Freitag, 8. Februar 2019

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Du bist dem Alter längst entwachsen, in dem ich Dir noch ein Geburtstagsständchen vorsingen konnte, ohne dass Du schreiend wegliefst oder Dir wenigstens die Ohren zugehalten hast ;)
Wofür Du aber - denke ich - immer noch nicht zu alt bist, ist, Dir wie in den letzten Jahren diese Zeilen zu schreiben und Dich schon jetzt vor mir zu sehen, wie Du sie liest, manchmal schmunzelst, manchmal die Stirn kraust, während Du fragst: "Echt? War das so?"

Ich liebe dieses Foto von uns.
Und ich liebe es, Dich anzuschauen und Dir zuzuschauen.
Ich liebe es, Deine Entwicklung zu verfolgen. Dir zuzusehen, wie Du Dich Stück für Stück herausarbeitest aus früheren Jahren, die ich Dir so sehr gern erspart hätte.
Wenn ich überhaupt an all die vergangenen Jahre denke... Jahre, in denen Du anderen gezeigt hast, was in Dir steckte - vor allem Deinem Vater. Dass Du Deine erste Ausbildung zuende brachtest, Deinen Führerschein zwischendrin erwarbst und dann die zweite Ausbildung anhängtest - alles erfolgreich.
An diese Momente des Erfolgs denke ich gern zurück. Weil sie Dich so beflügelt haben. So wie jeder Erfolg Dich beflügelte. So wie Dich jede Form der Anerkennung beflügelte - und für mein Empfinden hast Du viel, viel zu wenig davon bekommen. Dir hätte sehr viel mehr zugestanden - und dies würde Dich auch wesentlich stärker gemacht haben. Wobei.. Wenn ich so darüber nachdenke.. Du bist kein Mensch, den man als "schwach" bezeichnen würde. Du stehst immer wieder auf und beginnst von vorn. Du glaubst zu wenig an Dich, das stimmt, aber Du vertrittst alles, woran Du glaubst, mit einer unerschütterlichen Überzeugung; es sei denn, man beweist Dir das Gegenteil. Grad muss ich lächeln: Auch da kommst Du ganz nach mir ;)
Ich weiß, dass ich viel mehr an Dich glaube als Du an Dich und dann sagst Du: "Ist ja klar, dass Du so denkst, ich bin ja auch dein Kind." Auch deshalb hat meine Anerkennung für Dich viel weniger Gewicht als die von anderen. Du bist überzeugt davon, dass ich Dich liebe und schätze, weil Du eben mein Junge bist - aber glaub mir: Du hast einen wunderbaren Reichtum in Dir, der Dich so liebenswert macht. Man muss Dir nur die Zeit lassen, die Du brauchst - und die bekommst Du viel zu oft nicht.
"Heutzutage geht es nicht um Menschlichkeit, sondern ums Geld. Wir sind eine Leistungsgesellschaft", höre ich oft von verschiedenen Seiten, Worte, die mir noch immer Erbrechen verursachen. Es interessiert mich nicht, was die Gesellschaft denkt oder wie die Gesellschaft die Realität empfindet. Wenn der Einzelne nicht an Werte wie beispielsweise Respekt, Toleranz und Empathie glaubt und dafür eintritt, dann wäre die ganze Welt verloren über kurz oder lang - und gegen diesen Gedanken verwahre ich mich noch immer.
"Sei immer du selbst, alle anderen gibt es nämlich schon", ist ein Motto, das ich nicht immer im Kopf habe, das ich aber lebe und das ich Dir und Deinem Bruder immer irgendwie versucht habe, mit auf den Weg zu geben.
"Der wird mal ein Mitläufer, nur damit er dazugehört", hat Dein Vater vor vielen Jahren über Dich gesagt und ich wusste schon damals, dass er damit nicht Recht behalten würde. Und das hat er auch nicht. Und auch das macht mich sehr, sehr stolz auf Dich.

Du bist unfassbar loyal und wer es einmal erst durch Deinen Schutzpanzer geschafft hat, der bleibt auch dort für die Ewigkeit. So treu, wie Du auch an Deinen Gewohnheiten hängst. Dich auf Neues einzustellen ist Dir nicht immer leicht gefallen. Heute vielleicht etwas mehr als noch vor wenigen Jahren - aber Veränderungen verunsichern Dich noch immer. Wenn es nach Dir ginge, müsste vermutlich alles immer so bleiben wie es ist ;) So hast Du auch die Augen verdreht und einen Stoßseufzer gen Himmel geschickt, als ich mir vor zwei Wochen die Zeit nahm, die Wohnung hier in L zu malern.
"Warum lässt du es nicht so wie es war?"
"Weil es Zeit wurde für eine Renovierung."
Zu dem Zeitpunkt hatte ich vor allem einen Gedanken im Kopf: Ich wollte Dein Zimmer nicht nur ordentlich gestalten - ich wollte es vor allem schön für Dich haben. Für Dich wünschte ich mir, dass Dein Zimmer nicht aus Zusammengewürfeltem besteht, weil der eine oder andere noch "etwas übrig hatte und nicht wusste, wohin damit", sondern dass Du es wirklich schön hast. So zum Beispiel, wenn Du irgendwann eine Freundin hast. Ich habe da so viele Ideen - und Du sagst dann immer: "Ne, brauch ich nich, alles bleibt wie es ist."
"Aber so ist es doch nicht schön."
"Aber zu schade zum Wegschmeißen."
Nicht umsonst bist Du nicht nur Fan der Serie "Big Bang Theory", sondern auch von Sheldon; Du kannst inzwischen die Dialoge nicht nur soufflieren, sondern verweist auch gerne auf Sheldon: "Denk dran, ich bin da wie Sheldon, wenn der sagt..." :)
Ich hatte dennoch Pläne für Dein Zimmer, grad weil ich weiß, dass Dich solche Dinge eher nicht interessieren. Und weil ich eben wollte, dass Du es auch wirklich schön hast. Dein eigenes Wohlfühlnest. Bis ich verstand, dass diese Eigenmächtigkeit übergriffig wäre. Dass ich mich damit über Deine Wünsche und Bedürfnisse hinwegsetzen würde. Also wird es nur anders mit Dir zusammen - oder es bleibt so wie Du es haben möchtest.
An eine Freundin glaubst Du selber eher nicht (mehr) und eigentlich... weißt Du nicht mal mehr, ob Du das alles überhaupt noch so möchtest oder doch nicht. Wenn Du abends irgendwann von der Arbeit heimkommst, bist Du müde und willst nur noch Deine Ruhe haben. Oft genug bleiben Dir ja auch nur noch ein, zwei Stunden, bevor Du Dir wieder den Wecker stellen musst.
Hingegen ich denke mir: Alles kommt zu Deiner Zeit - so wie Du jeden Weg in Deinem ganz eigenen Tempo gegangen bist, unbeirrbar. Und auch dafür liebe ich Dich sehr!

Schon als Du ein kleiner Junge warst, hast Du oft in Deiner eigenen Welt gelebt, Dir in Deiner Phantasie Deine eigene Welt errichtet, in der alles gut war, in der alles schön war - und in der alles so war wie Du es für Dich gebraucht hast. Du warst so ein herrlich wissbegieriges Kind, Du hast jedem Löcher in den Bauch gefragt und gabst auch niemals auf, solange auch nur die kleinste Frage für Dich unbeantwortet blieb oder das Dir Gesagte nicht schlüssig genug erschien.
Kritisch bist Du auch heute noch - aber heute fragst Du nur noch wenig. Manchmal kann ich förmlich spüren, wie Du Deine Welt um Dich herum errichtest und wenn ich Dich dann anspreche, braucht es ein oder zwei Anläufe, bis Du mich wie von weit her anschaust und fragst: "Häääää?" :)
Es braucht auch einiges an Zeit und Ruhe, ehe Du Dich öffnest und Deine Gedanken mit mir teilst. Seit ich nicht mehr hier in L wohne, geht uns diese Zeit viel zu oft ab - und dann denke ich an die Zeit, als Du sechs, sieben Jahre alt warst und Dein Bruder auf die Welt kam. Für mich war nie die Frage, ob ich jetzt die Liebe zu Dir und Deinem Bruder aufteilen muss und kann - aber irgendwann wurde mir bewusst, dass ich Dir viel zu wenig Zeit widmete. Neben dem Fulltimejob, dem Haushalt und dem Kümmern um Eure Bedürfnisse nach Essen, frischer Wäsche und all dem war ich viel zu oft froh, dass Du schon in einem Alter warst, in dem Du Dir alleine die Zähne putzen und alleine duschen konntest. Dass ich Dich mit 9, 10 Jahren darum bitten konnte, Deinen Bruder zu duschen, weil ich dabei war, eine gekaufte Kommode für Euer Zimmer zusammenzuschrauben, bevor mich der Elan wieder verlassen würde. Dein Bruder, der Faxen in der Dusche machte und Du den Zeigefinger erhobst: "Und das eine sag ich dir, das mach ich nicht für dich, das mach ich nur für die Mutti!"
Ein Satz, über den ich heute noch lachen muss, wenn ich daran denke oder wenn ich davon erzähle.

So wie ich immer noch über Episoden lachen muss, beispielsweise, als Du anfingst, mit Freunden feiern zu gehen. Die Samstagmorgende, die Du dann vor der Tür standst mit einem ordentlichen Alkoholpegel: "'Schab meine Jacke verlorn."
"Wie verloren? Die hast du doch an?!"
Dein ungläubiger Blick an Dir selbst herunter: "Dannhabschirgendwasssssandresssverlorn."
Oder der Samstagmorgen, an dem Du schuldbewusst und mit ordentlichem Pegel vor der Tür standst: "'Schweesssnisch, wie das bassiern konnte, aber 'schbinbestohlnworn."
Und das stimmte sogar - Handy, Brieftasche - alles weg. Kein Geld mehr für die Bahn, also bist Du nach Hause gelaufen. Zehn Kilometer bis zu unserer Haustür. Ich hab lachen müssen - aber ich war gnadenlos: "Egal wieviel Promille du jetzt noch hast und wie müde du bist - du gehst nicht eher ins Bett, bevor du deine Bank angerufen und wenigstens deine Karte gesperrt hast." Ich muss noch heute schmunzeln, wenn ich daran denke, wie Du mit halboffenen Augen am Telefon hingst und versuchtest, der Hotline nicht anmerken zu lassen, dass Du eine.. nun sagen wir.. schwierige Nacht hinter Dir hattest ;)

Glaub mir, ich könnte seitenweise schreiben, und mir würden so viele Dinge einfallen, die einfach zu Dir gehören, die zeigen, was Dein Bruder immer über Dich sagt: "Egal wie, er hat ein Herz aus Gold."

Das hast Du wirklich - und an Deinem heutigen Geburtstag wünsche ich Dir ganz von Herzen vor allem eins: Bewahr es Dir. Bewahr Dich. Sei gut zu Dir und glaube vor allem daran, dass Du sehr wohl jemand bist, den man einfach gern- und liebhaben muss - und dass es sehr viel mehr Menschen geben müsste, die so sind wie Du. Die an das Gute, an das Positive glauben, die niemandem etwas Böses wollen und auch niemals auf Kosten anderer leben können.
Du lächelst immer, wenn ich Dich zum Abschied umarme, Dir einen Kuss auf die Wange drücke und sage "Pass auf dich auf." "Weeeß ich doch, Mutsch, mach ich doch."
Ne, machst Du eben nicht. Du rauchst beispielsweise viel zu viel ;)
Mir zuliebe könntest Du damit nicht aufhören - aber wer weiß, vielleicht schafft dies ja eines Tages jemand anderes ;)
Dann ernährst Du Dich vielleicht auch bewusster, etwas, das Du auch nicht machst, wenn ich nicht da bin :)

Alles Liebe, mein Großer, ich wünsch Dir von Herzen alles Liebe zum Geburtstag - und dass sich vielleicht in diesem Jahr Dein größter Herzenswunsch erfüllt. Du allein bestimmst, welcher das ist. Verrat ihn nicht - glaub einfach nur dran. Dann erfüllen sie sich auch - früher oder später :* Du hast es mehr als verdient.

Deine Mama

2 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Einfach nur schön, was anderes kann und will ich jetzt nicht sagen. - Schön zu lesen, dass andere Kinder auch "Mutti" gesagt haben, jetzt sagen ja alle Mama.
Einen ganz lieben Gruß an die Mutti, die zwei so tolle Söhne großgezogen hat.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, ich danke Dir sehr!
Ich hab übrigens Zeit meines Lebens "Mama" gesagt, als kleines Mädchen genauso wie heute.
"Mutti" klang mir immer irgendwie zu.. hart, zu lieblos ;)