Ich brauche jetzt unbedingt Musik auf die Ohren, irgendwas Salbungsvolles, Entspanntes. Ja von mir aus nehmen wir den Song von gestern, "Close Encounters" - der beruhigt mich und holt mich auch wieder runter.
Was ist passiert? Im Grunde... nichts! Nichts Neues, nichts Ungewöhnliches, nichts Überraschendes - sondern eher Alltägliches. Leider, verdammt! Das ist auch neben dem Gedanken an ein gemeinsames Wohlfühlnest mit den gelben Seiten der einzige Lichtblick, den ich mir zusätzlich gönne: dass ich dann so überhaupt nichts mehr mit meinem Ex zu tun habe. Der ist schon vor Jahren für mich gestorben, und wenn ich etwas in meinem Leben sehr, sehr tief bereut habe, dann ist es diese Entscheidung gewesen, kopfüber einen Mann zu heiraten, den ich nicht wirklich kannte - und mit dem auch noch Kinder zu haben.
Was habe ich nur meinen Kindern damit angetan?
Was habe ich aber auch damit mir selber angetan?!
Wieso nur habe ich nie realisiert, dass für diesen Menschen immer nur eins gezählt hat - und das war er selber?! Kann ich mich wirklich damit herausreden, dass ich achtzehn war, als ich ihn kennen lernte, und gerade 19, als ich den auch noch heiratete?
Ein Mensch, der mich in 16 Jahren verbal derart kleinprügelte, dass ich mich letztlich fühlte wie ein bunt geblümter Karton, auf dem der Name Helma stand - nur dass da längst keine Helma mehr drin war, sondern der ganze letzte klägliche Rest. Ja Scheiße, so hab ich mich gefühlt, und ja, Scheiße, ich hab das viele Jahre zugelassen, mitgemacht und jeder Versuch, dagegen anzukommen, war nie tough, nie konsequent genug.
Ein Mensch, der mir 16 Jahre lang erzählte, dass man(n) es mit mir nicht aushalten könne, dass ich eine Zumutung sei, ein Nichts, ein Niemand - und dass ich froh sein konnte, ihn zu haben.
Ein Mensch, der 16 Jahre lang mit Scheidung drohte - und nie im Leben damit rechnete, dass ich auch nur dran denken würde, ihn zu verlassen. Ihn doch nicht. Und dessen Kartenhaus zusammenbrach, als ich tatsächlich ging.
Der seither all seine verletzte und gekränkte Eitelkeit auf dem Rücken meiner Kinder austrug - und auf Kosten meines Bankkontos. Die gelben Seiten haben mir insbesondere letzteres immer vorgeworfen - aber mal ganz ehrlich: Was ist wichtiger im Leben, zweihundert Euro im Monat mehr oder aber jeden Abend Angst haben zu müssen, im Dunkeln heimzukommen? Ich weiß, wozu dieser Mensch in der Lage ist, ich habs zu spüren bekommen und ich muss nichts provozieren nur wegen ein paar scheiß Euro mehr.
Und heute? Wie ist es inzwischen? Die Jugend lebt fast ausschließlich bei mir und ich lebe von dem, was ich mir durch meine Arbeitskraft erwirtschaften kann. Einen Cent vom Vater gab es nie, weder zu Klassenfahrten noch zum Sommercamp noch zu irgendwas, das die Kinder betraf. Ich pfeif auch drauf. Wenn er denn wenigstens so ein bisschen was wie Vater sein würde und alles dafür täte, dass die Jungen gerne bei ihm wären. Dass sich nicht alles immer nur bei mir abspielt. Ja ich könnte froh und dankbar und glücklich darüber sein - und tief in mir bin ich es auch. Es ist so vieles und so viel Schlechtes über mich gesagt worden, von dem ich nie eine Chance bekommen hätte, das zu korrigieren - und die Jungen wusstens einzuschätzen, wussten genau, wie viel oder auch wie wenig Wahrheit in den Worten steckte. Ich bin dankbar, dass sie mich lieben und an mir hängen.
Ja Anna, ich weiß nicht, ob Du das hier liest, aber: Du hast letztens gemeint, ich würde gern Verantwortung abgeben wollen - und ich sagte, dass Du recht hast. Ich hab sie von Geburt an für die Kinder getragen - weil ich von Anfang an auch wirklich für die Kinder da war - und nicht wie der Vater, der gut reden und sich noch besser selbst darstellen konnte, aber das wars dann auch.
Und jetzt bin ich müde. Ich bin so verdammt müde. So müde, jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend zu funktionieren, zu machen, zu tun, jeder zerrt, jeder zehrt, jeder verlangt von mir, verlangt Entscheidungen.
Ich muss zusehen, dass jeden Tag Essen da ist, der Wäscheschrank voll, die Wohnung in Ordnung gebracht, die Pflicht im Job erfüllt ist, die Kinder glücklich sind. Den einen noch beim Erwachsenwerden begleiten, dem anderen beinah täglich Dampf an die Hacken zu machen, ihn pushen, dass er nicht nachlässig wird... Ich entscheide über Frühstück, Mittag, Abendessen, jeden Tag treffe ich gefühlte hunderte Entscheidungen - ich weiß nicht mehr wie viele, und es gibt so wenig, auf das ich mich stützen kann, das mir Halt gibt.
Ja ich wünschte mir, dass ich Verantwortung abgeben kann. Wenigstens dann und wann. Nicht immer nur alles an mir hängen haben.
Und wenn du dann feststellst, dass der Vater seine Kinder immer öfter zu mir abschiebt selbst an den wenigen Wochenenden im Jahr, die sie bei ihm sind, dass der seinen Dienstplan vorschiebt und dann telefonierst du heute mit Junior I und hörst, der Vater ist schon seit letzter Woche zu Hause, der Blutdruck mal wieder, ach Gottchen.... Verdammte Axt, ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen möchte!
Sagt Junior II heut Abend zu mir, warum ich mich so aufrege. Warum ich dem Vater unterstelle, dass der nur Geld sparen will.
"Weil es so ist", habe ich geantwortet und ich war nah dran, es ihm vorzurechnen. Was das Leben kostet, was jeder verdammte Einkauf kostet, wie hoch die Nebenkostenabrechnung in diesem Jahr wieder war, wie nah ran die nächste Autoreparatur rückt, weil Junior mittlerweile fast täglich das Auto benötigt. Und so weiter, und so weiter.
Ich hab es ihm aber nicht vorgerechnet, weil ich das, was ich geben möchte, von Herzen gebe und dazu auch stehe. Weil ich mit dem Herzen schenke und nicht mit einer verkrampft zugehaltenen Geldbörse. Ich möchte, dass der andere sich gut fühlt mit dem, was er bekommt, und nicht mit einem belämmerten Gefühl des "eigentlich gehts ja nicht, aber na ja". Das ist doch alles Kacke, Mensch! Aber ich entwickle mittlerweile Hass auf diesen einen Menschen, der zu faul und zu geizig ist, seine eigenen Kinder über das Wochenende wenigstens zum Essen zu sich nach Hause einzuladen, obwohl er wusste, dass ich nicht da war, obwohl er weiß, dass die Jugend es mit dem Kochen nicht so hat - und obwohl er insbesondere Junior II seit Wochen nicht gesehen hat. Ich war heute Nachmittag so sauer, als ich das erfuhr. Der Tag war gelaufen, na schön, morgen kommt ein neuer. Trotzdem war ich derart sauer, dass ich glaubte, jetzt entwickle ich doch noch Hassgefühle für diesen einen Menschen, den ich bisher nur noch abgrundtief verachte, und obwohl ich doch immer annahm, dass ich für Hass nicht genug negative Energie besitzen würde. Aber ja: Ich HASSE diesen Menschen, der sich in den letzten elf Jahren alles nur auf Kosten anderer aufgebaut hat, der nur sich selbst am nächsten ist. Möge er an seinem fetten Audi ersticken - oder wenigstens an seiner blondierten Ollen mit dem zur Faust geballten Gesicht. Eigentlich wünsche ich niemandem etwas Schlechtes - aber ihm wünsche ich, dass er eines Tages für all die verdammten Jahre bezahlen muss.
Doch jetzt.. ohmmmm... beruhige ich mich wieder... Er ist es nicht wert... Lass ihn raus und gut is. Scheiß drauf. Ich hab ihn hinter mir und darauf und nur darauf sollte ich mich konzentrieren. Es ist vorbei.
Don't cry now
you know it happens to the best of us
Goodbye now
and don't forget about the rest of us..
6 Kommentare:
Liebe Helma, deine Jungs können verdammt stolz auf dich sein. Und DU kannst verdammt stolz auf dich sein! ♡
Danke Anna... Heut Abend fühl ich mich... irgendwie ein bisschen ausgeknockt, ein bisschen wie zum Heulen (das aber nur vor Wut, will ich unbedingt hinzugefügt haben) und morgen früh mit dem ersten Käffchen schluck ich den letzten Rest dann auch wieder hinunter und jage es anschließend durch die Kanalisation: Da gehört der ganze Mist auch hin ;)
Und wer sagt Dir, dass er wirklich glücklich ist, nicht nur eine Fassade aufrecht erhält und im Alter alleine dasitzt?
Und Anna hat Recht: DU hast es geschafft. Niemand anderes. Und warum willst Du es dem Junior nicht vorrechnen? Dass Alles Geld kostet, wird er wissen. Zeit, dass er erfährt, wie viel.
Gruß, Holger
Lieber Holger, ich weiß nicht, ob er glücklich ist und es interessiert mich auch schon lange nicht mehr.
Den Jungen ist es mittlerweile egal, wie lange sie ihn nicht sehen; sie kommen am liebsten zu mir. Nur ich kann auf Dauer nicht mehr alles allein schaffen.
Doch Junior I hat nur knappes Geld, solange er noch nicht in Lohn & Brot ist, und Junior II bekommt nur 34 Euro Bafög und sein Kindergeld.. Also bleibt das Gros an mir hängen. Für die Kinder gebe ich es auch gerne, da gebe ich alles. Aber nicht für diesen Menschen, der sich Vater nennt und so überhaupt nichts für seine Kinder tut, nicht mal IDEELL. Aber immer schön die Hand aufhalten oder dann, wenn nix kommt, die Kinder wegschieben: Eure Mutter kann sich kümmern (und bezahlen). Das macht mich alle. Und das ist ein Grund, warum ich schon auch die Entscheidung traf, hier wegzugehen. Sonst komm ich immer wieder an so einen Punkt wie heute. Und das will ich einfach nicht mehr.
Es ist schon nicht so, dass wir nicht darüber sprechen, was unser Leben kostet und was von dem, was reinkommt, auch schon wieder weggeht, bevor man überhaupt erst mal Piep gesagt hat. Aber ich gebe zu, dass ich es ihnen auch nicht auf den Euro genau vorgerechnet habe, weil ich immer wollte, dass sie sich wohl fühlen. Und wenigstens bei mir den Kopf freibekommen. Ach Mensch, alles Kacke irgendwie. Vielleicht mach ich wirklich mal eine Rechnung für beide auf. Damit sie sehen: Ja, der Verdienst ist schon cool, aber nicht cool, was davon alles bezahlt werden muss.
Liebe Helma, du brauchst dir nichts vorzuwerfen. Denk daran! Das kann der Vater nicht sagen, wenn er mal alt und alleine ist!
Liebe Nadine, in seiner Herrlichkeit glaubt dieser Mensch bis heute, dass alles, was die Jungen sind und werden, nur ihm zu verdanken sei. Er sagt ja nicht nur jedem, der es (nicht) hören will, dass sie eine Mutter haben, die nichts kann, nichts taugt, als Mutter immer versagte und sowieso nie eine Mutter war. Jedenfalls keine echte.
Ich geb darauf nichts mehr und heute berührt mich das auch nicht mehr. Er wird bis zum letzten Atemzug daran glauben, dass ER immer alles richtig gemacht hat. Er war ja immer davon überzeugt, dass nur die anderen immer alles falsch machen. Und soweit ich das beurteilen kann, hat er bis heute nichts dazugelernt.
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