Sonntag, 4. Mai 2014

Home is where the fucking heart is

  

Diese Worte las ich dieser Tage irgendwo. In meiner selektiven Wahrnehmung lese ich so etwas und speichere es unauslöschlich ab. So wie andere Dinge, die für mich und nur für mich wichtig sind. Ganz gleich, ob positiver oder negativer Natur. 
In den letzten Tagen und langen Nächten, in denen ich kaum schlief, habe ich mich beschäftigt. Meine Gedanken versucht zu ordnen, so wie auch meine Empfindungen.
Letzte Nacht saß ich wieder hier, trank gedankenverloren mein letztes Glas Weißwein. Der noch übriggebliebene Rest der letzten Tage. Kleine Schlucke, um zwischendrin das Glas in den Händen zu drehen und das Lichterspiel darin zu verfolgen. Zu fühlen, wie sich Gedanken und Emotionen beruhigen. 
Ich glaube, ich habe mich noch nie so oft hinterfragt wie seit der Zeit, als ich meinen vierzigsten Geburtstag feierte. Ob es daran liegt, dass sich das Bewusstsein ja doch... irgendwie... verändert? Dass man Dinge bewusster wahrnimmt, die positiven wie die negativen? Dass man sich nicht mehr zufrieden gibt mit beschaulichen "Alles gut" oder... "Wird schon" oder... "War nicht so gemeint..."? Dass man viel mehr in sich hineinhört, auf den Klang der Saiten, die angerührt wurden?
Ob man deshalb anstrengend wird?
Ob man damit unbequem wird?
Ob man zu gedankenlastig ist und zu wenig... lebt?
Es  gibt da jemanden in meinem Umfeld, die meinte irgendwann einmal, dass diese Art des sich Hinterfragens, dieses sich Reflektierens nur etwas von Selbstmitleid hätte. Ich halte dagegen: Ich sehe es anders. 
Als ich eine junge Frau war, trug ich meine Empfindungen und all meine Worte offen auf der Zunge und in meinem Gesicht konnte man lesen wie in einem offenen Buch.
Über die Jahre hinweg, mit all dem Erlebten, das die Menschen um mich herum mehr oder minder interessiert, habe ich mich mehr und mehr verschlossen. Oft habe ich mich gefragt, warum, und hätte es der Einfachheit vielleicht auch gerne auf Sternzeichen bzw. Aszendenten geschoben. Die Wahrheit jedoch ist, dass es am Ende immer das Leben ist. Menschen kommen und Menschen gehen. Ich komme und ich gehe. Da, wo ich mich wohlfühlte, ließ ich mich nieder. Da, wo ich mich angenommen fühle. Da, wo ich mich aufgenommen fühle. 
Als ich vor elf Jahren meinen Ehemann verließ und mir ein anderes Leben einzurichten begann, wusste ich: Ich kenne hier kaum jemanden. Oft war ich in Singleportalen unterwegs - und was ich vor allem darin fand, waren wenige, aber für mich wichtige Freundschaften. Ich fand es toll, viele Menschen zu kennen, viele Bekanntschaften zu schließen, und ich musste auch nicht mit jedem/ jeder befreundet sein. Einfach dieses... viele Kontakte haben - das fand ich schön. 
Die Wahrheit jedoch ist - ich brauche diese Kontakte nicht. 
Was ich brauche, ist Halt. Vertrauen. Verlässlichkeit. Etwas, das mich stützt, wenn mir die Knie schwach werden. Ich brauche niemanden, der mir sagt, wo es im Leben langgeht. Der für mich die Sorgen und Probleme löst. Ich brauch nur jemanden... der an mich glaubt. Und an das, was ich tu. Der auf meine Träume hin nicht sagt: "Das wird schiefgehen." Sondern der sagt: "Was kann ich dazu tun?"
Der mit mir lacht, wenn ich fröhlich bin.
Der sich mit mir über Gewonnenes, Erreichtes freut, ohne mich aber nur daran zu messen.
Der aber auch dann da ist, wenn ich traurig bin. Der mich in die Arme nimmt.
Solche Dinge... wünscht man sich in erster Linie wohl vom Herzensmenschen. Jedoch nicht nur. Solche Dinge wünscht man sich auch von einem Freund, einer Freundin oder auch der Familie. 
Man wünscht sich nicht, dass man sich nur an einen erinnert, wenn es einem gut geht. 
Man wünscht sich nicht, dass man sich selbst überlassen wird - aber wiederkommen darf, wenn man sich aus eigener Kraft wieder aufgerichtet hat. 
Ich bin dessen so so so unendlich müde geworden. Des Kämpfens und darauf Achtens, dass bei anderen alles gut ist oder wenigstens gut ankommt. Des heimlich Weinens, nur weil das Umfeld damit nicht umgehen kann oder will. Dass immer erst mal etwas von mir erwartet wird, bevor ich etwas zurückbekomme. Dass nichts von anderer Seite zuerst geschieht, dass es da einfach nicht dieses Bedürfnis gibt.. Des mich Zermürbens, wieso Antworten tagelang dauern und ob und wo ich möglicherweise etwas gesagt oder auch eben nicht gesagt hatte, das wiederum falsch angekommen sein mochte. Finde den Fehler... und wenn nicht, dann hab ich eben Pech gehabt...
Ich mag nimmer. 

Heute Nachmittag, als noch die Sonne schien, bin ich mit meiner Musik durch die Straßen gelaufen, hinunter zum See und wieder zurück. Das Haar zum Knoten gewunden, ein dunkles Shirtkleid, dunkle Leggings, dunkle Ballerinas - und dazu die Jeansjacke: Das ist mein nachlässiges Outfit, irgendwas Verletzliches zwischen Mädchen und Frau, irgendwas dazwischen, das zumindest für mich symbolisiert: Ich bin gerade dabei, mein Leben für mich neu zu entdecken - ich will nichts sehen, nichts hören, nichts aufnehmen, gar nichts, bis zum Ende des Tages.
Als ich dann heute Abend nach Hause kehrte, habe ich einige Kontakte in meinem Telefon gelöscht - und das eher mit symbolischem Charakter für mich selbst: Ich habe abgeschlossen. Abgeschlossen mit Menschen, die irgendwann in meinen Zug des Lebens gestiegen waren und deren Seele ich nicht mehr finden kann. Denen es zuallererst nur um sich selbst geht. Sie werdens vielleicht nicht mal wissen, spüren, erfahren - aber das ist mir auch nicht mehr wichtig. Jetzt geht es mir auch mal nur um mich.

Und ich habe überlegt, ob ich mich nicht doch schon jetzt kündigen lassen sollte - nicht erst zum 1. September. War ja eine der ersten Reaktionen des Chefs nach dem aktuellen Unfall: "Eigentlich müsste ich dich ja jetzt kündigen, wenn du nicht mehr zur Arbeit kommen kannst." Ja vielleicht ist das nicht einmal die schlechteste Idee. Jetzt schon wegzugehen. Es schon jetzt zu beginnen, neu zu versuchen, nur eben woanders, nicht hier. Ich habe keine Angst davor, dass es nicht gelingen könnte. Es gibt für nichts eine Garantie, das ist mir völlig bewusst. Es gibt aber auch immer eine Tür, die sich öffnet, wenn sich die andere schließt. 
Die elf Jahre haben mich eines gelehrt: Das Leben findet immer einen Weg. Immer. Und das ist das allereinzigste, auf das ich in diesem Leben vertraue. 

4 Kommentare:

DerSilberneLöffel hat gesagt…

Gerade die guten Freunde sagen auch einmal "Das geht schief". Und helfen dann, wenn man es trotzdem versucht.
Was nützen mit Freunde, die immer nur Ja und Amen sagen? Eben. Lieber wenige aber dafür gute Freunde, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten.

Anonym hat gesagt…

Jetzt bist du dieser Kreisel, der sich nicht mehr dreht.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Lieber Holger, es geht nicht um Ja und Amen und eine Nicht-Offenheit, die man nicht an den Tag legen kann oder darf. Es geht einfach nur.. um eine gewisse Form des mentalen Beistands. Dieses Gefühls des "du kannst alles schaffen, wenn du es nur wirklich willst und beim wie helfe ich dir, wenns möglich ist".
Offene Meinungen schätze ich - sehr sogar. Aber wenn man grad selbst am Boden liegt, möchte man aufgehoben werden. Und nicht, dass man noch drauftritt - oder man einen gleich ganz ignoriert.

An Anonym:
Ich habe den Kommentar freigeschalten, weil ich sehr genau weiß, was mit diesem Satz gemeint ist, woher er kommt. Auch wenn ich nicht weiß, wer mich gerade hier erinnert ;)
Und ja, so ist das wohl - und das tut sehr, sehr weh. Aber ich versuche es realistisch zu sehen. Und verkneife mir manche Emotionen.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

P.S. Aber es überrascht mich, wie bewusst offenbar der andere Blog gelesen worden war. In dem es ganz zu Anfang stand. Also vor ziemlich langer Zeit. Und den es nicht mehr gibt.