Der Ort, wo ich geboren wurde, ist so ganz anders als der Ort, an dem ich jetzt lebe.
Man sagt, man ist immer dort zuhause, wo man geboren worden ist, aber ich bin mir da gar nicht so sicher.
Ich würde nicht dorthin zurückgehen wollen.
Es wäre mir.. zu still in den Wintermonaten, und es wäre mir zuviel in den Sommermonaten.
Von diesem Zuhause ging ich vor über 28 Jahren nach L und tat mich unglaublich schwer mit diesem Ort. Genau genommen entdeckte ich ihn auch erst für mich, nachdem ich mich von meinem Mann trennte und aus diesem Zuhause ausgezogen war. Noch heute sehe ich mich manchmal dort sitzen, am Fenster dieser neuen Wohnung, noch ganz leer, mit nichts außer dem Sofa, dem großen Bild und der Musikanlage auf dem Holzfußboden. Sehe mich am Fenster stehen, auf die Kastanienbäume gegenüber starren und mich versuchen zu erinnern, wie die Farbe meiner Träume ausgesehen hatte.
Wie ich eigentlich leben wollte. Nicht die Frage dominierte, mit wem, sondern wie.
Wie Puzzleteile fielen nach und nach die Erinnerungen an diese Farbe der Träume in meinen Kopf zurück, hinter meine Stirn und fügten sich dort ebenso nach und nach zu einem Bild zusammen.
Ich habe noch nie so gelebt wie ich es mir erträumte.
Ich habe noch nie das Leben geführt, das ich eigentlich hätte führen wollen.
In einer Wohnung mit Holzdielen und viel Platz für Bücher, Schallplatten - und das Malen.
Noch nie in einer Wohnung mit einem Schild an der Tür, das Herz & Namen verbindet.
Noch nie in einer Wohnung, in der ich mich wie früher als Kind auf das Fensterbrett zurückziehen konnte, hinunterzuschauen auf Straßen und Menschen, wie sie ihr Brot einkaufen und gleich draußen vor der Tür hineinbeißen, weil es warm am besten schmeckt. Menschen, die sich zufällig wiedersehen und einander herzlich umarmen und zusammen weitergehen. Menschen, die einem anderen ungeduldig die Vorfahrt nehmen und über den wild gestikulierten Vogel lachen oder die Schultern zucken. Menschen, die abends heimkommen und im Haus gegenüber Licht machen, die Vorhänge zuziehen oder zu mir herüberschauen. Menschen, die in den Bus oder die Bahn steigen und zur Arbeit fahren oder von dort kommen. Menschen, die an ihrem Roller lehnen, reden, lachen, einander verliebt anschauen und sich eine Strähne aus den Augen streichen, während sie ob der Sonne die Augen zusammenkneifen.
Leben, inmitten diesem Leben wollte ich leben.
So sehr, wie ich auch wieder am Meer leben wollen würde, irgendwo.
Das Beste für mich wäre eine Metropole, nah genug am Meer und doch... lebendig genug, um die Abende auf Fensterbänken zu verbringen und Stimmungen aufzufangen. Vermutlich gibt es sie so nicht. Ich muss mich also entscheiden, was ich will. Die Metropole oder das Meer.
Eines Tages muss ich mich entscheiden..
Denn Zuhause.. ist irgendwie doch dort, wo unser "Herz" zuhause ist. Sowohl als auch.
Ich habe keine Angst vor dem Warten.
Auch wenn ich nicht wissen kann, wie viel Zeit einem bleibt.
6 Kommentare:
Vermutlich lautete jener Rat, den DU jetzt bei MIR hinterlassen würdest, etwa so:
"Eben WEIL Du nicht weißt, wie lange Du hast, um diese Entscheidung treffen zu können: Triff sie lieber heute als morgen. Und auf etwas Anderes zu hören als das Herz bei der Abwägung, welchen Kompromiss man eingehen sollte, ist nicht zielführend." ;-)
Ich liebe Poissel. Ich habe ihn mal live gesehen. Streifenshirt, ein kleiner Bauch, kaum Show aber eine unglaublich Präsenz auf der Bühne *so mal am Rande
Ich kann gut mit Interimslösungen leben, Rain, aber ich habe mir vermutlich nicht vorgestellt, dass es so schwierig werden könnte, hier in M den passenden Lebensraum zu finden.
Zumindest dann nicht, wenn man diese Entscheidungen nicht allein trifft.
Es wird aber auch nicht mein letzter Wohnort sein. Das war von Anfang an klar ;)
Da haben wir was gemeinsam, Nelly. Ich weiß nicht mehr, wann ich den Poisel für mich entdeckt hab. Ist ein paar Jahre her und kam hier dann und wann schon mal vor. Vor zwei oder drei Jahren bekam ich zum Geburtstag sein "Projekt Seerosenteich" auf LP und ich liebe es.
Nur in seinem Konzert war ich noch nie, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er auch "kaum Show" benötigt. Eines Tages schau ich es mir selbst noch mal an :)
"Ich habe noch nie so gelebt wie ich es mir erträumte.
Ich habe noch nie das Leben geführt, das ich eigentlich hätte führen wollen."
Das hatte ich... linke Spur... volles Tempo... frontal gegen die Wand... und es war großartig.
Wenn man den Planeten verlässt, abgerabbelt, mit Anlauf schlitternd in das Grab rutschen und dabei aufpassen, dass man nichts vom Getränk verschüttet.
Barcelona oder Kopenhagen - das könnte deinen Erzählungen ziemlich nahe kommen.....Es klingt sehr schön, wie du deine Wohnträume beschreibst, ganz warm.
Nein, für mich müssen heimatliche Gefühle nix mit dem Geburtsort zu tun haben.
Ich wollte immer an der Ostsee leben und dann hat es mich nach Lübeck verschlagen. Das war die falsche Ostsee und die Umstände waren so fürchterlich - ich hab die See überhaupt nicht wahrgenommen und fand alles ganz schrecklich. Momentan bin ich zwar in meinem Geburtsort, aber heimatlich finde ich es hauptsächlich, weil die Wohnsituation stimmt und die Infrastruktur (klingt blöde, aber mit Kindern ist das irgendwie wichtig). Für mich ändern sich meine Träume. Als junge Familie hätte ich gerne ein großes altes Haus mitten in der Natur gehabt, aber als Olle alleine mit dem Mann - nicht wirklich!
Danke für den Poissel. Der hat beim Lollapalooza in Berlin vor ganz großem Publikum gespielt und wirkte ganz krank und unglücklich. Im Sommer kommt er hier auf die Elbwiesen und ich habe schon eine Karte :-)
Liebe Grüße
Ja Herr MiM, frontal gegen die Wand - könnte auf mich auch zutreffen, damals, 2003. Und ich bereue fast nichts davon, im Gegenteil. Ich würde es eher bereuen, wenn all das nicht passiert wäre und ich irgendwann vor meiner Gruft stünde und denken würde: Scheiße, ich will da noch nicht rein, ich hab doch noch gar nicht?
Woar Gretel, da hast Du mich jetzt aber voll an der richtigen Stelle erwischt: Barcelona und Kopenhagen kenne ich beides noch nicht live, aber von Stockholm war Herr Blau begeistert und Spanien und Schweden stehen eh hoch im Kurs bei uns, wenigstens erst mal zum Urlauben.
Beim Schreiben meines Posts dachte ich übrigens an meine Reise nach Amsterdam, das war, glaube ich, im September 2003. Ich werde es nie vergessen, diese Häuserreihe am Kanal, dieses eine Haus dazwischen, Fensterquadrate über die ganze Seite mit einer Fensterbank, herrliche Sonne, und darauf hockte ein Typ, ein Bein lässig auf der Bank ausgestreckt und eine Fluppe friedlich rauchend, im Schoß ein aufgeschlagenes Buch. Das Bild ist bei mir eingebrannt und damals wurde mir klar: SO will ich leben dürfen, können.
Infrastruktur finde ich auch ohne Kinder wichtig. Herr Blau träumt von der Hütte in den Bergen, aber ich selber kann mir das überhaupt nicht für mich vorstellen. Es wäre mir zu einsam und auch zu umständlich, für alles und jedes ein Auto benutzen zu müssen.
Es ist gut zum Ausspannen, aber fürs Leben kann ich mir das für mich nicht vorstellen. Auch in 50 Jahren noch nicht.
Kommentar veröffentlichen