Freitag, 2. September 2022

Das kleine Licht der Geborgenheit


Solange ich zurückdenken kann, habe ich Angst vor der Dunkelheit.
Vielleicht könnte ich ergründen, woher das kommt, jedoch erspare ich mir das. Gut möglich, dass ich mit dem, das ich erfahre, gar nicht umgehen kann.

Letzte Nacht lag ich eine Weile noch wach. Ich dachte an meine Großmutter, bei der ich jeden Sommer meine Ferien verbrachte. Die Großmutter, bei der ich Kartoffelkäfer von den Blättern sammelte, Frösche im Teich fing, nur um mir diese genauer anzuschauen und anschließend wieder freizulassen, auf Bäumen herumkletterte oder mit ihr in den kleinen Kaufmannsladen gegenüber ging, um Spritzringe einzukaufen. 
Als ich noch ganz klein war, schlief ich zwischen ihr und dem Opa.
Als ich etwas älter wurde, schlief ich auf dem kleinen Sofa in der guten Stube, Tür an Tür zum Schlafzimmer der Großeltern.
Nur selten vorbeifahrende Autos warfen ihre Lichtkegel an die gemusterte Tapete, malten ihre Fratzen an die Wand. 
"Ich lass die kleine Lampe auf meinem Nachttisch an und die Tür einen Spalt breit offen", versprach die Großmutter - und hielt sich auch jede Nacht daran. Dann lag ich auf diesem kleinen Sofa und solange ich nicht einzuschlafen vermochte, schaute ich auf den schwachen Schein dieser kleinen Lampe mit diesem wundervoll warmen Licht. Es schenkte mir Sicherheit. Und es schenkte mir Geborgenheit. Ich fühlte mich so unfassbar wohl und sicher mit diesem kleinen Lichtschein.
Bis heute liebe ich sanftes Licht. Indirektes Licht. Und denke, dass es irgendwie doch auch interessant ist, woher wir so manche Eigenarten haben...

In unserem Badezimmer habe ich irgendwann eine Bodenvase aus Glas aufgestellt, sie mit Muscheln aus Dänemark befüllt und dazwischen eine Lichterkette verteilt, so eine mit kleinen milchigen Gläsern und einem wunderbar sanften Licht. Der Mann hat diese Lichterkette an einen Bewegungsmelder angedockt, so dass wir nachts nirgendwo mehr Licht machen müssen, wenn wir das Bett verlassen und in das Badezimmer tappen.
Und ich.. ich liebe ganz sehr diesen Moment, wenn ich das Badezimmer verlasse, das unserem Schlafzimmer direkt gegenüber liegt, die Tür einen Spalt geöffnet lasse und mich in mein Bett zurücklege. Dann schaue ich so lange auf die Badezimmertür, spüre die Behaglichkeit, die dieser Anblick der Fliesen und der Waschmaschine in diesem sanften Licht in mir auslöst - und wenn das Licht erlischt, schließe ich die Augen.
Dann fühle ich mich wohl, dann fühle ich mich sicher. Dann fühle ich mich unbesiegbar..

In den Zeiten wie diesen, die wir aktuell haben, wünschte ich, jeder hätte irgendwie (s)ein Licht, auf das er schauen kann - und das ihm Zuversicht, Geborgenheit vermittelt - und dieses Gefühl, dass vielleicht ganz bestimmt doch eines Tages alles wieder gut wird.

4 Kommentare:

angelface hat gesagt…

oh welch ein schöner poetisch sanfter gänsehautverursachender Post. Es gefällt mir gut wie du deine Empfindungen beim Anblick dieses kleinen sanften Lichtes beschreibst.
er strahlt eine unendliche Ruhe aus und deine Erinnerungen rufen sogar bei mir " alte Bilder " von früher wach obwohl ich an meine Großmutter keine so zarten schönen Erinnerungen habe,
Schade, und leider...:-))
....
aber danke,.... sehr sehr danke...
lieben Gruß angelface

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

♥️

Ursula hat gesagt…

Ich mag es wenn es dunkel ist und ich Kerzen und lichterketten leuchten lassen kann, ich mag es aber auch frühmorgens aufzustehen und es ist hell. Sowie vor zwei Wochen am Meer, über die Straße und Sand unter den Füßen. Das war einfach und schön.

Ich mag es grundsätzlich wenn es morgens hell ist und ich aufsehen muss. Ist jetzt ja wieder anders. Der Wecker klingelt um 6 und da ist noch dunkel und abends wird es ja auch schon früh dunkel.

Ja ein Licht für uns alle das wäre nötig und noch mehr Licht in die Köpfe der Politiker und die meinen was zu sagen haben.
Ist ja gruselig was gerade abgeht.

Herzliche Grüße Ursula

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, ich liebe die Dunkelheit, solange ich mich sicher fühle. Sie hat etwas wunderbar Melancholisches, das ich sehr liebe. Aber ich liebe auch den Morgen - weil meinem Gefühl nach jeder neue Tag etwas mit sich bringen kann, das sich gut und schön anfühlt.
Ja, es ist absolut gruselig, was aktuell vor sich geht. Ich empfinde als ebenso gruselig, wie bisher vertretene Werte einfach so ins Nichts aufgelöst und in ihr Gegenteil verkehrt werden - und dass das niemanden zu interessieren scheint. Ich frage mich, wo die Grenze ist - für beide Seiten. Und was es bedeutet, wenn diese Grenze erreicht ist :(