Jodhpur ist, glaube ich, eine Stadt, die die Klischees von Indien erfüllt: laut, bunt, schmutzig; es ist heiß, es ist unfassbar staubig, und dennoch überrollt mich die Flut an Gerüchen und Farben, und immer wieder fällt mir auf: Das Bunte an Indien sind vor allem die Frauen. Sie kombinieren die verrücktesten, leuchtendsten Farben, die ich je gesehen habe, ihre Arme sind voller Reifen, kaum eine Frau, die nicht auch weiteren Schmuck an den Ohren, in der Nase, um den Hals und an den Händen trägt. Und es steht ihnen! Ich selbst bevorzuge Schlichtheit, aber wenn ich all diese Frauen sehe mit ihren bunten Kleidern und ihrem Körper voll Schmuck, dann bin ich fast versucht, auch so aussehen zu wollen - und das einzige, das mich zurückhält, ist das Bewusstsein, wie ein Christbaum auszusehen. Es passt einfach nicht zu uns Europäern, finde ich.
Und dann denke ich: Es ist gut wie es ist. Würden wir alle gleich aussehen, wäre es ja langweilig.
Wie vor jeder größeren Stadt werde ich von Herrn Blau gebrieft: "Schau ihnen nicht in die Augen, das verstehen sie als Aufforderung, als Interesse, und dann wirst du sie nicht mehr los."
Offen gestanden, mir fällt das schwer. Menschen interessieren mich und Augen faszinieren mich.
An ihnen erkennst du einfach sofort, ob ein Mensch tatsächlich lächelt oder nur die Zahnreihen freilegt. Und ich will doch entdecken, ich will sehen, ich will hinschauen und jedem, der mir etwas anbietet, lächle ich ein "No, thanks" entgegen. Ich kann nicht einfach vorbeigehen und so tun, als nähme ich sie gar nicht wahr. Es sind immer noch Menschen, die am Abend eines Tages etwas Geld vom Verkauf mit heimbringen sollen oder müssen.
Jodhpur, eine Stadt mit rund einer Million Menschen - und man spürt es. Sobald das Auto irgendwo hält, sind sie da, die jungen Mädchen und Frauen mit den Kindern auf dem Arm, den Babies im Arm, und immer wieder krampft sich in mir alles zusammen, wenn ich die kleinen dürren Füßchen sehe, die ausgemergelten Körper der Frauen.
"Die Frauen wollen nur Geld für Opium", werden wir vom Inder wiederholt gewarnt, wir sollen sie nicht beachten und die ganz hartnäckigen verscheucht er mit einer energischen Handbewegung und ein paar Worten auf Hindi. Noch heute verfolgt mich dieses Geräusch der ersten drei Finger an der Hand, mit der die Frauen und halbwüchsigen Kinder an die Scheiben klopfen. Tok Tok Tok.
Und Inder sind unglaublich beflissen. Hast du erst einmal ihren Shop betreten, fragen sie nur kurz, wonach du suchst - und dann laufen sie hin und her, erzählen im Vorbeigehen auf Englisch und breiten eines nach dem anderen vor dir aus.
"Du musst sie stoppen", sagt Herr Blau, "du musst schon sagen, wonach du suchst, sonst haben wir hier bald den ganzen Laden ausgebreitet vor uns liegen."
"Ich weiß gar nichts mehr", entgegne ich, "ich bin... komplett überfordert gerade."
Am Ende kaufen wir nichts, denn während ich auf der Suche nach bestimmten Farben und Mustern bin, die ich trotz aller Fülle nicht finden kann, ist Herr Blau ernüchtert von den Preisen, die auf seiner letzten Reise vor 6 Jahren noch ganz andere gewesen waren.
Beinah haltlos benehme ich mich dafür im Gewürzshop, in dem ich vor allem eins wahrnehme: Kardamon. Kardamon soll schmerzstillend wirken, das wussten wir schon vor unserer Reise..
Und ich mag unseren Guide. Ein sehr höflicher und wohltuend unaufdringlicher Mensch; beinah der einzige, der mir in Erinnerung geblieben ist, ohne dass ich erst in unserem Tagebuch nachschlagen muss. Man merkt ihm an, dass er ein Programm abspult, zu oft hat er vermutlich Jodhpurs Geschichte schon erzählt und die Touristen in den Forts herumgeführt.
Im Schloss eines Maharadschas sind verschiedenste historische Uhren ausgestellt, und wir erkennen wieder, was wir einst in einer Reportage gesehen haben: Historische Uhren, für deren Wartung und Reparatur die besten Uhrmacher der Welt zusammenkommen, eine kleine Gruppe in einem Tanzsaal des Palastes, der für die rund zwei Wochen in eine Art Werkstatt umfunktioniert wird. Irgendwie ein cooles Gefühl, die Dinge, die man bislang nur aus dem TV kannte, nun auch live zu sehen.
Vor dem Eingang zum "Baby Taj Mahal", einer sehr kleinen Nachbildung des Originals. |
3 Kommentare:
Wow, hört sich gut an. Genieß es. Und habe kein "deutsches" schlechtes Gewissen, wenn Du auf echtes Dienstleistungsverhalten und Kundenfreundlichkeit stößt.
Es ist so faszinierend und ich liebe die Bilder, die Lebensart, das Bunte, alles was so anders ist. Aber ich glaube, es geht mir besser, wenn ich das aus der Ferne bewundere. Keine Ahnung, ob ich das persönlich erleben möchte/könnte...
Liebe Grüße
Wir sind schon wieder zurück, Nelly. Die Reise war im Oktober letztes Jahr, 16 Tage Rajasthan... Mein allererster "richtiger" Urlaub und so weit weg..
Ja Gretel, offen gestanden, hab ich auch einige Wochen gebraucht, um all das Erlebte sich setzen zu lassen. Indien wirkt bis heute in mir nach, sowohl als auch.
Kommentar veröffentlichen