Ist er mal nur eine Nacht nicht da, schlage ich mein Nachtlager für gewöhnlich auf dem Sofa auf. Wie um bereit zu sein, im Notfall auf den Balkon zu stürzen und Alarm zu schlagen. Dank der baulichen Gegebenheiten kann man sicher sein, dass der Schrei Risse ins Betonwerk zu bringen vermag. Ein Schallpegel also, um mindestens die umliegenden Familien kerzengerade aus ihren Betten zu katapultieren.
Jedenfalls - geht er auf Reisen, geh ich es auch.
Und wohin ziehts mich, wenn ich kann? Natürlich nach Hause, ans Meer. Das dritte Mal in diesem Jahr - und ich weiß gar nicht, ob die Mama soviel Tochter verträgt? Immerhin hat es auch Jahre gegeben, in denen ich nicht ein einziges Mal dort sein konnte. (Wie ich das überstanden habe, weiß ich allerdings auch nicht ;))
Was doppelt schön war: Ich konnte alle beide Söhne mit einpacken. Das erinnerte an die spontanen Zeiten von einst, als sie noch klein waren. Nur wir drei, zwei Taschen Klamotten, fünf Rucksäcke Spielzeug, Bücher und so. Mit dem digitalen Zeitalter veränderten sich zwar die Beschäftigungsutensilien, jedoch nicht die Menge der mitzunehmenden Sachen. Fünf Geräte, fünf Kabel zum Aufladen, fünf Kabel zum Koppeln, Ladegeräte, Akkus, diverse Spiele (als man(n) noch nicht online zockte), Plüschtiere, Lieblingskissen - ich staunte immer wieder.
Ich staunte also vergangene Samstagnacht wiederholt nicht schlecht, als der Ältere angeschlurft kam, während der Jüngere und ich bereits am vollgepackten Auto warteten - und der Ältere immer noch nen ganzen Arm voll mitbrachte.
"Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?" fragte ich entgeistert. Drei ganze Kissen wollte er noch mitnehmen.
Ohne die ginge es nicht, meinte er.
Solche Allüren kenne ich ja durchaus vom Mann auch: Er kann nur auf seinem Kissen schlafen, ein ergonomisch geformtes Dingsda mit Einsinkfunktion, das die Halswirbelsäule stützt und die Schulter schont.
Vorbei sind die wilden nackten, halt(er)losen und vor allem spontanen Zeiten!
Hoch lebe die geriatrische Ära der Stützstrumpf- und Franzbranntweinfraktion!
Aber äh, ne, ich merke, ich schweife ab.
Was wolltsch sagen, ach so, ja, der Junge also mit den drei Kissen.
Und was soll ich noch sagen: Alle drei Kissen liegen hier sorgsam aufgestapelt VOR seinem Bett. Sein holdes Haupt bettet er hingegen auf das von der Oma bereitgelegte Kissen.
(Aktuell muss man sich aber tatsächlich hüten, ihn anzusprechen; erst recht, wenn man Kritik üben will: Seit er vor ungefähr drei Wochen nun endlich beschlossen hat, das Rauchen aufgeben zu wollen - und der Junge hat wirklich extrem viel geraucht! - kann von einer Zündschnur nicht mehr die Rede sein: Man zündet die Bombe quasi direkt und sofort.)
Die Oma wiederum staunte auch nicht schlecht, als sie uns morgens gegen drei Uhr an der Haustür empfing - und unser Gepäck anmuten ließ, man würde länger als 6 Tage bleiben wollen.
Seither sind 4 Tage vergangen. Der Papa liegt seit drei Tagen mit Fieber im Bett, mag nicht aufstehen, nicht essen. Mehrfach getestet und für negativ befunden, fristet er nun trotzdem sein abgeschiedenes Dasein mit Blick auf das noch grüne Laub vor dem Fenster und dem Fencheltee auf dem Nachtschrank.
Der Jüngere schwächelt inzwischen auch und der Ältere erholt sich nur langsam, aber stetig von der Dauerbelastung eines Vollzeit- und eines Nebenjobs.
Was die Mama und mich gestern spontan entschließen ließ: Wir fahren beide in die nächstgrößere Stadt und gehen bummeln.
Das stellte ich mir so ganz entspannt vor bei Sonnenschein, Käffchen in der Sonne, ausgestreckten Beinen. Vermutlich dachte sich die Mama ähnliches, sie wirkte aufgekratzt und vergnügt. Keiner da, der jammert, man könne nicht mehr laufen oder hätte schlichtweg die Nase voll und wolle wieder heim. Keiner, der misstrauisch die Kreditkarte beäugte, die möglicherweise da und dort gezückt würde.
Sowas entspannt ja auch mich, weil beispielsweise der Mann keine zehn Minuten braucht, um zu befinden, dass die Stadt viel zu voll ist, viel zu viele Menschen in seinen Tanzbereich eindringen und ihn sowieso auch die TascheninderArmbeuge-Mädels ankotzen, die gerne zu dritt oder viert nebeneinanderlaufen, schnattern, nicht gucken und einfach voraussetzen, dass man ihnen aus dem Weg geht, als dass vielleicht auch mal die Platz machen könnten, wenn sie schon den kompletten Gehweg einnehmen. (Nebenbei: DIE nerven mich auch. Vermutlich wissen die nicht mal, wie man Knigge schreibt.)
Insofern war das gestern ein mega entspannter Tag bei Sonnenschein, Käffchen, ausgestreckten Beinen - und ohne Männer mit genervtem Gesichtsausdruck.
Da konnte ich schon auch mal geflissentlich darüber hinwegsehen, dass die Mama oftmals beherzt und spontan und vor allem viel zu zeitig von außen den Vorhang zur Seite riss, mich in meiner ganzen ungebügelten Dreifaltigkeit bloßlegte und fröhlich rief: "Na? Wie siehts aus? Passts?"
Für heute haben wir beschlossen, ans Meer zu fahren.
Wenn die Jungen ausgeschlafen haben.
Ja, es ist 12:43 Uhr - und ich höre erste Stimmen von nebenan ;)
14 Kommentare:
die frau mit dem roten Kleid die den kaffee liebt" ist immer noch meine dauerliebste Lektüre wenns ums geschichten zuhören geht, es ist einfach schön dir zuzuhören...
von früher, gestern und heute und was so alles morgen ensteht, ein Tatsachen-Familienroman voller normaler negebenheiten, aber abenteuerlustig und lebendig unterhaltsam erzählt...
es fühlt sich " Familienleben vertraut an...selbst wenn man es selbst nicht mehr lebt...
...bin gespannt wie die nächsten Tage werden...
lieben Gruß angel
Liebe Clara, der Mann handhabt das genauso stur wie Du - mir selbst fehlt da noch der Wille zur körperlichen Konfrontation ;) Der Mann nämlich zuckt da auch nicht zurück - und berichtet nicht selten, dass er nach dem Zusammenstoß dann komplett überrascht angestarrt würde. Beklagt hat sich bisher noch keine(r). Mir ist es trotzdem nix. :)
Liebe Angel, über Deine Worte hab ich mich echt richtig gefreut: Ganz am Anfang des Bloggens habe ich bei weitem nicht so Persönliches geschrieben wie jetzt - aber ich hab es eigentlich schon damals wie heute empfunden: Schreiben ist wie Erzählen.
Natürlich erzähle ich nicht alles freiweg, nicht alles ist für alle bestimmt. Aber es macht mir Spaß, dieses Spiel mit dem Wort. Das Greifen und Sortieren der Gedanken - und richtig schön ist es vor allem dann, wenn sich jemand findet, der das mag :)
liebe Helma, das freut wiederum mich dass du das sagst und ich empfinde deine kleinen oder größeren - ich nenne sie mal Tagebucheinträge wunderbar, so leicht und flügelig wie sie geschrieben sind als würdest du mir - mitten im Gespäch gegenübersitzen und wir würden gemeinsam über ähnlich Erlebtes lachen...
ich weiß das ist selten bei den Bloggern sein " schreiben so zu sehen geschweige denn selbst zu handhaben, umso lieber hab ich es gelesen- wenn sich einer auch mal sein gemüt und seine Emotionen dazu frisch und frank, frei von der Seele schreibt und dabei nicht so platonisch bleibt.
Es steckt viel Leben in deinen erzählungen und selbstverständlich ist genauso klar, dass man für sich wichtig persönliches auslässt und nicht sein innerstes Gefühl für die Leser ausbreitet nur, ist der Spagat manchmal nicht so ganz einfach die goldene Mitte zu finden...
ja schreiben ist in der Tat wie erzählen und reden miteinander und das mache ich genauso gerne wie du, obwohls auch oft missverstanden wird...oder mehr hineingelegt wird als da steht"! :-))
herzliche Grüße in deinen Morgen
Angel
Für Eure Tage an der See wünsche ich Euch ganz einfach nur gute Erholung. Aus Deinen vielen Geschichten weiß ich ja, dass es nicht nur eine Rückkehr zu Deinen Wurzeln ist, sondern auch, dass Du dort den Quell hast, aus dem Du Kraft schöpfen kannst. Also genau das, was Du jetzt brauchst. Deshalb: Seele baumeln lassen und wohlfühlen!
Liebe Angel, ja, das ist ein Phänomen, das auch mir schon öfter passiert ist: dass meine Worte, meine Offenheit missverstanden werden ;)
Aber ich fühl auch, dass ich mich verändert habe. Heute bin ich nicht mehr so ein offenes Buch wie früher. Heute mache ich ganz viel mit mir selber ab.
Früher habe ich von mir immer gesagt: Ich sage nicht alles, was ich denke, aber wenn ich es sage, meine ich auch so.
Das stimmt heute immer noch. Nur dass ich heute noch weniger ausspreche, was ich denke ;)
Lieber Lutz, ja, so empfinde ich es einfach immer, wann immer ich nach Hause komme: Da nehme ich meine Kraft her.
Vielleicht auch deshalb war ich allein in diesem Jahr jetzt das dritte Mal dort.
Hallo Hellma,
Deine Zeilen habe ich nur so verschlungen und bei:
"Hoch lebe die geriatrische Ära der Stützstrumpf- und Franzbranntweinfraktion!"
musste ich einfach laut lachen, zustimmend nicken und much freuen, dass ich nicht die Einzige bin, welche mit dem ganzen "Sanitätshaus- Equipment" verreist. :)
Ich hoffe ihr habt/hattet eine wundervolle, erholsame Zeit an der Ostsee. Ich hoffe das Einkaufen mit Deiner Mutti war erfolgreich!?Mit meiner Mutti "Shoppingtouren" zu unternehmen funktionierte noch nie, sie ist da sehr pragmatisch und etwas ungeduldig. :) Mein Mann eignet sich hervorragend dazu, sozusagen mein wandelnder Kleiderständer, wie ich ihn an solchen Tagen immer liebevoll nenne. :) Ich schick' Dir viele liebe Grüße! Herzlichst, Grit.
Sanitätshaus-Equipment! Grit, das wird mein Schlagwort, wenn der Mann das nächste Mal einen Koffer packt :D
Oh ja, die Woche da oben war wirklich richtig schön - grad für die Seele. Sohn 2 merkte noch an: "Hier ist die Welt irgendwie noch in Ordnung." (Man kann eine Großstadt sicherlich nicht mit dem Leben auf einer Insel vergleichen - aber ich fühle genau, was er meint.)
Nicht umsonst träumen wir alle den Traum eines Mehrgenerationenhauses - und Sohn 2 fügte hinzu: "Du weißt, wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt habe..." ;)
Also mein Mann eignet sich zum Shoppen echt überhaupt nicht. Er hat zwar ein richtig gutes Auge und weiß auch genau, was sich als Fehlkauf erweisen wird - aber er hat einfach keine Geduld mit anderen Menschen. Und dann kann er sehr ungnädig werden :D
Liebe sonnige Grüße aus M zurück :)
Die Meinung Deines Sohnes kann ich sehr gut nachvollziehen: "Hier ist die Welt irgendwie noch in Ordnung." Natürlich ist das Leben auf einer Insel nochmal noch ein ganz anderes Leben als auf dem Festland. In eines Deiner früheren Beiträgen hattest Du mal erwähnt, dass es es sich um Rügen handelt. Hier ist die Verkehrsanbindung ja anders als z.B. Hiddensee, wo autofreie Zone ist... Ich wohne ja auf dem Dorf (450 Einwohner) und komme aus einer Kleinstadt (8000 Einwohner). Das ist auch ein ganz anderes Leben als in einer Großstadt. Mehrgenerationenhaus finde ich im Prinzip gut, die Harmonie und das Verständnis unter allen Personen muss aber gegeben sein. Hier bei uns in Sachsen regnet es, zumindest in Mittelsachsen. :);) Herzlichst, Grit.
Liebe Grit, Mittelsachsen klingt gut :) Meine Wohnung in L ordne ich ja auch immer noch in Mittelsachsen ein - aber vermutlich ist das schon Westsachsen ;)
Also Hiddensee wäre mir persönlich dann doch zu einsam. Da muss man schon seeeehr naturverbunden oder wahlweise geborener Eremit sein, um das zu mögen. Autofrei prinzipiell ja, es sei denn, du hast ein E-Auto. Dann darfst Du damit dort fahren. Ansonsten kann man auch - ganz oldschool - die Kutsche nehmen :D
Na das Mehrgenerationenhaus sollte in jedem Fall so eines sein, worin mehrere einzelne abschließbare Wohnungen sind. Wir stellen uns das eher so vor: Im EG die Großeltern, im Zwischengeschoss die Kinder mit ihren Familien und unterm Dach der Mann und wir. Will der Mann so - aber kann man ja variabel umziehen, wenns die Knie nicht mehr machen *kreisch*
Alles andere wäre uns allen nix - so hätte jeder seine eigene Wohnung - aber wenn jemand mal Hilfe braucht, sind alle da. Spätestens abends :) Und das hätte den Charme, dass gerade im Alter die Menschen nicht alleine (und damit nicht so angreifbar) sind.
Aber sowas zu finden, ist echt schwer. Zumal die finanzielle Belastung eher auf dem Mann & mir sowie Sohn 2 & der Freundin lasten würde, weil wir von allen am besten verdienen. Alle anderen Beteiligten würden eher ihren Obolus entrichten ;)
Die Mama meinte dazu vor ein paar Tagen, dass sie ja Lotto spielen, der Papa und sie.
Da musste ich echt lachen. Das spielen sie schon, seit ich Kind war. Bis heute haben sie vor allem Erfahrung gewonnen, ansonsten nur so, dass die Kosten wieder reinkamen. :)
Aus eigener schmerzhafter Erfahrung kann das mit dem Knie ganz schnell gehen. 14 Tage hat es nur "richtig gekracht", danach hat es sehr, sehr schmerzhaft gekracht und es war eine Mikrofrakturierung fällig. Danach 2 Krücken und 10kg Teilbelastung für 6 Wochen. Es hat ewig lange gedauert und schmerzfrei bin ich bis jetzt nicht. Wir leben auf mehreren Etagen und in dieser Zeit hätte ich mir ebenerdig oder Fahrstuhl gewünscht, nunja...
Mein liebstes Transportmittel im Haus war der Rucksack. Also liebe Helma, doch nicht die Dachgeschoss-Wohnung. *lach* Mit dem Lotto spielen ist das so eine Sache..., aus diesem Grund spielen wir nicht, wir haben noch nie etwas gewonnen, nur an Erfahrung, wie man so schön sagt.
Liebe Grüße. Grit
Du hast so einen schönen Schwung in deiner Schreibe. Also, wollte ich nur mal anmerken. Ich lese gern hier.
Danke Herr Glumm :) Dass DAS von Dir kommt, von einem, dessen Schreibe ICH ehrlich bewundere, freut mich wirklich sehr!
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