Montag, 26. November 2018

Mein Herz in drei Welten



Zu Hause.
Wo ist eigentlich das Zuhause? Dort, wohin man den Lebensmittelpunkt verlegt?
Dort, wo das Herz zu Hause ist?
Während ich den kleinen Schwarzen durch Regen, Schneeregen und dichtem Nebel über die Autobahn lenke, lasse ich mich fallen in die Musik, lasse ich meine Gedanken treiben, spüre ich schon die Sehnsucht nach dem Zurückkommen - und zugleich die Vorfreude auf das Ankommen.
Und es zerreißt mich nicht - nein, ich liebe es.. Bei diesem Gedanken muss ich lächeln ob der Erinnerung der Worte einer Freundin, die mich einst mit einem Schmetterling verglich, der mit einer ihm eigenen wunderbaren Leichtigkeit von Blüte zu Blüte fliegt und sich.. beinah überall zu Hause fühlt.
Nun.. überall - das wäre nicht die Wahrheit.
Ich fühle mich in M inzwischen schon ein wenig zu Hause. Auch wenn ich dort nicht für den Rest meines Lebens bleiben möchte.
Ich fühle mich in L immer noch wie zu Hause. Auch wenn ich nur noch an wenigen Tagen hierher komme.
Ich fühle mich aber vor allem dort zu Hause, wo die Wellen an das Ufer rollen..
Und mit Musik.. kann ich meine Augen schließen und überall dort sein, wo ich gerade sein will.

Manchmal denke ich.. dass ich mich irgendwie.. lebendiger fühle, wenn ich zwischen meinen Welten hin und her tingeln kann.. Nicht festgefangen an nur einem einzigen Ort..
Ich glaube, ich bin noch immer dieser Schmetterling, der seine Flügel ausbreiten möchte.
Ich glaube, es ist auch ganz egal, wie alt ich war, bin und werde - ich werde immer ein Schmetterling bleiben..

Dienstag, 20. November 2018

Auf Herz und Nieren


Wenn es ganz arg wurde und einfach mal (wieder) raus wollte, dann habe ich darüber geschrieben und erzählt, wie es mir geht, so mit dem Schmerz und dem Leben mit verschiedenen, teils unbestätigten Diagnosen.
Ich habe auch mal geschrieben, dass dieser Blog hier kein Krankentagebuch werden wird. Weil es nicht das ist, was ich irgendwann in fünf Jahren nochmal lesen möchte. Was ich lesen, worin ich wieder eintauchen wollen würde, sind Erinnerungen an witzige, unterhaltsame oder auch wunderbare Momente. Zum Licht gehört auch Schatten und niemandem scheint permanent die Sonne aus dem Allerwertesten, auch mir nicht. Insofern konzentrierte ich mich zwar mein Leben lang auf die sonnigen Momente - aber die Schattenzeiten blende ich deshalb nicht aus.

Ich habe schon eine Weile darüber nachgedacht, ob ich in dieser Hinsicht offener schreiben möchte. Weil ich gerade in den letzten Wochen erfahren habe, wie hilfreich es ist, wenn man sich mitteilen kann - und wenn man Informationen findet. Anregungen. Und damit die Energie, weiterzumachen, egal was jemand sagt.
Dann werde ich auch niemals wieder so ausführlich darüber schreiben ;)

Im Februar 2015 stellte der damalige Hausarzt eine Abweichung in meinen Blutwerten fest - "Ihre Schilddrüse arbeitet offensichtlich nicht richtig. Wir kontrollieren das nochmal, meistens reguliert sich das wieder von selbst."
Ich belas mich darüber. Erkannte mich in vielem wieder - und auch darin, dass ich etwa 10 Kilo zugenommen hatte, die sich partout nicht wieder verabschieden wollten, es sei denn, ich ernähre mich täglich von 500 Kilokalorien (laut App). Ja Scheißchen. Das ist doch kein Leben nicht, würde meine Großmutter gesagt haben. Keine Kekse mehr. Kein Genießen mehr. Nur noch freakiges Kalorienzählen. Nä! Ich doch nicht! 500 kcal. Idioten!
Er hat den Wert gut 1 Jahr lang kontrolliert, dann hatte ich den Kanal voll. Mir gings immer schlechter, die Werte wurden immer schlechter, ich wusste auch nicht, worauf der Doc warten wollte, jedenfalls ich wollte nicht mehr warten, und so startete 2016 die Therapie mit dem Schilddrüsenhormon.
Ob noch davor oder danach, das weiß ich nicht mehr, aber irgendwann begann meine rechte Hand zu zittern.
"Ein Intentionstremor", wie ich später erfuhr. Anfangs nur beim Greifen zur Kaffeetasse (waaahh!), über die Zeit hinweg auch in Ruhe und fast dauerhaft. Und nur rechts.
Der Blick in meinen Kopf besagte "Alles unverändert zu den Vorbefunden." Und der Neurologe fügte hinzu "Wärs beidseitig, hätte ich gesagt, es ist der Stress. Aber einseitig und Stress... ne, das gibts so nicht. Aber alles, was jetzt noch die Ursache sein kann, ist harmlos. Bedeutet viele, teure und eigentlich sinnlose Untersuchungen, weil, schlimm ist es in jedem Fall nicht." Also stimmte ich zu, dass wir es dabei belassen. Zittert se halt!
Der Mann war damit nicht zufrieden, ich schon. Solange ich meinen Kaffee und ab und zu ein paar Kekse bekomme, ist meine Welt rund.

Es muss um den Jahreswechsel 2016/2017 oder kurz nach dem Jahresbeginn, also etwa ein halbes/ dreiviertel Jahr nach Beginn der Behandlung mit L-Thyroxin gewesen sein (so genau weiß ich es nicht mehr), dass ich meine Finger nicht mehr beugen konnte. Sie schmerzten einfach unglaublich, manche Gelenke schwollen an, manche nicht. Ich bin jetzt nicht so, dass ich immer gleich loslaufe und zeige "Aaaah da ist was, das tut mir weh!" Ich bilde mir ja immer ein, dass Dinge, die von allein kommen, auch von allein wieder weggehen, notfalls mit meiner ausdrücklichen Nachhilfe ;) Sie gingen aber nicht weg. Das Beugen der Finger, das Tippen auf dem Laptop, das Anheben selbst der geliebten Kaffeetasse (und das will bei mir echt was heißen!) wurde derart schmerzhaft, dass ich nach ein paar Wochen dann doch zum damaligen Hausarzt ging, der abwinkte: "Schmerzen haben Sie doch schon so lange."
"Ja ich weiß, aber das hier fühlt sich anders an."
Es ist sicherlich auch schwer nachzuvollziehen - es ist aber auch schwer zu beschreiben: Wie erklärt man, dass ein Schmerz sich nicht wie der andere anfühlt? Dass er sich.. "frischer" anfühlt? "Neuer"?
Er testete dann das Blut auf Entzündungswerte - nix. Er schüttelte den Kopf: "Ich begreif das nicht. Sie haben alle Anzeichen für Rheuma, aber es ist kein Rheuma." Er verschrieb mir Weihrauchkapseln. (Die halfen zwar nicht, sollten mir später noch ganz gute Dienste erweisen.) Und schrieb mich aufgrund meines Berufs für sage und schreibe einen ganzen Tag lang krank *kreisch*, stellte mir außerdem eine Überweisung zum Rheumatologen meines Vertrauens aus. Den wählte ich dank der sehr guten Erfahrungen meiner Mama in meiner Küstenheimat aus. Dafür etliche hunderte Kilometer zu fahren - hey, ich liebe Autofahren! Na gut, die Mama wurde ohnehin gerade 70, manchmal passt es einfach ;) Der Küstendoc hatte sich auch nicht so angestellt wie all die anderen in M, er ließ mich gleich am 1. Untersuchungstag ein Papier unterschreiben, dass er meine Genetik untersuchen darf. Ein sehr lieber freundlicher Opa-Doktor. Der mich vier Wochen später anrief: "Sie haben kein Rheuma." Ich so: "Na wenigstens hat meine Mama mich da nicht beerbt." Er so: "Nun, das kann aber noch kommen." Ich weiß bis heute nicht, wieso ich nicht gefragt habe, warum er das sagte.
"Ihr Eisenwert ist übrigens deutlich zu niedrig. Der liegt bei 10", fügte er noch hinzu. "Haben Sie das nicht bemerkt?"
"Nö."
Später zeigte sich, dass auch das Vitamin D mit einem 16er Wert viel zu niedrig ist.
"Wie bei jeder zweiten deutschen Frau", kommentierte der Hausarzt - und beließ es dabei.
Die Finger jedenfalls wurden wieder normal dick, aber sie schmerzen bis heute. Bis heute ist es mir nicht mehr möglich, Dinge zu tragen, die die Finger belasten (Henkeltassen, Töpfe, Schlauftaschen und so Zeugs).
Und dann kam irgendwann Silvester 2017. Wir wollten mal was anderes machen - wir wollten zum Beispiel ausgehen, tanzen gehen. Darauf habe ich mich wirklich gefreut - es wurde nur nichts draus. Morgens mit Schwung aus dem Bett gestiegen, dachte ich: "Welches Schwein hat mir ein Messer in den Fuß gerammt??" Aufzutreten war beim besten Willen nicht möglich. Der Mann holte schließlich die Krücken aus der Kammer und ich packte Camphoderm und die Weihrauchkapseln aus. Nach vier Tagen konnte ich auch wieder ohne Krücken laufen - dann meldete sich kurz darauf der andere Fuß. Dieselbe Prozedur, dieselbe Linderung.
Bis heute schmerzen beide Fußsohlen - aber solange ich auftreten kann... Hinterfragt, untersucht, behandelt oder gar in Zusammenhang gebracht hat es bis heute... genau: Keiner.

Es war der 5. April in diesem Jahr, als ich vor dem Kleiderschrank stand und überlegte, was ich anziehen sollte. "Ein Kleid!" hatte das Geburtstagskind bestimmt. Als der Mann zu mir kam und fragte, ob ich dann soweit sei, weiß ich noch, dass ich den Schrank schließen wollte, eine ganz ruhige, entspannte Bewegung, und dass ich dann aus dem Stand einfach hinfiel. Ich war nicht bewusstlos, mir ist auch sonst nix passiert, aber als ich aufstand, fiel ich gleich noch mal - und dann musste mir der Mann aufhelfen. Ich glaubte, ich säße in einem Kettenkarussell - und ich hatte mega Kopfschmerzen. Der Kopfschmerz verlor sich irgendwann in den Tagen danach, das Kettenkarussellgefühl blieb. Ende Mai ging ich dann auf Drängen des Mannes damit zum damaligen Hausarzt, der ein "schmales" Blutbild, ein EKG und den Gang zum Neurologen verordnete.
Alle dachten zuerst an meinen Kopf und daran, was da schon seit Jahren mitwächst.
Ich auch, wenn ich ehrlich bin. Gegangen bin ich eigentlich nur, weil ich aus Jux und Dallerei ausprobierte, ob ich beispielsweise noch auf einer Linie laufen kann - und ich konnte es nicht, weder mit geöffneten, geschweige denn mit geschlossenen Augen.
Im Juni die erste Klinikuntersuchung. Was dort ablief, spottet auch heute, rückblickend, immer noch jeder Beschreibung.
Im Bericht später stand beispielsweise "Labor ohne Befund, EKG ohne Befund." Wie kann man das schreiben, wenn man weder das eine noch das andere überhaupt gemacht hatte? Dafür empfahlen sie mir eine psychotherapeutische Behandlung, "denn bei Ihnen ist körperlich alles normal und unauffällig."
"Ich weiß ja, dass in meinem Rucksack einiges steckt", hatte ich geantwortet, "aber das ist schon vor Jahren bearbeitet worden."
Sie schaute mich an: "Ja aber irgendwas muss da ja noch sein."
Äh.
Hm.
Wieso muss da noch was sein?
Ich gestehe, ich habe am Abend zu Hause geweint - vor Wut und vor Enttäuschung und zum Mann habe ich gesagt: "Du kannst mich mal gerne haben, ich gehe nirgendwo mehr hin, das muss ich mir nicht geben."
Es wurde aber nicht besser. Mit der Zeit, die verging, wurde es immer deutlicher. Dinge fielen mir ständig aus der Hand, Schlüssel, Stifte, so Kleinzeugs. Ich schlief oft 12 Stunden und wurde dann allein vom Frühstücken wieder müde. Nach Spaziergängen schlief ich oftmals 1 - 3 Stunden. Wann immer ich konnte, schlief ich. Außer es ist Krimizeit! Ha!
"Na toll", sagte der Mann.
Ich bewegte mich immer unsicherer, an "schlimmen" Tagen sieht es aus, als hätte ich 3/8 im Turm. Wenn ich mich sehr konzentriere, kann ich halbwegs geradeaus laufen, aber völlig unterdrücken kann ich es nicht.
"Wenn Sie es beeinflussen können, dann ist es nichts Krankhaftes. Dann ist es psychisch."
Diesen Satz habe ich in den letzten Monaten ziemlich oft gehört.
Und ich wurde ketzerische Dinge gefragt. Solche wie "Wird es besser, wenn Sie Alkohol trinken?"
Stell dir mal vor, du sagst "Oh! Ja! Jetzt wo Sies sagen - nach dem zweiten Glas wirds besser!" - ZACK, hast du ein eindeutiges Alkoholproblem. Glaubts mir, ich hab genug erlebt - das IST einfach so.
Ich musste mir jedoch eine Antwort nicht überlegen, weil ich die Wahrheit sagte: "Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich trinke so gut wie keinen Alkohol." Der Mann fragt zwar oft, ob ich einen Rose oder Weißen mit ihm trinke, aber die Wahrheit ist: Ich sage Ja (Hallorenkugeln wären mir ja lieber, aber na ja) und nippe dann zweimal dran, dann schmeckts mir nicht mehr, dann werde ich lustig und dann werde ich müde. Und wenn ich wieder aufwache - ZACK, sind beide Gläser leer. ICH wars nicht!

Im Juli wurde mit einem LTT-Verfahren unter anderem eine Infektion mit Borrelien nachgewiesen. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Messverfahren und Messwerte werden sehr unterschiedlich interpretiert und von vielen Medizinern gar nicht erst anerkannt. Heute verstehe ich die Worte anders, die der Laborarzt zu mir sagte "Wie hoch ist der Wert? Ah, ok. Das ist hoch genug, um auch die Schulmedizin zu überzeugen. Ich wünsche Ihnen viel Glück." Er meinte es zweifellos ernst, aber erst heute weiß ich auch, wovon er sprach.
Es gab Ärzte, die erkannten Wert und Verfahren an, winkten trotzdem ab "Können Sie vergessen, das wird nichts mehr."
Andere winkten ab "Meine Freundin würde ich einen so teuren Test nicht bezahlen lassen. Alles Blödsinn."
"Du verlierst immer mehr Zeit und nichts passiert", beklagte oft der Mann.
Stimmte zwar - konnte ich aber auch nicht ändern.
"Ab mit dir nach L in die Tropenmedizin", schlug daraufhin die Freundin vor.
Die, die auch eine Borreliensprechstunde anbieten.
Dort bekam ich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, begleitet von Kopfschütteln "Dass Sie SO überhaupt Auto fahren!"
Diagnose: Zustand nach Borrelieninfektion.
Und ich sollte mich unbedingt weiter krank schreiben lassen.
(Was ein Witz ist. Home Office. Solange einem nicht Arme und Ohren abgefallen sind, hat man zu arbeiten. Mehr muss ich dazu nicht sagen.)
Verstanden habe ich das alles trotzdem nicht so ganz - denn die Borrelieninfektion wurde noch in dieser Sprechstunde angezweifelt. "Entweder ist es Rheuma, was Muskuläres - oder psychisch."
Hach ja. Da war es wieder - mein Unwort des Jahres. I love it. Not.
Im Laborbefund später stand übrigens, dass auf Borrelien nicht getestet wurde, weil man davon ausging, dass keine entsprechende Infektion bestünde. Man ginge davon aus, dass es psychisch sei.
Ehrlich, da bin ich schon ein bisschen Amok gelaufen. Also zu Hause. Also ich meine innerlich.
Der inzwischen ausgetauschte Hausarzt machte Nägel mit Köpfen und testete das selber - nicht nach LTT, sondern rein schulmedizinisch. Mit IgK und so. Ergebnis: Grenzwerte. Kein Hinweis auf aktive Infektion, eine Neuroborreliose konnte jedoch aufgrund der Werte nicht ausgeschlossen werden.
Er stellte mir die Überweisung zu seinem Neurologen aus. Ich hab sie genommen - aber ich wollte nicht mehr. Ich war müde des Ganzen. Einziger Antrieb: der Mann. Gepaart mit der Tatsache, dass es mir sichtbar immer schlechter ging.
"Wenn ich mich irgendwann doch totfahre, könnt ihr mich immer noch aufschneiden und sagen: Ach gugge - DAS wars!"
"Du spinnst wohl!" entrüstete sich der Mann.
"Wieso? Ich habe schon immer gesagt, dass ich eines Tages vermutlich auf der Autobahn sterben werde. Kennst du nicht den Witz? Die einen sterben lieber friedlich im Bett, nicht schreiend als Beifahrer..."
"Boar ey", unterbrach er mich. "Ich weiß nicht, wieso du darüber lachen kannst. Ich kanns nicht."
"Weil ich den ganzen Quatsch nur noch mit Galgenhumor ertrage. Sonst tätsch irre wern."
Auftritt Neurologe, der dritte.
Ich schwöre, ich hatte keine Erwartungen. Ich hatte nicht mal einen Kaffee zum Frühstück, als ich seine Räume betrat.
Er las die Überweisung, den Bericht dazu, dann durfte ich mich entkleiden und in Slip und BH vor ihm auf und ablaufen. Ja Mädels, ich habe meinen Kopf komplett ausgeblendet und mir gesagt: "Der sieht nur den Patienten, der sieht diese Scheiße jeden Tag!" :D
"Sie können ja gar nichts!" konstatierte er so von oben herab und ich musste lachen: "Ja nun. Das erzähle ich nun schon seit einem halben Jahr. Glaubt mir nur keiner."
Ist schon komisch, wie verschiedenen dieselben Befunde interpretiert werden. Der eine findet dich "fürs Alter normal", der andere schüttelt den Kopf und fragt dich, wieso du überhaupt noch atmest.
Sachen gibts!
"Das wird hier zu groß für mich", sagte er abschließend. "Entweder ist es etwas Genetisches, wovon ich bei dem schleichenden Prozess ausgehe - oder es ist etwas von der seltenen Art. Das Feld der Neurologie ist unfassbar groß."
Hm. Ja. Denke ich auch. Aber irgendwie steh ich immer am Psycho-Tor - und keiner kann mir sagen, wieso. Habe ich da was auf der Stirn oder an der Arschbacke? Eine Freundin litt an unerklärlichen Symptomen, die irgendwann wieder verschwanden. "Was wars denn nun?" "Vermutlich ein Virus."
Auch bei der Ursachenforschung beim Mann vor drei Jahren sprach man von allem möglichen - aber nicht von der Psyche. Dabei sind gerade beide prädestiniert für stressbedingte Ausfälle.
Davon sprach aber keiner - kein einziges Mal.
Hingegen ich höre das immer wieder.
"Bei Ihnen passt einfach so gar nichts zusammen", erklärte mir übrigens letzte Woche jemand, zu dem ich noch komme. "Etwas von den Symptomen passt auf etwas, doch dazu kommen immer Symptome, die dann wieder nicht dazu passen."
Beispiel: das Zittern der rechten Hand. Malen sie mir mit dem Finger Zahlen auf den Rücken, während meine Hände nach vorn gestreckt sind und die rechte sich einen abzappelt, hört das Zittern fast vollständig auf. Weil dann die Konzentration abgelenkt ist? Das macht ja sogar für mich Sinn.
Parkinson (wie meine Großmutter hatte) schließen sie damit aus.
Und ich befasse mich auch nicht ständig mit mir selbst.
Spätestens wenn ich gefragt werde - oder wenn ich, wie vor gut zwei Wochen wieder - einfach so hinfalle.
Habe ich deswegen Angst? Nein - aber es nervt!
Gehe ich deswegen nicht mehr aus dem Haus? Hä? Wieso nicht? Na klar geh ich. Ich frage mich nicht, ob ich draußen auch mal hinfalle. Dann müsste ich ja ständig Angst haben, dass ich stolper und mir den Arsch breche. Alles schon passiert! Na gut, beim Skaten ;)
Aber ich registriere, dass ich nicht mehr sicher laufen, gehen kann. Dass es deutlicher wird, je mehr ich mich körperlich anstrenge. Ich registriere die verstärkten Schmerzen, gegen die sowieso nichts half, auch nicht die beiden Therapien.

Letzte Woche fand ich mich ein im Klinikum, Kopfzentrum, überwiesen vom Neurologen dem Dritten.
Mir begegnete ein junger, zurückhaltender Assistenzarzt, der mich bat, Platz zu nehmen und ihm zu sagen, warum ich da war. Er notierte alles auf einer Art Schmierpapier. Irgendwann, beim Aufschreiben, stutzte er, las noch mal alles und fragte dann, ob bei mir neben dem TSH für die Schilddrüse auch der TPO-Antikörperwert bestimmt wurde.
"Hä? Wasn das? Hab ich noch nie gehört, nein."
Ich greife mal vor. Der Referenzwert liegt bei bis zu 60. Meiner liegt aktuell bei über 1300. Noch Fragen?
Er stellte auch fest, dass das MRT vom Kopf eine Veränderung zeige - am Kleinhirn. Da, wo mir das zweite Hirn wächst. "Ich kann jetzt nicht sagen, ob das genetisch bedingt ist oder von der Zyste kommt. Und ob wir die doch besser rausmachen sollten." Ich war ein bisschen überrascht. Bislang hatte ich nur gehört "MRT ist in Ordnung."
Aber gut. Warum soll man einer Radiologie trauen, die es schafft, in drei Berichten drei verschiedene Messwerte aufzuschreiben?
Damit folgt der Assistenzarzt zum Teil dem Gedanken des Neurologen.
Aber!
"Die Genetik zu untersuchen ist extrem teuer. Das darf ich nicht so ohne Weiteres. Ich hole mal den Oberarzt dazu."
Ihr wisst, was kommt? Genau!
Seine Worte "Wir müssen ja nicht gleich mit dem Teuersten anfangen. Steh-Lauf-Fingerzeige-Test ist doch ganz okay." (kreisch) "Sie machen das schon ganz gut. Das sieht mir eher nach Psyche aus."
Der Assi (ich meine das nicht abwertend, ich werde nur langsam schreibmüde und kürze ab ;)) wagte nicht zu widersprechen, wir sahen uns an - und schwiegen. Und sahen beide zu Boden. Tatsache.
Weißkittelarschloch rauschte wieder ab, Assi bat mich, nochmal Platz zu nehmen.
Er versprach mir den Bericht noch für letzte Woche (der ist aber bis heute noch nicht da). Mit dem sollte ich mich dann an die Abteilung Psychosomatik wenden. Zum Abschied drückte er meine Hand "Melden Sie sich jederzeit, wenn ich etwas für Sie tun kann."
Huiiii!!! Neben Neurologen dem Dritten der Zweite (cooles Zahlenspiel, wa?), der das zu mir sagte. Habe ich in 13 Jahren Patientenlaufbahn *kreisch* noch nie zu hören bekommen.

Am Abend sagte ich zu Mann und Mama: "Wenn es nur noch daran hängt, einen Schritt weiterzukommen, dann mache ich das alles eben nochmal mit. Und wenns nur dazu dient zu beweisen, dass sie sich bitte ein bisschen mehr Mühe mit mir geben müssen."
Zwei Tage später, nach vielem Lesen und Denken, schritt ich zum Lieblingsdoc mit dem kostenlosen Kaffee und WLAN. Er stimmte mir sofort zu, als ich berichtete und hinzufügte: "Ich halte mich selbst schon auch für reflektiert genug zu erkennen, ob ich ein ernsthaftes Problem habe oder nicht. Die Traumata liegen lange zurück, die sind bearbeitet. Deswegen sind sie nicht weg, aber ich kann heute damit umgehen."
Er stimmte mir sofort zu. Und veranlasste den Antikörpertest und überhaupt umfassenden Bluttest. Und rief mich gestern Abend an.
"Das sieht schwer nach Hashimoto aus. Sie bekommen jetzt eine Überweisung zu meinem besten Nuklearmediziner."
Die Nierenwerte sehen nicht gut aus und ob das Herz noch in Ordnung ist, muss auch untersucht werden. Zumindest weiß ich jetzt, warum es seit Monaten zeitweise rast und stolpert.
Und so werde ich nun weiter durchgecheckt. Da bekommt die Redewendung "auf Herz und Nieren geprüft" doch gleich mal eine ganz neue Bedeutung.

Ich dachte immer, Hashimoto und Schilddrüsenunterfunktion sind ein- und dasselbe. Inzwischen weiß ich: Nein, ist es nicht. Das eine bewirkt das andere - und wenn man nicht aufpasst, schädigt Hashimoto auch noch andere wichtige Organe. Hirn, Herz, Leber, Niere. In allen Symptomen erkenne ich mich wieder - und ich frage mich: Wieso hat das zuvor niemals jemand hinterfragt? Wieso hat der frühere Arschgesichtfotzenkopfhausarzt nie hinterfragt, woher die Entgleisung des Schilddrüsenhormons kam? Er hätte mir so vieles erspart. So hat er zwar auch gespart - aber nur an seinem Budget.

Übrigens, der Traum vom Ertrinken im Meer letztens.. Im Arabischen bedeutet das: Du musst Dir selbst helfen.
Genau das habe ich auch getan. Nicht aufgegeben, immer wieder neu losgegangen und alles hinterfragt.
Danke Herr Blau, dass Du mich dazu immer wieder herausgefordert hast.
Danke Neuro III., dass Sie mich vom Tor III mit dem Zonk weggeholt haben.
Danke Assi I., dass Du noch so jung und zwar ohne große Erfahrungen, dafür aber offenbar noch unverbraucht genug bist für Lösungen.

Vielleicht ist es erstmal nur eine von mehreren Lösungen. Aber es ist in jedem Fall eine wichtige.

Fast hätten mich diese Weißkittel-Idioten kleingekriegt. Aber auch nur fast.

Montag, 19. November 2018

Nur einen Moment


In einem anderen Blog lese ich heute (nicht zum ersten Mal) über Diagnosen, die alles verändern. Das Leben des Betroffenen und das Leben der Menschen rings um ihn herum.
Er schreibt über sein Unverständnis, dass für die Menschen um den Betroffenen herum alles weiterzugehen scheint wie bisher.
Er schreibt über seine Gedanken, wie der Betroffene oft allein hinaus in die Welt geht.
Er schreibt über sein aktives Handeln, heimlich auf dem Telefon des Betroffenen eine App zu installieren, die es ermöglicht, den Betroffenen jederzeit wiederzufinden, sollte ihm irgendetwas zustoßen...

Ich habe seither noch nicht wieder nachgelesen, was Leser kommentieren. Ich kenne nur den allerersten Kommentar.
Und ich habe mir seither meine eigenen Gedanken gemacht.
Ist es wirklich eine freakige Form der Kontrollsucht? Oder ist es vielmehr nicht eher die Sorge, die Fürsorge, die einen treibt? Wer würde sich nicht sorgen um einen ihm nahestehenden Menschen, der die Stille und den Freiraum sucht und braucht und auch bekommt - man jedoch im Zweifel in der Lage sein möchte, ihn auch wiederzufinden, wenn er in nur einem einzigen Moment zu Boden fällt?
Ich lese von Selbstbestimmung, von dem Gefühl, immer noch selbstbestimmt leben zu können - ohne die ständige Sorge im Gesicht der anderen - und ich kann das verstehen.
Ich kann jedoch eben auch.. verstehen, dass man sich sorgt. Dass man den anderen weder bevormunden noch gar entmündigen, jedoch in dem einen Moment einfach auch da sein möchte..

Und dann denke ich an Herrn Blau und mich. Wir haben vieles über mich gehört in den letzten Monaten, und im Gegensatz zu den frühen Jahren verzweifelt er nicht, er ist da und er bleibt da. Ich weiß, dass er sich sorgt, aber er sagt es nicht. Das muss er auch nicht. Es ist auch nicht so, dass diese Aussagen und Diagnosen der letzten Monate ständig präsent sind oder sich zwischen uns errichten wie eine unüberwindbare Mauer, über die niemand von uns hinwegkommt.
Unser Leben geht ganz normal weiter, so normal es eben möglich ist. Wir leben den Moment und planen maximal den Urlaub im kommenden Jahr.
Es ist aber so, dass er mich bittet, ihm immer zu schreiben, wann ich das Haus verlasse, um nach L zu fahren. Dass ich mich bei ihm melde, sobald ich angekommen bin. Es ist völlig egal, ob man Diagnosen hat oder nicht - man kann jederzeit und überall verunglücken, es kann jederzeit und überall etwas passieren. Damit lebt man, ohne dass man sich permanent dessen bewusst sein muss oder ist. Aber gerade wenn man weiß.. es kann sich von einem Moment alles ändern.. und man hätte etwas tun, etwas verhindern können, wenn man hätte da sein können..
Da sein, ohne ständig präsent zu sein.
Ist es dann schon Kontrollsucht, ein Eingriff in den Freiraum des anderen - oder immer noch die Fürsorge?


Unabhängig davon, ob gesund oder krank.. werde ich nie niemals nachvollziehen können, warum drei Erwachsene sich von einem Erwachsenen bekochen, bebacken, bekümmern lassen, ohne selbst auch nur ansatzweise aktiv zu werden. Dass man ganz selbstverständlich den Babysitter für die Kinder anderer spielt, nein, spielen muss, weil ein offenes Wort allein bedeuten könnte, die Kinder für eine ganz lange Zeit gar nicht mehr zu sehen..

Irgendwo las ich dieser Tage, dass der Mensch das intelligenteste und zugleich grausamste Geschöpf ist, das die Natur je hervorgebracht hat. Bei ersterem bin ich mir noch nicht sicher.

Donnerstag, 15. November 2018

...denn ich fahre jeden Morgen ans Meer



Ich bin es doch, dachte ich, ich, die Frau im roten Kleid, die Kaffee liebt - und nicht nur den.
Rot ist auch die Farbe der Energie. Rot ist die Kampfansage.
Ich bin es doch, die dieses Leben so sehr liebt, weil sie nur diese eine hat, nur diesen einen Versuch.
Ich bin es doch, die ihr ureigenstes Mantra lebt, nach dem es immer einen Anfang und immer ein Ende gibt - dass man nie weiß, wie viel Zeit einem dazwischen bleibt und es nur darauf ankommt, in dieser Zeit dazwischen möglichst glücklich zu sein.

An all dies denke ich, während ich dem Mann offen, direkt und gerade in die Augen schaue. Wie er da in seinem weißen Kittel lässig auf der Liege sitzt, auf mich herabschaut und vor mir ausbreitet, wie mein Leben die nächsten Wochen und Monate aussehen soll.
"Mein Bauchgefühl sagt, wir sollten das so machen", sagt er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.
Wenn er wüsste, dass er meinen Widerspruch gerade damit erst herausfordert ;)
Ich habe aber auch ein Bauchgefühl, denke ich, während ich ihn freundlich anlächel, ohne zu antworten, ein ziemlich gutes, verlässliches sogar, und ich denke gar nicht daran, mir dieses ausreden zu lassen.
Also lächle ich immer noch freundlich, während wir uns die Hand reichen, verabschieden.
In den folgenden Tagen belese ich mich über die Thematiken, ziehe Schlüsse und wähle am zweiten Tag den anderen Weg. Einen, bei dem ich beinah offene Türen einrenne. Einen, der mir unerwartet zustimmt - und einiges übernehmen wird, weil "wir haben ja schon viel zuviel Zeit verschenkt."
Ein Weg, mit dem ich mich wesentlich besser fühle - und der mir Aufschub schenkt für die Menschen und die Dinge, um die ich mich zwingend jetzt und nicht irgendwann vielleicht später kümmern möchte - und muss.

In der darauffolgenden Nacht träume ich, am Ufer eines Meeres zu stehen. Irgendwie  kommt mir alles so bekannt vor, ist es der Flecken Erde, woher ich stamme? Ich steh am Ufer und schaue auf das blaugrüne Wasser, auf die Wellen, auf die Felsen linker Hand, bis ich erkenne, dass etwas ans Ufer gespült wird.
Es ist ein Mensch, der angespült wird.
Es ist eine Frau, die angespült wird.
Es ist eine Frau mit langen dunklen Haaren und nur mit einem Bikini bekleidet.
Je näher sie ans Ufer gespült wird, desto mehr scheine ich mich nach oben zu bewegen.
Grad so, dass ich auf diese Frau herabschauen kann. Fern genug, um sie nicht zu berühren. Nah genug, um zu erkennen, dass ich selbst diese Frau bin. Ich bin diese tote Frau, die im Wasser angespült wird, das Gesicht nach oben gewandt, unter der Wasseroberfläche wie hinter Glas, der Körper ganz weich und nachgiebig mit jeder Bewegung der Wellen, gleich einer äußerst beweglichen Gliederpuppe...
Ich schaue auf mich selbst hinunter, ich habe so absolut keine Angst - aber ich bin ausgesprochen verwundert: Wieso bin ich tot?

Unter traum-deutung.de finde ich dazu eine mögliche Erklärung:
"Die See, das Meer und der Ozean stehen auch in der Traumforschung für die Sehnsucht des Träumenden nach Freiheit und Abenteuer. Obendrein wird dem Wasser in der Traumwelt allgemein eine reinigende Wirkung zugeschrieben. Wer also davon träumt, in den Fluten der See und der Meere umzukommen, sollte nicht in Panik verfallen. Vielmehr wird er sich von einigen belastenden Gefühlen befreien können, was ihm einen unbeschwerten Neuanfang ermöglicht."

Es war letztes Jahr etwa um die Weihnachtszeit, vielleicht auch die Zeit um den Jahreswechsel, mit dem sich eine wunderbare Ruhe in mir ausbreitete. Eine Zuversicht, die sich kaum erschüttern lässt. Als würde ich einen Mantel abgelegt haben und mit diesem Ängste, Zweifel, Kummer.
Nicht vollumfänglich, natürlich nicht. Jedoch bei all dem, das ich tue und mit dem ich mich umgebe, erfüllt mich über dieses ganze Jahr hinweg diese Ruhe und diese unerschütterliche Zuversicht, die mich nach zwei, drei Tagen erneut aufstehen und weitermachen lässt.
Der Mann wiederholt wieder und wieder, dass er so gern etwas von der Ruhe in mir hätte.
Die Kollegin wiederholt, dass sie niemals einen Tag frei machen wird, wenn ich mit im Büro bin. "Es ist ganz anders, wenn du da bist. Dann ist es einfach nur schön."
Die Bekannte sagt: "Woher nimmst du nur immer deine Kraft?", bevor sie aus Sorge zu weinen beginnt.

Ich weiß, dass ich nicht da bin wo ich sein wollte.
Aber ich weiß, woraus ich meine Kraft auch schöpfen kann.
Und mit jedem Tag, den ich meinen kleinen Schwarzen über die Autobahnen lenke, drehe ich die Musik auf, ich singe laut, ich singe falsch, aber ich singe mit ganzem Herzen - und jedesmal ist es mir dann, als würde ich gar nicht ins Büro fahren, sondern tatsächlich ans Meer. Als lägen auf dem Rücksitz nicht das Notebook und das Diensthandy, sondern die Tasche mit den Sommerkleidchen, den Sommersandalen und den Büchern, die ich lesen möchte, während ich im warmen Sand liege.
Mit jedem Abend, den ich das Abendessen zubereite, drehe ich die Musik auf, ich singe laut, ich singe falsch, aber ich singe mit ganzem Herzen - und bewege mich tanzend zwischen Gemüse schneiden und Geschirr aus dem Regal nehmen.
Ich habe gelernt, von mir wegzuschieben, was ich nicht unmittelbar ändern kann - und die Kraft zu sammeln für den Moment, wo ich etwas tun, wo ich etwas bewirken kann.
Ich weiß, dass es Narben in mir gibt, die niemals mehr heilen werden - aber ich lerne mit jedem Tag mehr, mit ihnen zu leben. Weil es auch keine andere Möglichkeit gibt. Uhren lassen sich nicht zurückdrehen. Jedoch mit dem, was ich habe, kann ich noch ganz sehr vieles machen - denn ich habe verdammtes Glück gehabt all die Jahre.

Es ist Mitte November und für einen Jahresrückblick ist es vielleicht noch zu früh.
Aber ganz gleich, wie dieses Jahr endet: Es war ein gutes Jahr. Ein wirklich gutes für mich und meine Seele.

Und wer weiß, vielleicht komme ich eines Tages ja wirklich noch da hin, wo ich immer sein wollte.
Jedenfalls ich glaube daran.

Dienstag, 6. November 2018

23

Es ist Punkt Mitternacht und Du, mein Junge, wirst 23 Jahre alt. 23.. Und manchmal denke ich, es ist wie erst gestern, dass sie Dich auf meinen Bauch legten, noch ganz zusammengerollt, und das erste, was ich bei Deinem Anblick dachte, war: "Er hat ja eine kleine Entenschnute."

Du warst 7 Jahre alt, als wir Dir sagten, dass Dein Vater und ich uns trennen werden - und ich sehe es noch heute vor mir, wie Du es erst gar nicht glauben mochtest, lieber noch mal nachfragtest - und dann heulend unter die Bettdecke gekrochen bist. Glaub mir, das hat mir unfassbar weh getan, es Dir und Deinem Bruder anzutun, aber glaub mir auch, alles andere würde kein gutes Ende genommen haben.
Du warst so anschmiegsam in diesen ersten Jahren "allein". Deine größte Angst bestand darin, mich zu verlieren, und als Du eine Haarspange vor unserer Haustür fandest, wurdest Du fast verrückt vor Sorge, dass das meine war und dass man mich entführt hätte. Wie glücklich Du warst, als ich wie immer abends nach Hause kam und Dich an mich drückte.

Als Du irgendwann die Welt der Mädchen für Dich entdecktest, da habe ich mich öfter gefragt, ob es meine Schuld war, dass Du Dich nicht festlegen wolltest oder konntest. Dass Du so große Angst vor Enttäuschungen hattest, dass Du kein Mädel wirklich an Dich heranließest, auch nicht die "mit dem goldenen Herzen", wie Du es einst bezeichnet hattest.
Er ist jung, er probiert sich aus, lass ihn, habe ich mir so oft gesagt und mir vor allem immer nur eins gewünscht: dass Du mit dem, was Du tust, glücklich bist.
Und Dir und Deinem Bruder habe ich immer eines versprochen: Wenn Ihr wisst, was Ihr wollt, und wenn es irgendetwas gibt, das ich dazu tun kann, dann werde ich es tun.
Erzieher wolltest Du werden, gemeinsam haben wir Schulen herausgesucht und uns letztlich für eine Privatschule entschieden.
"Geht er denn nebenbei arbeiten?" wurde ich öfter gefragt damals und diese Frage verstand ich gar nicht.
"Nein wieso? Er soll sich auf die Schule konzentrieren und solange er bei mir wohnt, muss er doch nicht arbeiten gehen."
"Müssen muss er nicht, aber dann könnte er dich finanziell entlasten."
Das war zu jenem Zeitpunkt aber nicht mehr zwingend notwendig - und mir war wichtig, dass Du Dich auf die Ausbildung konzentriertest. Auch dann, wenn Du relativ zeitig erkanntest: Erzieher zu sein ist schön, aber es ist doch nicht das, was ich für den Rest meines Lebens machen möchte.
Du wusstest, was Du nicht mehr wolltest, aber Du wusstest noch nicht, was Du wolltest. Das hat eine ganze Weile gedauert, bis es Dir klar wurde und Du aufgrund von Fristen übergangsweise zum Bund gewechselt bist. Diese Zeit dort hat Dir, glaube ich, ganz gut getan - und wiedergekommen ist ein junger Mann, der sich mehr und mehr festigte, der sein Leben genoss und der das Zusammenwohnen mit dem Bruder mehr und mehr eintaktete. Aus der kleinen Entenschnute war erst ein Schmunzelhase geworden (weil Du einfach ein Kind warst, das viel und gern gelacht hat) - und nun... ein junger Mann ganz am Anfang von allem. Der - so habe ich es verstanden - eher zufällig einem Mädchen wiederbegegnete, das auch heute noch, nach weit über einem Jahr immer noch bei Dir ist.
Die Dir heute kleine Zettel schreibt so wie wir uns früher.
Die mit Dir lernt so wie wir beide früher.
Die Du in die Arme nimmst so wie ich Dich früher.


Es ist so wundervoll, Dich bei all dem zu begleiten, Dich zu sehen, wie Du in Dir ruhst und wie wohl Du Dich fühlst, wenn um Dich herum die Welt in Ordnung und harmonisch ist, wenn die Menschen einander gut behandeln. Ich bin so dankbar, dass Du Dich so gesund entwickeln konntest...
..In Deiner jetzigen Ausbildung hast Du schon einiges zu sehen bekommen, verletzte Menschen, tote Menschen, und ich habe Dich gefragt: "Wurdest du eigentlich darauf vorbereitet? Kannst du denn damit umgehen?" Und Du hast entspannt geantwortet: "Es geht mir gut, wirklich, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist auch immer noch das, was ich machen will."
Ich bin so dankbar, dass Du stabil genug für all das bist.
Ich bin so glücklich, dass wir Dich haben, dass Du bei uns bist, bei Deinem Bruder und mir - und für mich zählt wirklich nur eins: dass Du wie er jeden Abend gesund nach Hause kommst.

Vor ein paar Jahren hast Du mir Danke gesagt. Danke für die schöne Kindheit, in der es Dir an nichts gefehlt hat und wo Du alles hattest, was Du brauchtest. Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das gefreut hat.

Jetzt seid Ihr erwachsen, Ihr geht Eure eigenen Wege, aber wo auch immer wir sind: Das Band zwischen uns hält. Und mir ist bewusst: Ohne Euch bin ich nichts mehr, aber mit Euch bin ich alles.

Alles Liebe zu Deinem Geburtstag.

Deine Mama

Sonntag, 4. November 2018

Fundstücke: Des Rätsels Lösung um Anna?

Die Frage vor einigen Tagen: "Wenn Annas Tochter die Mutter meiner Tochter ist, wie stehe ich dann zu Anna?" hat heute Morgen nach dem ersten Kaffee in Gemeinschaftsarbeit mit dem Mann zu folgendem Ergebnis geführt:


Insofern denke ich, dass Caterina recht hatte - ICH kann in dem Falle nur Annas Tochter sein, weil ich die Mutter meiner Tochter bin, also weiblich und damit nicht der Papa ;) 
Dass ICH der Schwiegersohn sein sollte, war ja irgendwie auch zu einfach, zu naheliegend ;)

Und wenn das jetzt auch nicht stimmen soll, dann weiß ich auch nicht mehr weiter und brat mir ein Spiegelei. Weil das besser schmeckt als ein Besen :) 

Samstag, 3. November 2018

In Reverie



Begegnungen.
Ich wünsche mir von ihnen, dass sie mich inspirieren. Dass sie mir andere Blickwinkel aufzeigen. Dass sich vor mir eine Fülle an Möglichkeiten ausbreitet, bei denen ich mir auswählen kann, welche davon zu mir passt. Dass ich mich mit der Tasse Kaffee zwischen uns völlig einlassen kann auf den Moment und auf die Gedanken des anderen.

Begegnungen bergen auch die Gefahr, über sich selbst zu stolpern und zu erkennen: Ich bin weit gekommen - aber doch nicht so weit wie ich bis soeben noch glaubte.
Und vielleicht auch noch nicht mal weit genug.
Das ist nicht wirklich tragisch, gleichwohl reißt es mich hoch aus der Komfortzone, in der ich mich gerade so ein wenig eingerichtet habe, um die aktuell anstehenden Aufgaben zu bewältigen - und anschließend die Zeit zu bekommen, mich um mich selbst kümmern zu können. Dass ich derzeit nicht mich an die erste Stelle rücke, obschon ich das eigentlich müsste, ist zu kurz und nicht langfristig genug gedacht. Mir ist das völlig bewusst, und trotzdem kann ich gerade nicht anders. Dass ich nicht in der richtigen Reihenfolge priorisiere, beschäftigt mich jedoch auch schon aus eigener Erkenntnis heraus seit einigen Wochen. Seit einigen Wochen suche ich nach Lösungen, die langfristig angelegt sind, nicht nur für mich selbst.

Und dann stand da diese Frage im Raum.
"Warum sehe ich das eine so klar und das andere wiederum nicht?"
Diese Frage schwirrt mir im Kopf herum, verursacht Chaos und Wirrwarr, so dass ich einmal mehr die Musik brauche, um mich zu sortieren, meinen roten Faden wiederzufinden - und eine Antwort.
Die Antwort auf die Frage, ob man das andere nicht sehen kann oder nicht sehen will - oder ob man das andere sehr wohl sieht, es aber auch genau so akzeptiert?

Seit ich meinen Führerschein besitze, bin insgesamt viermal verunglückt. Verschuldet und unverschuldet. Niemals hatte ich anschließend Angst, mich wieder hinter ein Lenkrad zu setzen. Vor zwölf Jahren, als das Lenkrad versagte und ich zum vierten Mal verunglückte, da war alles anders.
Ich sah das Blut auf den Händen, auf der Bluse, die zerrissenen Haargummis, die von den Scherben abgetrennten Haarbüschel - und ich verstand nicht. Ich verstand nicht, was hier passiert war - und warum.
"Setzen Sie sich wieder ans Steuer und fahren Sie", erklärte Wochen später der Neurologe und ich brach in Tränen aus.
"Ich kann das nicht."
"Das ist mir klar. Weil Sie glauben, keine Kontrolle darüber zu haben. Und alles, worüber Sie keine Kontrolle haben, macht Ihnen Angst."
Seine Worte haben mich sehr, sehr lange beschäftigt, genau genommen tun sie das auch heute manchmal noch. Ich fragte mich, ob er recht mit seiner Einschätzung hatte - denn ich selbst empfand mich völlig anders. Eher denke ich von mir, dass ich Dinge an mich herankommen lasse, sie betrachte und dann entscheide, wie ich mit ihnen umgehe. Ich plane nicht und ich strukturiere nicht. Nicht wirklich. (Sehr zum Leidwesen des Mannes, meistens. Und eigentlich denke ich ja, dass jemand wie ich sein Pendant geradezu braucht, denn sonst würde ich vermutlich nie von A nach B gelangen. Obwohl... Na ja ne, eigentlich.. stimmt das auch wieder nicht - aber ich glaube, diese Gedankenschleife führt jetzt zu weit. ;))

Kontrollfreaks stellte ich mir jedenfalls ganz anders vor. Nicht als so einen Tagträumer wie mich.

Zunächst wurde mir klar, warum ich zuvor nie Angst davor hatte, mich wieder an ein Steuer zu setzen. Weil ich wusste, warum es passiert war. Weil ich wusste, worin der Fehler bestand - bei mir oder bei dem anderen. Bei dem vierten Unfall jedoch blieb es (bis heute) ungeklärt, und ich fühlte mich ausgeliefert. Dass es mir jederzeit wieder passieren könnte - und dass ich es dann vielleicht nicht noch mal überleben würde. (Die Angst fährt also bis heute mit mir mit - aber es ist schon viel besser geworden.)
Ich versuchte für mich selbst zu verstehen, ob ich jemand bin, der Kontrolle braucht für das Gefühl der eigenen Sicherheit.
Und wenn ich all die vergangenen Jahre für mich selbst reflektiere, dann.. denke ich, dass es weniger die Kontrolle ist, die ich brauche. Sondern vielmehr die Verlässlichkeit. Das Vertrauen. In den Menschen und in die Dinge. Und mir wurde bewusst, dass ich über dieses Urvertrauen nicht mehr verfüge. Nicht nur allein wegen dem Unfall.

In den ersten Jahren nach dem Ende meiner Ehe war ich nicht dazu in der Lage, Hilfe von außen anzunehmen.
"Es wird nicht gejammert und es wird nicht gebettelt" - der Leitspruch meines Vaters.
Dazu die fünfzehn Jahre Ehe, in denen mein Ex mich darauf "trainierte", das Leben mit ihm und den Kindern bitte schön allein geregelt zu bekommen - so wie jede andere Frau auch.
Ich war es nicht gewohnt, das Leben als ein Miteinander - und auch nicht das Bitten darum. Das ist mir extrem schwer gefallen - aber man kann nicht alles allein schaffen, man kann nicht alles allein bewältigen - und muss es ja eigentlich auch nicht. Ich habe, glaube ich, nicht oft in meinem Leben um Hilfe gebeten, sondern erst dann, wenn ich absolut keinen anderen Ausweg mehr wusste. Und die Erfahrung hier heraus lehrte mich, dass nicht jeder Mensch hilft, weil er es kann und weil er es gern tut, sondern weil er etwas damit bezweckte. Weil er sich hiervon etwas versprach.
Verstanden habe ich es nicht - weil es so konträr zu meiner eigenen Natur ist. Wenn ich jemanden in einer Notlage sehe oder spüre und wenn ich dann noch weiß, dass ich selber etwas dagegen tun, dass ich helfen kann - dann tue ich es. Dafür braucht es keine großen Worte und auch keine anschließenden großartigen Dankesbekundungen. Ich tue es und dann ist es für mich erledigt.

Dass wir Menschen verschieden sind, mit unseren Stärken, mit unseren Schwächen, damit kann ich umgehen und ich kann es akzeptieren. Mit den verschiedensten Konsequenzen.
In erster Linie mit der Konsequenz, mich wieder allein um die Dinge zu kümmern, so wie früher.
"Wenn du aber gar nicht erst fragst und dem anderen somit gar nicht die Chance gibst, Ja oder Nein zu sagen, entscheidest nicht du dann für den anderen etwas, das du ihm dann vorwirfst?"
"Werfe ich es ihm denn vor? Ich denke nicht, denn ich akzeptiere, dass es so ist wie es ist."
"Aber du weißt ja gar nicht, ob es so ist, wenn du nicht fragst."
Dann lehne ich mich zurück, lasse den Blick durch den Raum schweifen, hefte ihn anschließend auf mein Gegenüber, ich lächel und denke dabei an jene Momente zurück, in denen ich bitter bereute, gefragt zu haben.
Dann trank ich den letzten Schluck Kaffee aus, der inzwischen kalt geworden war.

Donnerstag, 1. November 2018

Zeit der Märchen



Wir schreiben den 1. November und ich lächel in mich hinein, weil ich es in diesem Jahr tatsächlich hinbekommen habe, mir rechtzeitig kleine, aber (ich hoffe) wundervolle Überraschungen zu den Geburtstagen in diesem Monat ausgedacht zu haben.
Wir schreiben den 1. November und ich lächel in mich hinein, weil die Unrastigkeit der letzten Tage und Wochen von mir abgefallen ist in Anbetracht der fünf freien Tage, die sich vor mir ausbreiteten wie ein weicher, flauschiger Teppich, auf dem ich mich nur niederlegen musste, während der Raum von Musik erfüllt würde.. Ich liebe sie so sehr, diese Abende, an denen ich nichts denken, nichts erfüllen muss, in denen ich nur fühlen darf und kann..

"Was fangen wir an mit den freien Tagen?" hatte der Mann gefragt und natürlich konnten wir uns nicht einig darüber werden. Ich war dafür, den Lebensraum neu zu gestalten, am liebsten in zartem hellgrau und "was mit Holz an der Wand".
"Lieber im Frühjahr", antwortete der Mann, wohl wissend, dass wir diesen Plan schon in diesem Jahr gehegt hatten..
Also haben wir nichts von alledem getan, sondern uns in die Bahn gesetzt und die Stadt Nürnberg besucht. Erkunden, entdecken, sich treiben lassen - das war der Plan. Oh, ich habe es geliebt, dass es an jeder Ecke, in jeder Straße wundervoll nach Kaffee und frischem Gebackenen atmete. Die Menschen dort sind unfassbar freundlich und zugewandt, ist mir aufgefallen.
Was machte es mir, dass die Bahnfahrt schon auf der Hinfahrt auf halber Strecke endete und man auf einen Bus umsteigen musste, damit die Fahrt überhaupt weiterging? Was machte es mir, dass ich mir einen wundervoll himbeerroten Schal kaufte, den ich anschließend in einer Lokalität vergaß und beim Zurücklaufen feststellen musste, dass man diesen inzwischen mitgenommen hatte?
Die Stimmung des Mannes war längst auf den Nullpunkt gesunken.
"Siebzehn Euro für nichts", grummelte der Mann.
"Ich geh noch mal zurück und kaufe mir den nochmal", antwortete ich.
"Noch mal siebzehn Euro?"
"Ich habe lieber vierunddreißig Euro bezahlt und aber auch einen Schal, als siebzehn bezahlt zu haben und aber gar nichts zu haben." Er hat zu dieser meiner Milchmädchenrechnung nichts mehr gesagt, sein Blick jedoch war eindeutig. Also habe ich meine Arme um seinen Hals geschlungen, ihn geküsst und gesagt "Jetzt schau nicht so grummlig. Es ist so ein schöner Tag heute, wir könnten ja einfach anfangen, ihn auch zu genießen."
Was machte es also mir, dass die Strecke für den Rückweg zwar wieder freigegeben worden war, jedoch die Anschlussbahn auf halber Strecke einfach so ausfiel?
"Das gibt es doch gar nicht", kopfschüttelte der Mann, "der nächste fährt erst in einer halben Stunde, das ist einfach nicht unser Tag!", während ich jubelte "Zeit für noch einen Becher Kaffee!"
Und dankbar war, dass die nächste Anschlussbahn auch beinah pünktlich in den Bahnhof einfuhr, wir einen guten Platz bekamen und ich die Zeit nutzte, dem Mann Lieder aus der Zeit meiner Kindheit in das Ohr zu singen. Blödellieder, bis er wieder lachte und sagte "Du kannst vielleicht Lieder kennen!"

Er schlief irgendwann am Abend auf dem Sofa neben mir ein, ging irgendwann später zu Bett, während ich noch bis fünf Uhr morgens dieses wunderbare Lebensgefühl genoss, die vielen kleinen Kerzen überall, die tiefschwarze Nacht vor dem Fenster - und die Krimiserien.

Dieses erfüllte Gefühl begleitet mich noch immer und in meinem Kopf, in meiner Seele sind gerade so wenig Wünsche, jedoch dafür Wünsche, die mir so arg wichtig sind.. von denen ich mir erhoffe, dass sie sich erfüllen - für die Menschen, an denen ich so hänge..
Ob es die langsam beginnende Vorweihnachtszeit ist, die mich so.. wie soll ich es sagen.. so weich stimmt, so zärtlich, so zuversichtlich?
Ich denke an Menschen, deren Wege sich in Kürze wieder ändern werden - und ich denke an eine Sendung am gestrigen Abend, in der die Angestellte zu ihrem Vorgesetzten sagte "Du wusstest wie er ist und du wolltest ihn trotzdem. Jetzt lass ihm auch die Zeit, sich zu zeigen."
Welche Bedeutung diese Worte für mich haben, wissen nur die engsten Menschen um mich herum - und ich möchte es auch gar nicht weiter ausbreiten.. Ich aber schaue auf die Menschen um mich herum, wie sie von A nach B hasten, wie sie von A nach Z streben und weder sich noch den Menschen um sie herum die Zeit geben, sich zu zeigen.. Ergebnisse zählen, das ist mir bewusst. Aber noch mehr zählt der Mensch, der, der will, auch wenn er nicht immer so kann. Wenn mir so jemand begegnet, bin ich der geduldigste Mensch der Welt. Ich bin die, die so lange auf die Beine hilft, bis jemand stark genug geworden ist, die eigenen Flügel auszubreiten und in die Welt zu starten. Ich bin die, die an jemanden glaubt, so lange, bis er ihr das Gegenteil beweist. Ich bin die, die sich Zeit nimmt...
Für die nicht die Quantität zählt - sondern die Qualität eines Menschen.

Auch aus diesem Grund werde ich mich niemals an einem Bloggertreffen beteiligen, bei dem man in der Menge untergeht.. Wenn ich jemandem begegne, dann möchte ich wirklich den anderen kennenlernen, wissen, wie es sich live und in Farbe anfühlt, ob in der realen Kommunikation ein wechselseitiges Nehmen & Geben klingt, ob man sich etwas zu sagen hat auch in der realen Welt - oder auch nicht. Schon vor Jahren, als ich mich zum allerersten Mal in die digitale Welt der Singles begab, lehnte ich wahllose Treffen für mich ab. Zack & Hopp war einfach nicht meins, ich glaubte daran, dass ich auch im geschriebenen Wort herauslesen konnte, ob die Begegnung eine besondere für mich würde oder auch nicht. Ganz gleich, mit welchem Ende.
Selbstverständlich verfolge ich bei einem Treffen mit einem Blogger ein völlig anderes Ziel - aber am Ende zählt für mich ein und dasselbe: der Mensch dahinter..

"Fall on me with all your light
with all your light..."

Vielleicht liegt es an der beginnenden Vorweihnachtszeit, dass ich einmal mehr an Märchen glauben wollen möchte.. Und mir wünschte, es würde wieder mehr zählen, worauf es wirklich ankommt...
..Einfach wieder an Wunder glauben - denn manchmal geschehen sie ja doch...