk ich an meine Kinderzeiten und schau ich grad auf die Uhr (es ist aktuell 9:58 Uhr), dann waren zu dieser Zeit alle Fenster geputzt, das Haus geputzt, die schulisch vorgeschriebenen Transparente bemalt, beklebt, beschriftet, die Nelke inzwischen zerknittert im Knopfloch - und das Orchester war gerade durch die Straßen marschiert.
Und alles, um den Tag der Arbeit zu huldigen.
Warum haben wir dann eigentlich nicht jeden Tag Feiertag? Nur mal so gefragt.
Jedenfalls gestern war so ein Tag, wo ich dachte "Wo fang ich an, wo hör ich auf?"
Krankenausfälle mehr und mehr, zuletzt die Meldung unserer Schwangeren, die beim Hausputz mit der Steckdose gekuschelt hatte. Keine Panik, ihr gehts gut, dem Kind auch - aber bis zu ihrem Mutterschutz Ende Mai werden wir sie nicht mehr wiedersehen. Den Herzinfarktpatienten hatten wir letzten Samstag besucht - und bis auf ein rotunterlaufenes Auge ("Hast du dich hier um den Schlafplatz geprügelt?" Sein Bett stand nämlich zwar auf der Intensivstation - aber auf dem Flur, weil alle Zimmer bereits überbelegt waren.) sah er wieder aus wie immer und gings ihm auch schon wieder gut (gut informierte Quellen wissen, dass er inzwischen sogar wieder zu Hause ist; also vor dem, was Medizin heute so leisten kann, habe ich doch echt immer wieder Ehrfurcht.) Ja und meine Azubine bereitet sich auf ihre Prüfungen vor - und hat mal eben schlappe zehn Tage Urlaub genommen. (So einen Ehrgeiz finde ich schon gut, wenn ich sehe, wie sich meine Söhne auf ihre jeweiligen Prüfungen vorbereiten: Zocken, bis der Arzt kommt; chillen bei Burger King, solange das Geld reicht - und nicht zu vergessen: Mädels treffen. Ich frage mich jetzt noch, wie sie da Zweiernoten in ihren Vorprüfungen leisten konnten - außer der Ausreißer in Mathe, Note 4, aber dazu will ich mich mal nicht äußern, Mathe & ich... ich sagte es ja bereits.)
Jedenfalls, sie genießt ihre freien Tage - und mir gestern brannte der Magen, dass ich glaubte, jemand hätte da Feuer gelegt, mir zitterten den ganzen Tag die Hände und als ich um Viertel nach Fünf das Büro zuschloss, überlegte ich, welche Ausrede am besten bei den gelben Seiten ankäme, nicht mehr zum Sport zu fahren. Die Nummer "Sporttasche im Office vergessen" konnte ich nicht noch mal bringen, die Nummer "Turnschuhe geklaut" auch nicht. Ähm. Was gäbe es noch? Mir fiel einfach nichts ein, also bin ich einfach ins Sportstudio gefahren, ließ mir die letzten noch undefinierbaren Geräte erklären ("Aaaaahh sooooo geht das also, ja klar, leuchtet ja auch ein!") und legte los. Nach einer guten Stunde zitterten mir die Hände nicht mehr, dafür die Beine - aber ich hatte irgendwie einen solchen Energiepush, dass ich mir selber relativ überdreht vorkam. Auf der Heimfahrt Fenster runterkurbeln, voller Inbrunst mitschmettern bei Diana Ross & The Supremes "Baby Love" (ja, manchmal muss ich auch solche Mucke haben, das ist einfach auch gute-Laune-Musik - sehr zum Leidwesen meiner gelben Seiten), schunkeln auf den Sitzen, einkaufen gehen, noch mal 10 Minuten nach Malle fliegen (ich war drei Wochen nicht, da darf ich das, ohne wie Miss Rösti auszusehen) nach Hause kommen und.... das Chaos in der Küche erschlug mich. Flaschen über Flaschen, dazwischen Geschirr, das ich irgendwie schon länger vermisst hatte und überhaupt....

http://salondubloc.de/wordpress/wp-content/uploads/2012/04/1mai_comic.jpg
Donnerwetter im Hause Ziggenheimer - und die Jugend ist übrigens multitasking: Die können auf ihren Bildschirm starren, ihre Fußballer von A nach B rennen und gekonnt ein Bein stellen lassen ("Foooouuullll die Saaauuuu!!") - und sich noch gegen Mutters Tirade wehren, indem sie dir einen ungläubigen, aber nachsichtigen Blick zuwerfen und salbungsvoll hinzufügen: "Na du wolltest doch, dass wir unser Zimmer aufräumen."
Schnappatmung Mutter!
"Aber ich wollte nicht, dass ihr alles bloß in die Küche stellt! Ich hab zwei große Jungs und keiner davon kriegt es fertig, die Flaschen in den Korb zu stellen und mal Geschirr zu spülen??"
"Och nee, jetzt sag du nicht auch noch, wir würden nie was machen."
Abgeflachte Schnappatmung Mutter!
Durchatmen!
Bis drei... na gut, bis zwei zählen - ding ding ding - machte es in meinem Kopf.
Wie sagen meine gelben Seiten immer? Worauf legen sie Wert, dass ich sage?
"Ich wünschte mir, dass..."
Okay!
"Ich sage nicht, dass ihr nie was macht! Ich wünschte mir nur, dass ihr auch mal von alleine seht: Die Mutter kommt spät, wir bringen schon mal die Küche in Ordnung und zaubern ein Abendessen. Oder ist das so zuviel erwartet?"
"Nee..."
Kopfkratzen bei Junior I.
Ungerührtes Weiterklicken bei Junior II.
Als ich in der Küche stehe, kommt Junior I hinterher. Mein soziales Sensibelchen. Eigentlich isser ja wirklich so.
"Jetzt sei doch nicht so", bat er mich. Doch, ich bin so. Ich war mega enttäuscht. Vielleicht lag das auch an den Magenschmerzen, die mich den ganzen Tag nicht verlassen wollten und am Abend so heftig waren, dass ich selbst um den Joghurt einen Riesenbogen schlug und Kaffee nicht mal schnuppern wollte. Ich wollte nur noch ins Bett, Decke über den Kopf ziehen und schlafen, bis der Arzt kommt. Oder so.
Und dann fügte Junior noch hinzu: "Ich bin doch auch grad erst heimgekommen. Na okay, schon vor ein paar Stunden, aber soooo lange bin ich auch noch nicht zu Hause."
Grimmmmmppppfffffff!!
Blumen! Ich sprech heute nur noch mit meinen Blumen! Die wachsen und gedeihen nämlich, was mich selber wundert, denn ich bin die einzige, die ich kenne, die keinen grünen Daumen hat und der alles unter den Händen stirbt, was auch nur ansatzweise irgendwie Blätter hat.

Außer mein Glücksklee. Der kommt sogar jedes Jahr wieder!




Und außer mein Avocadokern, der beinah täglich in die Höhe sprießen lässt. Ich hoffe nur, dass da auch noch mal paar Blätter kommen, bevor der Stengel die Zimmerdecke erreicht hat.




Und sonst? Magenschmerzen sind wieder weg. Und weil ich meinen Kampftag der Arbeit gestern hatte, mache ich heute... absolut nix. Denke ich. Obwohl... Bafög-Antrag Junior II.... Is ja am Ende auch mein Geld, oder?

2 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Ich habe 15 Jahre lang an der Kampfdemo-Strecke gewohnt und habe mich immer rechtzeitig aus dem Haus und aus der Stadt gemacht.
Mit 12 habe ich mich mit meiner Mutter gestritten, die als Lehrerin pflichttreu eine Fahne raushängen wollte. Ich wollte damals schon nicht. -
Solche "Dramen" gab es mit meinem Sohn vor ca. 25 Jahren auch immer.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ich glaube, ich war bis zur Pubertät ein echt braves Kind, das nix gefragt und kaum was gefordert hat, dafür immer alles erledigte, was man ihm sagte. Tatsache. Kann sich heute bloß keiner mehr vorstellen ;)
Dann aber kam die Pubertät und was meine Jungs bis heute nicht wissen: Ich war derart vorlaut und frech, dass mein Vater mich entweder ordentlich vermöbeln oder wenigstens aus dem Haus schmeißen wollte. Und als ich dann tatsächlich mit 19 Jahren ging, weinte meine Mutter und der Vater schlug vor lauter Freude & Dankbarkeit drei Kreuze an die Tür ;)