Samstag, 30. März 2019

Schlaflos in M



Ich hatte es versprochen.
Nur ein bisschen Musik, nur ganz kurz.
Manchmal kennt er mich aber doch besser als ich mich :)
...aber ehrlich - wie soll man bei SO einer Musik in den Schlaf finden können?
...wie soll das gehen, dass bei dieser Musik nicht alles erwacht, was man an Lebensfreude, an Sehnsucht nach Meer und mehr und überhaupt in sich trägt?
Ich will sie, die Kleidchen, die Sandalen, die Bücher in der halboffenen Tasche auf dem Rücksitz, die Musik in den Ohren, das Mitsingen, das Verreisen ans Meer - und ich will es JETZT!!


...also das mit dem Verreisen steht ja jetzt an, auch wenn es nicht ans Meer geht. Und ich hab schon jetzt ein wenig Mitleid mit meiner Begleitung, denn ich denke, sie mag eher andere Musik. Aaaaaber - wer fährt, bestimmt! Tut mir jetzt leid, aber nur ein bisschen ;)

Ein ganz klein wenig wehmütig macht mich dieser Song dennoch - und ich möchte mich von ganzem Herzen bei den wenigen Menschen bedanken, die mich auf meinem Weg begleiteten.. Die mich zu dem Menschen werden ließen, der tief in mir ruhte und inzwischen den Weg ins außen und den Weg zu sich selbst zurückgefunden hat.. Ich werde es Euch nie niemals vergessen, keinem einzigen.. ♥️

Freitag, 29. März 2019

Wilder Mind



Innerhalb einer Woche im ZickZack durch das Land zu fahren, Sonne genießen, Milchkaffee in Straßencafes genießen, reden, zuhören, lachen, schmunzeln, schweigen, die Augen schließen und sich weit fort zu denken, Begegnungen, alte, neue, Inspirationen - und Nächte voller Sehnsucht, in denen das Herz klopft und die Seele ruhlos ist, während die Augen weit offen in die Welt hinausstarren...
Es wird anstrengend, bestimmt, aber ich freu mich darauf, sehr, sehr, sehr. Ich freu mich auf das Entdecken, auf das Erfahren, auf das Schmecken, Hören, Fühlen, Sehen. Es ist ein so wahnsinnig gutes Gefühl zu wissen, wie frei und losgelöst man ist - und dennoch einen Ort hat, an den man immer wieder zurückkehren möchte... und darf.

"Es gibt Millionen von Menschen. Aber am Ende ist es immer nur der Eine."

Donnerstag, 28. März 2019

Let's disappear...


Manchmal gibt es Zoff bei uns zu Hause, weil ich nach Meinung des Mannes zuviel in die Ferne sehe. Ich glaube, ich hab mir das angewöhnt in den Jahren, als ich noch allein (mit Kindern) wohnte. Die Abende gehörten mir ganz allein, die Kinder waren mit sich beschäftigt oder schliefen längst, während es mir zu still wurde in den kleinen, halbdunklen Räumen, während es in meinem Kopf noch viel zu laut war.
Dann hab ich das Netz rauf und runter gesurft, nicht selten schätzungsweise vier, fünf Chatfenster gleichzeitig geöffnet und problemlos bedient (inzwischen habe ich etwa zwanzig Fenster offen, aber nur ein einziges Chatfenster - die wilden Zeiten sind wohl eben vorbei ;)), und nicht selten lief nebenbei der TV, weil man ja nicht wirklich mit jemandem... spricht. Und ich die Stille durchbrach nicht nur mit Musik, sondern eben auch mit irgendwelchen Sendungen.. Meist Reportagen, Dokumentationen über das Leben anderer Menschen. Ich weiß nicht wieso, aber... Menschen faszinieren mich so wie sie mich zugleich auch erschrecken.

Denn mit Musik, das muss ich immer wieder feststellen, wird irgendetwas in meinem Kopf, in meiner Seele angeknipst, das ich nur schwer wieder zum Schweigen oder wenigstens zur Ruhe bekommen kann. Es muss nur der richtige Song mit dem richtigen Klang gefunden werden - dann kann ich mich gnadenlos verlieren... In Nachtträumen, die noch ewig lang nachklingen. In Tagträumen, denen ich noch ewig lang nachhänge.. Von Herzmomenten. Von Wohlfühlmomenten. Dagewesen oder auch nur erträumt... Dann bin ich hier und zugleich ganz weit woanders...

An solchen Abenden geht der Mann irgendwann allein resigniert zu Bett und dann schmunzel ich in mich hinein und frage mich, ob er sich nicht doch lieber eine TV-Dokumentation gewünscht hätte ;)

Mittwoch, 27. März 2019

Im Zweifel für den Angeklagten

Dass ich gerne Krimis schaue, ist ja nun allgemein bekannt. Dass ich auch nächtens gerne Sendungen schaue wie zum Beispiel "Medical Detectives", ist wohl auch allgemein bekannt.
Irgendwann entdeckte ich, dass auch auf öffentlich-rechtlichen Kanälen Dokumentationen über tatsächlich stattgefundene Verbrechen flimmern - inklusive deren Auflösung.

Dieser Tage begegnete mir ein Bericht über ein Ehepaar in Frankreich. Verheiratet, zwei Kinder. Sie erleidet eines Tages einen Unfall mit einem Pferd. Genauer gesagt: Das Pferd schlägt aus und tritt ihr mit der Hufe in das Gesicht. Man mag sich kaum vorstellen, was das für einen Menschen bedeutet. Diverse Operationen, der Schock - und vor allem: Schmerzen.
Die Frau beklagt öfter, dass sie sich von ihrem Ehemann, einem Arzt und ausgezeichneten Sportschützen, im Stich gelassen fühle. Er unterstütze sie nicht (oder zumindest nicht so, wie sie es sich wohl gewünscht hätte). Freunde und Familie beschreiben sie als warmherzig, sanft und romantisch - und ihren Ehemann als dogmatisch. Er kann alles, er weiß alles.
Eine Zeit nach dem Unfall sucht sie einen Psychiater auf, insgesamt geht sie wohl 5 oder 6 x zu ihm. Sie reden nur, Medikamente bekommt sie keine, weil der Psychiater einschätzt, dass sie zwar einiges durchgemacht hat, jedoch nicht an einer behandlungsbedürftigen Depression leide. Bei ihrem letzten Besuch erwähnt sie, dass ihre Ehe nach 17 Jahren am Ende sei - und dass sie einen anderen Mann kennengelernt habe. Sie hat sich wohl bereits auch öffentlich mit ihm gezeigt und sei dabei beobachtet worden, dass sie den anderen Mann in der Öffentlichkeit geküsst hat.
Am Tag ihres Todes führen sie und jener Mann ein Telefonat.
Ob ihr Ehemann davon erfuhr, bleibt offen. Bzw. ungeklärt.
Fakt ist: Es hat am Abend nach dem Essen einen Streit zwischen dem Ehepaar gegeben. Er habe daraufhin das Zimmer verlassen, weil er keinen Streit wollte. Sie hat den jüngeren Sohn zu Bett gebracht und den älteren vom Sport abholen wollen.
Fakt ist auch: Sie hat tot im Keller des Hauses gelegen.
Der Ehemann, ein sehr bekannter Arzt, der auch entsprechend guten Kontakt zur Polizei hatte, ist nicht vernommen worden. Seine Kleidung ist nicht untersucht worden.
Erst später hat man die Hände auf Schmauchspuren untersucht: Bei ihr fand man keine, bei ihm wurden Restbestände festgestellt.
Es gab keine Fingerabdrücke auf der Waffe, nicht einmal ihre. Dafür eine sehr geölte Waffe, das sei vom Reinigen nach der vorletzten Nutzung, hat der Ehemann ausgesagt. Dieses viele Öl habe bewirkt, dass keine Fingerabdrücke nachweisbar seien.
Und es gab ihre Ansage an ihre Freunde, ihre Familie: "Wenn mir etwas passiert, dann glaubt ihm kein Wort."

An dieser Stelle der Dokumentation lehnte ich mich zurück und ich muss gestehen: Alte Bilder stiegen wieder auf. Genau diesen einen Satz der Frau, den auch ich vor Jahren zu Freunden und Familie gesagt hatte: "Wenn mir etwas passiert, glaubt ihm nicht. Er hat es lange angekündigt und lange Zeit gehabt zu planen."
Die Frage in der Klinik, die mir zwei Jahre nach dem Unfall gestellt wurde. Dem Unfall, für den es bis heute keine Erklärung gibt, weil es nie untersucht worden war. Was es prinzipiell nicht wird, solange niemand zu Tode kommt. Die Frage, ob ich mir vorstellen könne, man habe mein Auto manipuliert, woraufhin die Lenkung versagte.
Ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht. Vielleicht wollte ich das auch nicht.
Würde ein Mann wirklich in Kauf nehmen, dass neben der Ex-Frau möglicherweise auch die Kinder mit verunglücken könnten, die ich vier Tage später aus dem Urlaub hatte abholen wollen? Oder wäre er sich sicher, alles so gemacht zu haben, dass es auch wirklich vorher passiert?
Ich habe mir vorher und auch danach diese Frage nicht gestellt. Weil das Auto längst in der Schrottpresse verschwunden war. Es gab keine Chance, das nachzuvollziehen - und ich würde mich nur unnötig damit quälen. Das tat ich nicht, das tue ich nicht.
Die Scheidung war zu jenem Zeitpunkt bereits durch und es war auch klar, dass ich nach wie vor keinerlei Ansprüche an den Mann stellte. Dass ich ab Renteneintritt von meinen Rentenpunkten an ihn abgeben muss. Dass ich im Gegenzug zum damaligen Zeitpunkt immer noch Geld an ihn bezahlte - und mich auch sonst still verhielt. Nicht nur aus Furcht. Auch, weil ich vor allem Ruhe wollte - für die Söhne und auch für mich. Er hätte also gar keinen Grund gehabt, mir jetzt noch etwas anzutun.
Oder doch?
Weil er immer geschworen hatte: "Wenn ich dich nicht haben kann, kriegt dich auch kein anderer."? Und weil er mir auch ebenfalls immer schwor: "Du wirst nie wieder glücklich werden, dafür sorge ich, und wenn es das letzte ist, das ich tu"?

Die Frau aus der Dokumentation... Sie hatte Antidepressiva in geringer Dosis in ihrem Blut und einen Alkoholspiegel, der auf zwei Gläser Wein schließen ließ. Natürlich liegt es nah, dass sie ihrem Leben ein Ende setzte.
Demgegenüber jedoch.. steht die Aussage, dass sie nicht nur nicht an einer behandlungsbedürftigen Depression litt, erst recht also kein Suizid zu befürchten sei, demgegenüber steht vor allem, dass sie sich neu verliebt hatte.
So wie ich mich damals...
Eine Frau an diesem Punkt ihres Lebens.. Warum sollte sie sich ihr Leben nehmen? Wenn es doch Hoffnung gab? Wenn es doch.. eine Chance gab?
Ihr Ehemann wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und nach 5 Jahren freigesprochen. In 3. Instanz hatte man ihm zugestanden, dass seine Frau sich selbst das Leben genommen hatte.
Nur.. Warum sollte sie?

Ich muss gestehen... Mich berührt diese Geschichte nicht nur. Sie beschäftigt mich. Diese doch argen Parallelen.. beschäftigen mich. Mein Gefühl sagt mir, sie hat es nicht selbst getan.

Freitag, 15. März 2019

9/10



Komatös in der Ecke liegen beschreibt vermutlich am ehesten die derzeitigen Abende - und so richtig sind der Mann und ich uns noch nicht einig: Sollte ich einfach mal wieder einen richtigen Kaffee trinken - oder ham wers jetze mit dem Frühlingsbeginn? Was kümmern einen denn jetzt noch in den Zeiten des Wandels irgendwelche festgesteckten Daten, die einem vorgeben, wann was zu sein hat?
"Du schläfst aber viel ruhiger", meinte der Mann letztens. Ha. Das mag ja sein. Aber die Träume! Die Träume! Erst letzte Nacht wieder - ich war mit meiner HP aus L unterwegs, irgendwo in irgendeiner Stadt, die ich real zwar nicht kenne, mir aber relativ sicher bin, die schon mal irgendwann in einem Traum gesehen haben. Jedenfalls - auf einmal war da mein Ex mit im Spiel, und der war überzeugt davon, wir wären wieder ein Paar. Der war so überzeugt davon, dass er erst meine HP davon überzeugen wolle, sie müsse das unterstützen und als die auch nicht wollte, zog er das Messer.
Uuuäächh.
Als der Mann heut Morgen das noch dunkle Schlafzimmer betrat, um mir einen Abschiedskuss zu geben, bin ich ordentlich zusammengezuckt.
"Ich bins doch nur", meinte er etwas pikiert.

"Vorsicht mit dem Lupinenkaffee", sagte mir übrigens auch die HP aus L. "Gesünder wäre vermutlich eine Mischung aus beidem, nicht ausschließlich das eine oder andere."
Dass sie damit bei mir freilich offene Türen von der Größe von Kirchentoren einrennt, versteht sich ja von selbst.
Trotzdem.. Kaum trat ich bei ihr durch die Tür, begutachtete sie mich von oben bis unten und sagte noch vor dem "Hallo" zu mir: "Ich sehs, Ihnen gehts schlechter."
Hmpf. Ja. Na ja. Sagen wir es so: Die anfangs so deutlich positive Tendenz hat nicht ganz so standgehalten. (Ich kriege irgendwie alles klein! Okay, fast alles.) Nachdem ich urlaubsbedingt drei Wochen am Stück in M zur Behandlung war, bemerkte ich selbst einen recht deutlichen Knick. Am allerdeutlichsten an meiner rechten Hand, die nicht mehr ganz so ruhig war.
Das Mischverhältnis von Blut, Medikamenten und Ozon kannte ich nicht, wusste ich nicht; es stellte sich heraus, dass die Mischung in M "stärker" als in L ist. Was mich persönlich wundert. Stärkere Mischung = stärkere Wirkung, so wäre ja meine ganz persönliche Auffassung, aber okay, ich war ja nie ein Mathegenie, Chemie und Physik ähnlich - und in Biologie habe ich mir nur gemerkt, was für mich wichtig war. Muss grad lachen, wenn ich an eine Szene denke, in der wir die Schale einer Zwiebeln unter dem Mikroskop betrachten und aufmalen sollten, was wir sehen. (Jaaaa, ganz unspektakuläres Thema, was dachtet Ihr denn zum Freitagmorgen? ;)) Meine Zelle sah aus wie das Blatt einer Pflanze, so mit Adern drauf und so. Zellkern? Ich doch nicht. Nie gesehen. Der Lehrer verdrehte die Augen: "Ich glaub Ihnen ja, dass Sie das so gesehen haben. Aber dann haben Sie die Vergrößerung nicht eingestellt."
Schja. Betrachte ich so mein Leben, hätte ich wohl bei so einigem die Vergrößerung nachjustieren und genauer hinsehen sollen. Aber wie sagte ja Goldi erst letztens "hätte hätte Fahrradkette".
Genau.

Jeeedenfalls (is der Arsch keen Gänsehals) werden wir die Eigenbluttherapie wohl über die 10 - 12 Sitzungen hinaus fortführen. War mir ja so klar. Auffällig ist nur: Nach der Therapie in L ging es mir anschließend besser als in M. So ähnlich gab ich das bei meinem Termin am Mittwoch auch wieder. Sie hat mir anschließend zwei zusätzliche Medikamente gespritzt, es geht mir bis heute sichtlich besser. Hm. Also entweder werde ich eines Tages im Dunkeln leuchten - oder mir werden Eselsohren wachsen. Eins von beidem ist vermutlich sicher. Wobei.. Wie ich mich kenne, könntens durchaus auch leuchtende Eselsohren werden ;)
"Du bist ganz schön teuer", sagte jedenfalls der Mann, als ich ihm erzählte, dass die Therapie fortgesetzt wird und meine Kasse sich natürlich nicht beteiligt.
"Ich bin wertvoll", entgegnete ich grinsend.
Aber an seine Worte musste ich denken, als ich mich am Montagmorgen auf den Zahnarztstuhl begab. Mir war beim beherzten Biss in ein krustiges Brötchen der halbe Schneidezahn weggebrochen.
"Fällt doch gar nicht auf", sagte der Mann, "siehst jetzt halt aus wie Jürgen Vogel."
(Noch so n Anekdötchen am Rande: Ich meinte mich zu erinnern, dass der Mann mal ein Stück Zahn oder auch ne Füllung bei sich mit Sekundenkleber repariert hatte. Also habe ich mir auch welchen besorgt und das halbe Stück wieder angepappt. Der Mann fiel aus allen Wolken: "Bist du irre??? Mit Sekundenkleber??? Das kannst du doch nicht machen! Ich hab das mit Kaugummi gemacht! Kaugummi! Aber Mensch, da war ich zwölf oder so." Na ja also wenn Ihr mich fragt... Ist ja Kaugummi noch bekloppter. Das hält doch gar nicht! Die Sekundenklebervariante hielt aber auch nur wenige Tage).
Jedenfalls beugte sich die Zahnfee über mich, setzte bereits die ersten drei (!) Spritzen und dann sagte sie: "Ach übrigens.. Sie erinnern sich noch, dass wir für Füllungen Zusatzzahlungen erheben?"
"Äh.. Ja.." ließ ich kehlig vernehmen, was man halt so von sich geben kann mit offenem Mund und Gerätschaften darin. Sie meinte, das müsse so, weil die Erstattung der Kasse zu gering sei und dem tatsächlichen zeitlichen Aufwand nicht gerecht würde. Und fast am Ende der Behandlung sagte sie dann, dass es zwei Füllungen geworden wären - einmal der Zahnaufbau an sich und dann noch die Reparatur einer kleinen, ebenfalls abgebrochenen Ecke an der anderen Seite des Zahns.
Ich konnt ja nicht viel dazu sagen - die Gusche war schief und dick und ich.. ja ich hatte genug. Eine Stunde Behandlung. Eine Stunde Maulsperre.
Vor zwei Tagen kam dann auch gleich die Rechnung.
Und in zwei Wochen will ich doch zu einer Mädelstour ins Rheinland. Da war ich noch nie!
Vermutlich werde ich in den Tagen dort nur Kaffee trinken können - für mehr wirds nicht langen.

Oder aber ich sperre beim nächsten Besuch in L den Chef ein und sage, dass er da nie wieder rauskommt, solange er keine Gehaltserhöhung unterschreibt. Immerhin werden mir ständig Aufgaben übertragen, die eigentlich unsere Ingenieure machen sollten. Das wäre doch mal ein ziemlich gutes Argument, oder nicht? Ich bin ja kein Ingenieur.
Aber dann wär mir vielleicht eher wurscht, dass Gesundheit ein verdammt teures Pflaster ist. Aber eben auch ein wertvolles. Mit oder ohne leuchtende Eselsohren.


Dienstag, 5. März 2019

Hauptsache glücklich


Heute bei Herrn Glumm gelesen: Alle 7 Jahre legt man die alte Schale seiner Psyche, seiner Seele ab, formiert sich neu, innen wie außen. Ich las seinen Post, als läse ich davon zum ersten Mal, doch im Laufe der Stunden danach fiel mir wieder ein, dass ich tatsächlich zuvor schon mal davon gehört hatte. Wie war das - erneuert sich nicht auch das Blut aller 7 Jahre? Ich habs mal gegoogelt - und dabei erfahren, dass es sich hier um ein Mythos handeln soll. Zumindest, was das Blut betrifft.
Das einzige, das sich erneuert, sind alle möglichen Zellen, und das aber in verschiedenen Rhythmen.
Nu ja, gut. Sonst hätte man ja glatt eine Veranschaulichung gehabt, wie dicke Körper und Seele tatsächlich miteinander sind.

Das Thema an sich hat mich dann aber doch so beschäftigt, dass ich mich heut Abend mal dahersetzte und meine ganz persönliche Zeitschiene aufmalte. Ich war ja schon so ein bisschen neugierig, inwieweit diese 7 Jahre auf mich zutreffen - oder ob sich hier einmal mehr bewahrheiten würde, was ich ja längst schon von mir weiß: Ich bin meiner Zeit hinterher. Immer schon gewesen ;)
Beim Aufmalen der Zeitschiene und den Anmerkungen, die ich daneben kritzelte, musste ich dann aber doch lachen: Ich bin beides. Mal bin ich meiner Zeit voraus und mal hinke ich ihr hinterher. Was mich persönlich so überhaupt nicht überrascht, schließlich kenne ich mich seit Jahren.
Ich sage nur E-Herd, Gas-Herd - und Kombigeräte ;)

Mit meiner Geburt änderte sich ja vor allem das Leben meiner Eltern, und schon sieben Jahre später mit meiner Einschulung fing dann auch für mich ne ganz neue Welt an. Das zählt ja auch, oder?
Immerhin lernte ich dort das Lesen und Schreiben (okay, rechnen auch, aber das ist bis heute etwas, das sich mir niemals wirklich erschließen wird. Wurzel ziehen - wer macht denn so nen Scheiß? Ich weiß nur, dass das verdammt schmerzhaft ist und mir 7 Tage Flüssigpudding durch nen Strohhalm ziehen bescherte. Ach ne, das war ja ne andere Wurzel. Ihr seht - Mathe und ich, das geht nicht ;))
Ich war eine ausgesprochene Leseratte - und meine überbordende Phantasie fand endlich im Schreiben ihr Ventil. Ich liebe es bis heute, lesen und schreiben. (und Mathe immer noch nicht)
Immerhin war es genau diese Schreiberei im Internet, die Herrn Blau auf mich aufmerksam machte.
"Wenn ich deine Zeilen lese, denke ich, ich wär selbst dort gewesen", schrieb er zum Beispiel damals.
Da muss ich gleich mal noch ein Zitat einwerfen, das ich letztens bei FB las:
"Unfassbar. Es ist sagenhaft, was unser Leben für Zufälle bereit hält. Du kommst auf die Welt, einem Zufall zufolge, irgendwo am Mississippi. Und ich bin das Ergebnis der Vereinigung von Sam und Jetta Yellnikoff. In der Bronx. Jahrzehnte vorher. Und durch eine astronomische Aneinanderreihung von Umständen, laufen wir uns über den Weg. Zwei Ausreißer im riesigen, schwarzen, unbeschreiblich brutalen, gleichgültigen Universum."
(Boris Yellnikoff - Whatever Works/Woody Allen)
Ich kommentierte dazu, dass ich persönlich nicht an Zufälle glaube - und mir grad deshalb das eine oder andere umso wunderbarer erscheine.
Und besehe ich mein Leben: Die bisher wichtigsten Menschen in meinem Leben sind alle nicht in meinem jeweiligen Wirkungskreis geboren, aufgewachsen und so weiter. Man begegnete sich einfach eines Tages irgendwo - ganz woanders, dazwischen konnten viele, unendlich viele Kilometer liegen. Es gibt da einfach irgendwas, das die Menschen dennoch zueinander führt, und ich finde das was richtig Schönes. Und eben das Spannende an diesem Leben. Jeden Tag kann irgendwas Schönes passieren, irgendeine Wendung, auf die Du nie gekommen wärst.
Natürlich gibt es auch Tiefschläge. Aber vielleicht muss das auch so? Wer immer auf dem Gipfel steht, der weiß doch irgendwann gar nicht mehr um das Glücksgefühl, da oben angekommen zu sein...

Die dann darauf folgenden sieben Jahre später blieben (meiner Erinnerung nach) ereignislos, meine erste große Liebe begegnete mir nämlich erst im Jahr darauf.
Dafür hielt ich mich dann wieder an die 7 Jahre später: Ich wurde selbst Mama, und das zum allerersten Mal. Für damalige Verhältnisse nicht ungewöhnlich jung - aus meiner heutigen Sicht aber vieeel zu jung. Ich hätte erstmal selber erwachsen werden sollen ;)
Die 7 Jahre danach hänge ich meiner Zeit wieder hinterher, ich denke nämlich erst ein Jahr später ernsthaft und ganz konkret über Scheidung nach. Und mache es dann doch nicht. Konsequenz war auch nie meine Stärke, aber auch das ist keine neue Erkenntnis für mich. Heute klappt das in vielen Bereichen besser, aber das hilft dem Damals jetzt auch nicht mehr. Egal.
Offenbar gehen meine Uhren ab diesem Zeitpunkt noch langsamer als sonst, 2004 hätte ich mich seelisch erneuern müssen - tat dies jedoch erst (unbewusst, aber das ist ja meist unbewusst) mehr als 2 Jahre später. Ich verunglückte schwer mit dem Auto und ich weiß noch heute, dass mein erster fassbarer Gedanke im KTW war "Wer weiß, wozu das jetzt gut war, was das jetzt bringt". Nichts Gutes - es hat sehr viel in mir verändert, und ich denke, dass das auch seither in vielerlei Hinsicht meinen Weg bestimmte und immer noch bestimmt. Ich habe mein Urvertrauen verloren, in die Technik, in die Menschen, ich hab dran gearbeitet, nein, ich habe dran geackert - aber es ist seither einfach nichts mehr wie es war. Irgendwann habe ich es akzeptiert, ich habe mich darin akzeptiert. Und ich glaube, es ist auch ein guter Entwicklungsschritt, wenn man mit Vergangenem nicht hadert, sondern sich auf das Positive konzentriert. Das wiederum kann ich tatsächlich immer noch richtig gut.
Insofern passt dann die innere Uhr wieder mit den anschließend vergangenen 7 Jahren super: Ich begreife endlich, dass auch ich trotz allem ein nicht wertloser Mensch bin - und richte mich endlich auf: Bis hierher, weiter nicht mehr, so will ich nicht mehr, so macht es mich nicht glücklich. Jahr 7 und Jahr 8 gehen insofern fließend ineinander über, im Zwischenmenschlichen verändert sich alles und für mich fühlt es sich an wie: So hatte ich mir das eigentlich immer vorgestellt. So hatte ich mir das gewünscht.
Und eile an dieser Stelle meiner inneren Entwicklungsphase vier Jahre voraus: Ich ziehe von L nach M, etwas, das ich nicht bereue - auch wenn mir eines immer klarer wird mit den Jahren: Dort begraben werde ich nicht. Sowieso nicht, weil ich wünsche, verbrannt und über dem Meer verstreut zu werden (wie kann man auch einen Freigeist in eine kleine Kiste sperren und dann noch drei Zoll unter die Erde buddeln? Das muss man doch wissen, dass das absolut nicht geht) - aber möglichst schon davor nicht. Ja sicher hatte ich schon immer diese Vorstellung von einem kleinen, alten reetgedeckten Haus mit ausgelatschten Stufen vor der Tür, grün bemalten Holzläden, einen Garten nur mit Wiese und wild wachsenden Blumen und diesem kleinen Pfad hinunter zum Meer...
Aber seien wir doch mal ehrlich: In einem Haus würde ich mir jeden Abend, jede Nacht, die ich dort allein verbringen müsste, in die Hosen machen. Ich würde den Mann dazu verdammen, ja nie auf die Idee zu kommen, abends das Haus zu verlassen, jedenfalls nicht ohne mich - und mal ehrlich: Was soll DAS für ein Leben sein? Jemanden zu lieben heißt ja nicht, dass man permanent an dessen Rockzippel hängen muss. Oooarrr ne! Soll schon jeder auch seins machen können, so einer ohne den anderen. Aber das wird dann halt.. schwierig ;)
Am Ende wirds wohl eher eine Altbauwohnung irgendwo in der Altstadt werden, so eine Wohnung mit herrlich knarrenden Dielen, Kerzen auf dem Fensterbrett vor den hohen schmalen Fenstern, in anderen Fenstern Lampen oder Fische aus Treibgut - und zum Strand fahren wir mit dem herrlichen Hollandrad, das mit der Ding-Dong-Klingel und den Schnittblumen im Korb, dazu dem Wein und dem Käse... Den wir dann mit arthritischen Fingern auseinanderbrechen und hoffen, dass er weich genug ist, damit der Zahnersatz hält. Seis drum.

Hauptsache, glücklich.

Der Song passt zwar nicht zum Post, is mir aber sowas von wurscht. Er hat mich heut auf der Fahrt nach L begleitet. Sooooo sooo geil!! Leider habe ich jetzt irgendwie ein Problem mit den Lautsprechern im Fond. Hm. Blöd, das, irgendwie. Aber hey - es war trotzdem geil!!! :)

Freitag, 1. März 2019

Das ist ein Tag zum Heemgehn..

..wie wir in L sagen würden. Nur.. Ich bin ja schon zu Hause. Wohin geh ich also?
In den Biergarten? Da war ich gestern schon - und heute ist das Wetter kacke. (Hat mich übrigens heute der H. gerügt, ich solle an meinem Vokabular arbeiten. Habsch gelacht und abgewunken: "Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich nicht mehr an Herzdrücken sterbe, sondern sage, wies is.")
Da hatte ich mich doch grad etwas von einer privaten Sorge freigeschwommen, schon kommt es gleich wieder Schlag auf Schlag. Zwar nicht nur privat, auch dienstlich - aber am Ende.. Am Ende geht es um den Erfolg eines Millionen-Projekts, für das auch mal 10 - 12 Stunden am Tag draufgehen, das viele Nerven und fast das letzte Weihnachtsfest gekostet hatte. Was nun aktuell heranrollen wird, ist noch ungewiss, sicher ist nur, dass noch etwas kommt. Aber manche Unfälle passieren, selbst wenn man danebensteht, manchmal ist es einfach höhere Gewalt, menschliches Versagen - oder beides zusammen. Wir wissen, dass wir alles richtig gemacht haben - aber wir wissen auch, dass das nicht immer zählt.
Als ich mir dann heute morgen schlaftrunken die Augen rieb, glaubte ich eben jenen nicht: Sohn II hatte geschrieben. Wenn die sich frühmorgens melden, dann bedeutet es immer irgendeinen Alarm.
Sein Auto hat ihn auf dem Weg von L nach C in B im Stich gelassen. Das einzig Gute: Wenigstens hat er den Treffpunkt der Fahrgemeinschaft noch erreicht. Weniger gut: Das Auto gibt keinen Mucks mehr von sich. Erste allgemeine Ferndiagnose: die Lichtmaschine. Kosten zwischen 350 und 700 Euro, je nachdem, wohin man das Vehikel bringen darf. Kann. Die Werkstatt des Vertrauens kanns nicht holen "Wir haben ab morgen eine Woche Urlaub und gehen heute etwas eher."
Eher ist der Sohn aber nicht aus C zurück, sondern frühestens zur Kaffeezeit. Und er hat den Schlüssel. Der Ersatzschlüssel liegt zu Hause - da ist aber niemand, und Sohn I kommt nicht vor 19 Uhr vom Dienst. Und ich, ich bin weit weg.
Also eine Pannenhilfe organisieren mit Hilfe des Schutzbriefes.
"Wenn wir nicht mehr da sind, kein Problem, stellenses aufm Kundenparkplatz ab und werfen den Schlüssel in den Briefkasten. Kann ja keiner klauen, s fährt ja eh nicht, ha ha!"
Bedeutet auch, dass Sohn II mindestens 1 Woche kein Auto hat. Was blöd ist, wenn man das täglich braucht für ca. 160 km. Bahn keine Option - hatten wir ja alles schon.
Pannenhilfe dank Schutzbrief kann ich aber nicht organisieren, weil "wir dürfen Ihnen aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben, Sie sind ja nicht Versicherungsnehmer."
Ja wenn schon scheiße, dann aber mal richtig.
14.30 Uhr hat der Junge Pause, dann kann er hoffentlich was organisieren. Und dann müssen wir mal gucken, wie er dann nach Hause kommt. Sohn I hat sich angeboten, aber mit dessen Dienstzeiten ist es auch grad nicht so einfach. Und außerdem ist der eh grad ein bisschen auf Brass.

Ich weiß auch nicht, was aktuell in der Luft liegt. Entweder sind alle krank oder missgestimmt oder beides. Und ich? Ich hab keine Schokolade, weil ich mein Essverhalten umstellen musste, damit die Medizin wirkt. Dazu gehört auch, wenig Süßes essen. Sind ein, zwei Kekse oder irgendwas anderes pro Tag denn viel? Irgendwie muss man das Nervenkostüm doch geschmeidig halten.

Ich hab ja nicht mal Kaffee! Also richtigen Kaffee. Dank einer sympathischen Leserin kam ich übrigens auf eine Kaffee-Ersatzsorte "Café Pino" (muss ich jetzt eigentlich WERBUNG schreiben, weil ich eigentlich nur was erzählen will, damit aber WERBUNG für was mache? OK, dann seis hiermit erledigt.) Jedenfalls ist das ein Kaffee aus Lupinen - und zwar in einer gerösteten Variante. Das riecht man auch sofort, wenn man die Tüte öffnet. (Übrigens, Frau I. aus L, die ich ja nun so herrlich miteinander verwechselte: Der Laden ist ja echt ein Hammer! Viel größer als ich dachte und so versteckt, dass ich ja nie auf die Idee gekommen wäre, dort wäre so ein Laden. Aber sehr geil, ich habe natürlich gleich noch mehr eingekauft, war ja klar ;) Vielen lieben Dank an dieser Stelle nochmal für den Tipp!!) Meine HP hier in M guckte ja ein bisschen schief. "Ähhhrrgg... Und DAS soll schmecken?"
"Och ja, doch, man kann sich tatsächlich dran gewöhnen, an den Geschmack."
Zwar hatte ich mit Beginn der Kaffeeumstellung etwa drei Tage mega Kopfweh ("Das ist der Koffein-Entzug", sagte der Mann, der aus Solidarität jetzt auch nur noch Lupinenkaffee trinkt, "mir geht das genauso.")
Und ehrlich gesagt: Mir schmeckt diese Variante persönlich sehr viel besser als beispielsweise so diese löslichen Kaffees, örks nee, die sind so bitter, die kann ich nicht mal trinken, wenn ich sie trinken dürfte. Die haben - für mich - ja noch weniger mit Kaffee zu tun.

Zusammengefasst also: scheiß Tage aktuell, keine Schokolade, kein Kaffee und ab heute wird wieder gefroren draußen. Nix mehr mit Frühlingskleidchen. Ja ich weiß - der Februar durfte das, der März darf auch. Trotzdem. Ach.. Mir fällt grad ein.. Ich glaub, der Mann hat noch n paar Schokowaffeln irgendwo versteckt. Ich finde die.  Jetzt gleich. Hundertprozentig.

...und heute bist du mein!

Als der Mann am Abend nach einer ausgiebigen Vinyl-Session gähnte und sprach: "Lass uns zu Bett gehen", da wusste ich irgendwie, dass ich mich neben ihn legen würde, mich mehrmals nach rechts und links drehen würde, mit offenen Augen in die Nacht starren würde - und nicht einschlafen könnte. Der Geist war viel zu wach, angeknipst durch eine seiner Bemerkungen während der zahllosen Titel "Weißt du eigentlich, dass wir uns jeden Tag über den Weg hätten laufen können? Damals, als wir beide noch in L wohnten? Wieso sind wir uns nicht über den Weg gelaufen?"
Ich hab nix geantwortet, nur gelächelt, da gibts ja auch keine Antwort drauf, aber es war dieser Moment, der das Karussell in meinem Kopf in Bewegung setzte.
Sie war auf einmal wieder da, die Erinnerung an den Moment, in dem mein Ex und ich den Kindern sagten, dass wir uns trennen würden. Der eine sieben, der andere dreizehn Jahre alt. Selbst heute noch krampft sich in mir alles zusammen, wenn ich daran denke, wie sich das für die Kinder angefühlt haben muss. Wenn alles auseinanderbricht, nichts mehr ist wie es war - und auch das Zuhause nicht mehr das Zuhause ist. Heute Abend, sechzehn Jahre später, fühle ich noch immer eine Schuld in mir, die aus der Frage rührt: "Hätte ich nicht noch bleiben können, solange die Kinder noch Kinder waren? Hätte ich nicht lieber warten können und wäre dann gegangen, wenn sie erwachsen geworden sind? War ich selbst denn nicht auch meinen Eltern so dankbar, dass sie uns drei Kindern diese Erfahrung ersparten? Was hätte ICH meinen Kindern damit erspart?"
Es ist diese große Narbe in mir, die einfach nicht heilen kann. Die einfach nicht heilen will.
Ich weiß, es ist müßig, über etwas nachzudenken, das nicht mehr zu ändern ist.
Ich weiß, dass man sich auf das Jetzt und Hier konzentrieren soll - und das lebe ich ja auch.
Ich denke aber auch an die Worte aus einer der Therapiesitzungen während der Schmerzbewältigung: "Dass Sie es heute verstehen, ändert aber nichts daran, was es mit Ihnen gemacht hat."
Das Heute, Jetzt und Hier zeigt mir eben noch immer, selbst nach all den Jahren, warum diese Narbe entstanden ist... und das schmerzt.
Ist es nicht so mit all unseren Erfahrungen, Prägungen, die wir erlebten, von Kindheit an, seitdem wir ein Bewusstsein entwickelt haben? Manchmal bin ich selber erschrocken, wie unfassbar weit meine eigenen Erinnerungen an mich zurückgehen. Von denen ich mich frage "Stimmt das so überhaupt oder bilde ich mir das nur ein?" Und dann erzähle ich es meiner Mama und sehe ihr Nicken: "Ja. So war das. Wieso weißt du das noch? Du warst doch höchstens ein Jahr alt. Oder maximal zwei."

Denke ich an meine wilden Zeiten des Onlinedatings zurück, denke ich an einen Begriff, der mir mehr als oft begegnet ist "Ich wünsche mir einen neuen Partner ohne Altlasten."
Ich konnte nie wirklich etwas damit anfangen. Mit dem Begriff nicht, den ich nie mochte, und auch mit dem Gedanken dahinter nicht. Mir erschloss sich nicht, wie man beispielsweise die Kinder eines anderen als Altlasten empfinden konnte. (Mir erschloss sich auch gar nicht erst, wie man einen Menschen Mitte 30 daten konnte und davon ausging, dass derjenige hoffentlich möglichst noch keine Kinder hatte. Grad bei uns im Osten zu der Zeit ein.. Unding ;)). Ein Kind ist doch kein Ding, keine Sache, keine Altlast. Irgendwann begriff ich, dass mit der Altlast weniger das Kind selbst als die damit einhergehende Verpflichtung gemeint war. Die Verpflichtung zur Zuwendung, emotional, finanziell, zeitlich. Dass das Leben mit einem Kind eine völlig andere Taktung vorgibt als das Leben ohne Kind. Eine Taktung, die dem Bedürfnis des Kindes entspricht - und nicht den eigenen, mehr oder weniger. Die insbesondere dann erschwert wird, wenn man mit dem Partner einen Ex-Partner "dazugewonnen" hat, der dem Kind und dem Partner und damit einem selbst das Leben nicht leicht und nicht schön macht. Meiner Erfahrung nach verstehen die wenigsten Eltern, dass Eltern auch nach einer Trennung Eltern bleiben. Meiner Erfahrung nach werden im Zuge der Trennung die Kinder zu Instrumenten - und das finde ich persönlich wirklich richtig abscheulich und furchtbar. Meiner persönlichen Erfahrung nach sind es insbesondere die Kinder, an die man denken und für die man sorgen muss.

Jeder Mensch erlebt sein eigenes Leben auf seine ureigenste Weise. Er macht Erfahrungen, erlebt Prägungen, die man - so denke ich zumindest - niemals wirklich ablegen kann. Wir entwickeln uns, wir lernen, wir begreifen und verstehen, wenden vielleicht irgendwann mehr oder minder erfolgreich Gelerntes an - aber tief in uns.. bleiben sie, die Muster, die Prägungen. Manchmal genügt ein Wort, eine Geste, der Blick auf eine Situation - und Pandoras Box öffnet sich. Wer gut trainiert ist, weiß, wie er diese Box wieder verschließen und verriegeln kann, aber bis dahin zeigt er sich ungeschminkt und unmaskiert in der ganzen Bandbreite des Erlebten.
Wenn man mich fragt... Auch DAS ist für mich eine "Altlast", wenn man denn von Altlasten sprechen will. Es sind nicht nur die äußeren Lebensumstände, es sind auch die, die wir schon lange Zeit zuvor mitgenommen haben. Und irgendwann muss man sich entscheiden, wen man will und was man will...

Wenn man keine 20, keine 30 mehr ist - erwartet man dann also einen Menschen ohne Altlast? Also einen Menschen ohne Prägung? Ohne Erfahrungen, die Einfluss genommen haben? Ohne Bindungen, die aufgebaut wurden, als man sich noch gar nicht kannte? Erwartet man ein völlig losgelöstes, unbeschwertes Leben und Lieben, obwohl man selber in seinem Inneren ja auch noch nicht "fertig" ist?
Ich denke an jene Nacht vor etwa 15 Jahren zurück. In jener Nacht lag ich nicht allein in meinem Bett, als das Kind im Nebenzimmer zu weinen begann. Aufgeschreckt aus einem Alptraum. Aufgeschreckt aus dem Schlaf, reagierte ich völlig automatisch: Ich habe das Kind in den Arm genommen, das seine Arme um meinen Hals legte und bat, bei mir bleiben zu dürfen. Also habe ich es in mein Bett getragen, selbst noch halb im Schlaf, völlig automatisch, ohne nachzudenken - und ohne daran zu denken, dass hier noch ein Mann lag, mit dem die Beziehung noch ganz jung war.
Er hat am nächsten Tag seine Sachen eingepackt und ist wieder nach Hause gefahren. Das war so geplant. Nicht geplant war, dass er gar nicht mehr wiederkam und mir nur ein paar Zeilen schrieb, dass er "das nicht könne, es sei ihm zuviel gewesen". Seine Gedanken konnte ich verstehen, seine Entscheidung nicht so wirklich. Mich gab es nur so, nur so mit Kind, nur so als Mama - auch wenn ich nachvollziehen konnte, dass er sich in jener Situation unwohl gefühlt hatte. Wie gesagt, ich hatte völlig automatisch reagiert, nichts gedacht, nur gehandelt.

"Wieso hat deine Scheidung eigentlich drei Jahre gedauert?"
"Weil mein Ex hoffte, ich würde es mir überlegen und wieder zu ihm zurückkommen."
Er umschließt fester meine Hand.
"Nichts da. Du bist jetzt meine, und das bleibt auch so."
Ich lächle, ein bisschen wehmütig.
Wie unendlich viel hätten wir uns allen erspart, wenn man nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf den anderen geschaut und geachtet hätte. Es ist sehr einfach zu bleiben, wenn alles schick ist. Die Kunst ist, auch dann zu bleiben, wenn es nicht so ist. Solange man es selber will.