Donnerstag, 15. Mai 2014

Wenn ich könnte wie ich wollte

...würde ich derzeit in freien Momenten gerne dem Leben zuprosten.
Nein nein, bin weit davon entfernt, Alkoholikerin zu sein - eine Flasche Weißwein in etwa einem halben/ dreiviertel Jahr - ha ha, das ist nix.
Aber wenn ich könnte wie ich wollte... würde ich jetzt gern bisschen mehr... Oder sagen wir: bisschen öfter?

Gestern Abend habe ich New Blues Überreste verkauft. Für dreihundert Euro hing er am Haken, ein so trauriges Bild (und passenderweise goss es auch noch wie aus Kannen), dass mir die Tränen kamen.
"Hast du auf dem Vertrag noch die wichtigen Dinge ergänzt?" fragten mich später die gelben Seiten, aber ich winkte nur ab: "Ach ich hab einfach unterschrieben und gut ist."
Ein Verwertungsunternehmen - da kommt nix mehr.
Nu ja, der Deutsche und sein Auto... Warum ich grad am Blauen so hänge, weiß ich nicht genau. Oder weiß ich es doch?

Ich glaube, es ist das Gefühl, mit New Blue auch ein Stück meiner eigenen Freiheit zu verlieren.
Solange es mein Auto war, konnte ich damit tun und lassen, was ich wollte. Ich konnte darin essen, trinken, vielleicht auch Sex haben; ich konnte fahren, wann und wohin ich wollte.

Für den Ersatz von New Blue gibt es nunmehr drei Optionen:
Option 1: Ich bekäme bis August das Auto der gelben Seiten.
Option 2: Ich nutze weiterhin, je nach Verfügbarkeit, einen Dienstwagen.
Option 3: Ich kaufe mir einen neuen Alten für etwa zweitausend Euro.

Option 1: Mit Kilometerbeschränkung laut Versicherungsvertrag fährt sichs noch.. ähm.. beschränkter als überhaupt schon mit dem mulmigen Gefühl, dass man eben nicht mit was Eigenem fährt. Beiderseitige Hitzewallungen aufgrund etwaiger Kratzer, Beulen (gibt ja auch anonyme Parkplatzsünder?!) und mögliche Diskussionen ("Musstest du unbedingt... und ging das nicht anders?") sind bei sowas vorprogrammiert.
Vor allem aber: Ich kann dann auch nicht einfach mal so ans Meer fahren. Nicht das tun, was ich eigentlich wollte. Einmal ans Meer und zurück bringen schlappe tausend Kilometer auf den Zähler - zuviel "drüber".

Option 2: Das Geläster der Kollegen ist mir schon mal sicher. (Was mich aber weniger kümmert - schon meine Mama sagte immer: "Solange die Leute über dich reden, bist du interessant für sie.") Diskussionen über Parkplatz- oder sonstige Schäden bleiben erfahrungsgemäß aus, ich müsste nur ab dem 3. "Vergehen" die Kosten selber tragen. (Was auch OK ist - beim eigenen zahlste ab dem 1.) Kilometerbeschränkungen gäbe es hier keine, jedoch dürfte ich damit nur angemeldete Privatfahrten unternehmen und davon auch nicht jede. Die Fahrt ans Meer also ist damit auch geplatzt.

Option 3: Ich wäre nach wie vor frei wie ein Vogel, könnte unbeschwert durch die Lande fliegen und müsste niemandem gegenüber rechtfertigen, ob das Auto vier Wochen lang nicht staubgesaugt oder acht Wochen nicht durch die Wäsche geschickt wurde. Ich könnte fahren, wann und wohin ich wollte. Pure Freiheit. Pure Lebenslust. Allerdings.. ist das auch die teuerste Option von allen.
Und der wichtigste Punkt: Was bekäme man schon für rund zweitausend Euro? Wenn ich Pech habe, so etwas wie New Blues Vorgänger, in den ich fast das Dreifache an Reparaturen investierte, als für ihn beim Kauf ausgegeben wurde? Oder sowas wie den Opel Corsa, dessen Lenkung mich auf freier Fahrt im Stich ließ?

Ich glaub, dass es schon dieserart und auch alle übrigen Überlegungen sind, die mir den Abschied vom kleinen Blauen schwer machen. Angesichts meines "Sommerevents" passiert ja grad irrsinnig viel im Kopf, im Bauch und auch um mich herum; möglicherweise ist mein Kopfkrieg irgendwie die Summe des Ganzen. Und immer dann, wenn mir was auf der Seele lastet, stürze ich mich in die Arbeit, ob in der Firma oder zu Hause. Ablenken, Kopf frei kriegen, Gedanken sortieren, Wege finden.. Ohnehin durfte ich gestern den Dienstwagen nutzen, sowas muss ich dann ausnutzen und erledigte die wichtigsten der noch offenen Wege: Auto abmelden ("Wollen Sie die Kennzeichen reservieren?" "Nein danke." "Wollen Sie die Schilder behalten?" "Oh Gott nein, danke, da heul ich bloß jedesmal wieder, wenn ich sie sehe."), den Wocheneinkauf bewältigen, Säcke für die Kleidersammlung verstauen und wegbringen. Ist schon irre, wie sehr man etwas schmerzlich vermisst, wenn es nicht mehr da ist, und seien es die simpelsten Dinge...
Die letzten Tränen verdampften anschließend unter meinem Bügeleisen. Bis 22.45 Uhr stand ich gebeugt am Bügeltisch, anschließend war ich stehend so k.o., dass ich erst mal ein paar Dehnübungen veranstaltete, um den Rücken wieder gerade zu kriegen (meine erste Pause des Tages übrigens), und dann, als ich im Bett lag, auch echt sofort einschlief. Tief und fest bis heute Morgen zum Weckerklingeln.
Ich glaub, ich hab mich lange nicht mehr so nach dem Wochenende gesehnt wie heute.
Zumal ich auch ganz alleine bin: Dem Vater verlangts nach einigen Wochen  mal wieder nach den Söhnen. Glaubte erst an einen Scherz. Nee, war wohl echt gemeint. Ob Junior II darauf Lust hat, blieb bis gestern Abend noch offen. ("Ich war schon letztes Wochenende nicht zu Hause; wenn ich jetzt wieder wegfahr, hab ich zwei Wochen lang keine Zeit für die Mädels gehabt." "Kind, das ist auch nicht so wichtig. Wichtiger ist dein Nebenjob!" "Ach ja, der auch noch!" "Jetzt bewirb dich einfach beim REWE, dann hast du erst mal was und kannst später immer noch was anderes machen. Aber erst mal was haben, loslegen und Geld verdienen." "Ja mach ich." Das hör ich übrigens seit Wochen, Anm. der Redaktion.)

Irgendwie fühl ich mich immer noch wie... weiß nicht genau, nicht Fisch, nicht Fleisch. So viele Fragezeichen in meinem Kopf, XY ungelöst, damit lebe selbst ich als Zwilling nicht wirklich gut. Also würde ich jetzt dürfen wie ich wollte, dann... ja dann man Prost, nich wahr?

6 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Wenn es beim Vergessen und Verarbeiten hülfe :-) , dann alle auf einmal hinter die Binde gekippt und dann nach vorn geguckt. - Beim Kauf eines Gebrauchten beim Händler - hättest du da nicht gewissen Garantieansprüche für ein Jahr, so dass sich die Kosten in Grenzen halten? - Ich will mir noch gar nicht ausmalen, wenn ich meinen kleinen "Leon" abgebe, wie ich mich dann fühle.
Toitoitoi!

greebo hat gesagt…

Hallo Helma,

DAS Problem kenne ich im mom leider auch... Auto kaputt - wegen der Reparatur auf das Wohlwollen Anderer angewiesen und wenn dann irgendwann mal feststeht, was dem Auto fehlt, wird er evtl. verschrottet, weil die Kosten für Ersatzteil einfach zu hoch sind.
Meine Zwischenlösung ist sixt (oder eine Autovermietung deiner Wahl). Wenn ich akut ein Auto benötige, bestelle ich mir eins. Aktuell hat sixt ein Angebot von 22,00 €/Tag... Die Einkäufe und Transporte werden auf diese Tage komprimiert - für die normalen Einkäufe reicht der Hackenporsche. Vorteil.. man hat keinen Uralt-Gebrauchten (weil man sich nur den leisten kann) sondern ein Auto mit maximal 20.000 km auf dem Tacho ... und Tanken muss ich jedes Auto.

Gruß greebo

PS: Dieses WE habe ich wieder eins. Ich freue mich richtig drauf :)

Anonym hat gesagt…

Option 4: neueren Wagen leasen? Monatlich einen bestimmten, vorher verhandelten Preis an ein Autohaus oder eine Vertragsbank zahlen? So macht es z.B. meine Mutter mit ihrem mistneuen Polo.
Ansonsten, ich würde mich für Option 3 entscheiden. Die persönliche Freiheit steht über allem, kein Buckeln, keine Kniefälle, für niemanden. So nach dem Motto: „ ich fahr mal grad. Bin in ner Stunde wieder da. Und tschüss.“

Man schafft wirklich viel (mehr), wenn man sich nach Feierabend NICHT gleich hinsetzt und z.B. nen Kaffee trinkt oder kurz mal den Fernseher anmacht um zu entspannen.
Ich komm dann nämlich nicht mehr hoch!!! Lachhh, NOIIIIIN, nicht was DU jetzt denkst, Helmachen! ;) Sooo ne ollte Tusse bin ich nu auch wieder nicht, dass mir die Knochen krächzen wenn ich mich bewege.
Ich meine, ich komme nicht wieder „in die Gänge“, weil mich mein innerer Schweinehund wieder mal so richtig weichgelabert hat, von wegen „bleib noch sitzen, ist doch grad so gemüüüütlich. Trink doch noch n Käffchen!“ Und dann grinst er mich von innen an und prostet mir mit seinem Kaffee zu. Boah, wie ich dieses Mettschnütchen (Variante von Hackfresse) hasse! ;)

Einmal schlafen noch Helma. Dann ist Wochenende.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, ja das stimmt, eine Gebrauchtwagengarantie hätte ich - für gravierende Dinge. Hatte ich ja bei New Blue auch: Kaum gekauft, fiel beim Räderwechsel auf, dass die Federn gebrochen waren, beide Seiten. Da ich den aber gerade erst gekauft hatte, war unwahrscheinlich, dass das unter meinem Fahrstil passiert war. Meine Wege sind im allgemeinen glatt asphaltiert. Egal: Innerhalb eines halben Jahres festgestellte "schwere" Mängel müssen auf Kosten des Verkäufers instandgesetzt werden.

Liebe Greebo, an Auto mieten dachte ich auch schon, gibt ja auch so car sharing (komm jetzt nicht drauf, wies bei uns heißt). Ein Kollege von mir hat das mal ein halbes Jahr lang gemacht: sich nur ein Auto geholt, wenn er ins Büro kommen musste (er ist Freiberufler) oder zum Einkaufen (er hat Familie mit 3 Kindern, da braucht man schon einiges).
Bei mir jedoch.. Ich weiß in der Regel erst 1 Tag vorher, ob ich mit dem Kollegen mitfahren kann oder nicht, und müsste mir dann ad hoc ein Auto organisieren. Ob ich mir DEN Stress aktuell auch noch aufladen will... Ich bin noch nicht sicher. (Grad komm ich mir ziemlich.. wählerisch vor.. so als hätte ich tatsächlich ne Wahl ;))

Liebe Suse, Option 4 kommt leider für mich aktuell nicht in Frage - New Blue ist noch bis Mai 2016 abzuzahlen :( Da bleibt kein Raum für eine zweite Finanzierung.
Sehr amüsiert hat mich Dein Mett-Fresschen: Ich kenn dat Schwein so gut wie Du! :)

greebo hat gesagt…

Mit dem Automieten klappt es tatsächlich von heute auf morgen... UND man kann damit auch ans Meer fahren :)

greebo

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ein UNschlagbares Argument ;) Es vertieft sich grad in meinem Kopf :)