Dienstag, 1. September 2015

Fünf Tage

Fünf Tage, na genauer gesagt, sechs Tage war ich jetzt in L. Habe ein sehr entspanntes Wochenende mit meinen Söhnen gehabt, gekocht, gebacken, zugehört, zugesehen, unterstützt.
Gestern Abend, als ich nach der Exmatrikulationsfeier mit Sohn II zurück nach M fuhr, war ich müde und zugleich hellwach. Ein merkwürdiges Gefühl. Die Musik, die ich für gewöhnlich zum Autofahren höre, habe ich ausgeschalten, dafür Musik gehört, die ich für gewöhnlich nachts höre, wenn ich allein bin. Weil ich es liebe, wie Klaviermusik durch einen Raum perlt und die Brandung in mir beschwichtigt, bis sich auf der Wasseroberfläche nur noch Kreise ziehen.... In Bewegung bleiben also und dennoch.. zur Ruhe finden.
Den ganzen Sonntagnachmittag habe ich mit einer Freundin verbracht. Sie, die mit wenigen Worten den Finger dahin legt, wo es richtig weh tut. Zart und mitfühlend fragt sie, und trotzdem schmerzt es.
Bist du glücklich so wie es jetzt ist?
Fühlst du dich auf dem Weg geradeaus oder eher an einem Scheideweg?
Was konkret tut dir gut, was tust du für dich? Ist es das Bloggen?
Für mich war es irgendwie... schwierig, diese Fragen zu beantworten. Wohl nicht so sehr der Wortfindung wegen. Eher... Es ist schwierig, etwas zu beschreiben, das einem eher im Bauch herumgeht als im Kopf. Sehen, hören, fühlen - die Summe all dessen nicht ordnen, nicht bündeln zu können. Nicht filtern zu können. Die Haut zu dünn. Der Kopf zu voll. Das Herz birst.
Drei Fragen - und der Dunstschleier um mich herum zerreißt.
Ich weiß, dass ich ihr bedingungslos vertrauen kann. Dass ich alles sagen kann, ohne dass sie je ihre Freundschaft zu mir in Frage stellen würde. Ohne dass ich Gefahr laufe, missverstanden zu werden.
Ich glaube, sie hat mich verstanden, auch wenn diese fünf gemeinsamen Stunden letztlich zu wenig sind und waren, gemessen an der Zeit, die wir uns nicht sahen.
"Ich fühle mich so zerrissen", habe ich gesagt, "aktuell. Ich fühle mich hin und her gerissen zwischen dem, was von mir erwartet wird, was von mir gefordert wird, ob beruflich oder privat. Beruflich habe ich mir eine Position erarbeitet, in der das mir gegebene Vertrauen die wohl größte Anerkennung darstellt. Nur weiß ich manchmal gar nicht mehr, ob ich die Last dieser Verantwortung tragen kann. Oder wie lange ich sie tragen kann? Werde ich ihr gerecht? Kann ich ihr überhaupt gerecht werden? Ich frage mich nicht, was hinter meinem Rücken über mich gesprochen wird, aber ich frage mich, ob ich den Pflichten und der Verantwortung gewachsen bin. Und privat... Vor Jahren habe ich meinen Söhnen mein Wort darauf gegeben, dass ich immer für sie da sein werde. Vor meinem Umzug habe ich dieses Versprechen auf ein Papier gesetzt, habe einen Plan aufgestellt, wer was wie viel trägt. Ja, ich trage den Löwenanteil, aber ich trage ihn auch aus dem Gedanken heraus, dass insbesondere Sohn II sich auf seine Ausbildung konzentriert. Ich weiß, dass es ihnen gut geht damit. Vielleicht geht es insbesondere Sohn II auch zu gut? Fordere ich ihn zu wenig? Ja vielleicht. Doch was ich gebe, gebe ich, weil ich es kann. In meinem Kopf summiere ich nicht auf, was ich gebe und wie viel. Ich gebe das, was ich kann, was vertretbar für mich ist und was es braucht, um den Jungen auf den Weg zu bringen, den er sich für sein Leben vorstellen kann. Nie niemals will ich so sein wie der Vater, der sich jahrelang Gelder in die eigene Tasche steckte statt sie den Kindern zukommen zu lassen, der nie Unterhalt zahlte oder sich überhaupt an nur irgendwas beteiligte. Der in diesem Jahr das dritte Mal in den Urlaub fährt, respektive fliegt, und sich nicht zu schade ist, Sohn I dafür am Samstag morgen aus dem Bett zu klingeln und zu ihm zu sagen: Ich bringe dir dies und das mit, aber du musst mir dafür mal 50 Euro mitgeben. Du musst das verstehen, hat Sohn I auf meine fassungslose Frage hin versucht zu rechtfertigen, er hat einen neuen Job mit einem anderen Lohnsystem, da bekommt er erst in sechs Wochen seinen ersten Lohn. Ja und? habe ich gefragt, das ging dir doch im letzten Jahr ganz genauso. Hat er dich damals gefragt, wie du das finanziell machst? Hat er dich überhaupt jemals in dem einen Jahr gefragt, wie du das finanziell machst? Ob du zurechtkommst? Ob du Hilfe brauchst? Ob du überhaupt auch nur irgendwas brauchst? Hat er gewusst, dass du im Mai nur noch 1,53 Euro auf dem Konto hattest und du niemandem davon sagtest? Dass ich es nur wusste, weil ich mir ausrechnen konnte, dass nicht viel da sein kann? Weil man vier Wochen lang null Anspruch auf Geld hatte und nach sechs Wochen nur einen halben Monat Lohn bekam?
Fremdschämen. Fremdgrämen bis hin zum Infarkt oder wenigstens Magengeschwür.
Ich kann so nicht. Ich will so nicht. Ich bin so einfach nicht. Erst recht bin ich auch nicht jemand, der jeden Monat neu überdenkt, ob und wo er noch Geld einsparen kann. Muss das Fitnessstudio noch sein? Kann Sohn II die Fahrkarte nicht selber zahlen? Solange ich weiß und sehe, dass sein monatliches Einkommen aus Bafög und Kindergeld dasselbe ist, sind auch die Möglichkeiten dieselben. Er könnte nebenbei arbeiten gehen. Hat er aber bislang nicht gemacht. Dafür gestern ein gutes Zeugnis in die Hand bekommen. Eins, das ihm so vielleicht nicht viel nutzt, denn nun ist er staatlich geprüfter Sozialassistent, der keine Erzieherausbildung mehr anhängen will. Der Termin zum Eignungstest bei der Polizei ist im Dezember. Die mögliche Ausbildung startet im September 2016. Also drei Jahre verschenkt? Drei Jahre umsonst Zeit, Geld, Kraft investiert? Ja und? Ist er der erste, der einzige, der erkennt, dass die einst gewählte Berufsrichtung doch nicht die richtige ist?
Ihn jetzt mehr in die Pflicht nehmen - oder schauen, wo ich jetzt an ihm sparen kann? Um ihn... zu erziehen? Oder ihn in eine Richtung zu drücken, nur damit er Geld verdient und mich damit entlastet? Ist es das, was ich will? Was ich für meine Kinder wollte??
Und: Komme ich persönlich denn zu kurz? Ich finde nicht! Ich denke das nicht! Mir geht es doch gut, warum den eigenen Kindern nicht davon abgeben, bis sie ihren eigenen Weg gefunden haben?
Bin ich nicht die richtige Frau für einen Mann, weil ich nicht jeden Groschen in das eigene Leben stecke, sondern nur das, was überbleibt? Von dem ich denke, dass das immer noch genug ist? Auch wenn ich davon derzeit keinen Traum erfüllen kann?
Bin ich nicht die richtige Frau für einen Mann, der jetzt leben will und nicht irgendwann?
Bin ich so lange nicht die richtige Frau für einen Mann, bis meine Söhne auf eigenen Füßen stehen?
Wie oft habe ich in den Jahren als Single zu hören bekommen "Mit dir allein würde ich alles wagen. Alles machen. Aber da sind ja noch deine Kinder..." Solche Leute kann man doch nur in der Pfeife rauchen - oder etwa doch nicht? Ich priorisiere sie nicht ausschließlich - aber sie sind meine Söhne. Ein Teil von mir wie mein Arm, mein Bein.
Bin ich nicht die richtige Frau für einen Mann, weil das Leben mit mir nicht jeden Tag Sommer, Sonne, Sonnenschein ist? Weil es nicht jeden Tag unbeschwert und unbelastet ist? Weil ich auch mal was regeln, bezahlen muss? Weil ich gerne gebe, abgebe? Weil ich an mich denke, aber auch nicht nur an mich?
Und dann fahre ich nach Hause und denke daran, wie unendlich dankbar ich bin, dass ich auf dem Heimweg keine Angst haben muss, erschossen zu werden. Außer abgeschossen zu werden von so einem hirnverbrannten Autofahrer, der mit zweihundertfünfzig Sachen und Lichthupe und drängeln nicht akzeptieren will, dass ich gerade einfach nicht woanders hin kann, wenn ich nicht in den LKW knallen will?
Wie dankbar ich bin, dass meine Söhne keine Angst um ihr Leben, um das Essen, Trinken, um das Morgen haben müssen?
Warum anderen Menschen dieses Recht auf ein Leben nicht genauso einräumen? Warum ihnen keinen Platz machen hier, wo am Himmel Wattewolken dahintreiben - und keine Flieger mit Munition an Bord?
Doch warum darf ich nicht die Frage stellen, wie sich das hier und jetzt und in Zukunft gestalten soll? Habe ich mit meiner ethischen Verantwortung ausreichend gesorgt, wenn ich einem Menschen maximal 4 Quadratmeter zur Verfügung stelle und alles zusammenpferche, was nicht zusammenpasst?? Und das über Monate, ohne den verschiedenen Bedürfnissen wirklich gerecht werden zu können? Ein Arzt für mehrere hundert Menschen? Der eine Schwangere mit heftigen Zahnschmerzen nicht mal untersuchen kann, weil er keine Zeit für sie hat??
Habe ich meiner ethischen Verantwortung Genüge getan, wenn ich die Menschen aufnehme - und mich dann nur noch halbherzig kümmere? Weil Geld fehlt? Zeit? Möglichkeiten? Und nach ein paar Monaten schiebe ich sie wieder ab nach Hause? Hat sich für diese Menschen dann wirklich etwas verbessert? Habe ich dann wirklich etwas für sie getan, bewirkt? Oder ist es eher ein Pseudoakt der Hilfe, weil ich gar keinen Plan habe, ob und wie ich den Menschen in die Gesellschaft integriere, mich dafür einsetze, dass sie in Lohn und Brot kommen - weil ich nämlich gar keinen Plan habe, wie ich das anstellen soll? Weil unser bisherigesGesetz vielleicht hunderttausend, aber nicht achthunderttausend Hilfesuchende im Jahr berücksichtigt - und ich jetzt komplett überfordert bin und seit Wochen nichts anderes passiert außer Reden?
Wieso verabschiede ich in einem Atemzug den nächsten Vertrag über die Lieferung von Kampfmitteln - und zeige mich dann überrascht und erstaunt ob der Zahl der Menschen, die aus Angst, aus Not einfach nur noch fliehen MÜSSEN, weil es in deren Land knallt? Mitunter mit den Kampfmitteln, die ICH verkauft hab? Ich muss kotzen, wenn ich nur darüber nachdenke. Ist das Macht? Ist das Geld? Ist das Politik? Ich muss KOTZEN!
Ich bin mir fast sicher, dass sich für weitaus weniger Menschen als angenommen oder dargestellt tatsächlich die Frage stellt, ob man Menschen hilft. Diese Frage DARF sich gar nicht stellen! So nicht und so nicht! Aber ist diese humanitäre Frage allein damit beantwortet, dass ich all jene Schutz- bzw. Hilfesuchenden aufnehme, ohne mir jemals einen Plan zu machen oder gemacht zu haben, wie ich mich auch wirklich um all diese Menschen kümmern kann? Wie das gehen kann, dass Hunderte Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen und Ideologien buchstäblich zusammengepresst werden ohne jede Sicherheit für sie selbst und auch die anderen? Ohne die Gewissheit, ob ihnen hier auch wirklich geholfen wird? Und mit dem Gefühl, dass man sie kopflos hin und her schiebt wie einen Kegel? Mit all dem, das sie ohnehin schon durchgemacht haben? Dass ich Menschen auch in Zelten unterbringe, weil die Hotelgutscheine, die ich ausgebe, nicht gedeckt sind oder die Häuser voll? Und was passiert in acht Wochen, wenn es kalt wird?
Was hat ein Mensch zu verlieren, der nichts mehr hat? Was geht in einem Menschen vor, der nichts mehr hat und sich auch nicht willkommen, nicht angenommen fühlt?
Und was passiert, wenn fünf oder fünfzig dieser Menschen aufeinandertreffen?
Und selbst wenn es sich nicht um Menschen handelt, die vor dem Krieg geflüchtet sind, selbst wenn es Menschen sind, die von der Armut im eigenen Land geflohen sind - wer will denn darüber richten? Wer hätte je anders gehandelt? Wer hat je anders gehandelt? Wer von uns würde nicht genauso von zu Hause fortgehen, wo einen die Armut erdrückt, während es anderswo eher möglich wäre, ein besseres Leben zu führen?
Eine Zeitlang habe ich oft Sendungen über Auswanderer aus Deutschland geschaut. Eins war immer klar: Egal wohin Du gehst, Du musst ihre Sprache beherrschen und Dich ihren Traditionen anpassen. Du musst Arbeit haben und Geld verdienen, denn hast Du das alles nicht, musst Du wieder zurück nach Hause gehen.
Versteht mich bitte nicht falsch: Das gilt nicht, niemals nicht für Menschen, die vor dem Krieg, dem Terror, der Gewalt fliehen.
Ist andererseits dem Armutsland damit geholfen, wenn ihre Leute, ihre Fachkräfte mitunter abwandern? Natürlich nicht! Wer soll dort etwas aufbauen, wenn keiner mehr da wäre - um es überspitzt auszudrücken? Nach der Wende, da wollte mein Ex unbedingt weg aus dem Osten. Ich nicht. Ich habe damals gesagt: "Wir können doch nicht alle einfach abhauen. Auch hier ist eine Zukunft möglich." Und die war möglich! Wir im Osten haben genauso die Mehrwertsteuererhöhungen oder überhaupt die Steuererhöhungen mitgetragen, wir zahlen genauso den Solidaritätszuschlag und Ost wie West profitierten und profitieren von dieser Wiederzusammenfügung, die zumindest nach außen stattgefunden hat. Und wie ist das jetzt zum Beispiel in Mazedonien? Welche Zukunft ist in einem der ärmsten Länder der Welt möglich? Und wer kann helfen? Nur Deutschland und Schweden wegen ihrem Sozialsystem? Weil andere Länder auch arm sind? Und wiederum andere Länder ein mit Stacheldraht umwickeltes Stoppschild hochhalten?
Wie wird man Menschen gerecht und wie hilft man wirklich?
So viele Fragen in meinem Kopf und angesichts der täglichen erhitzten Debatten, die von keiner Seite mehr inzwischen sachliche Argumentationen zulassen, wage ich es gar nicht, irgendwelche Gedanken, was-auch-immer auszusprechen, weil ich nicht in irgendetwas und auch nicht zu irgendetwas gedrängt werden möchte, das nicht so ist. Keiner hört mehr einander zu. Nicht mehr wirklich. Du hast dafür zu sein oder Du bist automatisch gegen etwas. Sicher... was ist heute schon sicher? Nichts mehr... Schaue ich hinaus in die Welt, habe ich das Gefühl, dass mehr und mehr alles aus den Fugen gerät. Über Hintergründe mag ich dabei gar nicht nachdenken. Müsste ich aber vielleicht? Und was ändert es dann?
Schaue in hinein in meine eigene Welt...
Ob es daran liegt, dass ich mir.. ich weiß nicht.. ein Stück weit Sicherheit wünsche? Einen Halt?
Etwas, worin ich für mich Sicherheit und ein Stück weit Geborgenheit finde?
Etwas, woran ich glauben kann? Worauf ich vertrauen kann?"

7 Kommentare:

Goldi hat gesagt…

Chapeau :-*

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma,
du klingst ganz furchtbar müde und belastet. Aufgerieben zwischen zwei Leben und zwei Lieben - dem Leben und Lieben in L mit Jobzeiten und Söhnen ... und dem in deiner jetzigen Stadt mit Heimarbeit und dem Liebsten. Und ich habe den Eindruck, dass du nirgendwo ganz bist und beiderorts mit schlechtem Gewissen, weil du "nie genug" bist. Aber die Frage ist, ob die anderen das so empfinden oder nur dein Anspruch an dich selbst.
Du liebst den Mann. Und du hast Jahre gewartet, um endlich zu ihm zu ziehen. Dafür hast du vieles aufgegeben: Job mit Kollegen im Büro für einen einsamen Heimarbeitsplatz getauscht, Freundschaften auf Sparflamme geschaltet, das nahe Leben mit den Söhnen gegen einen Zweiwochen(?)Rhythmus getauscht, deine Zeiten mit dir und der Musik, das alleine-tanzen im roten Kleid.
Du hast scheinbar den Eindruck, das sei nicht genug. Ich hoffe, dass nicht Druck und Erwartung seinerseits diesen Stress auslöst. Denn dann wärest nicht du nicht genug, sondern er nicht verständnisvoll genug, um zu begreifen, dass die Liebe zu deinen Söhnen ein wesentlicher Antrieb deines Lebens ist.
Überlege, wo du Ballast abwerfen kannst. Überlege, was du brauchst für DICH. Und dann rede mit allen Beteiligten. Es kann sein, dass der Teilzeit-, Heim- und Fahrjob nichts ist. Es kann sein, dass du seltener nach L fährst oder anders ... vielleicht einfach mal fliegen trotz Klimagasen? Es kann auch sein, dass du den Jungs mal ein Ticket nach Neue Stadt schickst.

Das Wesentliche ist aber, dass DU dich nicht aufreibst und daran kaputt gehst. Denn damit ist auch keinem deiner nahen Menschen gedient ... den Jungs nicht und dem Mann auch nicht.

Du stemmst ein unglaubliches Pensum ... raus aus dem Laufrad!
toi, toi, toi wünscht RRP

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Goldi, ich hatte gestern Deinen letzten Post gelesen - und ich hab ein wenig beklommen daran gedacht, wie Du wohl meine diesbezüglichen Zeilen aufnehmen würdest. Wie schnell wird man einfach nur missverstanden, wenn man nicht einfach nur ruft "Refugees welcome", sondern auch die Frage dazu stellt, wie das Ganze gehen kann, gehen soll, gehen muss, um den Menschen auch wirklich zu helfen, ihnen ein LEBEN zu ermöglichen.
Ich bin wirklich so erleichtert, dass Du mir nicht die Tür weist :*

Liebe RRP, als ich Deine Zeilen las, hatte ich das Gefühl, es passiert dabei genau dasselbe wie am Sonntag mit meiner Freundin: Der Turm in mir bröckelt, der Turm, der mich aufrecht stehen lässt, und am liebsten möchte ich einfach nur heulen. Heulen im Sinne von "den Druck rauslassen". Den Druck, der sich über längere Zeit schon in mir aufbaut, und ich denke schon, dass er einerseits "selbstgemacht" ist, andererseits aber auch mir gemacht wird, nicht nur privat.
Was ich mir wünschte? Freiheit. Die Freiheit, Entscheidungen treffen zu können in dem Bewusstsein, dass man trotz alledem hinter mir steht, ZU mir steht und auch keine Frage an der Stabilität einer Liebe, Beziehung oder sonstiger Bindungen aufkommt.
Dein Satz "...dass die Liebe zu deinen Söhnen ein wesentlicher Antrieb deines Lebens ist" ist der wohl wichtigste Satz für mich. Den werde ich brauchen...
Auch über das Konstrukt, 14tägig nach L zu fahren, denke ich schon länger nach. Prinzipiell ändern möchte ich das nicht - aber anders gestalten. Gedanken dazu gehen mir schon länger durch den Kopf, inwieweit sich was umsetzen lässt, ist noch nicht reif genug, es vorzutragen und vorzuschlagen.
Und ich habe Angst. Angst vor dem Hexenkessel, Angst vor dem Brodeln, Angst davor, dass Deutschland und vielleicht auch Europa auf längere Sicht kein sicherer Ort mehr sind. Jeden Tag schaue ich Nachrichten und lese verschiedenste Seiten im web. Sollte ich vielleicht auch nicht machen? Stimmen gibt es so viele, sind es jetzt Schwarzmaler, Pessimisten - oder Realisten? Überall geht es immer nur um Geld, Geld, Geld; dieses verdammte scheiß Geld, und die Menschen zerstören sich selbst in ihrem Wahn nach Macht und Geld - und alle anderen um sie herum mit.
Und wo bleibt die Liebe??? Die Liebe zueinander, die Liebe zu den Menschen, die Fürsorge, das Mitgefühl?? Wo bleibt das alles?

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma,
Nachrichtenlesen ist derzeit angstbelegt. Auch bei mir. Wenn ich nicht gerade privat so unsäglich glücklich wäre, so könnte ich wahrscheinlich kaum noch schlafen. Fremdenfeindlichkeit, Krisen allethalben ... nein, Europa ist kein völlig sicherer Ort mehr. Und ja ... auch ich habe Angst vor Endzeitszenarien.
Was hilft, ist der Kokon um mich herum. Die Menschen, die wach und warm sind. Und das schätze ich in diesen Tagen umso mehr.
Goldis Artikel werde ich jetzt erstmal lesen ... und wir plauschen nächste Woche, gelle?
Liebe Grüsse
RRP

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe RRP, Dein Zitat "Was hilft, ist der Kokon um mich herum. Die Menschen, die wach und warm sind" ist genau das, was mir so unbedingt aus der Seele spricht. Denn das ist es, was ich irgendwie vernachlässigt hab - und worauf ich mich momentan ganz doll konzentrieren möchte.
Und ich freu mich wirklich auf nächste Woche! :)

Goldi hat gesagt…

Wie kommst Du nur darauf, dass ich Dir oder jemand anderem die Tür weise, wenn er differenziert seine Sichtweise darstellt. Du unterscheidest sehr wohl zwischen selbstverständlich muss geholfen werden aber blickst eben auch auf das was weiter kommt. Ich weise Menschen die Tür, die ihre Menschlichkeit vergessen oder verloren haben. Das habe ich bei Dir bisher nicht wahrgenommen und ich glaube auch nicht, dass Du so handeln und denken würdest. Ich bin noch beim Koffer auspacken, daher kommt dann in den nächsten Tagen zu den aktuellen Beiträgen auch mal mehr Stoff. Aber diese Deine Befürchtung habe ich heute morgen unterwegs gelesen und die muss ich jetzt beantworten Kiss

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Goldi, wir kennen uns ja noch nicht so gut - und in diesen Wochen habe ich (möglicherweise zu oft) den Satz gelesen "Wer seinen Satz beginnt mit: Ich bin nicht gegen Flüchtlinge, aber... - der ist entweder ein Lügner oder ein Nazi" bzw. ähnliches in der Art. Sowas erschreckt mich! Keiner hört dem anderen zu! Ob Ängste, Zweifel berechtigt sind oder nicht - aber beschäftigen muss man sich doch damit? Was mich so krank macht: Dieses sich Bedeckthalten, gesteuerte Nachrichten, keine (sichtbaren) Aktionen.
Humanität, Solidarität, Mitgefühl, Fürsorge - diese Frage darf sich einfach gar nicht stellen. Zugleich jedoch muss ich eingestehen, dass auch mich Ängste beschäftigen. Sorgen. Gedanken, die belasten und bedrücken - in diesem thematischen Zusammenhang. Und ich wage es kaum noch, eigene Gedanken oder Fragen zu äußern aufgrund der Annahme, dass man angesichts der aktuellen Debatten einfach nur noch missverstanden wird.
Das habe ich nicht unbedingt bei Dir/ von Dir erwartet - ich habe jedoch nur gedacht, dass, wenn man abends ausginge auf ein Glas Wein, sich manches besser darlegen ließe als hier mit dem geschriebenen Wort ;)
Abgesehen davon: Ich hoffe, Du hattest einen wunderbaren Urlaub!!! :*