Donnerstag, 9. April 2015

Produktiv sieht anders aus

..jedenfalls habe ich das Gefühl, heute nicht viel geschafft, bewegt zu haben. Oder vielleicht doch? Gegen Mittag habe ich dann doch noch mal Sohnemann angerufen - und ihn auch erreicht.
Was er gerade gemacht hat? Sein Zimmer in Ordnung bringen. Das empfand ich nun wirklich als positiv. Nicht nur im Hinblick auf die Ordnung selbst (das Chaos in der Wohnung ist mir ja schließlich wohlbekannt), sondern vor allem deshalb, weil es mir vermittelte: Er lässt sich eben nicht hängen. Er ist traurig, enttäuscht, frustriert - aber hängenlassen? Nee.
Er hat alle Unterlagen zusammengesucht, die er morgen braucht, wenn er zum Amt fährt.
"Ich will gleich einer der ersten sein, bevor alle anderen kommen."
Also fährt er 7.14 Uhr mit der Bahn, die Bahnkarte hat er sich gleich heute noch besorgt, bevor er zum Nebenjob antrat.
Was ich auch noch nicht wusste: Die Zeitarbeitsfirma, die ihm den Job zur letzten Arbeitsstelle vermittelt hatte, steht nach wie vor in Kontakt mit ihm. Oder er mit ihr.
"Wenn ihr so einen guten Draht zueinander habt, dann ruf die doch mal an, aktivier deine letzte Bewerbung vom Juli?"
"Ja will ich auch", sagte er, "ich hab mir extra die Nummer gespeichert. Aber eins ist klar: Callcenter mache ich jetzt nicht mehr. Mir reicht das."
Was beim Telefonat rausgekommen ist, weiß ich noch nicht. Will ihn auch nicht dauernd löchern. Wenn er etwas hat bzw. weiß, wird er mir das sagen.
Und wir haben zwei Bewerbungen fertiggestellt und abgeschickt, per E-Mail. Auf eine wurde schon reagiert - sie melden sich, sollte er in die engere Wahl kommen. Natürlich heißt das nix, das ist klar. Aber es bedeutet: Aufstehen, Knie abputzen, weitergehen.
Es tat gut, ihn heute so zu hören, ihn reden zu lassen, über dieses und jenes, über den Ärger, den Frust, sei es mit der Firma oder auch anderen Dingen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er Frust und Ärger rausließ - aber dass irgendwie auch die Anspannung von ihm abfiel.
Und er macht Pläne, wie er was regeln will in der nächsten Zeit.
Ich bin so verdammt stolz auf ihn. Ich hörte ihn förmlich schmunzeln, als ich ihm das sagte.

Und Junior II? Der plagt sich gerade mit seinem Vater. Weil der ihn letzten Samstag einlud - und Sohnemann absagte: "Du, das klappt bei mir nicht, ich hab da schon was vor, das kann ich nicht mehr verschieben."
Vor zwei Tagen muss es dann wohl etliche böse Nachrichten geregnet haben. Die meisten Aussagen wehrte Junior mit einem Satz ab: "Warum meldest du dich nicht eher, wenn was ist? Ich kann doch nicht immer gleich springen, wenn du mit dem Finger schnippst, ich hab doch auch mein Leben."
Doch was ihn wohl am meisten getroffen hatte, war die Aussage: "Aber ok, du kommst auch nur, wenn du was brauchst."
Über diese Aussage war übrigens auch ich verblüfft. Seit über zwölf Jahren lebten Sohnemann und ich im eigenen Haushalt. Unterstützung vom Vater - ob seelisch, moralisch oder finanziell - gab es von Anfang an nicht.
Sie sahen sich wochenlang nicht, weil der Vater ja immer im Schichtdienst arbeiten musste und an seinen freien Tagen auch mal Zeit für sich brauchte und in der anderen Zeit damit beschäftigt war, mein Leben zu verfolgen und mit den Söhnen auszuwerten.
Der Junge liebt seinen Vater, sie beide lieben ihn - aber getan hat er nichts für sie. Er findet nicht mal einen 10 km-Weg zu ihnen, wenn er das nicht mit irgendwas für ihn Nützlichem verbinden kann. Solange ich noch da war, sowieso nie, aber auch seit ich fort bin, nicht. Das zum Beispiel habe ich auch nie verstanden: Wohnte ich in der Nähe, würde ich mich schon ab und an zu einem Käffchen bei ihnen einladen (und als Gegenleistung bügeln und so ;)) oder sie an den Wochenenden immer mal zum Mittagessen einladen, damit sie wenigstens dann was Ordentliches in den Magen kriegen. Und der Vater? Seit einem dreiviertel Jahr bin ich weg - zum Essen eingeladen hat er sie genau zweimal: zu Weihnachten und zu Ostern. Ich meine, es geht doch nicht nur um den Akt an sich. Sie zu sich einzuladen bedeutet doch vor allem, ein Stück weit an ihrem Leben teilhaben zu können. Dass sie was von sich erzählen, einfach so. Dass man sich was erzählt.
Entsprechend reagierte der Sohn: "Wann habe ich dich je um irgendwas gebeten? Wann habe ich je irgendwas von dir bekommen? Ich glaube, du verwechselst da was. Hast du mich jemals gefragt, ob und wie ich oder wir hier zurechtkommen in der eigenen Wohnung? Ob wir Hilfe brauchen oder obs überhaupt irgendwas gibt?" Nein, hat er nicht. Wenn was ist, kommen die Jungen zu mir. Auch über 430 km hinweg lieber zu mir. Der Vater hingegen erwartet, dass die Jungs ihn fragen, ob alles ok ist oder ob er irgendwas braucht. Der arme Mann. Weder alt noch gebrechlich, krank ist er auch nicht - aber gefragt werden möchte er. Haben möchte er das, was er selber nicht gibt.
"Ich hoffe und ich wünsche dir, dass du das eines Tages nicht bereust, wie du auftrittst", habe ich vor Jahren mal zu meinem Ex gesagt, "ich hoffe und ich wünsche dir, dass deine Söhne sich nicht irgendwann mal abwenden oder sie keine Lust mehr darauf haben, zu dir zu kommen. Nicht sie müssen was für dich tun. Ihr müsst für euch was tun, nehmen und geben." Hat er nie begriffen. Oder er hats begriffen und trotzdem nie gelebt - der Effekt ist wohl derselbe.

Und so tragen sie beide gerade ihr Paket, die Jungen. Der eine jobmäßig, der andere mit dem Vater, der dem Jungen gestern schrieb: "Für mich hat sich das mit dir erledigt."
Mir dreht sich da der Magen um - aber nur im Hinblick auf den Jungen. Wie sich das für ihn anfühlen muss. Wenigstens erzählt er mir das. So kann man seine Wogen glätten, sein Gemüt beruhigen - und seine Seele wieder in die richtige Lage bringen.

Und dann habe ich doch noch die restlichen to dos auf der Büroliste abgearbeitet. War nicht viel. Aber alles abgehakt.
Vielleicht war ich ja doch produktiv. Wenn nicht, ist es auch wurscht. Morgen ist Freitag. Und dann Wochenende. Ein wunderbares Frühlingswochenende. Da können mich alle Dämonen mal kreuzweise.

13 Kommentare:

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Hallo Helma, schön, dass es Junior I wieder besser geht. Ich finde es gut, dass er nicht mehr ins Callcenter will, es bringt ja doch nichts, wenn die sich so ins Hemd machen wegen ein ein oder zwei Minuten. Man muss sich sowas echt nicht öfter geben.

Tja, das mit Junior II und dem Vater ist schon traurig. Ich frage mich auch oft, wie man als Elternteil so zu seinem Kind sein kann. Da bleibt mir nur ein Kopfschütteln.

Richtig, pfeiff auf die Dämonen, das erste Frühlingswochenende (jedenfalls hier das erste) steht vor der Tür, das gilt es in vollen Zügen zu geniessen :-))

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma, nun sitze ich hier mit Gaensehaut und Tränen in den Augen. Dein armer Junge. Das mit seinem Vater. Ganz schrecklich:( Was ist mit einer Ausbildung? Hat er da schon seine Fühler ausgestreckt? Ich verwechsle deine Jungs immer und weiß jetzt nicht mehr genau...
Alles Gute für ihn!
Summer <3

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, ja, ich bin auch sehr, sehr erleichtert. Dass er nicht mehr ins Callcenter will, kann auch ich nachvollziehen. Wenn ich mich so umhöre, ist es wohl tatsächlich Methode, die Leute kurz vor Ablauf der Probezeit nach Hause zu schicken. Und Junior selbst hatte mal festgestellt: "Von denen, die mit mir angefangen haben, ist keiner mehr da. Ständig kommen neue, die anderen gehen oder schmeißen hin."
Und Junior II: Ich finde immerhin gut, dass er seinem Vater auch offen, klar und direkt die Meinung sagt - ob ihm das passt oder nicht. "Für mich hat sich das mit dir erledigt" hat er schon oft gesagt/ geschrieben, aber natürlich ist das nicht so. Doch beide sind dann stur, sehen und hören sich dann monatelang nicht. Und wer vermittelt zwischen beiden? Junior I.

Liebe Summer, ich glaub, Du sortierst das schon richtig ;) Junior II ist der, der demnächst den Sozialassistenten abschließt (als Voraussetzung für den Erzieher, doch das will er nicht mehr werden). Sein Plan sieht vor, anschließend 1 Jahr arbeiten zu gehen, im Oktober die Wiederholungsprüfung bei der Polizei anzutreten in der Hoffnung, ab September 2016 diese entsprechende Ausbildung zu machen. Falls das nicht klappt... hat er noch keine Alternative. Denn für den Sport- und Fitnesskaufmann fehlt ihm das Abi und ohne weiterführendes Studium sind die Jobaussichten da ganz mau. Er überlegt noch... Nur für den Fall, dass das im Oktober auch nichts wird.

ganga hat gesagt…

Liebe Helma,
ich bin schockiert über die SMS des Vaters an Sohn II. Einfach nur schockiert. Ja, zum Glück erzählt er dir das und kann so den Schmerz und die Wut oder Enttäuschung über diese absolut nur Ich bezogene Aussage leichter tragen.

Sohn I halte ich die Daumen, für die Bewerbungen. Das wird schon, er ist ja ein Kämpfer!

Liebe Grüße
ganga

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Da hat sich ja der Herr Vater wieder ein echtes Parade- oder besser Husarenstück geleistet.
A....loch, viel scheint der Sohn an ihm nicht zu verlieren.
Gute Nacht!!!!!!

Anonym hat gesagt…

Habe gestern bewusst nicht kommentiert, weil ich beim Lesen gewissermaßen auf 180 war - und dabei handelt es sich nicht mal um meinen Junior. ;)

Aber das, was der "Erzeuger" da abzieht, das geht doch auf keine Kuhhaut mehr. Kann dieser Mensch eigentlich noch in den Spiegel schauen?! Und im Alter ist er wahrscheinlich derjenige, der nach seinen Söhnen schreit...



Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Anna, doch, er ist davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Als er dem Jungen schrieb "..alle schütteln den Kopf über dich" und "..alle sagen, das geht gar nicht, was du da abziehst", da hab ich zum Sohn gesagt "Ruhig Blut. 'Alle' sind A. (die Lebensgefährtin meines Ex), das kennen wir doch nun."
Schade nur, dass A. kein Mensch ist, der vermittelt, ausgleicht - oder sich wenigstens zurück- bzw. raushält. Sie ist leider Gottes noch einen Zacken "schärfer" als mein Ex. An der Stelle sage ich immer "Da hat sich echt gefunden, was zusammengehört."

Anonym hat gesagt…

Kann man sich bei der Polizei in mehreren Bundesländern gleichzeitig bewerben? Oder wuerde das keinen Sinn ergeben? Ich meine wegen der erhöhten Chance genommen zu werden... was ist mit einer anderen Ausbildung im öffentlichen Dienst? Viel Viel Kraft und Erfolg! (Praktikas sind ja ab drei Monaten auch bezahlt. Vielleicht bekommt er eines bei der Polizei oder ähnliches? !) Lieber Gruß, Summer

lautleise hat gesagt…

Da frage ich mich aber, wie DU an diesen Mann geraten bist???

Aber, wie sagt meine Rechtsanwältin sehr klug:
Danach weiß man immer alles besser...

Liebe Grüße aus der Küche - Wolf

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Summer, Ausbildungsplätze bei der Polizei gibt es wohl genug. Es sind die Auswahlkriterien, an denen man scheitert - gesundheitlich oder sportlich. Denn der Wissenstest ist wohl, wenn man Junior glauben darf, ein Klacks. Gesundheitlich weiß ich, dass man z. B. nicht mehr als 0,5 Dioptrien haben darf, oder keine Wirbelsäulenverkrümmung. Keine Allergien oder sowas.
Was heißt: Er muss erst mal sämtliche Tests bestehen. Dann nehmen sie ihn auch. Und das sehen wir dann im Oktober..

Lieber Wolf, das zu beantworten würde zu persönlich werden. Sei mir bitte nicht böse, dass ich das nicht hier teilen möchte.
Aber ja: Hinterher ist man immer schlauer. Sollte es jedenfalls sein ;)

lautleise hat gesagt…

Liebe Helma - bitte entschuldige meine Frage.

So eine Frage stellt man nicht in die Öffentlichkeit.

Ich Esel!!!

LG - Wolf

Lascincoies hat gesagt…

Liebe Helma, hoffe Du hattest doch noch ein tolles Wochenende und hast Dir die Sonne aufs Gesicht scheinen lassen. Was war kann man eh nicht mehr ändern, nur daraus lernen und es besser machen. Und vorwärtsgehen ist immer besser, von daher seid Ihr alle 3 auf dem richtigen Weg!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Lieber Wolf, doch, na klar darf man sowas fragen - muss ja nicht immer so ne Geschichte dahinter stecken, die man eben nur nicht erzählen kann und will.

Hey Lasci, ja, die Sonne schien mir mitten ins Gesicht - und mir gings auch besser. Wie Du sagst: Ändern kann man Vergangenes eh nicht, das belastet mich jetzt auch nicht wirklich. Nicht mehr.
Nichtsdestotrotz bin ich doch immer wieder erschüttert, wenn ich so zu hören bekomme, was Mann so von sich gibt - und dann hinzufügt: "Ich muss mich jetzt um Wichtigeres kümmern als um dich, ich muss mich um T. kümmern."
Dass ich nicht lache. Nicht nur, dass es das erste Mal wäre. Es ist auch so, dass dort lediglich Worte fließen. Worte, keine Aktionen. Mehr nicht. Leider.