Dienstag, 20. November 2018

Auf Herz und Nieren


Wenn es ganz arg wurde und einfach mal (wieder) raus wollte, dann habe ich darüber geschrieben und erzählt, wie es mir geht, so mit dem Schmerz und dem Leben mit verschiedenen, teils unbestätigten Diagnosen.
Ich habe auch mal geschrieben, dass dieser Blog hier kein Krankentagebuch werden wird. Weil es nicht das ist, was ich irgendwann in fünf Jahren nochmal lesen möchte. Was ich lesen, worin ich wieder eintauchen wollen würde, sind Erinnerungen an witzige, unterhaltsame oder auch wunderbare Momente. Zum Licht gehört auch Schatten und niemandem scheint permanent die Sonne aus dem Allerwertesten, auch mir nicht. Insofern konzentrierte ich mich zwar mein Leben lang auf die sonnigen Momente - aber die Schattenzeiten blende ich deshalb nicht aus.

Ich habe schon eine Weile darüber nachgedacht, ob ich in dieser Hinsicht offener schreiben möchte. Weil ich gerade in den letzten Wochen erfahren habe, wie hilfreich es ist, wenn man sich mitteilen kann - und wenn man Informationen findet. Anregungen. Und damit die Energie, weiterzumachen, egal was jemand sagt.
Dann werde ich auch niemals wieder so ausführlich darüber schreiben ;)

Im Februar 2015 stellte der damalige Hausarzt eine Abweichung in meinen Blutwerten fest - "Ihre Schilddrüse arbeitet offensichtlich nicht richtig. Wir kontrollieren das nochmal, meistens reguliert sich das wieder von selbst."
Ich belas mich darüber. Erkannte mich in vielem wieder - und auch darin, dass ich etwa 10 Kilo zugenommen hatte, die sich partout nicht wieder verabschieden wollten, es sei denn, ich ernähre mich täglich von 500 Kilokalorien (laut App). Ja Scheißchen. Das ist doch kein Leben nicht, würde meine Großmutter gesagt haben. Keine Kekse mehr. Kein Genießen mehr. Nur noch freakiges Kalorienzählen. Nä! Ich doch nicht! 500 kcal. Idioten!
Er hat den Wert gut 1 Jahr lang kontrolliert, dann hatte ich den Kanal voll. Mir gings immer schlechter, die Werte wurden immer schlechter, ich wusste auch nicht, worauf der Doc warten wollte, jedenfalls ich wollte nicht mehr warten, und so startete 2016 die Therapie mit dem Schilddrüsenhormon.
Ob noch davor oder danach, das weiß ich nicht mehr, aber irgendwann begann meine rechte Hand zu zittern.
"Ein Intentionstremor", wie ich später erfuhr. Anfangs nur beim Greifen zur Kaffeetasse (waaahh!), über die Zeit hinweg auch in Ruhe und fast dauerhaft. Und nur rechts.
Der Blick in meinen Kopf besagte "Alles unverändert zu den Vorbefunden." Und der Neurologe fügte hinzu "Wärs beidseitig, hätte ich gesagt, es ist der Stress. Aber einseitig und Stress... ne, das gibts so nicht. Aber alles, was jetzt noch die Ursache sein kann, ist harmlos. Bedeutet viele, teure und eigentlich sinnlose Untersuchungen, weil, schlimm ist es in jedem Fall nicht." Also stimmte ich zu, dass wir es dabei belassen. Zittert se halt!
Der Mann war damit nicht zufrieden, ich schon. Solange ich meinen Kaffee und ab und zu ein paar Kekse bekomme, ist meine Welt rund.

Es muss um den Jahreswechsel 2016/2017 oder kurz nach dem Jahresbeginn, also etwa ein halbes/ dreiviertel Jahr nach Beginn der Behandlung mit L-Thyroxin gewesen sein (so genau weiß ich es nicht mehr), dass ich meine Finger nicht mehr beugen konnte. Sie schmerzten einfach unglaublich, manche Gelenke schwollen an, manche nicht. Ich bin jetzt nicht so, dass ich immer gleich loslaufe und zeige "Aaaah da ist was, das tut mir weh!" Ich bilde mir ja immer ein, dass Dinge, die von allein kommen, auch von allein wieder weggehen, notfalls mit meiner ausdrücklichen Nachhilfe ;) Sie gingen aber nicht weg. Das Beugen der Finger, das Tippen auf dem Laptop, das Anheben selbst der geliebten Kaffeetasse (und das will bei mir echt was heißen!) wurde derart schmerzhaft, dass ich nach ein paar Wochen dann doch zum damaligen Hausarzt ging, der abwinkte: "Schmerzen haben Sie doch schon so lange."
"Ja ich weiß, aber das hier fühlt sich anders an."
Es ist sicherlich auch schwer nachzuvollziehen - es ist aber auch schwer zu beschreiben: Wie erklärt man, dass ein Schmerz sich nicht wie der andere anfühlt? Dass er sich.. "frischer" anfühlt? "Neuer"?
Er testete dann das Blut auf Entzündungswerte - nix. Er schüttelte den Kopf: "Ich begreif das nicht. Sie haben alle Anzeichen für Rheuma, aber es ist kein Rheuma." Er verschrieb mir Weihrauchkapseln. (Die halfen zwar nicht, sollten mir später noch ganz gute Dienste erweisen.) Und schrieb mich aufgrund meines Berufs für sage und schreibe einen ganzen Tag lang krank *kreisch*, stellte mir außerdem eine Überweisung zum Rheumatologen meines Vertrauens aus. Den wählte ich dank der sehr guten Erfahrungen meiner Mama in meiner Küstenheimat aus. Dafür etliche hunderte Kilometer zu fahren - hey, ich liebe Autofahren! Na gut, die Mama wurde ohnehin gerade 70, manchmal passt es einfach ;) Der Küstendoc hatte sich auch nicht so angestellt wie all die anderen in M, er ließ mich gleich am 1. Untersuchungstag ein Papier unterschreiben, dass er meine Genetik untersuchen darf. Ein sehr lieber freundlicher Opa-Doktor. Der mich vier Wochen später anrief: "Sie haben kein Rheuma." Ich so: "Na wenigstens hat meine Mama mich da nicht beerbt." Er so: "Nun, das kann aber noch kommen." Ich weiß bis heute nicht, wieso ich nicht gefragt habe, warum er das sagte.
"Ihr Eisenwert ist übrigens deutlich zu niedrig. Der liegt bei 10", fügte er noch hinzu. "Haben Sie das nicht bemerkt?"
"Nö."
Später zeigte sich, dass auch das Vitamin D mit einem 16er Wert viel zu niedrig ist.
"Wie bei jeder zweiten deutschen Frau", kommentierte der Hausarzt - und beließ es dabei.
Die Finger jedenfalls wurden wieder normal dick, aber sie schmerzen bis heute. Bis heute ist es mir nicht mehr möglich, Dinge zu tragen, die die Finger belasten (Henkeltassen, Töpfe, Schlauftaschen und so Zeugs).
Und dann kam irgendwann Silvester 2017. Wir wollten mal was anderes machen - wir wollten zum Beispiel ausgehen, tanzen gehen. Darauf habe ich mich wirklich gefreut - es wurde nur nichts draus. Morgens mit Schwung aus dem Bett gestiegen, dachte ich: "Welches Schwein hat mir ein Messer in den Fuß gerammt??" Aufzutreten war beim besten Willen nicht möglich. Der Mann holte schließlich die Krücken aus der Kammer und ich packte Camphoderm und die Weihrauchkapseln aus. Nach vier Tagen konnte ich auch wieder ohne Krücken laufen - dann meldete sich kurz darauf der andere Fuß. Dieselbe Prozedur, dieselbe Linderung.
Bis heute schmerzen beide Fußsohlen - aber solange ich auftreten kann... Hinterfragt, untersucht, behandelt oder gar in Zusammenhang gebracht hat es bis heute... genau: Keiner.

Es war der 5. April in diesem Jahr, als ich vor dem Kleiderschrank stand und überlegte, was ich anziehen sollte. "Ein Kleid!" hatte das Geburtstagskind bestimmt. Als der Mann zu mir kam und fragte, ob ich dann soweit sei, weiß ich noch, dass ich den Schrank schließen wollte, eine ganz ruhige, entspannte Bewegung, und dass ich dann aus dem Stand einfach hinfiel. Ich war nicht bewusstlos, mir ist auch sonst nix passiert, aber als ich aufstand, fiel ich gleich noch mal - und dann musste mir der Mann aufhelfen. Ich glaubte, ich säße in einem Kettenkarussell - und ich hatte mega Kopfschmerzen. Der Kopfschmerz verlor sich irgendwann in den Tagen danach, das Kettenkarussellgefühl blieb. Ende Mai ging ich dann auf Drängen des Mannes damit zum damaligen Hausarzt, der ein "schmales" Blutbild, ein EKG und den Gang zum Neurologen verordnete.
Alle dachten zuerst an meinen Kopf und daran, was da schon seit Jahren mitwächst.
Ich auch, wenn ich ehrlich bin. Gegangen bin ich eigentlich nur, weil ich aus Jux und Dallerei ausprobierte, ob ich beispielsweise noch auf einer Linie laufen kann - und ich konnte es nicht, weder mit geöffneten, geschweige denn mit geschlossenen Augen.
Im Juni die erste Klinikuntersuchung. Was dort ablief, spottet auch heute, rückblickend, immer noch jeder Beschreibung.
Im Bericht später stand beispielsweise "Labor ohne Befund, EKG ohne Befund." Wie kann man das schreiben, wenn man weder das eine noch das andere überhaupt gemacht hatte? Dafür empfahlen sie mir eine psychotherapeutische Behandlung, "denn bei Ihnen ist körperlich alles normal und unauffällig."
"Ich weiß ja, dass in meinem Rucksack einiges steckt", hatte ich geantwortet, "aber das ist schon vor Jahren bearbeitet worden."
Sie schaute mich an: "Ja aber irgendwas muss da ja noch sein."
Äh.
Hm.
Wieso muss da noch was sein?
Ich gestehe, ich habe am Abend zu Hause geweint - vor Wut und vor Enttäuschung und zum Mann habe ich gesagt: "Du kannst mich mal gerne haben, ich gehe nirgendwo mehr hin, das muss ich mir nicht geben."
Es wurde aber nicht besser. Mit der Zeit, die verging, wurde es immer deutlicher. Dinge fielen mir ständig aus der Hand, Schlüssel, Stifte, so Kleinzeugs. Ich schlief oft 12 Stunden und wurde dann allein vom Frühstücken wieder müde. Nach Spaziergängen schlief ich oftmals 1 - 3 Stunden. Wann immer ich konnte, schlief ich. Außer es ist Krimizeit! Ha!
"Na toll", sagte der Mann.
Ich bewegte mich immer unsicherer, an "schlimmen" Tagen sieht es aus, als hätte ich 3/8 im Turm. Wenn ich mich sehr konzentriere, kann ich halbwegs geradeaus laufen, aber völlig unterdrücken kann ich es nicht.
"Wenn Sie es beeinflussen können, dann ist es nichts Krankhaftes. Dann ist es psychisch."
Diesen Satz habe ich in den letzten Monaten ziemlich oft gehört.
Und ich wurde ketzerische Dinge gefragt. Solche wie "Wird es besser, wenn Sie Alkohol trinken?"
Stell dir mal vor, du sagst "Oh! Ja! Jetzt wo Sies sagen - nach dem zweiten Glas wirds besser!" - ZACK, hast du ein eindeutiges Alkoholproblem. Glaubts mir, ich hab genug erlebt - das IST einfach so.
Ich musste mir jedoch eine Antwort nicht überlegen, weil ich die Wahrheit sagte: "Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich trinke so gut wie keinen Alkohol." Der Mann fragt zwar oft, ob ich einen Rose oder Weißen mit ihm trinke, aber die Wahrheit ist: Ich sage Ja (Hallorenkugeln wären mir ja lieber, aber na ja) und nippe dann zweimal dran, dann schmeckts mir nicht mehr, dann werde ich lustig und dann werde ich müde. Und wenn ich wieder aufwache - ZACK, sind beide Gläser leer. ICH wars nicht!

Im Juli wurde mit einem LTT-Verfahren unter anderem eine Infektion mit Borrelien nachgewiesen. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Messverfahren und Messwerte werden sehr unterschiedlich interpretiert und von vielen Medizinern gar nicht erst anerkannt. Heute verstehe ich die Worte anders, die der Laborarzt zu mir sagte "Wie hoch ist der Wert? Ah, ok. Das ist hoch genug, um auch die Schulmedizin zu überzeugen. Ich wünsche Ihnen viel Glück." Er meinte es zweifellos ernst, aber erst heute weiß ich auch, wovon er sprach.
Es gab Ärzte, die erkannten Wert und Verfahren an, winkten trotzdem ab "Können Sie vergessen, das wird nichts mehr."
Andere winkten ab "Meine Freundin würde ich einen so teuren Test nicht bezahlen lassen. Alles Blödsinn."
"Du verlierst immer mehr Zeit und nichts passiert", beklagte oft der Mann.
Stimmte zwar - konnte ich aber auch nicht ändern.
"Ab mit dir nach L in die Tropenmedizin", schlug daraufhin die Freundin vor.
Die, die auch eine Borreliensprechstunde anbieten.
Dort bekam ich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, begleitet von Kopfschütteln "Dass Sie SO überhaupt Auto fahren!"
Diagnose: Zustand nach Borrelieninfektion.
Und ich sollte mich unbedingt weiter krank schreiben lassen.
(Was ein Witz ist. Home Office. Solange einem nicht Arme und Ohren abgefallen sind, hat man zu arbeiten. Mehr muss ich dazu nicht sagen.)
Verstanden habe ich das alles trotzdem nicht so ganz - denn die Borrelieninfektion wurde noch in dieser Sprechstunde angezweifelt. "Entweder ist es Rheuma, was Muskuläres - oder psychisch."
Hach ja. Da war es wieder - mein Unwort des Jahres. I love it. Not.
Im Laborbefund später stand übrigens, dass auf Borrelien nicht getestet wurde, weil man davon ausging, dass keine entsprechende Infektion bestünde. Man ginge davon aus, dass es psychisch sei.
Ehrlich, da bin ich schon ein bisschen Amok gelaufen. Also zu Hause. Also ich meine innerlich.
Der inzwischen ausgetauschte Hausarzt machte Nägel mit Köpfen und testete das selber - nicht nach LTT, sondern rein schulmedizinisch. Mit IgK und so. Ergebnis: Grenzwerte. Kein Hinweis auf aktive Infektion, eine Neuroborreliose konnte jedoch aufgrund der Werte nicht ausgeschlossen werden.
Er stellte mir die Überweisung zu seinem Neurologen aus. Ich hab sie genommen - aber ich wollte nicht mehr. Ich war müde des Ganzen. Einziger Antrieb: der Mann. Gepaart mit der Tatsache, dass es mir sichtbar immer schlechter ging.
"Wenn ich mich irgendwann doch totfahre, könnt ihr mich immer noch aufschneiden und sagen: Ach gugge - DAS wars!"
"Du spinnst wohl!" entrüstete sich der Mann.
"Wieso? Ich habe schon immer gesagt, dass ich eines Tages vermutlich auf der Autobahn sterben werde. Kennst du nicht den Witz? Die einen sterben lieber friedlich im Bett, nicht schreiend als Beifahrer..."
"Boar ey", unterbrach er mich. "Ich weiß nicht, wieso du darüber lachen kannst. Ich kanns nicht."
"Weil ich den ganzen Quatsch nur noch mit Galgenhumor ertrage. Sonst tätsch irre wern."
Auftritt Neurologe, der dritte.
Ich schwöre, ich hatte keine Erwartungen. Ich hatte nicht mal einen Kaffee zum Frühstück, als ich seine Räume betrat.
Er las die Überweisung, den Bericht dazu, dann durfte ich mich entkleiden und in Slip und BH vor ihm auf und ablaufen. Ja Mädels, ich habe meinen Kopf komplett ausgeblendet und mir gesagt: "Der sieht nur den Patienten, der sieht diese Scheiße jeden Tag!" :D
"Sie können ja gar nichts!" konstatierte er so von oben herab und ich musste lachen: "Ja nun. Das erzähle ich nun schon seit einem halben Jahr. Glaubt mir nur keiner."
Ist schon komisch, wie verschiedenen dieselben Befunde interpretiert werden. Der eine findet dich "fürs Alter normal", der andere schüttelt den Kopf und fragt dich, wieso du überhaupt noch atmest.
Sachen gibts!
"Das wird hier zu groß für mich", sagte er abschließend. "Entweder ist es etwas Genetisches, wovon ich bei dem schleichenden Prozess ausgehe - oder es ist etwas von der seltenen Art. Das Feld der Neurologie ist unfassbar groß."
Hm. Ja. Denke ich auch. Aber irgendwie steh ich immer am Psycho-Tor - und keiner kann mir sagen, wieso. Habe ich da was auf der Stirn oder an der Arschbacke? Eine Freundin litt an unerklärlichen Symptomen, die irgendwann wieder verschwanden. "Was wars denn nun?" "Vermutlich ein Virus."
Auch bei der Ursachenforschung beim Mann vor drei Jahren sprach man von allem möglichen - aber nicht von der Psyche. Dabei sind gerade beide prädestiniert für stressbedingte Ausfälle.
Davon sprach aber keiner - kein einziges Mal.
Hingegen ich höre das immer wieder.
"Bei Ihnen passt einfach so gar nichts zusammen", erklärte mir übrigens letzte Woche jemand, zu dem ich noch komme. "Etwas von den Symptomen passt auf etwas, doch dazu kommen immer Symptome, die dann wieder nicht dazu passen."
Beispiel: das Zittern der rechten Hand. Malen sie mir mit dem Finger Zahlen auf den Rücken, während meine Hände nach vorn gestreckt sind und die rechte sich einen abzappelt, hört das Zittern fast vollständig auf. Weil dann die Konzentration abgelenkt ist? Das macht ja sogar für mich Sinn.
Parkinson (wie meine Großmutter hatte) schließen sie damit aus.
Und ich befasse mich auch nicht ständig mit mir selbst.
Spätestens wenn ich gefragt werde - oder wenn ich, wie vor gut zwei Wochen wieder - einfach so hinfalle.
Habe ich deswegen Angst? Nein - aber es nervt!
Gehe ich deswegen nicht mehr aus dem Haus? Hä? Wieso nicht? Na klar geh ich. Ich frage mich nicht, ob ich draußen auch mal hinfalle. Dann müsste ich ja ständig Angst haben, dass ich stolper und mir den Arsch breche. Alles schon passiert! Na gut, beim Skaten ;)
Aber ich registriere, dass ich nicht mehr sicher laufen, gehen kann. Dass es deutlicher wird, je mehr ich mich körperlich anstrenge. Ich registriere die verstärkten Schmerzen, gegen die sowieso nichts half, auch nicht die beiden Therapien.

Letzte Woche fand ich mich ein im Klinikum, Kopfzentrum, überwiesen vom Neurologen dem Dritten.
Mir begegnete ein junger, zurückhaltender Assistenzarzt, der mich bat, Platz zu nehmen und ihm zu sagen, warum ich da war. Er notierte alles auf einer Art Schmierpapier. Irgendwann, beim Aufschreiben, stutzte er, las noch mal alles und fragte dann, ob bei mir neben dem TSH für die Schilddrüse auch der TPO-Antikörperwert bestimmt wurde.
"Hä? Wasn das? Hab ich noch nie gehört, nein."
Ich greife mal vor. Der Referenzwert liegt bei bis zu 60. Meiner liegt aktuell bei über 1300. Noch Fragen?
Er stellte auch fest, dass das MRT vom Kopf eine Veränderung zeige - am Kleinhirn. Da, wo mir das zweite Hirn wächst. "Ich kann jetzt nicht sagen, ob das genetisch bedingt ist oder von der Zyste kommt. Und ob wir die doch besser rausmachen sollten." Ich war ein bisschen überrascht. Bislang hatte ich nur gehört "MRT ist in Ordnung."
Aber gut. Warum soll man einer Radiologie trauen, die es schafft, in drei Berichten drei verschiedene Messwerte aufzuschreiben?
Damit folgt der Assistenzarzt zum Teil dem Gedanken des Neurologen.
Aber!
"Die Genetik zu untersuchen ist extrem teuer. Das darf ich nicht so ohne Weiteres. Ich hole mal den Oberarzt dazu."
Ihr wisst, was kommt? Genau!
Seine Worte "Wir müssen ja nicht gleich mit dem Teuersten anfangen. Steh-Lauf-Fingerzeige-Test ist doch ganz okay." (kreisch) "Sie machen das schon ganz gut. Das sieht mir eher nach Psyche aus."
Der Assi (ich meine das nicht abwertend, ich werde nur langsam schreibmüde und kürze ab ;)) wagte nicht zu widersprechen, wir sahen uns an - und schwiegen. Und sahen beide zu Boden. Tatsache.
Weißkittelarschloch rauschte wieder ab, Assi bat mich, nochmal Platz zu nehmen.
Er versprach mir den Bericht noch für letzte Woche (der ist aber bis heute noch nicht da). Mit dem sollte ich mich dann an die Abteilung Psychosomatik wenden. Zum Abschied drückte er meine Hand "Melden Sie sich jederzeit, wenn ich etwas für Sie tun kann."
Huiiii!!! Neben Neurologen dem Dritten der Zweite (cooles Zahlenspiel, wa?), der das zu mir sagte. Habe ich in 13 Jahren Patientenlaufbahn *kreisch* noch nie zu hören bekommen.

Am Abend sagte ich zu Mann und Mama: "Wenn es nur noch daran hängt, einen Schritt weiterzukommen, dann mache ich das alles eben nochmal mit. Und wenns nur dazu dient zu beweisen, dass sie sich bitte ein bisschen mehr Mühe mit mir geben müssen."
Zwei Tage später, nach vielem Lesen und Denken, schritt ich zum Lieblingsdoc mit dem kostenlosen Kaffee und WLAN. Er stimmte mir sofort zu, als ich berichtete und hinzufügte: "Ich halte mich selbst schon auch für reflektiert genug zu erkennen, ob ich ein ernsthaftes Problem habe oder nicht. Die Traumata liegen lange zurück, die sind bearbeitet. Deswegen sind sie nicht weg, aber ich kann heute damit umgehen."
Er stimmte mir sofort zu. Und veranlasste den Antikörpertest und überhaupt umfassenden Bluttest. Und rief mich gestern Abend an.
"Das sieht schwer nach Hashimoto aus. Sie bekommen jetzt eine Überweisung zu meinem besten Nuklearmediziner."
Die Nierenwerte sehen nicht gut aus und ob das Herz noch in Ordnung ist, muss auch untersucht werden. Zumindest weiß ich jetzt, warum es seit Monaten zeitweise rast und stolpert.
Und so werde ich nun weiter durchgecheckt. Da bekommt die Redewendung "auf Herz und Nieren geprüft" doch gleich mal eine ganz neue Bedeutung.

Ich dachte immer, Hashimoto und Schilddrüsenunterfunktion sind ein- und dasselbe. Inzwischen weiß ich: Nein, ist es nicht. Das eine bewirkt das andere - und wenn man nicht aufpasst, schädigt Hashimoto auch noch andere wichtige Organe. Hirn, Herz, Leber, Niere. In allen Symptomen erkenne ich mich wieder - und ich frage mich: Wieso hat das zuvor niemals jemand hinterfragt? Wieso hat der frühere Arschgesichtfotzenkopfhausarzt nie hinterfragt, woher die Entgleisung des Schilddrüsenhormons kam? Er hätte mir so vieles erspart. So hat er zwar auch gespart - aber nur an seinem Budget.

Übrigens, der Traum vom Ertrinken im Meer letztens.. Im Arabischen bedeutet das: Du musst Dir selbst helfen.
Genau das habe ich auch getan. Nicht aufgegeben, immer wieder neu losgegangen und alles hinterfragt.
Danke Herr Blau, dass Du mich dazu immer wieder herausgefordert hast.
Danke Neuro III., dass Sie mich vom Tor III mit dem Zonk weggeholt haben.
Danke Assi I., dass Du noch so jung und zwar ohne große Erfahrungen, dafür aber offenbar noch unverbraucht genug bist für Lösungen.

Vielleicht ist es erstmal nur eine von mehreren Lösungen. Aber es ist in jedem Fall eine wichtige.

Fast hätten mich diese Weißkittel-Idioten kleingekriegt. Aber auch nur fast.

14 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma,
ich habe beim Lesen so eine Wut bekommen...denn genauso habe ich das vor fast zwei Jahren auch erlebt...diese Arschgeigen ...

Meine Schwester hat die gleiche Diagnose, nimmt jetzt brav ihr Schilddrüsenhormon, das sie anfänglich abgelehnt hat, nur machte ihr Herz dann Probleme, nach einer Eingewöhnungszeit geht es ihr gut,
alles Gute für Dich und Danke für den tollen Song aus dem letzten Post,

Petra

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Petra, ich danke Dir sehr für Deine Zeilen. Über den Song bin ich gestern zufällig bei youtube gestolpert und war quasi schock-verliebt ;) Den MUSSTE ich einfach hier verewigen ;)
Und ja, Du kannst mir glauben, es gab Tage, da hätte ich vor Wut den Schreibtisch umreißen können. Schaffe ich aber nicht mehr - weil die Kraft in Armen und Beinen fehlt. Hat er Glück, der Tisch ;)
Das Ding ist.. Ich nehme seit etwas über zwei Jahren dieses Schilddrüsenhormon, das L-Thyroxin - aber das allein scheint mir nicht zu helfen.
Inzwischen weiß ich, dass dies bei nicht wenigen Patienten der Fall ist. Dass sie zusätzlich etwas nehmen müssen - Selen oder Cortison (auf letzteres hoffe ich natürlich nicht).
Inzwischen weiß ich auch, dass Hashimoto als Autoimmunerkrankung oftmals eine "Begleiterkrankung" von etwas ist, beispielsweise von Diabetes (was ich aber nachweislich nicht habe).
Insofern bin ich wirklich gespannt, was jetzt noch auf mich zukommt - aber was es auch ist: Es kann nur besser werden. Jedenfalls ich denke das so.

Anonym hat gesagt…

Ja Helma es wird besser werden, denn endlich ist zumindestens eine Diagnose da,
ich schreibe dir dazu nochmals eine E-Mail.

Schockverliebt...hi hi ...jeb so isses...werde ich mir jetzt gleich mal runterladen...
so einige Songs von Dir sind auf meiner Playlist gelandet...ich habe da nicht so den Nerv fürs suchen und finden.

Sonnigen Nachmittag wünsche ich Dir,

viele Grüße nach Muenchen
Petra

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ich hab mir den Song gestern auch schon gekauft! Und freu mich wie irre auf die nächste Fahrt nach L - Dauerrepeat meiner Lieblingsliste :D
Ach wenn ich noch an frühere Zeiten denke.. Was ich da nächtelang bei youtube versumpft bin und dann nicht in den Schlaf fand, weil mir das Herz klopfte und der Kopf Bilder zauberte ;)
Und ja - sonnig isses heute, das genieße ich sehr!

ruediger hat gesagt…

*gelesen // ich lese bis dato meist still mit und erfreue mich an den Zeilen. Toi-Toi-Toi das 'es' nun ordentlich behandelt wird.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke sehr. Wirklich :)

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Helma, keine oder keiner von uns, der das liest, möchte mit dir tauschen, ich natürlich auch nicht. Einzelnes kam mir bekannt vor - aber nur in Ausschnitten.
Ich kann dir nur wünschen, dass dein Weg dort endet, wo es wieder gut ist, wenigstens ein bisschen oder besser noch ganz viel.
Herzlichst Clara

DrSchwein hat gesagt…

Gruselig. Es gibt einfach zu wenig gute Ärzte.
Viel Glück wünsche ich Dir.

Annika hat gesagt…

Du meine Güte, mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich deine Sprechzimmer Karriere lese.
Deine Tapferkeit ist beeindruckend. Ich hoffe, dass diese Diagnose die letzte und der richtige ist. Und deine Tapferkeit ist beeindruckend. Ich hoffe, dass diese Diagnose die letzte und die richtige ist. Und dass dir jetzt mit dem richtigen Medikamente endlich geholfen wird.

gretel hat gesagt…

❣ ich lass mal nur kurz ein Herz da, das von Herzen kommt.
Und ich finde es gut, dass du es hier für dich und für uns aufschreibst. Vielleicht hilft es anderen Betroffenen. lg

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, es ist ja auch nicht so, dass einem eine solche Vorgehensweise nicht bekannt wäre - es gibt so viele unfassbare Patientengeschichten, da wird man nur noch weiß vor Wut..
Bei allem Mitgefühl für andere macht es aber einen noch mal mehr wütend, wenn man selber betroffen ist.

Danke, Herr Doktor :) Und ja, es gibt tatsächlich zu wenige. Wobei ich mir immer noch nicht sicher bin: Liegt es an diesem (für mich) neuen Bundesland, liegt es an der Stadt M, dass so viele Patienten als "psychisch krank" abgestempelt werden? Ist es "für hier" normal?
Ich hatte das in L ganz anders erlebt - allerdings ist das ja nun auch schon mehrere Jahre her - und die L'sche Borreliensprechstunde im Klinikum hat "sich nicht mit Ruhm bekleckert", um meine Freundin, eine einstige Mitarbeiterin dort, zu zitieren.
Es ist.. erschreckend. Ja.

Liebe Annika, danke für die Blumen :) Obs die letzte Diagnose ist, bin ich "nach Aktenlage" *kreisch* nicht sicher - aber wenn man diese Erkrankung nun vielleicht auch noch etwas anders behandelt (bei vielen reicht die Therapie mit dem SD-Hormon - bei mir ganz offensichtlich eben nicht), dann sollte es mir zumindest in der Hinsicht besser gehen, und das erhoffe ich mir jetzt einfach mal.
Ich hatte diesen Post übrigens in einer Pause geschrieben und später festgestellt, dass ja noch zwei Details fehlten. Die habe ich jetzt ergänzt - zwischen 2015 und 2018 - das gibt dem Ganzen noch etwas mehr Pepp :D

Liebe Gretel, ich danke Dir wirklich. Und ja - wenn es nur einem Betroffenen weiterhilft, dann ist das schon ganz viel. Derzeit trage ich mich noch mit dem Gedanken, meine Meinung zwei, drei bestimmten Ärzten zu sagen - und sei es per E-Mail (da vergesse ich wenigstens nix). Und dem Assi sollte ich einen Blumenstrauß hinbringen (der Hausarzt hat gelacht und gemeint "Ja machen Sie das ruhig, gute Idee!")
Manchmal muss man einfach Glück haben - und gewisse Ärzte sollten einfach wieder mehr Sorgfalt am Patienten aufwenden. Wenn ich meine Historie betrachte, wäre eine Behandlung unterm Strich viel kostengünstiger gewesen als diese Odyssee von einem Facharzt zum anderen. Was einem als Patient übrigens auch immer auf die Füße fällt. Und das nur, weil er sich nicht abspeisen lassen will... Wie kann er nur! ;)

Ricci hat gesagt…

Mann Mann Mann..... welch ein Alptraum! Da bekommt man Angst, in die Mühlen der Medizin zu geraten und kann nur hoffen, das vorgegebene Schema zu erfüllen und brav nach Abrechnungsschlüssel zu erkranken. Liebe Helga, ich wünsche Dir nur das Allerbeste, und vor allem Aufklärung und Hilfe. Und auch, dass Du Dir Deine bewundernswerte Ruhe und Kraft erhälst, um den Alltag mit Deiner Krankheit weiter so munter zu meistern.

glumm hat gesagt…

Bleib am Ball, du wirst belohnt.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Ricci, genau das habe ich früher auch immer gesagt "Am besten immer nur Husten und Schnupfen bekommen, nichts anderes." Wie sehr sich das für mich selbst bewahrheiten sollte, konnte ich damals nicht ahnen.
Ich danke Dir für Deine Worte - und ich denke, ich werde meine Ruhe und meine Kraft tatsächlich demnächst noch brauchen.

Danke Herr Glumm, ich hoffe es. Nach einem gestrigen Telefonat mit dem Klinik-Assi war ich schon... ach keine Ahnung - aber Fakt ist: Ne! Der kriegt die Blumen nicht!