Freitag, 28. Juni 2013

Wenn der Sohne mit dem Vater

Ja, ich dreh diesen Spruch ganz bewusst mal so um.
Besagte Situation ereignete sich zwar schon vor gut einer Woche, aber Ihr wisst ja: Sommergrippe und Job, aus der Hand fallender Federkiel und so... Müssen also nunmehr Pausen im Büro genutzt werden, bevor der Chef naht und alles hier noch chaotischer wird und ich wieder nicht zum Schreiben komm.
Auch hatte ich überlegt, ob ich überhaupt darüber schreib, aber meine Freundin ermutigte mich dazu und meinte: "Auch solche Sachen musst du unbedingt mit aufschreiben, auch für später." Hatte sie das so gesagt? Fieberdelirium, ich weiß nicht mehr genau. So ähnlich wars in jedem Fall.

Als ich jedenfalls letzten Sonntag heimkehrte und Junior I mich mit - ich würde sagen - mehr als leicht überhöhter Geschwindigkeit und ergo quietschenden Bremsen (weil Treffpunkt fast übersehen) aus der Innenstadt abholte, da setzte ich mich mit dem grad erworbenen Getränk ("Junge, fahr blooooß langsamer, der Kaffee is noch heiß!") entspannt auf den Beifahrersitz und ließ mir berichten, wie das Wochenende beim Vater verlaufen war.

Na wie sollte es schon verlaufen sein! Wie immer eben - nur dass esdieses Mal (und wohl irgendwie zum ersten Mal) ganz böse zwischen Junior II und dem Vater gekracht hatte. So arg, dass Junior II beschloss: "Ich hau hier ab, ich fahr nach Hause." Worauf der Vater seine Aufsichts- und Sorgfaltspflicht entdeckte und ihm brüllenderweise zu verstehen gab: "Das wagst du dir nicht! Deine Mutter ist nicht da und ich habe die Aufsichtspflicht! Du bleibst gefälligst hier! Wenn nicht, komm ich hinterher, klingel an eurer Tür und mache so einen Rabbatz, bis du aufmachst! Und solltest du dir wagen, die Tür nicht zu öffnen, DANN - RUF - ICH - DIE - POLIZEI!" Junior I wäre an dieser Stelle vermutlich eher ängstlich zusammengezuckt: Polizei - um Himmels willen? Junior II jedoch ist aus einem ganz anderen Holz, der stellte sich hin und sagte (vermutlich wieder mit den Händen in den Hosentaschen, ist aber nur so ne bildliche Vorstellung von mir, ich war ja nicht dabei): "Na wenn du dich zum Löffel machen willst, dann ruf sie mal."
In den mittlerweile stundenlangen Disput mischte sich dann auch eine dritte Stimme aus dem anderen Zimmer, die da in nicht unerheblicher Tonlage anmerkte: "Je-des-mal, wenn ihr da seid, versaut ihr mit das Wochenende, ihr seid so-lche Assis!"  Bei besagter dritter Stimme handelte es sich übrigens um die Lebensgefährtin meines Ex, die in ihrer Tonart meinen Ex noch locker übertrifft. Zumindest, was die Wortwahl angeht. Und ich dachte immer schon, der wäre übel.
Junior II, seines Zeichens Skorpion (-> direkt, auch wenns weh tut, immer schön feste druff, ich hab das ja inzwischen auch schon paar mal zu spüren bekommen ;)), besitzt außerdem ein ziemlich ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden (-> bitte immer am liebsten alles nach meiner Pfeife und wehe nicht!) und sowohl Tonlage als auch Tonart veranlassten ihn spontan zur Gegenwehr: "Was willst jetzt ausgerechnet DU von mir? Warum hältst du nicht einfach mal deine Klappe?" und den Vater zum Turbo-Gebrüll veranlasste: "Woher nimmst du Pimpf eigentlich deine Arroganz?"
OK: An dieser Stelle musste ich als Mutter mahnend gegenüber der Jugend mahnend anmerken: "Man vergreift sich anderen Menschen gegenüber nicht in Ton und Wort, auch dann nicht, wenn die anderen es provozieren." Woraufhin sich die Jugend spontan in den Verteidigungsmodus begab (kenn ich übrigens, kenn ich sehr gut): "Respekt? Bei DER? Wenn die Wi**er zu mir sagt, muss ich doch keinen Respekt mehr haben. Oder soll ich sagen: Danke?" Hmm. Okay. Hatten sie auch wieder recht. Ich habe es übrigens in der Ehe immer gehasst, so ein Vokabular, das regelmäßig über mir ausgegossen wurde. Dass das einer der Hauptgründe war, diesen Mann zu verlassen, hat er bis heute nicht begriffen. Anderen die Schuld geben ist ja auch immer viel einfacher. Dass der Mann aber mittlerweile auch im Begriff ist, seine Kinder zu verlieren, hat er augenscheinlich genauso wenig verstanden. Hoffentlich merkt er's noch rechtzeitig.
Trotz aller Dramatik, die sich offenbar am letzten Wochenende abgespielt haben mochte, griff (was früher mein Part war) mein Seelchen Junior I in die Geschehnisse ein, vermittelte zwischen Vater und Sohn und begann, dem Vater einen Vortrag über Respekt und Achtung zu halten. Hier die Kurzfassung: "Du musst das verstehen: Ich bin so ein Geschrei und solche Worte gewohnt, aber mein Bruder nicht. Der kennt das nicht. Unsere Mutter schimpft auch mit uns, wenn wir Scheiße bauen, aber die schreit nicht so rum wie du und vor allem gebraucht sie nicht solche Worte."
Hach ja. Da ging mir trotz allem das Herz auf: Mein Seelchen. Auch konnte ich mir ein Grinsen irgendwie nicht verkneifen, weil ich das bildlich vor mir sah: Mein 1,94 m großes schmales Seelchen schaut auf den 1,81 m kurzen Vater herunter und spricht in salbungsvollem Tone...
Insgesamt konnte ich jedenfalls nur statuieren: "Jungs, wenn wieder so ein Theater ist, könnt ihr in jedem Fall nach Hause kommen. Egal ob ich da bin oder nicht. Ihr seid 17 und 23, sich jetzt auf die letzten 3 Meter, bis du 18 bist, auf eine Obhutspflicht zu besinnen, ist einfach nur lächerlich. Das hätte ihm ein paar Jahre eher einfallen sollen. Stellt euch nur mal vor, er wäre tatsächlich zur Polizei gegangen: Mein Sohn ist abgehauen! - Wohin? - Nach Hause! - Aha. Und wie alt ist Ihr Sohn? - Siebzehneinhalb! - Aha. Und jetzt zeigen Sie uns doch bitte mal die versteckte Kamera." Junior II bedachte an dieser Stelle Junior I mit einem denkwürdigen Blick und sagte: "Na bitte, hab ich dir's nicht gleich gesagt? Der hätte sich nur zum Ei gemacht."
Aber ohne einen Cent Geld in der Tasche und angewiesen auf die Fahrkünste von Junior I, der wiederum keinen Bock auf noch mehr Stress mit dem Vater hatte, die Mutter über 400 Kilometer weit weg - da blieb ihm nur, dort zu bleiben, wo er war. Vater und Sohn haben am Rest des Wochenendes kein Wort mehr miteinander gewechselt und beide sagten, von Junior I unabhängig voneinander befragt: "Pah. Ich seh überhaupt nicht ein, wieso ich nachgeben sollte. Dann fühlt der sich noch bestätigt." Tja. Sie sind eben... aus ähnlichem Holz - ich kenne das :)
Und genieße es, dass Junior II, kaum dass wir alle wieder daheim versammelt sind, jeden Tag um mich herumschmust, freiwillig Post- und sonstige Botendienste erledigt - ergo einfach froh & dankbar ist, zu Hause bei mir zu sein und im Hause Ziggenheimer... eine Harmonie strahlt, die die fehlende Sonne der letzten Tage durchaus ersetzen konnte. Hoffentlich bleibt das noch ne Weile so, auch wenn die echte Sonne gerade wieder beginnt hervorzulugen. Es ist nämlich fast Wochenende, ich habe vollständig zu genesen und ich habe auch deshalb vor allem keine Lust, mir diese zwei Tage mit Streitereien oder sonstigem zu verderben ;)
In diesem Sinne - Kaffee ist grad durch und schmeckt auch wieder: Prost!

2 Kommentare:

Frau K. aus P. hat gesagt…

Wie schrecklich für die Kinder. Und wie schön, was tolles aus ihnen geworden ist. Ich würde ihnen vermutlich frei stellen, ob sie da überhaupt noch hin wollen. Es kann sie ja inzwischen keiner mehr dazu zwingen. Wenn ich sowas lese bin ich froh, dass sich mein Ex und Kindesvater nie wieder blicken ließ. Das Niveau war ähnlich.
LG Susann

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Susann, letztlich ist es ihnen schon lange freigestellt, ob sie noch zu ihrem Vater fahren wollen oder nicht. Auch deshalb ist grad Junior II fast nur zu Hause bei mir und fährt an den wenigen Wochenenden inzwischen auch nur noch mit gemischten Gefühlen. Wenn ich dann sag: "Wenn du nicht magst oder anderes vorhast, dann bleib hier, du bist inzwischen alt genug." Meist ist er dann doch gefahren, weil er sagt: "Ach... gibt sonst nur wieder Zoff, weil der Vater wieder denkt, keiner will ihn."
Aber vielleicht ist genau das ja der einzige Weg, um zu zeigen, wie es eben nicht geht.