Dienstag, 26. Juni 2012

The Living Years

Als ich gestern Abend heimkehrte, schlapp, müde, im wahrsten Sinne des Wortes ausgekotzt, da verlangte es mich nach nichts mehr außer Ruhe und Schlaf. Das hat sogar funktioniert, ich schlief mit einer Unterbrechung wohl so um die zehn Stunden.
Das neue Sportstudio jedenfalls hielt nicht, was es versprach; deutlich weniger Kurse und irgendwie wollte sich auch nicht so recht ein Wohlfühlgefühl einstellen. Aber nun gut, in meiner ohnehin angeschlagenen Verfassung hätte mir vermutlich nicht mal The Palace of Wind oder so gefallen. Ich nehm einfach morgen den nächsten Anlauf.
Jedenfalls fühlte ich mich heute den ganzen Tag über nicht viel besser, außer dass der Magen nicht mehr so entsetzlich brannte. Tapfer stand ich einen Tag im Büro durch, beschwatzte den Chef, heute kein Protokoll mehr zu schreiben, das mich etwa eine halbe Überstunde und unverhältnismäßig mehr Energie gekostet hätte  - und fuhr nach Hause.
Ehrlich gesagt, hatte ich schon gehofft, dass die Jungen heute am Geschirr nicht nur vorbeigelaufen, sondern es bei dieser Gelegenheit auch gleich in die Vitrine gestellt hätten; hatte ich gehofft, dass sie ihr Zimmer weisungsgemäß in Ordnung gebracht hatten (und wenn ich sage: in Ordnung, dann meine ich auch IN ORDNUNG und nicht, dass Klamottenhaufen von der linken in die rechte Ecke gestapelt, diverse Papier- und sonstige Abfälle unter dem Bett statt im Eimer und diverse Zigarettenhüllen von Junior I vom Boden auf die Kommode gehäuft werden) und dass sie einfach nur mal... etwas für mich getan hätten... wie ein Abendessen zubereiten zum Beispiel.
Ich kam also heim, immer noch müde, immer noch wahrlich ausgekotzt und mit heißem, ultra schmerzendem Kopf, der sich irgendwie doppelt so groß anfühlte, und ich war zwar müde genug, nicht sauer, aber nicht müde genug, um doch enttäuscht zu sein.
Das Geschirr stand natürlich immer noch da, das Zimmer nur halbherzig aufgeräumt - wie halt schon beschrieben - und das Essen darf Mutti allein zubereiten.
Junior I lernt für irgendeine extrem wichtige Arbeit und Junior II schreibt an einer extrem wichtigen, mehrseitigen Schulaufgabe, die morgen abzugeben ist - und ich überlege mir gerade, mit welcher extrem wichtigen Ausrede eigentlich ich aufwarten könnte.

Doch dann... passierte etwas, das beinah täglich passiert: Ich drehte die Musik an und fand beinah sofort einen Titel, den ich schon seit mindestens zwanzig Jahren liebe und bei dem ich noch immer und immer wieder Gänsehaut bekomme...




Und ich las nebenbei beim Zubereiten des Abendessens in einem der "Most recent Blogs", den ich jetzt und hier jedoch nicht wiedergeben möchte, weil ich weiß, dass ab und zu eine junge Frau mitliest, die sich gerade auf ihr erstes Kind freut und ich möchte sie nicht mit fremden Geschichten belasten; aber in Summe des Ganzen fragte ich mich nicht zum ersten Mal:
Helma, worüber regst du dich eigentlich immer auf? Scheiß doch auf das bisschen Unordnung im Zimmer - sei froh, dass die Jungs da und wohlbehalten sind. Du weißt, wenn du sie brauchst, sind sie da, fertig. Und überhaupt: Junior II ging dir gestern Abend bis zum Einschlafen nicht von der Schmusewange, weil er spürte, wie mies es dir ging; und wie besorgt er heute Morgen fragte: "Bist du sicher, dass du in die Arbeit gehen willst?"
So eine Zimmertür kann man zumachen, wenn man das Elend nicht sehen will, und auch absperren, falls Besucher kommen sollten.
So ein Essen ist dank Resteessen vom Vortag in fünf Minuten serviert, und die paar Pancakes zum Nachtisch schaffst du dank Toaster in zehn Minuten.
Und hast du es nicht auch genossen, wenn du noch heute, mit deinen über vierzig Jahren von der Mama verwöhnt und bekocht wirst, kaum dass du durch die Tür kommst?

Jedenfalls... habe ich darauf verzichtet, feuerspeiend an der Zimmerdecke zu kreiseln und meinen Unmut herauszulassen, ich hab vielmehr den Tag zum Anlass genommen, den einen oder anderen zu sagen oder zu zeigen, wozu ich in den letzten Wochen vielleicht weniger die Zeit fand.

I wasn't there that morning
when my father past away.
I didn't get to tell him
all the things I had to say.
...
Say it loud say it clear -
You can listen
as well as you hear.

Nun. Hab ich gemacht.
Manchmal ist eben nicht alles nur Kopfsache.
Manchmal ist nicht alles nur ein Ding,
das der Geist ohne den Bauch klären darf.
Wenn der Körper am Boden liegt,
will die Seele sich anlehnen. Dürfen.

"Manchmal ist das anstrengend mit dir."

Ich denke besser gar nichts mehr.
Noch besser: Ich fühle heute Abend gar nichts mehr.
Und stelle jegliche Musik aus für heute.
Besser ist das. Für mich.

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