Donnerstag, 1. Januar 2015

Und nun? sprach Zeus. Na nix - sagte ich. Und finde es gut so.

Ich bin grad heut, pünktlich zu Beginn des neuen Jahres, gefragt worden, ob ich denn gute Vorsätze mit in 2015 genommen hätte. Hmm, gute Vorsätze... Hab ich die eigentlich jemals gehabt? Ich weiß es gar nicht - ich glaube nicht, wenn ich so zurückdenke. Eigentlich wünschte ich mir immer "nur", dass es ein gutes Jahr würde. Eins mit weniger Tränen, weniger Schmerz, weniger... Alleinsein (ich schreibe bewusst nicht: Einsamkeit, denn wirklich einsam... war ich wohl nie. Oder nicht so lange, dass es nachhaltig wirkte.) Auch habe ich in meinem Leben nie geraucht, ich habe nie zuviel Alkohol getrunken (wenn man bedenkt, dass zwei Gläser Weißweinschorle genügen, um mich auf dem Tisch tanzen zu lassen... SCHORLE!) und mit allen anderen meiner Laster konnte ich zumindest bis heute dahingehend gut leben, dass ich nicht zwingend darüber nachdenke, vieles verändern zu wollen. Anders haben zu wollen. Außerdem ist es keine Neuigkeit, dass gute Vorsätze vor allem einem dienen: dem Umstand, dass sie spätestens am dritten Tag des neuen Jahres gebrochen werden können. 
Als wir heute morgen gegen vier Uhr ins Bett fanden, versprach der Mann: "Am 1. machen wir nichts. Absolut... nichts." Nun. Wenn das einer seiner Vorsätze war, dann hat es nicht mal 24 Stunden gebraucht, um den ersten zu brechen: Erst zerrte er mich mitten in der Nacht aus dem Bett mit der Bemerkung: "Du hast doch bestimmt auch Appetit auf frischen Kaffee und außerdem ist es gleich elf?", dann, nachdem ich nach dem Trinken dieses wahrlich leckeren Gebräus in meine Lieblingsposition fiel (lazy Koala-Stellung! Beweisfoto oben! Ungeschminkte Tatsache!), versuchte er alles, mich zu einem Spaziergang bei nun wirklich wunderbarem Sonnenschein zu überreden. Ich meine, das Wetter ist schon toll, ja. Aber meine Lieblingsposition ist auch mein ganz persönlicher Kracher! Obwohl ich das Spiel mit dem Wort liebe, ich es liebe, Situationen und Empfindungen zu beschreiben, fehlt mir an dieser Stelle einfach das Vermögen zu beschreiben, wie SEHR ich es genieße, dass ich nichts muss. Absolut... nichts! Ich kann in den Tag hinein- und mich auch wieder hinausträumen, ich KANN etwas machen, MUSS es aber nicht. Wann habe ich das jemals in den letzten 25 Jahren von mir sagen können? Eben!
In diesem nun vor uns liegenden, noch so zarten 2015 werde ich sechsmmmvrzmmmg Jahre alt. (Nein, ich bin nicht die, die jedes Jahr auf die Frage nach dem Alter mit der ewig gleichen Antwort aufwartet: "26 natürlich!" Gleichwohl verursacht die reale Zahl schon... sagen wir... ein wenig Bauchgrummeln in der Gegend da, wo ich meinen Bauch zumindest vermute.) Der Weg bis hierher hat mich vieles gekostet und mir so vieles gebracht. Las ich früher von "dankbar zu sein für das, was man hatte, auch dann, wenn es nicht mehr da ist" verursachte mir eher Groll "Oooaaarrr ey, diese Weihrauchmännchen mit ihrem Gedöns!", so wie die Worte "Das Wichtigste im Leben sind die Spuren, die wir hinterlassen bla bla" empfand ich in einer Phase meines Lebens eher als ein Hintertürchen, durch das man(n) sich verabschieden konnte und ich trotzdem nur demütig mein Haupt zu neigen hätte, ganz ohne Groll und so, klar. Da waren noch so einige kluge Sprüche, die in mir eher Wut entfachten als... Dankbarkeit. Echte Dankbarkeit. 
Nun werde ich aber eben sechsmmmvrzmmmg Jahre alt - und habe tatsächlich dazugelernt, ob ich es so wollte oder nicht. Ob ich es so sehen wollte oder nicht. Ob ich mich so fühlen wollte oder eben auch nicht. Heute weiß ich: An den Worten, die mich einst eher nervten und ärgerten, ist wirklich was dran. Letztlich bilden sich "Sprüche" wohl doch immer aus Erfahrungen, die nicht nur einer macht. Die wir alle machen, mehr oder weniger. Erfahrungen, die sich immer und immer wieder wiederholen, in wohl jeder Generation, sofern man die Zeit dazu bekommt. 
In meinem Leben hab ich öfter gehört: "Ich möchte der sein, der dich glücklich macht" - und irgendwann in den Jahren des Alleinseins begriff ich: ICH bin diejenige, die mich glücklich machen muss. Niemand ist dafür verantwortlich, es ist niemandes Aufgabe und das darf es auch nicht.
Als ich im Januar 2003 die Scheidung begehrte, sagte ich zu meinem Ex-Mann: "Es ist auch Verantwortung, für die Kinder zu sorgen, sie glücklich zu machen. Aber das kann ich nicht, wenn ich es selbst nicht bin. Und mit dir kann ich es nicht werden." Ja, ich liebte zu diesem Zeitpunkt einen anderen Mann - doch für diesen habe ich mich nicht aus dieser Ehe gelöst. Diese Trennung habe ich nur für mich vollzogen, für mich ganz allein, ganz gleich, ob und wie es mit dem anderen weitergehen würde. Ich habe mir damals nur diese eine Frage gestellt: "Wie kann ich weitermachen? Wie will ich weitermachen?" Ich hatte wahnsinnig Angst vor der Zukunft - aber noch mehr Angst hatte ich vor dem Schritt zurück. Aus gutem Grund. Also bin ich losgegangen... 
Ich sag ja: Ich hab viel falsch gemacht im Leben. Man kann mich verurteilen dafür. Und ich hab genau so vieles richtig gemacht, glaube ich. Dazu muss sich niemand äußern. Entscheidend ist, dass ich es für mich weiß. 
Ganz ehrlich? Ich bin mir nicht sicher, ob ich all das noch mal so machen könnte. Ob ich all das darin, in diesen Jahren, auf diesem Weg, noch mal aushalten könnte. Andererseits... Denke ich an die Zeit vor diesem Wendepunkt in meinem Leben, dann beginnen meine Beine ganz automatisch und von allein zu rennen... Nie nie niemals wieder möchte ich dahin zurück, wo ich damals war. Dann lieber allein als noch mal so. Denn heute.. bin ich mir wirklich selbst genug. Ich bin nicht unfehlbar und in mancherlei Hinsicht, gerade zwischenmenschlich, eher... inkonsequent. Früher dachte ich immer, wenn ich nur dieses und jenes verstehen könnte, dann würde es mir helfen loszulassen. In gewisser Weise stimmt das auch. Andererseits habe ich realisiert, dass ich mit einem gewissen Verständnis dazu neige, Menschen und ihr Verhalten zu entschuldigen. Vielleicht zu sehr? Vielleicht in genau dem richtigen Maß? Das wird sich wohl - ich nehms mal an - zeigen, wenn es soweit ist. Wie mit so vielem.
Nun hat dieses neue Jahr begonnen. Ein neues Jahr voller Möglichkeiten. Was wünsche ich mir? Gesund zu werden und zu bleiben. Glück für meine Söhne. Hier an diesem Punkt fühle ich mich irgendwie zur Ruhe kommen. Die Anspannung lässt Stück für Stück nach. In mir löst sich etwas. Und ich begreife, dass wenn ich mir wünsche, es möge zunächst so bleiben wie es ist, dann bedeutet das für mich keinen Stillstand. Nur... Ausruhen. Genießen, bis wohin man gekommen ist. Freude darüber zu empfinden, dass man es bis genau hierher geschafft hat. Zurückschauen bedeutet für mich keinen Schritt zurück, sondern nur das Erkennen, wie weit ich gekommen bin. Und dann fühle ich sie in mir: echte, tiefe Dankbarkeit. Für Menschen. Für Begegnungen. Für die Erfahrungen. Für die Spuren, die sie in mir, in meinem Leben hinterlassen haben. Ein Zurück gibt es nicht. Ein Vorwärts muss es jetzt noch nicht geben. Einfach nur... innehalten und genießen dürfen. Mich frei fühlen dürfen. Die Flügel ausbreiten dürfen. Und all das nicht nur zu dürfen, sondern auch... zu können.
Das wünsche ich nicht nur mir. Das wünsche ich uns allen. In dieser verrückten, bekloppten Welt.


7 Kommentare:

lautleise hat gesagt…

Liebe Helma,
einen guten Rutsch habt ihr ja nun hingelegt, und auch noch gefolgt mit meinen Wünschen für ein gesundes und grandioses neues Jahr 2015.

Mit 46 Jahren habe ich noch einmal voll durchgestartet und landete danach als Geschäftsführer einer internationalen Transportfirma.
Die folgenden zehn Jahre waren harte, wirklich harte Arbeit und
trotzdem randvoll mit tollen Erfolgen. Mit 56 habe ich dann Schluß gemacht und mir eine Buchhandlung gekauft.
Wattwillstemehr...???
LG - Wolf

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja, genau das meine ich eben: Man denkt oft, im Alter von xy ist alles vorbei - und dabei ist es das gar nicht. Man kann immer da lang oder dort lang - nur ob man es tut, entscheidet man selber. Ein bisschen Glück... gehört immer mit dazu...

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma, ich könnte mir kaum einen schöneren Post vorstellen, der das neue Jahr einläutet. Letztendlich ist zwar jeder neue Tag voller Möglichkeiten, aber so ein Jahresanfang ist einfach symbolträchtiger. ;)

Mir gingen heute ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf und auch der, dass ich bald dreiundhmhmhmmmm.... ähm... dreiundzwanzig werde. Komisches Gefühl...

Und heute u.a. gelesen: Du kannst es nie allen recht machen, also mach es dir recht, dann ist wenigstens eine Person glücklich. ;))


Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Anna, ich empfinde es total genauso: Jeder Tag birgt neue Möglichkeiten - doch der Beginn eines neuen Jahres ist symbolträchtiger :)
Dreiundzwanzig also, so so. Du also auch *lach*
Und übrigens: Ich habe mich davon verabschiedet, es immer allen recht machen zu wollen. Gerade noch rechtzeitiig. Denn man kann es wirklich nicht, aber man verbrennt dabei.

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma,
einsam war ich auc noch nie.

Ich glaub, keine von den Müttern in unserem Alter ist je einsam gewesen – das
kommt eventuell noch, wenn die Kiddies aus dem Haus sind, wenn man keine Hobbies hat, wenn man sich nichts mehr zu erzählen weiß. Man kann ja auch zu zweit einsam sein, kann ich mir vorstellen.
Wenn man keine Freunde hat und die Kinder sich nicht mehr melden (aus welchem Grund auch immer. Hab da schon STORIES gehört......Junge Junge!)

Das mit dem auf dem Tisch tanzen nach 2 Schorle kenne ich auch, lachhhh 

Also wie du das so schreibst – ich kann etwas machten, muss es aber nicht – darum beneide ich dich schon ein wenig. Ich musste mich gestern auch aufraffen, kochen für die ganze Baggage. Und im Bad sah es auch aus wie Sau, nachdem die Herrschaften alle geduscht hatten. (jaja ich weiß, bin ja selber Schuld wenn ich sie nicht schon früher zur Ordnung erzogen hab).

Vielen Dank für deine guten Wünsche, Helma! So siehts doch auch genau aus, so wie du es beschreibst:
Das Wichtigste im Leben ist, glücklich zu sein. Darauf baut alles andere auf! Die Kinder sind glücklich, der Partner ist glücklich neben einer glücklichen Frau. Jemanden lieben kann man doch eigentlich auch nur, wenn man glücklich ist.
Ich zitiere mal einen Satz von Hannelore Hoger, Filmschauspielerin, den sie mal in einem ihrer „Bella Block“ – Filme gesagt hat:
Früher dachte ich immer, das

Der Sinn des Lebens sind die Kinder. Aber das stimmt nicht. Der Sinn des Lebens ist, jemanden zu lieben.

Man kann nur aufrichtig lieben, wenn man sich selber liebt und so akzeptiert, wie man ist. Man kann nur dann glücklich sein. Oder nicht??

Den einen Satz von dir vorhin:
„ICH bin diejenige, die mich glücklich machen muss. Niemand ist dafür verantwortlich, es ist niemandes Aufgabe“
Werde ich mir genau unter dieses Filmzitat schreiben, in der Liste meiner schönen Sätze 

Ich wünsche dir und uns allen ein wunderschönes und glückliches neues Jahr!

Bohli hat gesagt…

Gutes neues liebe Helma. Das sieht sehr zufrieden aus, Glückwunsch. Dein Vorsatz wurde hier zumindest genau umgesetzt. Nur auf der Couch....den ganzen Tag ;-) Genieß einfach dein Jahr, egal ob 26, 27 oder was auch immer.

Puschkalina hat gesagt…

Liebe Helma, du hast es auch für mich wunderbar auf den Punkt gebracht- danke. Ich wünsche dir, dass sich deine Wünsche im Jahr 2015 erfüllen, glg Puschi