Freitag, 24. Juli 2015

Gutmenschen?

In den letzten Wochen und Monaten taucht in Artikeln, Postings oder auch in Gesprächen immer öfter der Ausdruck "Gutmensch" auf.
Diesen Begriff mochte ich nie, von Anfang an nicht (Bauchgefühl!), und wenn man die Bedeutung mal konkret hinterfragt, begreife ich auch wieso: "...Mit dem Wort werde „insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des ‚guten Menschen‘ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch).
Ich selbst bin zu einer Zeit aufgewachsen und so auch erzogen worden, dass "Bitte" und "Danke" oder beispielsweise einem älteren Menschen den eigenen Sitzplatz in Bus oder Bahn anzubieten Selbstverständlichkeiten sind. Meine Mum hat mir immer eingebleut: "Der Ton macht die Musik" und mein Leben hat mir eingebleut: "Wenn du willst, dass etwas anders wird, dann fang bei dir selber an."
Situation 1: Nachbarin nimmt vor drei Tagen ein Paket für mich an. Das tut sie zum allerersten Mal, seit ich hier wohne (also seit einem Jahr), und als ich bei ihr am frühen Abend klopfe (das Kind ist übrigens wach, das ist - wie meistens - nicht zu überhören), hört sie mich offenbar nicht (was nachvollziehbar ist), also klingle ich. Da das Kind noch keine zwei Jahre alt sein dürfte, ist davon auszugehen, dass die Mutter zu Hause ist. Aber manchmal überhört man die Klingel ja auch. Also klingle ich kurz ein zweites Mal und nachdem immer noch nicht geöffnet wird, denke ich: "OK, geh ich erst mal wieder, wer weiß, was die grad macht." Irgendwann am Abend erreicht den Mann eine sms: "Euer Paket liegt auf dem Balkon." Der Mann und ich geraten darüber in Streit - warum, das möchte ich hier nicht ausführen. Er holt das Paket, schreibt ihr eine recht kurz gefasste Antwort und am nächsten Tag schreibt (!) sie zurück - sinngemäß: Für deine Olle nehme ich nix mehr an, da verstehe ich auch, warum die anderen Leute das im Haus nicht mehr machen, wenn man da so angepampt wird.
Äh... Wie bitte? Zum einen spiele ICH hier die Abholstation für dieses ehrenwerte Haus, denn für mich hat in dem ganzen Jahr bislang nur ein einziger Nachbar etwas entgegengenommen und dies vor seine Haustür deponiert, damit ich das jederzeit bei ihm abholen kann, auch wenn er nicht da ist. Zum anderen - und das geht mir prinzipiell nicht in den Kopf - wieso sind Menschen einfach nicht in der Lage, mal was zu SAGEN? Da wohnt man Tür an Tür und kriegt - mit Verlaub - das Maul nicht auf? Ja, ich kann auch zu ihr gehen und was SAGEN (statt dieses ewige Gesimse) - aber wie denn, wenn sie die Tür nicht öffnet "...einmal klingeln reicht übrigens, manchmal gibt es eben Situationen, wo man nicht die Türen öffnen kann." Ja klar gibts die. Man kann aber auch mal was überhören - und von außen kann ich nicht sehen, ob sie gerade beschäftigt ist. Außerdem habe ich nicht Sturm geklingelt, sondern zweimal kurz. Okay, vorweg hatte ich - aus Rücksicht auf das Kind - geklopft. Aber das quarrte ja ohnehin. Ich könnte ihr zum Beispiel auch mal sagen, dass man zwei Kinderwagen nicht tags und nachts im Hausflur vor der Wohnungstür parkt, das Kind darin tagsüber pennen lässt und man zugleich auch Rettungswege damit versperrt. Der Mann erwähnte gestern, er habe sie schon mal drauf angesprochen, als mein Umzug bevorstand. Da hatte sie ihm geantwortet: "Stell du die Wagen doch runter, wenn dich das stört." Worauf er sagte: "Am Samstag ist Umzug. Sind die Wagen dann immer noch nicht weg, schmeiß ich sie über die Brüstung." Dritter Stock, übrigens. Die Wagen waren an jenem Samstag dann weg. Nur an diesem Samstag - vor einem Jahr.
Ich kann sie echt nicht ab, diese pissige Pissnelke, aus anderen Gründen - aber ich kann mich dennoch mit jemandem vernünftig unterhalten - und sachlich. Und auf dieser Basis Dinge auch klären, unter Umständen auch mit Missverständnissen und Vorbehalten aufräumen. Hat sich ja auch in der Firma gezeigt, übrigens, dass das geht.  Man muss es aber eben auch wollen.
Situation 2: Über den Geburtstag eines Sohnes wird via whatsapp gefachsimpelt, beratschlagt und nachdem zweimal die Aussage kommt "Jetzt antwortet sie nicht auf meine Frage" bzw. "Hä? Was n nu?" verdrehe ich leicht genervt die Augen: "Warum nimmst du dieses Telefon nicht einfach mal in die Hand und rufst an!? Habt ihr in zwei Minuten geklärt, was zu klären ist - statt dieses ewige Geschreibe und Aneinandervorbeigerede!"
Ich meine, ich bin ehrlich: Ich schreibe auch lieber als dass ich anrufe, insbesondere dann, wenn ich weiß: Hier wird mir wieder ein Ohr abgekaut. Bei mir muss es schnell gehen, zack zack, fertig ist der Lack, lange Telefonate - da krieg ich Kreislauf von. Ja, auch als Frau. Aber wenns was zu klären gibt, geht das immer noch am besten auf direktem Weg.
Situation 3: Stehe ich um exakt 17:58 Uhr am Postschalter: "Hallo, diese zwei Pakete möchte ich zurückschicken, eins davon muss aber noch frankiert werden."
Kurzer Blick. Kein "Hallo" oder "guten Tag", nur ein genervtes "Das geht nicht als Paket!"
"Und warum nicht?"
"Weil das kein Paket ist!"
"Wie bitte?"
"Das ist eine Folientüte, das geht nicht als Paket!" werde ich angeschnarrt. 
Ich ärgere mich noch jetzt, dass ich mich angesichts der Uhrzeit (die wollen ja auch Feierabend haben) und auch des motzigen Tones so ins Bockshorn habe jagen lassen, dass mir das Naheliegendste gar nicht einfiel: das Einschreiben.
"Äh... Das ist aber ne Rücksendung, ich hätte schon gerne einen Beleg dafür, dass ich das abgeschickt habe."
"Geht aber nicht. Geht nur als Maxibrief, kriege ich zwei vierzig von Ihnen!"
Die habe ich ihm gegeben und mir auf dem Beleg immerhin notiert, an wen diese Sendung ging.
"Das nutzt Ihnen doch nichts, kann ja alles mögliche gewesen sein", weist der mich in immer noch motzigem Ton (es ist jetzt 18.01 Uhr und hinter mir stehen noch cirka 10 Leute - für 3 Schalterbeamte) darauf hin. 
"Ach egal, vielleicht klappt ja auch alles", lächle ich entspannt und sage "Auf Wiedersehen."
"Der nächste bitte", wird als Antwort geschnarrt.
Ich weiß, wir sind alle nur Menschen, haben scheiß kack Tage und nicht jeden Tag scheint uns Sonne und Freundlichkeit aus dem Allerwertesten. Auch lebe ich ganz gewiss nicht nach dem Slogan "Der Kunde ist König." Aber ist es zuviel verlangt, wenigstens freundlich behandelt zu werden? Ein "guten Tag" und "auf Wiedersehen", auch wenn den anderen Sorgen oder Kummer oder einfach nur die Hitze plagen? Ich bin so, ich schaue den Leuten direkt ins Gesicht, begrüße und verabschiede mich. Bitte und Danke. Ich rege mich darüber nicht auf, wenns nicht so ist. Aber es macht mich nachdenklich, dass mir so etwas mittlerweile tagtäglich "begegnet". 
So wie ich mittlerweile auch bestimmte Postings bei FB nicht mehr lese - weil ich nicht nachvollziehen kann, wie schnell der Mensch heutzutage dabei ist zu be- und zu verurteilen. Ganz gleich, ob dieser Mensch sich selbst mit dem Thema auseinandersetzte oder einfach nur das Mäntelchen nach dem Wind hängt. Oder ihm schlichtweg langweilig war. 
Wer etwas schlechtreden will, der findet immer etwas. Ich frage mich nur immer wieder, warum der Mensch etwas schlechtreden WILL? Ist das eigene Leben so kotzlangweilig, ist die eigene Stimmung so dauerhaft zynisch, weil man frustriert ist von allem möglichen?
Man kann sich freilich über ein junges, vermutlich hübsches Ding mit himbeerfarbenem Nagellack und einem T-Shirt mit der Aufschrift "Refugees welcome" lustig machen. Das von sich in diesem Shirt ein Selfie macht und vermutlich zu FB & Co. stellt. Man kann sich freilich darüber mokieren, ob jenes Mädel nur einem Trend nachjagt, ohne zu begreifen, worum es wirklich geht.
Kann man. Muss man aber nicht. Man könnte z. B. auch das Positive darin sehen: dass dieses Mädel ihr persönliches Statement zeigt. Nur weil sie jung und aufgebrezelt ist, kann man ihr doch nicht absprechen, eine eigene Meinung oder Überzeugung zu haben? Vielleicht hat sie sich ja doch mehr mit dem Thema auseinandergesetzt als die Kritiker glauben? Wieso bekommt jemand einen Stempel, ohne diesen jemand zu kennen oder überhaupt gar jemals mit ihm gesprochen zu haben?
Als ich 22 war, verheiratet und ein Kind hatte, da trug ich mit Vorliebe kurze Röcke. Um nicht zu sagen: fast ausschließlich. Nicht solche, die man auch gern als breite Gürtel bezeichnet. Aber eben Minirock. Na und? Ich war jung und sehr schlank, warum also nicht? (Ich trage übrigens immer noch gern einen kurzen Rock. So.)
Dennoch tuschelten die Freunde meiner Ex-Schwägerin untereinander: "Die geht mit Sicherheit fremd!" Als meine Ex-Schwägerin mir damals davon erzählte, fiel ich aus allen Wolken. "Wie bitte??" "Ja, die denken, du gehst sowieso fremd, weil sie dich immer im kurzen Rock sehen." 
Aktuell wird Angela Merkel in den Medien zerrissen, weil sie sich - auch aus meiner Sicht - nicht wirklich souverän dem weinenden Flüchtlingsmädchen gegenüber gezeigt hat. Ihr deshalb jedoch jegliche Empathie abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie keine Kinder hat ("...und das merkt man!"), kann ich nicht nachvollziehen. Das würde ja bedeuten, dass jegliche Menschen und Paare ohne Kinder eben den Kindern vollkommen empathiefrei gegenüberträten? Erstens wäre das falsch und zweitens: Weiß denn jemand, warum Miss Merkel keine Kinder hat? Vielleicht wollte sie ja welche - und es klappte aber nicht? Und selbst wenn sie sich - aus Karrieregründen oder was auch immer - dagegen entschieden hat: Steht nicht uns allen Menschen zu, frei über unser Leben mit oder ohne Kinder zu entscheiden? Macht mich das zu einem besseren Menschen, weil ich zwei Kinder bekommen habe? Macht das den Kinderlosen damit zwangsläufig zum empathiefreien Mitmenschen?
Bin ich also ein "Gutmensch", weil mir bestimmte Werte immer noch wichtig sind, auch wichtig finde, diese anderen Menschen, angefangen bei den eigenen Kindern, mitzugeben? Bin ich also ein "Gutmensch", weil ich hinterfrage und weil ich darum bitte, Kehrseiten zu beachten? Weil mein Verständnis für Menschen, Dinge, Situationen als Pseudoverständnis für alles ausgelegt werden könnte? Immerhin hat mir das ja vor wenigen Jahren eine Freundin nachgesagt, nicht mir persönlich, aber eben.. gesagt. (Wobei Verständnis aus meiner Sicht nicht auch Entschuldigen und Akzeptieren gleichsetzt.)
Nein, bin ich nicht, ich bin kein Gutmensch. Nicht nur, weil  auch ich genauso auch ungerecht, selbstgerecht und was weiß ich noch alles sein sein. 
Aber ich stehe zu meiner Auffassung von Leben und Miteinander - und meine Lebensart ist frei und liberal.
Und so gibt es Entwicklungen, die mich doch... manchmal wirklich richtig nachdenklich machen.
Und manchmal machen sie mir Angst vor dem Morgen. 

8 Kommentare:

AnnJ hat gesagt…

Liebe Helma,
dieser zitierten Definition von "Gutmensch" stimme ich nicht zu. Ist ein Gutmensch im allgemeinen Sprachgebrauch denn nicht eher jemand, der sich wohltätig, nachbarschaftsfreundlich, hilfsbereit, spendenbereit etc. gibt, dann aber dafür erwartet, dass er in den höchsten Tönen in aller Öffentlichkeit dafür gelobt wird? Sich überall einmischt und einsetzt und erwartet, dass seine "hilfreichen" Vor- und Ratschläge freudestrahlend angenommen und umgesetzt werden und beleidigt ist, wenn das nicht erfolgt?

Was Du schilderst, sind einfachste Umgangsformen im alltäglichen mitmenschlichen Zusammenleben. Mag ja sein, dass ich mit "Guten Morgen, guten Tag, bittesehr, dankeschön, Wiedersehen!" etc. zu einer aussterbenden Gruppe gehöre, aber dann isses eben so. Ich möchte ja auch so behandelt werden! Klar, jeder hat mal nen schlechten Tag, aber meistens ist es die Summe an schlechtem Benehmen, die das Gesamtbild ausmacht.

Und ja, ich gehöre auch zu denen, die sagen: "Mal eben zwei Minuten telefoniert und alles ist geklärt!" Dieses ewige Geschreibe und Gemaile .... man redet sich zusammen und schreibt sich auseinander, so isses!

Deine liebenswürdige Nachbarin andererseits hätte auch schreiben könnnen: Konnte gerade nicht an die Tür, sorry - jetzt gehts, Paket abholen? Oder bin ich jetzt wieder zu anspruchsvoll?

:-)
In diesem Sinne - bleiben wir altmodisch!
Lieben Gruß
AnnJ

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe AnnJ, diese "Gutmensch"-Titulierung wurde mir unlängst "untergeschoben" so nach dem Motto "Ja du machst natürlich immer alles richtig, du Gute". Na eben nicht! Ich bin wie jede/r andere, die mit Wasser kochen, die sich falsch verhalten und ungerecht sein können.
Aber eben lege ich Wert auf freundlichen oder wenigstens höflichen Umgang. Und ich kanns absolut nicht ab, wenn Menschen be- oder verurteilt werden, "bloß weils grad alle machen" - und kaum einer sich die Mühe macht, hinter Fassaden zu schauen.
Und was die Nachbarin betrifft: Sie hatte sich unlängst ausgesperrt, der Lütte saß drinnen und heulte, sie stand draußen. Klar, das war absolut ein "Notfall". Da fand sie ja auch die drei Schritte zu uns (wirklich, mehr sinds nicht, ist tatsächlich Tür an Tür) und fragte, ob der Liebste über unseren Balkon auf ihren gehen, durch die Terrassentür rein und ihr die Wohnungstür öffnen könne. Im Falle der Pakete hätte also ich, wenn ich merke, sie klingelt, aber ich kann grad nicht, das Paket hernach genommen und hätte wiederum einfach beim Nachbarn geklingelt. Der Liebste regt sich immer darüber auf, dass ich Pakete für Nachbarn annehme, die dann mitunter tagelang bei uns stehen. Da klingle ich dann auch selber beim Nachbarn oder lege ihm eine Notiz in sein Postfach (Bitte holen Sie Ihr Paket bei mir ab, weil ich es sonst zur Post zurückbringen muss.) Die meisten bedanken sich echt freundlich, weil die mitunter nicht mal ne Benachrichtigung hatten, dass jemand was für sie annahm.
Und ja, Du hast völlig recht: Das sind einfachste Umgangsformen. Was aber, wenns schon damit nicht klappt?

In diesem Sinne - wir bleiben altmodisch! :)
Viele Grüße!!

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Liebe Helma, ich seh das genauso wie Du. Wenn man Dich deshalb als "guten Menschen ;-)" bezeichnen will, dann ist das höchstens noch ein Kompliment. Immerhin weisst Du Dich zu benehmen und hast ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz, die offenbar vielen Menschen heutzutage vollkommen fehlt. Mir persönlich fällt oft dieser unfassbar unfreundliche Tonfall auf, den Du auch bei der Post "kennenlernen" durftest - das ist schon fast Standard bei vielen Menschen. Da bekomme ich immer häufiger "Plaque" von, weil ich echt denke - wenn ich anständig mit denen reden kann, warum müssen die mich dann anraunzen? Und das völlig ohne Grund?

Wenn es "altmodisch" ist, sich anständig zu benehmen, dann reihe ich mich in die Riege der Altmodischen ein. Und das gerne ;-)

Liebe Grüsse
Clara

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, jetzt musste ich doch echt lachen: "Da krieg ich Plaque von!" ist eins der Lieblingsaussagen des Mannes an meiner Seite ;)
Und ja, das meine ich: dieser unfreundliche Ton. Ganz gleich, ob im gesprochenen oder geschriebenen Wort. Überhaupt dieses Gebaren anderen Menschen gegenüber, die man oftmals nicht einmal kennt. Ich kann das nicht nachvollziehen - will ich auch nicht. Aber das immer öfter im Alltag festzustellen, macht mich auf Dauer.. dann doch irgendwie nachdenklich. Es ist mir auch zu einfach, das mit "ja so ist das eben, jeder hat Stress, Kummer, Sorgen" etc. zu begründen. Keinem scheint jedem Tag die Sonne aus dem Allerwertesten. Wenn das nun jeder an anderen und fremden Menschen auslässt - wohin führt das dann eines Tages? Welche Werte gibt man noch der Jugend mit, wenn die dann vor dir stehen und sagen: "Wat willste denn, is doch alles gaaanz normaaal." Und warum muss man sich (damit meine ich gar nicht mich persönlich) als "Gutmenschen" titulieren lassen, bloß weil man immer wieder darauf dringt, dass die Grundregeln von Benimm und Anstand keine unlösbaren Formeln werden? Wenn heute jemand für die Flüchtlinge plädiert, egal in welcher Form, wenn er an das Gewissen anderer appelliert, dann ist er einer dieser "Gutmenschen", die sowieso nur sagen, was die Allgemeinheit anerkennt (oder auch nicht). Ja... Grad kommt mir so die Idee... Vielleicht ist es ja genau das. Dass jemand etwas anspricht, das in einem selbst ans schlechte Gewissen rührt. Oder an der Bequemlichkeit. Oder an irgendsowas - und macht sich damit unbequem, unbequem selbst im "Geiste". Ach ich weiß auch nicht. Ich frage mich nur oft, warum die Leute gerade so dermaßen aggressiv drauf sind. Seit Griechenland? Seit Pegida? Seit den Flüchtlingen? Man kommt irgendwie nicht zur Ruhe, ständig flammt Neues auf.
Und im Moment frage ich mich: Wer schürt das und wovon soll das ablenken?

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Zitat: Grad kommt mir so die Idee... Vielleicht ist es ja genau das. Dass jemand etwas anspricht, das in einem selbst ans schlechte Gewissen rührt. Oder an der Bequemlichkeit. Oder an irgendsowas - und macht sich damit unbequem, unbequem selbst im "Geiste".

Liebe Helma, ich glaube, das ist schon ein guter Teil der Antwort. Man hält den Leuten ja auch - ob gewollt oder nicht - den Spiegel vor, erinnert sie an eben scheinbar unbequeme Wahrheiten. Aber ist diese Gesellschaft - denn langsam empfinde ich das wirklich als gesellschaftliches Problem - wirklich so bequem geworden, dass Unfreundlichkeit und Verrohung für die leichter zu sein scheinen?

Ich glaube, dass die hohe Aggressivität bei vielen auch von einer permanenten Überlastung kommt. Da braucht es nicht mal Pegida oder Griechenland - da reicht schon das ganz normale Alltagsleben. Oft höre ich Leute sagen, dass sie ja politisch eh nix bewegen können, im Job müssen sie es aushalten, ob sie wollen oder nicht, der Rubel muss rollen, aber anständige Löhne sind für viele auch Vergangenheit usw. usf. Ich glaube, so entsteht ein Volk, das sich einerseits gefangen fühlt und andererseits dann eben aufbegehrt nach dem Motto: "Wenn ich schon nicht handeln kann (gefühlt) bzw. wenn ich schon dies und das nicht bekomme/habe etc., dann will ich wenigstens meine Ruhe".

Das ist natürlich nur Spekulation, aber manchmal wenn ich den Menschen so zuhöre, keimt dieser Verdacht in mir auf.

Und wer das schürt? Immer die, die davon einen Nutzen haben. Wenn Du den kleinen Mann mit seinen Existenzängsten konfrontierst, dann muckt der nicht gegen die Größeren auf sondern ist zu beschäftigt mit Überleben. Und so haben manche der dicken Bonzen viel freiere Bahn. Aber gut, beweisen kann ich das eh nicht und ob es so ist oder was da noch alles mitspielt - das weiss wohl niemand wirklich.

Trotzdem wünsche ich Dir ein schönes Wochenende und das hoffentlich ohne Plaque *g*

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Permanente Überlastung? Oder permanente Überschwemmung? Denn ich glaube schon, dass die Gründe genau darin liegen: ..."Wenn Du den kleinen Mann mit seinen Existenzängsten konfrontierst, dann muckt der nicht gegen die Größeren auf, sondern ist zu beschäftigt mit Überleben."
Ich bin nur momentan nicht so sicher, ob die Folgen dessen tatsächlich absehbar bzw. kalkulierbar sind. Das ist es, was mir Angst macht.
Und Fakt ist eben auch: Es fängt immer im Kleinen an.

Goldi hat gesagt…

Alle Beiträge lesen schaffe ich im Moment nicht, auch Deinen Beitrag werde ich noch mal in Ruhe lesen. Aber eins schon vorab; Wenn mich jemand, der keine Empathie besitzt, der denkt, dass ein Kriegs-Flüchtling ja nur hier herkommt um in einer der "noblen" Asylunterkünfte zu "leben" oder jemand der meint "dass da nur mal wieder ein Fö**rer" kommen muss, bzw. einer von der Sorte "ich bin kein na***, aber das muss man ja mal sagen dürfen...", also wenn so einer mich Gutmensch nennt, hei dann bin ich gerne ein Gutmensch.

Und ja es fängt immer im Kleinen an und genau aus dem Grund gibt es HoGeSa (schau mal bei FB) und Co. die diesen "weniger guten Menschen" den Spiegel vorhalten. Und genau so verfahre ich auch in meinem Alltag, allerdings dann auch mit der Konsequenz, dass ich Menschen deren Einstellung mir auf den Magen schlägt, nachdem ich es im "guten" versucht habe, zur Tür begleite und sie aus meinem Leben hinausführe.

JULiANE hat gesagt…

Mein Blogtitel "Misanthropin WIDER WILLEN" ist nicht umsonst gewählt.
Bei mir läuft es immer gleich ab:
ich gehe freundlich auf Menschen in verschiedensten Situationen zu. Pralle ab an patzigen Idioten wie den Arbeitsamtstypen oder der neurotischen Nachbarin oder der KiGa-Tante oder oder... Derart desillusioniert und auch beseelt von dem Gedanken "Das lasse ich mir nicht länger gefallen!" mutiere ich dann allmählich selbst zur o.g. Pissnelke, pampe meinerseits herum, merke, dass mir das selbst keineswegs gut tut, und versuche dann aufs Neue, alle zur Freundlichkeit zu bekehren.
Endlosschleife...