Dienstag, 13. April 2021

Still ruht der See

 


Als ich dieses Video zufällig bei FB fand, konnte ich einfach nicht aufhören zu lachen: Nicht nur, dass ich rein optisch vom Hals abwärts der linken Protagonistin sehr ähnlich bin, nein, auch die Mimik (köstlich!!!) und diese Erkenntnis: Einmal hingucken reicht, um zu verstehen, dass die eigene Grenze bereits vor dem allerersten Versuch erreicht war - und stattdessen dem Dolce Vita zu frönen... Herrlichst!!!

Der Mann hat zwar auch gelacht, noch mehr aber freilich die rechte Protagonistin bewundert - und natürlich durftsch mir gleich wieder n Vortrag anhören über Disziplin, Kontinuität und so weiter. Kenn ich alles, habe ich mindestens schon hundertfünfzig Mal gehört, so dass ich spätestens ab dem dritten Satz abschalte und intuitiv nur noch an den richtigen Stellen verstehend nicke, während ich gedanklich längst schon wieder sonstwohin abgeschweift bin. 

Nicht falsch verstehen: Natürlich steckt auch in meinem Fleisch ein Stachel Eitelkeit, aber gefallen will ich in allererster Linie vor allem mir selbst. Weder bin ich besessen von Idealen, die andere für sich selber stecken, noch bin ich erfüllt von einem falschen Ehrgeiz, der mich nur dann zufrieden sein lässt, wenn alles ganz nach Plan abgearbeitet ist und läuft. Ich bin einfach nicht dafür gemacht, unrealistischen Zielen nachzulaufen und mir selber das kleine bisschen Leben zu vermiesen.

Überhaupt auch frage ich mich manchmal, ob irgendwas mit mir nicht (mehr) stimmt. Ob ich irgendwo vielleicht doch ne Überproduktion von Serotonin oder Oxytocin oder was weiß ich hab? Vor gut zehn Jahren vermutete ja die Schmerzärztin schon mal sowas in der Art, allerdings im Hinblick einer negativen Auswirkung auf meinen Körper, und als ich fragte, ob man das denn nicht messen könne, antwortete sie spontan: "Ja, aber erst, wenn Sie tot sind." Nun ja. E bissl kontraproduktiv, wenn Ihr mich fragt. 
Aber.. Es ist ja nun nicht so, dass mich nichts mehr berührt oder Negatives mich nicht mehr tangiert oder nicht auch verrückt machen würde. Aber wie ich letztens schon erzählte, stelle ich doch immer öfter an mir fest, wie gelassen ich auf vieles reagiere. Ich erinnerte mich auch an eine Schmerztherapeutin, die mich fragte, wie ich Frust und Ärger rausließe. Und ich erklärte, dass ich immer Musik hören würde, wenn mir was zuviel würde. Und sie meinte, das sei ja gut und schön, aber ich müsse es doch auch mal rauslassen. Mach ich doch! Zwar singe ich nicht mit, wenn ich frustriert bin, und abtanzen tu ich dann auch nicht - aber wenn alle vier Wände erzittern ob der Klänge (okay, meist sind es nicht die vier Wände zu Hause, sondern eher der kleine Schwarze auf dem Highway), dann dauert es meist auch nicht lange, bis der Bass auch den allerletzten Funken Frust aus meinen Körper rausgedrumt hat. 

Oder funktioniert das mit der Malerei doch besser als ich dachte? Dass ich noch besser dabei abschalten und runterfahren kann, so dass es einiges mehr bräuchte, um mich aus dem Meer der Glückseligkeit wieder rauszuziehen? 

Wat weet ick. 

Vielleicht ist es ja auch die Gelassenheit des Alters, die mehr und mehr nach mir greift. Wobei.. Gelassenheit des Alters... Der Mann is ja noch n Stück älter als ich und von Gelassenheit kann man bei ihm eigentlich nicht sprechen. Ich meine, wir wissen beide, dass er.. nun sagen wir.. zum Beispiel kein einfacher Beifahrer ist. 
Warum fährst du immer so weit links?
Warum fährst du immer so weit rechts?
Fahr nicht so dicht auf!
Du hast aber schon gesehen, dass hier nur 120 sind?
Wieviel fahrn mer denn... aaaaaah ja....
Du kannst hier gleich links abbiegen.. Links! LINKS! (Mein Navi meinte ja geradeaus, aber was weiß die schon!)

Sein Lieblingsspruch ist dann oft: "Lass mich hier raus, da lauf ich lieber heim!"
Das hat er auch schon auf der Autobahn gebracht, wo ich dann abbremste und fragte: "Jetzt gleich? Hier?" und wir dann natürlich doch gemeinsam weiter nach Hause gefahren sind.
Außer letzten Freitag.
Da waren wir zwar nicht auf der Autobahn, aber mitten im besten Feierabendverkehr mitten in M.
Als sein Blut in Nullkommanix hochwallte und er begehrte, aussteigen zu wollen, hielt ich auch sofort an, er sprang raus, knallte die Tür zu und ich fuhr zackig weiter, ohne mich auch nur einmal umzudrehen, drehte dafür meine Musik auf Wohlfühllautstärke hoch und hangelte mich durch besagten Berufsverkehr nach Hause. Weder ließ ich mich von seiner Laune noch von seinem Spontanfrust runterziehen, ach iwo, die Sonne schien, die Mucke stimmte, ich sang vergnügt mit und war natürlich noch vor ihm daheim. Ob er tatsächlich heimlaufen musste, weil er eventuell die Bahncard nicht dabei hatte, das habe ich auch später nicht gefragt. Gut möglich, dass er laufen musste, denn als er daheim ankam, war seine explosive Stimmung wieder verraucht (Sport macht den Kopf frei, hab ich mir mal sagen lassen) und es konnte die allererste Bratwurst vom niegelnagelneuen Grill in beiderseitiger friedlicher Abend-Stimmung verspeist werden. 

Manchmal denke ich ja, dass wir uns beide sehr, sehr ähnlich sind und genau unsere Eigenheiten uns am anderen nerven. Aber worans auch immer liegen mag - an der nordischen Herkunft, an der Malerei, am Alter oder auch der Kombi aus allem... Ist es nicht doch irgendwie auch eigenartig, dass ich mich überhaupt frage, ob mit mir was nicht stimmt, nur weil ich genüßlich in meinem inneren stillen See ruhe? Denn genau genommen ist es doch eigentlich nix Negatives, wenn man weiß, wo die eigenen Grenzen liegen, man nicht von falschem Ehrgeiz zerfressen wird und auch nicht ständig danach strebt, irgendwas zu sein, das man gar nicht ist? Dass ich zwar meine Ziele habe, aber auch genießen kann, was ich schon erreicht hab, ohne mich ständig neu anzutreiben und nie wirklich zur Ruhe zu finden. Ich mach mir ja wirklich nicht viel aus Alkohol - aber lieber greife ich dann doch zum Weinchen als dass ich mich stressen ließe. 
Wie heißt es doch so schön? "Das Leben ist viel zu kurz für Knäckebrot." Eben! ;)

6 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

"Oder funktioniert das mit der Malerei doch besser als ich dachte? Dass ich noch besser dabei abschalten und runterfahren kann, so dass es einiges mehr bräuchte, um mich aus dem Meer der Glückseligkeit wieder rauszuziehen?"
Ich jedenfalls finde es in jedem Zimmer schön, dass du dir dieses Hobby zugelegt hast.
So ähnlich hat sich mal bei mir im Auto der Sohn benommen - aber nicht, weil ich zu schnell gefahren bin, sondern im Dunklen in einer mir fremden Gegend zu langsam, weil ich nachts nicht richtig gucken kann. Ich war nahe dran, ihn rauszuschmeißen, aber dann hat doch mein mütterliches Herz gesiegt.
Lieben Gruß von Clara

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Und ich freu mich, dass sie so einen schönen Platz bei Dir bekommen haben 😋
Meinem Ältesten war ich auch immer zu langsam - aber die früheren Autos gaben einfach nicht mehr her 😆
„Warum überholste den denn nicht? Jetzt überhol doch mal!“ Das war immer so seine Standard Frage statt der allgemein üblichen „Sind wir schon da?“ 😆

Grit hat gesagt…

Hallo Hellma,
danke für den Lacher am Nachmittag! Die rechte Dame ist wirklich top fit, möchte ich auch bringen, aber .... Ich bewundere Menschen, welche so in sich ruhen,
in keiner Situation die "Nerven" verlieren, ich zähle nicht zu dieser Kategorie.
Was die Malerei anbetrifft, ich bin immer noch hin und weg von Deinen zauberhaften, selbstbemalten Steinen.
Herzliche Grüße, Grit.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Na ja gut - soooo ruhe ich dann auch nicht in mir, dass ich nie die Nerven verlieren tät (hab erst heute gelesen: „Es braucht nur ein kriechendes Auto im Berufsverkehr, um die Illusion zu zerstören, dass ich ein netter und ausgeglichener Mensch sei“ 😆😆)
Danke für das Kompliment 😘

Jiuliena hat gesagt…

In dieser Hinsicht bin ich ganz genau so. Ich finde es wichtig ehrlich zu sich selbst zu sein und sich zu kennen und das tust Du liebe Helma!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja ich finde es echt auch wichtig. Der Selbstbeschiss hat noch niemals zu etwas getaugt - früher oder später kommt das eigene Ich sowieso immer durch. Und was ist dann?
Ne, das wär mir alles auch viel zu anstrengend 😋