Samstag, 26. April 2014

Hätte Hätte Fahrradkette

Wäre ich doch nur nie zu dieser Party gegangen.
Hätte ich Junior I doch nur nie gesagt: "Fahr mal bitte noch zu XY und hol mich auf dem Rückweg ab."
Hätte ich doch alles selber - oder auch gar nicht gemacht.
Hätte Hätte Fahrradkette.
Bringt alles nichts.
Aber das Herz rutschte mir gestern Abend, als ich das zweite Glas Weißweinschorle erhoben hatte, in die Jeans, als der Anruf kam: "Da gab es einen Unfall."
Junior ist nichts passiert - das ist erst mal das Wichtigste.
Auch dem anderen Geschädigten ist nichts passiert, "nur" Blechschaden.
Und ich saß da in diesem Lokal, das sich nach und nach leerte und ich konnte nicht nach Hause, weil ich meinen Schlüssel Junior I gegeben hatte. Es gibt nur zwei Schlüssel zu dieser Wohnung - und Junior II weilte auswärts bei einem Mädchen. Weit auswärts.
Gegen 22 Uhr kam der Anruf, da war die Polizei wohl schon auf dem Weg zum Unfallort.
Zwei Stunden saß ich erst vor meiner Haustür auf dem Fahrradständer, pieselte vor Angst unbemerkt in die unbeleuchtete Ecke (Gott, wie asi) - und wartete auf Junior I.
Bis der dann endlich kam: Ein totenbleiches Gesicht, hohlwangig, der Rücken gebeugt. Er gab mir alle Zettel und Papiere, die er von der Polizei bekommen hatte und ich nahm ihn erst mal in die Arme.
Zu schnell gefahren, auf die Hauptstraße gerutscht, nicht mehr bremsen können und der andere fuhr ihm in die Seite. Als er mir die Fotos in seinem Handy zeigte, dachte ich: "Mensch... das kann man doch irgendwie hinkriegen?"
"Man kann keinen Gang mehr einlegen", sagte er leise, "und als sie ihn auf den Transporter schleppen wollten, haben dauernd die Räder blockiert."
Mein Herz rutschte tiefer. Getriebe? Lenkung? Oder doch "nur" ne Blockade? Selbstverschuldeter Unfall, da weiß man, wer die Kosten trägt - oder was sonst aus New Blue wird.
"Und der Abschleppdienst will zirka 500 Euro, vorher geben sie das Auto nicht raus."
Junior hatte weder Geld noch Geldkarte bei sich - nur gut. Sonst hätte er vermutlich erst mal die 500 Euro gelöhnt, aber ich bin mir noch nicht sicher, ob das auch wirklich DER Preis ist. Das wird sich zeigen, wenn die Rechnung an die Versicherung gehen soll.
Fakt ist: 150 km Abschleppen habe ich inklusive und der Versicherungsmensch meines Vertrauens sagte mir heute Morgen, er würde sich kümmern und mich heute Nachmittag informieren.
Von der Firma bekomm ich ab Montag einen Dienstwagen gestellt.
Vom ADAC bekomm ich als Basismitglied leider keine Hilfe auf Kulanzbasis: Sohnemann dürfte nicht älter als 23 Jahre und müsste polizeilich bei mir gemeldet sein. "Das wird so leider bisschen kostenintensiv", entschuldigte sich der gelbe Engel, aber die kann ja auch nix dafür.
Was ich wirklich schön fand: Jeder einzelne von denen, zu dem ich verbunden wurde, fragte als allererstes: "Ist Ihrem Sohn etwas passiert?"
In der Schrauberwerkstatt meines Vertrauens soll ich mich heut Nachmittag melden, ihm ggf. die Fotos schicken. "Wenn der es nicht kann, finden wir eine andere Lösung, auch finanziell", sicherte Chef mir zu.
Wie auch immer das dann aussehen wird - mir wurde trotzdem leichter, weil ich fühlte: Ich bin nicht alleine.

Ich bereue nicht, meinem Sohn mein Auto überlassen zu haben. Ich bereue nicht, ihm Dinge zuzutrauen, auch wenn ich weiß, dass immer etwas passieren kann - und er da nicht gerade ein Glücksvogel ist. Ich will nicht wie sein Vater sein, der ihn nichts tun lässt und ihm auch nichts überlässt, weil der auch bloß Angst hat, dass das Geld kosten könnte. Was auch immer jetzt kommt, Junior wird es (mit)tragen müssen.
Ich bereue nur, dass ich ihm gesagt hatte: "Fahr mal bitte noch da und da hin und dann hol mich ab."
Diese Erledigung war nicht überlebenswichtig und hätte vielleicht auch nicht sein müssen. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer.
Es war meine Schuld. Und sein Vorfahrtsfehler.
Und nun müssen wir beide das Beste draus machen.

...ich hab noch die Stimme der Frau in den Ohren, die heute zu mir sagte: "Jetzt weinen Sie doch nicht so. Es ist nur Blech, vergessen Sie das nicht. Das Leben, die Gesundheit Ihres Sohnes ist doch das Entscheidende."
Sie hat ja so recht. Auch wenn ich ihr nicht sagen konnte, was mich eigentlich wirklich schmerzt.

3 Kommentare:

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Jetzt hab ich aber mal die Luft angehalten! Wie gut, dass Deinem Sohn nichts passiert ist! Das ist das allerwichtigste, auch wenn der Rest natürlich ärgerlich ist. Aber Fehler - meine Güte - die macht jeder mal. Die wenigsten Menschen haben wohl noch nie einen Unfall gebaut.

Zu der Sache mit den Vorhaltungen kann ich nur eins sagen - so geht man nicht mit Menschen um, die man liebt. Wäre für mich persönlich ein Grund, die Sache neu zu überdenken. Wenn meinem Kind sowas passieren würde, würde ich von den Menschen, die mich lieben erwarten, dass sie eine Stütze sind und das ganze nicht für Vorhaltungen benutzen.

Ich wünsch Dir ehrlich bald mal ein bisschen Ruhe und mehr Verständnis von den Mitmenschen.

Liebe Grüsse

Goldi hat gesagt…

Blech kann man reparieren oder ersetzen, Deinem Sohn ist nichts passiert außer dem Schreck und damit ist es gut.

Der Mensch, der sich [zensiert] geäußert hat, hat hoffentlich bald das Glück Freunde zu brauchen und kein Geld um diese zu bezahlen...

Lieber Gruß

Anonym hat gesagt…

....ich drück dich.....