"So bleibt man am Leben.
Wenn es so weh tut, dass man keine Luft mehr bekommt, dann lernt man zu überleben."
Wenn es so weh tut, dass man keine Luft mehr bekommt, dann lernt man zu überleben."
Ich dachte an diese Worte, die ich erst vor kurzem in einem Film gehört hatte, die ich mir auf einem Stück Papier notierte, damit ich sie nicht wieder vergessen würde.
Ich dachte an diese Worte, als ich heute Vormittag völlig entspannt und mit lang ausgestreckten, übereinander geschlagenen Beinen in Rock & langen Stiefeln wie ein gestiefeltes Kätzchen vor dem Doktor saß, der sich durch die Haare fuhr und gestand: "Die wissen also auch nix. Genauso wie ich."
Mir persönlich sind Menschen immer dann umso mehr sympathisch, je... menschlicher sie sich zeigen. Dass sie nicht so tun, als wüssten sie alles, als könnten sie alles und jeder andere sei ein Depp.
Auf Anraten meines Hausarztes, den ich inzwischen mehr und mehr schätze, breitete ich meine ganze Geschichte vor ihm aus. Die Geschichte der nicht behandelten Angina im Dezember 2004, die Gelenksentzündung im Februar 2005 und die seither andauernden Gelenksschmerzen, die sich durch keinerlei Mechanismen oder Medikamente beeinflussen lassen, die nur auf eines reagieren: auf Kälte. Je kälter, desto intensiver - wie aktuell. Ebenso breitete ich aus, was ich seither alles versucht habe - physisch und psychisch, dass meine Hausaufgaben in der Hinsicht längst erledigt hatte - und bis heute und hierher an einen Punkt gefunden hatte, an dem ich sagen kann: "Alles, was man mir in der Zeit sagen und beibringen wollte, habe ich in den Jahren umgesetzt, ob nun bewusst oder unbewusst. Und ich habe begriffen: Schmerztherapie ist nicht, von Schmerzen geheilt werden zu können. Schmerztherapie bedeutet genau genommen nichts anderes als damit leben zu lernen. Und das habe ich. Ich habe es in all den dreizehn Jahren irgendwann angenommen und akzeptiert, dass ich es weder beeinflussen noch verhindern kann. Es ist da und so ist es."
Es gibt letzten Endes nur zwei Möglichkeiten: Entweder du stehst auf und kämpfst für dich selbst - oder du lässt dich fallen und gibst auf. Also habe ich für mich selbst.. zu überleben gelernt.
Ob meine beiden "Stories" zusammengehören oder getrennt voneinander zu betrachten sind, das weiß niemand, das kann niemand sagen. Denn auch mit der letzten Diagnose ist nicht erklärt, warum es mir so geht wie es mir eben derzeit geht.
Wenn ich außerdem etwas sehr, sehr schätze, dann ist es, wenn mir jemand zuhört.
Ich weiß noch, dass ich an meinem allerersten Termin bei ihm diesen Eindruck nicht hatte.
Inzwischen habe ich meine Meinung revidiert, schon beim letzten Termin Anfang Oktober.
Er hört mir sehr wohl zu, er nimmt mich auch ernst und er sagt: "Die Psychosomatik ist immer dann ein Versuch, wenn man nicht mehr weiter weiß. Aber da, wo wir den Patienten hin haben wollen, da sind Sie schon längst. Es ist wirklich bewundernswert, wie Sie das machen. Ich kann nur sagen, machen Sie genau weiter so."
Ich lächelte, stand auf, reichte ihm die Hand und wir verabredeten ein Wiedersehen in einem halben Jahr - weil niemand in die Zukunft schauen kann und zu sagen vermag, wie ich mich in eben einem halben Jahr fühlen werde können.
"Wenn Sie es denn wollen, dann sehen wir uns wieder", setzte er hinzu.
"Ja, ich will das", antwortete ich.
Dass er mir jetzt nicht weiterhelfen kann, heißt ja nicht, dass es in einem halben Jahr nicht vielleicht doch möglich wäre. Wenn es denn dann noch notwendig ist.
In der Zwischenzeit startet mein Hausdoc einen medikamentösen Versuch. Die Erhöhung des künstlichen Hormons und noch ein Zusatzpräparat. Denn dass Hashimoto trotz der Hormonzugabe ordentlich aktiv ist, zeigten sowohl Laborwerte als auch der Ultraschall in der vergangenen Woche. Nur warum Hashi so aktiv ist, kann sich niemand erklären. Auch nicht, ob daher die neurologischen Auffälligkeiten kommen.
"Die Wirkung zeigt sich relativ rasch. Nach Weihnachten spätestens wissen Sie, ob es hilft oder nicht. Und wenn nicht, dann gibt es nur noch einen Weg: Dann schicke ich Sie in die Uniklinik."
"Ich bekomme mehr Medikamente", schrieb ich über whatsapp, "mir werden noch Eselsohren wachsen!"
"Machst du dann die Haare drüber oder trägst du dann ne Mütze?"
Beides ist möglich - würde ich ja sagen! :D
"Ich wünsche Ihnen wirklich, dass es endlich leichter für Sie wird", sagte der Hausdoc zum Abschied und ich lächelte und dachte.. Ich meine, ich frage mich ernsthaft: Ist es denn wirklich schwer für mich?
Ich sehe Menschen zu, die sich mit Gehhilfen eine Treppe hinaufquälen. Ich sehe Menschen, die ihren Rücken nicht mehr gerade durchdrücken können. Ich lese von Menschen, die um ihr buchstäbliches (und nicht "nur" sprichwörtliches) Überleben kämpfen.
Und ich?
Ich gehe immer noch aufrecht durch diese Welt.
Ich kann immer noch den kleinen Schwarzen über die Autobahnen lenken.
Ich kann immer noch singen.
Ich kann immer noch schreiben.
Ich kann immer noch malen.
Ich kann immer noch mein Herzblut in die Arbeit stecken und meine Leidenschaft in Dinge, die mir etwas bedeuten.
Ich denke nicht, dass ich es schwer habe. Ich habe immer noch Kopf und Hände und Beine, um mich in dieser Welt zu bewegen - auch wenn es wehtut.
Ich denke nur, dass ich, wenn ich schon den Schmerz nicht mehr loswerde in diesem Leben, wenigstens das, was aktuell in meinem Körper geschieht, aufhalten oder bestenfalls niederkämpfen möchte. Nur weil man mir nicht alles sofort ansieht, bedeutet es ja nicht, dass es nicht da ist.
Und manchmal.. braucht so ein "Überlebens"-Kampf.. doch ziemlich Energie.
Ach Mensch Scheiße, jetzt steigen sie doch auf, die blöden Tränen. Das wollte ich gar nicht, ich dachte das nicht.
"..I'll try,
but I'll never be free.."
Da wird man ja ab und zu doch ein bisschen heimlich heulen dürfen.
8 Kommentare:
Hallo, bin durch Zufall auf den Blog gestossen und finde es einfach nur noch erschreckend, wieviele Menschen mittlerweile an Autoimmunerkrankungen leiden. Ich auch. Aber ich habe mich nicht damit abgefunden. Und bin eigene Wege gegangen. Ich habe nur noch! nach Geschichten von geheilten Menschen gesucht und sehr, ,sehr viele gefunden.
Bitte informiere Dich doch mal z.Bsp. über das Coimbraprotokoll.So unvoreingenommen wie möglich.
Meine Erfahrung ist die: wenn man den Mechanismus der Autoimmunität angeht, wird sich vieles nicht nur verbesseren, sondern für immer verschwinden. Deine Tränen lassen den Körper sprechen (Dein vegetatives Nervensystem) und der zeigt doch deutlich, dass er sich nicht damit abfinden will.
Warum soll man damit leben können müssen? Ich höre nicht mehr auf die, die sagen: "unheilbar"...nur noch auf die anderen, mit den Heilungserfahrungen.Dann legt sich ein Schalter um und Selbsheilungskräfte gehen an den Start. Denn nur diese bringen Dich voran.Kein Medikament kann das leisten. Alles Gute und liebe Grüße Monika
Ich kann das so nachfühlen. Jahrelang hatte ich Schmerzen. Angeblich Rheuma. Rheuma ist oft die Diagnose wenn nichts anderes passt. Letztendlich war es eine simple Katzenallergie, eine Lebensmittelunverträglichkeit und ein heftiger Knorpelschaden.
Fühl Dich gedrückt
Deine Stärke ist einfach wunderbar (ich drück' dir).
Lernen zu überleben, ich schlucke, es sind so schöne wie deprimierende Worte.
Geformt vom Leben, gelernt zu überleben.
Aber gleichzeitig wollte man einfach nur leben, und nicht überleben lernen müssen.
Überleben zerrt furchtbar aus.
Das Bild ist herrlich :-) sind da wirklich schon lange Ohren drunter? Dann muss ich auch mal schauen. Nicht dass ich schon diesen Eselschwanz von I-Ah aus Winnie Pooh (der mit dem Schleifchen dran) am Popo hängen hab'.
Liebe Monika, vielen lieben Dank für Deine Mühe, das alles aufzuschreiben. Ja, in gewisser Weise gebe ich Dir recht: Tränen zeigen letztlich immer, dass man sich nicht wirklich mit etwas abfinden will. Auch wenn ich eigentlich eher dachte, dass dies bei mir für den Moment ein Ausdruck der Hilflosigkeit war. Natürlich wünsche ich mir, noch mindesten fünfzig Jahre leben zu können - aber ich wünschte mir schon auch.. ein schönes Leben. Ein unbeschwertes Leben. Oder besser gesagt: ein unbeschwerteres als es ein Leben mit Dauerschmerz und eben nunmehr auch neurologischen "Extras" ist. Denn bei aller Akzeptanz des Zustandes: Es ist ein anderes Leben.
Vom Coimbraprotokoll habe ich bis zu Deinem Kommentar noch nie etwas gehört oder gelesen, sehr wohl aber davon, wie viel Einfluss ein Vitamin D-Mangel haben kann.
Ich habe jetzt einiges darüber gelesen in den letzten Tagen, ich habe überhaupt sehr viel zur Erkrankung, zu Behandlungsmethoden, Sichtweisen und Nahrungsergänzung bzw. -umstellung gelesen. Auch dem Coimbraprotokoll nach bleibt es ja eine unheilbare Erkrankung (Stand aktuell), hier muss man ja immens hohe Dosen für den Rest seines Lebens einnehmen und zudem eine besondere Ernährungs- und Lebensweise praktizieren, weil man im anderen Falle sonst (mitunter schwerwiegende) Folgen erleiden könnte.
Unabhängig davon jedoch und im Hinblick auf meinen viel zu niedrigen D-Spiegel belese ich mich gerade über Ergänzungsmöglichkeiten aus Vitamin D und Omega 3-Kapseln (letztere kenne ich schon aus der Schmerzbehandlung, da leider erfolglos).
Liebe Nelly, ich hab das anders erfahren: Wenn nichts anderes passt, dann ist es psychosomatisch. In diese Kategorie bin ich so oft geschoben worden, so dass ich mich oft fragte "Wenn sie mir schon Psychosomatik unterstellen - wie muss dann ein Mensch geschaffen sein, der dieselben Symptome zeigt, aber nicht psychosomatische Probleme hat?"
Insofern habe ich dem neuen Hausarzt und dem neuen Neurologen meine komplette Krankengeschichte auf den Tisch gelegt. Die, die im Dezember 2004 begann und vermutlich nie ein Ende finden wird. Ursache: unbekannt.
Aber in meiner Biografie bis 2004 lag genügend "Material", das ein Fest für jeden Therapeuten gewesen sein muss. Also habe ich mich irgendwann überzeugen lassen und darauf eingelassen. Themen seziert, unters Mikroskop gelegt, bearbeitet - und eben abgeschlossen.
Sie sagten zu mir: "Verarbeitet ist es erst, wenn es nicht mehr schmerzt und Sie keine Lust mehr haben, darüber zu sprechen."
Und genauso fühle ich mich schon seit langem.
Ich habe meine Entspannungsmethoden perfektioniert, gelernt, Nein zu sagen, gelernt, mich abzugrenzen und gelernt, mich von Dingen und Menschen zu lösen, die mir nicht guttun.
Ich habe gelernt, mich selbst anzunehmen - so wie ich bin, mit allen Makeln, Fehlern und Abgründen.
Ich habe gelernt, den Schmerz in meinem linken Körper zu akzeptieren und damit zu leben. Er ist eben da. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde. Im Winter wesentlich intensiver als im Sommer.
Man kann nicht behaupten, es würde nichts mit einem machen.
Aber man kann versichern, dass man damit leben kann.
Was gäbe es auch für eine Alternative?
Nur das Kombipaket seit 2 Jahren - Schmerz UND neurologische Auffälligkeiten, das ist neu. Keine Ahnung, obs zusammenhängt oder getrennt zu betrachten ist, aber.. Wohin soll die Reise dann noch gehen? Soll ich mich mit ALLEM abfinden, das kommt?
Werde ich in einem halben Jahr noch Auto fahren können?
Werde ich noch malen können?
Bin ich in einem, in zwei Jahren überhaupt noch ich - oder bleibt alles so wie es aktuell ist?
"Wir können nicht in die Zukunft schauen", hat der Neurologe am Montag gesagt.
Das stimmt, da gebe ich ihm recht. Angst insofern habe ich nicht - aber natürlich mache ich mir Gedanken. Auch ob der Veränderungen in meinem Kopf.
Liebe Katze, ach Mensch ja, Du hast schon irgendwie recht: Überleben lernen hat ja nicht nur was Positives. Aber ich persönlich - ich meinte es schon in jeglicher Hinsicht positiv. Weil ich natürlich nicht nur das reine Überleben meine, sondern das Leben an sich.. Weitermachen, weitergehen, weiterleben, genießen, was man an Schönem im Leben hat - und dankbar sein für all das Schöne, das eben da ist. Ich bin immer noch mittendrin und nicht nur nebenher, und genauso will ich das auch.
Aber ich gestehe: Auch ich komme bei allem Optimismus, bei allem möglichen positiven Denken und Fühlen auch dann und wann an meine Kotzgrenze. Grad dann, wenn es besonders schmerzhaft wird bzw. besonders deutlich. Wo ich mich hilflos fühle und denke "oar ne, fünfzig Jahre.. schaffe ich so vielleicht doch nicht."
Dann verkriech ich mich für 1, 2 Tage, weine ein bisschen - und dann steh ich eben wieder auf. Stärke zu haben heißt ja nicht, dass man nicht auch mal weinen darf :)
♥ fühl dich gedrückt. Die vorhandenen Diagnosen und dann das "ach da kann nichts anderes sein, der Kopf..." kenne ich von vielen Ärzten. Von meinem früheren Hausarzt bekam ich allerdings den Spruch "sie sind so eine, die fängt sich Läuse und Flöhe und weils dann noch nicht genug ist auch noch ne fette, echte Grippe" - und so wird es bei dir wohl auch sein. Im falschen Moment bei der Verteilung, weil wir am Träumen und Musikhören waren, "hier" geschrien und jetzt bekommen wir den Sch.. nicht mehr los. Wie du hab ich mich damit arrangiert, es ist, da, ich will es nicht, wird es zu stark kämpfe ich mal wieder dagegen, aber sonst ist es existent und wird ignoriert. Klappt mal mehr, mal weniger, im Winter ebenfalls weniger...
Ja Goldi... Das klingt sehr, sehr ähnlich.
Meine Freundin hielt mir im Sommer vor, ich wäre immer zu ehrlich und würde zu ehrlich auf Fragen antworten. Zu vieles sagen.
Also legte ich mir eine neue Strategie zurecht und begegnete einem neuen Hausarzt, einem neuen Neurologen, einer neuen Kopf-Klinik. All die wussten nichts von meiner Vorgeschichte - weil sie mich unvoreingenommen betrachten sollten.
Nun frage ich mich.. Hätte mich die Kopfklinik doch.. genauer angeschaut, wenn ich ihnen gesagt hätte, dass ich den Weg, den sie mir aktuell vorschlagen, längst schon gegangen bin?
Ob sie mir dann nicht gesagt hätten: "Ja es kann dies oder jenes sein, aber das zu untersuchen, ist sehr teuer, wir fangen mal mit dem Einfachen an"?
Ich weiß es wirklich nicht, Goldi..
Was ich grad nur weiß, ist, dass ich mich beim neuen Hausarzt und dem neuen Neurologen wohler fühle. Aufgehobener - auch wenn beide aktuell sagen "Ich habe keine Ahnung - aber wir probieren da jetzt mal was".
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