Freitag, 24. Dezember 2021

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 "In einem verwunschen Dorfe lebten vor langer, langer Zeit viele fröhliche Zwergenmenschen. Immer, wenn sie einander begegneten oder dem anderen eine Freude machen wollten, schenkten sie ein Wichtelsteinchen. Das beschenkte Menschlein freute sich und schmunzelte. Weil ihn der Wichtelstein so anschmunzelte, war er fröhlich und wusste: Der andere mag mich. So war es immer.
Jeder Zwergenmensch schenkte dem anderen ein Wichtelsteinchen und bekam auch immer wieder eins geschenkt. Und - die kostbaren Steinchen der Freude gingen niemals aus. 
In der Nähe der kleinen frohen Menschen lebte aber ein finsterer Geselle. Griesgram und Neid waren seine treuen Weggefährten. Er konnte die Fröhlichkeit, die Freundlichkeit, das liebevolle Miteinander der kleinen Zwerge nicht nachvollziehen und gönnte aber auch den Zwergen ihre Unbekümmertheit nicht. 
Als nun ein Zwerglein durch den Wald marschierte, traf er den Kobold und überreichte ihm gleich ein Wichtelsteinchen, damit er auch fröhlich sein könne. Doch der finstere Waldbewohnter nahm das Wichtelsteinchen nicht an, sondern flüsterte dem Zwerg ins Ohr: "Verschenke du nur deine Steinchen an alle und jeden, dann hast du bald selbst keine mehr!"
Das stimmte zwar nicht, denn wenn ich etwas gebe, bekomme ich wieder etwas zurück. Aber mit den Worten des Kobolds war die Saat ausgestreut und sie ging auf. Die Wichtelsteinchen wurden nicht mehr verschenkt, sondern im Beutel festgehalten. Bald ging jeder seines Weges, ohne nach dem anderen zu sehen. Das Lachen verschwand, jeder kümmerte sich nur noch um das Anhäufen seines Besitzes. Missmust, Verschlossenheit, Freudlosigkeit - das waren nun die Merkmale eines einst so fröhlichen, liebenswerten Völkchens. 
Jahrzehnte gingen ins Land. Die Menschlein hetzten durch das Leben. Sie schauten nicht nach links und nichts nach rechts. "Hilf dir selbst und du hast ein gutes Werk getan", das war die neue Lebensphilosophie. Aber irgendwo schlummerte noch die Geschichte von den fröhlichen Menschlein mit den Wichtelsteinchen. 
Ein alter Mann hatte sie von seinem Vater, dieser wieder von seinem Vater...
Und er erzählte "das Märchen von guten Vorfahren" seinem Enkel. Nachdenklich machte sich dieser ans Werk. Er ging in seine Töpferstube, in der er sonst Krüge und Töpfe herstellte, und formte kleine, lachende Tongesichter. In den nächsten Tagen verschenkte er an seine Freunde diese Wichtelsteinchen.. Am Anfang wurde er belächelt und als netter, harmloser Spinner abgetan. Aber einigen gefiel diese Idee. Die Wichtelgesichter stimmten sie fröhlicher, auch wenn sie diese nur in ihrer Tasche berührten. Und so wurden es immer mehr, die sich durch das Verschenken von Wichtelsteinchen auch die Fröhlichkeit und Liebe zurückschenkten."

Diese Geschichte ist nicht von mir; wer sie sich ausdachte, weiß ich nicht. 

Meine Mama hat sie heute Abend uns allen vorgelesen - und jedem ein selbst gefertigtes Wichtelsteinchen in die Hand gelegt. 
Mich haben diese Worte ziemlich berührt - weil sie so sinnbildlich sind in dieser Zeit.
Und ich dachte an die selbstgefertigten Postkarten, die ich zu Weihnachten verschickt hatte. Siebzehn Stück an der Zahl. Ich muss zugeben, natürlich hatte ich mir zumindest ein Feedback erhofft in der Art: "Danke, dass du an mich gedacht hast."
Eben auch gerade in einer Zeit wie dieser, wo Menschen lieber und ausschließlich übers Netz irgendwelche Bildchen verteilen, ganz oft sogar ohne auch nur ein einziges persönliches Wort dazu.
Von siebzehn Bedachten habe ich gerade fünf Rückmeldungen bekommen. 

Ich dachte über die Geschichte nach, die meine Mama heute Abend vorgelesen hatte - und mir wurde bewusst, dass ich mir sicherlich ein Feedback gewünscht hatte. Aber eigentliches Ziel war ja, Menschen zu überraschen, ihnen vielleicht eine kleine Freude gemacht zu haben. Ganz gleich, ob sie sie aktuell überhaupt schon erhalten hatten (sehe ja gerade auch an mir selbst, dass ich derzeit gar nicht zu Hause bin) oder ob sie sich einfach nur mal gefreut hatten: DAS war das Ziel. Etwas von mir weiterzugeben und anderen Menschen - und sei es für nur einen Augenblick - einen Wohlfühlmoment überbracht zu haben.
Mehr muss nicht. 

11 Kommentare:

Dies und Jenes hat gesagt…

Ach wie schön. Stimmt die Erwartungen aber andereseits auch das Gefühl jemanden eine Freude machen. Hatte ich auch schon, aber irgendwann mal entpuppte sich das beim Gegenüber als lästig. Ich lass all das sein.
Und du bist am Meer. Erhole dich gut. Atme es ein. Genieße es.
Noch schöne Tage LG Ursula

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Hallo, du liebe Frau mit dem roten Kleid! Die Geschichte habe ich schon bei Fb kommentiert und morgen kannst du dich bei mir im Blog begrüßen.
Weißt du, was mir aufgefallen ist???? Entweder habe ich sie verschusselt oder ich habe sie wirklich nicht - nämlich deine Anschrift. Ob du allerdings eine der von mir verschickten 8 Karten bekommen hättest, kann ich nicht mit Sicherheit behaupten. Aber auf jeden Fall weiß ich, dass ich mich gleich und sofort per WA gemeldet habe, um dir zu sagen, wie sehr ich mich gefreut habe.
Ich weiß noch, wie sehr ich auf eine Reaktion gehofft habe, als ich meiner Quasi-Schwiegertochter 8 Geschichten von meinem Sohn in seiner Kindheit ausgedruckt habe. Gestern habe ich sie endlich mal danach gefragt, ob ihr die Geschichten gefallen haben. Ihre Antwort war: Da kannte ich doch schon welche davon.
Vielleicht ist es nicht bei allen Leuten angebracht, auf eine Reaktion zu warten.
Drüxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx!

Grit hat gesagt…

Hallo Helma,
handgeschriebene Weihnachtskarten mag ich sehr und ich mag es, auch in meinem Briefkasten welche vorzufinden. Leider wird es von Jahr zu Jahr immer weniger, viele Leute bevorzugen WhatsApp usw. Bloß ein Bildchen hin- und herschicken mag ich nicht, hat zu wenig Wertschätzung für mein Gegenüber, ist mir zu oberflächlich. Ich wünsche Dir ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest. Genieße die Tage am Meer. Viele Grüße, Grit.

Lutz hat gesagt…

Bei den Wichtelsteinchen habe ich an Deine angemalten Steine denken müssen. Die hast Du doch auch immer an andere weitergegeben oder irgendwo absichtlich abgelegt, um Fremden damit Freude zu bereiten.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke Ursula. Ja, wenn ich das Gefühl bekomme, dass etwas lästig wird, werde ich auch sofort damit aufhören!
Ich hoffe, Du hattest entspannte Weihnachtstage und konntest wenigstens ein bisschen von dem machen, das DU tun wolltest.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, es ist ganz egal, ob Du mir eine Karte schicken würdest oder nicht: Mir reicht, dass DU Dich gefreut hast, mehr wollte ich nicht :)
Und wie gesagt, ich warte nicht weiter auf eine Reaktion. Wenn sie sich gefreut haben sollten, reicht mir das :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Grit, ich persönlich finde nichts gruseliger, als irgendwelche Bildchen zu verschicken, die dann noch nicht mal wenigstens von einer persönliche Zeile begleitet werden.
Dann kann man es wirklich auch ganz lassen.
Die Tage hier am Meer waren wirklich wundervoll - aber unerwartet eisig kalt. -5 und -6 Grad nur - aber durch den eisigen Wind tut das dann schon richtig weh im Gesicht ;)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Lutz, das stimmt. Als meine Mama uns allen den Text vorlas und jedem ein aus Salzteig gefertigtes Gesicht schenkte, empfand ich das als richtig berührend (auch deshalb musste ich die Geschichte hier teilen).
Mir ist erst später bewusst geworden, dass ich es ja eigentlich seit gut 1 Jahr genauso handhabe. Und bisher wurde wohl jeder Stein mehr oder weniger sofort gefunden und auch mitgenommen. Das ist echt ein schönes Gefühl.

Pedro hat gesagt…

Hallo Helma,

ich lese seit ca. 6/7 Monate Ihre Blogs mit und diesen hier finde ich so toll, dass ich diesen einfach kommentieren muss. Vielen Dank für diese Zeilen.
Ja, es ist unendlich wichtig dies mit seinen Lieben zu teilen.

Ich kenne auch einige ihrer Zeilen von anderen Blogs, bei denen Sie kommentiert haben.
Danke für Ihre offene und klara Sicht der Dinge.

Wünsche Ihnen ein tolles, glückliches 2022. jeden Tag ein lächeln und genügend Zeit zum Luftholen. Und bitte Grüßen Sie das Meer, es fehlt mir so sehr in diesen Momenten.

Mit den besten Wünschen
Pedro

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke Pedro.
Ich habe - offen gestanden - Ihren Blog heute ungefähr 5 x gelesen. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, in verschiedener Hinsicht.
Vom Meer war ich leider schon zurück - ich hätte sonst gern Ihren Gruß dort gelassen :)
Ich wünsche auch Ihnen wirklich alles Gute!

Pedro hat gesagt…

Liebe Helma, als erster wünsche ich dir ganz viel Kraft und für die behandelte Person alles Gute, wenn ich könnte, würde ich euch jeweils einen Wichtelstein schenken zumindest gedanklich ist es umgesetzt.
Ja, ist schlimm für mich, dieser Mensch genoss mein Vertrauen kein einziger Mensch hat mich bisher so belogen. Ich hatte von den Blogs bis vor 6 Monaten oder vlt. 7 Monaten keine Ahnung. Ich hoffe für ihn, dass er sich helfen lässt, sonst befürchte ich Schlimmstes.Doch es gibt so viele Menschen die sich über Ehrlichkeit und aufrichtige Anteilnahme noch freuen und daraus Kraft schöpfen können. In seinem Fall ist das für mich endgültig. Leider nicht mal ein Quentchen oder Spur von Reue und Verständnis für die Betroffene n. Wer weiß wie das mal enden wird. Danke für Ihre Zeit. Mit den besten Wünschen Pedro