Man muss ihn gesehen haben, den Film, wenn man die Kraft, die Energie und diese pralle Lust am Leben nachvollziehen möchte.
Leider finde ich keinen Trailer dazu. Es gibt wohl nur einen einzigen, und der bringt eben diese... Kraft einfach nicht zum Ausdruck - also schenke ich mir den hier und beschränke mich auf den Song...
"Schwedisch für Fortgeschrittene" - ich hätte diesen Titel überhaupt nicht mit der Handlung in Zusammenhang gebracht. Zwei Frauen, die eine - Polizistin - eigenen Angaben nach Witwe, die andere - Gynäkologin geschieden. Zwei Frauen, die sich zu Beginn des Films begegnen, als die eine der anderen einen Strafzettel wegen Falschparkens ausstellt. Man streitet sich, beschimpft sich, rennt auseinander - und dann passiert einer dieser Zufälle, die es einfach auch an jeder Ecke im realen Leben gibt: Die Polizistin geht nach 10 Jahren zum ersten Mal wieder zur Gynäkologin - und wer ist diese? Genau. Und diese Ärztin reagiert völlig anders, als man vielleicht annehmen würde: Sehr entspannt und auf ihre eigene Weise auch sehr einfühlsam.
Das war der erste Moment, der mich irgendwie.. doch sehr berührte. Warum, das kann ich noch gar nicht so genau in Worte fassen. (Man muss vielleicht auch nicht alles verstehen, manchmal reichts wohl auch, dass man etwas fühlt und empfindet.)
Beide Frauen freunden sich an. Beginnen miteinander auszugehen, rocken die Disko (daher obiger Song - und der platzt beinah vor Lebenslust, jedenfalls habe ich das zunächst so empfunden), trinken zuweilen auch zuviel.
Zur Gynäkologin kommt der Ex-Mann reumütig zurück: All seine Frauengeschichten haben nie etwas bedeutet, er will nur sie, nur die eine.
Zur Polizistin kommt der Ex-Mann reumütig zurück: Diese eine Frauengeschichte hat ihm nichts bedeutet, er hat sich getrennt, er möchte seine Frau zurück. Nach zehn Jahren.
Denn was ihre neue Freundin erst jetzt erfährt: Ihr Mann ist nicht wirklich tot, aber er war symbolisch tot.
Und während die Gynäkologin klar und straight ist ihrem Mann und ihrem Sohn gegenüber: "Das Leben ist zu schade, um es mit dem Falschen zu verbringen. Es geht nämlich nicht um dich, es geht um mich. Es geht ganz allein nur um mich", verliert sich die Polizistin zunächst in ihrer Unsicherheit: Soll sie mit ihrem Mann neu beginnen oder nicht?
Eine wunderbare Geschichte, wie ich finde, um zwei Frauen an einem Punkt in ihrem Leben, die eine freiwillig, die andere unfreiwillig, und beide haben den Beginn ihres anderen Lebens auf ihre Weise umgesetzt. In der einen erwacht das Leben, die Lust am Leben, die Lust am frei sein, der Geschmack von Himmel & Erde, der Geschmack von Freiheit auf der Zunge, die andere hängt irgendwo dazwischen. Zwischen dem alten und dem neuen Leben hängt sie fest, erstarrt, resigniert, abgeschlossen - und dann erwacht sie...
Dieser Film hat vieles in mir wachgerufen. Oder soll ich eher sagen: in Erinnerung gerufen... Denn vergessen kann man solche Momente in seinem Leben nicht, niemals. Wie heute weiß ich noch sehr genau, als ich entschied, meine Ehe zu beenden. Warum und wieso, das ist gar nicht das Thema. Nicht jetzt. Ich wusste nur eines ganz genau: Ich entschied diesen Schritt ganz allein für mich selbst. Nicht ohne Rücksicht auf Verluste, weiß Gott nicht. Aber ich entschied und rückte anschließend auch keinen einzigen Millimeter mehr zurück. Das Schlimmste ist eigentlich.. die Überwindung zu diesem Schritt: es auszusprechen. Die Angst vor diesem Schritt, die Angst vor dem, was man damit provozieren könnte. Zu sagen, dass es keinen Sinn mehr macht, dass es im Grunde nie Sinn gemacht hatte und dass es längst an der Zeit war, diese Entscheidung zu treffen. Ich habe mich nicht für einen anderen Mann entschieden. Ich habe für mich selbst entschieden und so ewig lange ich für diese Entscheidung auch gebraucht hatte - so sicher war ich mir vom ersten Moment an: Es ist die richtige.
Natürlich war ich nicht sofort in der Lage, diesen neuen Zustand auch zu erfassen, zu fühlen - zu vieles musste erst durchgestanden und geregelt werden. Dennoch werde ich sie nie niemals vergessen: die ersten Mainächte danach, die ersten Sommernächte, in denen eine Freundin und ich durch die Diskotheken tingelten, uns in der Karaoke-Bar die Seele aus dem Leib sangen und uns ausschütteten vor Lachen. Das war ein Gefühl wie... tagsüber im Büro zu sitzen mit Rock & Bluse und zusammengestecktem Haar - und nachts eben diesen Haarknoten zu lösen, von der Bluse zwei Knöpfe mehr zu öffnen, aus den High Heels zu schlüpfen und barfuss durch den Regen zu tanzen.... Unangepasst sein, aus dem Rahmen fallen, in den man dich gepresst hat, tauch unter all die Schichten und finde dich.. Dich selbst.
Es gab wesentlich mehr Nächte, in denen ich hemmungslos weinte - doch umso intensiver erlebe ich noch jetzt im Nachhinein, wie prall sich diese durchtanzten Nächte anfühlten... Eben dieser Geschmack von Freiheit... Von Leben. Die Welt steht dir offen, alles ist möglich, jeden Tag, jede Nacht, komm und greif danach... Du brauchst niemanden, der dir die Sterne vom Himmel holt - das kannst du ganz allein. Du möchtest sie nur jemandem zeigen und dich mit jemandem freuen... Und ich bin mir immer noch sicher, dass niemand, wirklich niemand allein leben wird, der es nicht will. Ich weiß nicht, was mich so sicher darin macht. Aber ich weiß einfach, dass es so ist.
Umso tiefer treffen mich solche Momente wie gestern im Supermarkt... Vor uns eine Familie. Mann, Frau und zwei kleine Mädchen. Diese Frau... das Tuch um den Kopf gewunden, ihr Gesicht unglaublich bleich, keine Wimpern, keine Augenbrauen, die Arme wie zum Schutz um den Leib gelegt und der Schmerz stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Ich kann es nicht beschreiben... Ich sah sie, ich sah ihr ins Gesicht und fast sofort hätte ich weinen mögen. Und ich weiß nicht mal wieso, nicht warum. Da ist ein Mensch, der dir völlig fremd ist; der Mann kauft schweigend ein, die Mädchen springen um den Korb herum und da steht diese Frau... diese junge Mutter...
Der Mensch hat Raketen erfunden, mit denen er das All entdeckt.
Der Mensch hat das Atom entdeckt und sogar, wie er es spalten kann.
Der Mensch hat die Computertechnik erfunden - und das Internet dazu.
Der Mensch kann so vieles, er weiß so vieles.
Anstatt dies für sich und die Welt zu verwenden, rennt er los, will alles Fremde besitzen, sich unrechtmäßig aneignen, führt sinnlose Kriege, zerstört sich und die Welt... Anstatt das Potential zu nutzen, endlich etwas gegen diesen verdammten scheiß Krebs zu finden. Kein Geld mehr für Waffen, kein Geld mehr für Raketen und Kriege - aber Geld für die Forschung. Bevor der Mensch sich selbst völlig zugrunde richtet - und die Welt mit dazu. Hätte ich einen einzigen Wunsch im Leben frei, würde ich mir genau das wünschen. Von ganzem Herzen.
2 Kommentare:
Danke für deinen Text, er hat mich sehr berührt! ..... "Ich habe mich nicht für einen anderen Mann entschieden. Ich habe für mich selbst entschieden" ..... Genau!
Lieber Gruss
Anne von Planet112
ach Helmachen......
Du bist so'ne treue Seele! Die rosarote Brille steht dir genausogut wie mir, stelle ich gerade wieder einmal fest und knuddel dich.
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