Vor kurzem habe ich an einem Workshop teilgenommen. Nicht mein erster, aber der erste dieser Art.
Postkarten lagen ausgebreitet und die Teilnehmer wurden gebeten, sich zwei davon auszuwählen. Die erste sollte die aktuelle Stimmungslage beschreiben, die zweite die Erwartungshaltung an den Workshop.
Ich habe ganz spontan gewählt, noch ehe sich die Worte in meinem Kopf formten, was ich damit zum Ausdruck bringen wollte.
Meine erste Karte war die Großaufnahme einer Margeritenblüte. Die zweite Karte bildete einen Sonnenuntergang ab - und einen Schattenmenschen, der die Arme ganz weit ausbreitete.
Diese zwei Karten pinnte ich an die Wand.
"Ich weiß nicht, warum, aber jeden Morgen, den ich erwache, habe ich Musik in meinem Kopf. Nicht immer dieselbe, aber immer Musik. Ich habe den ganzen Tag lang Musik in meinem Kopf. Und die Karte mit der Blume sprang mich irgendwie an, weil neben der Musik in meinem Kopf meistens auch eine Blumenwiese ist. Das beschreibt... glaube ich... meine aktuelle Stimmungslage am besten. Und die Karte mit den Armen.. Ich habe keine Ahnung, was heute passiert. Ich hab vielleicht eine Vorstellung von dem, was passiert. Vor allem aber bin ich offen für alles, was kommt."
Das bedeutet nicht, dass ich keine Angst hab. Ich hab ne scheiß Angst vor so einigem. Aber ich hab nicht nur meine Technik des Prokrastinierens perfektioniert, ich bin auch im Verdrängen ziemlich gut. Kann mittlerweile ganz gut zur Seite schieben, was ich nicht ändern kann. Das gelingt mir nicht immer, auch nicht immer gut - und ist natürlich auch immens abhängig von der Verfassung meiner Kinder und der Menschen, die ich liebe.
Manchmal beklagt sich der Mann über die Kinder, dass wir sie zu selten sehen und dass sie sich zu selten melden; es sei denn, sie "wollen irgendwas". Dann muss ich oft lächeln und erinnere ihn daran, wie es war, als wir so jung waren. Uns gehörte doch die Welt, glaubten wir. Und wir glaubten, alles würde immer so sein und so bleiben, wie es eben war. Wir haben doch nie darüber nachgedacht, ob die Eltern alt werden, ob die Großeltern sterben - und dass es eines Tages zu spät für alles sein könnte.
Heute ist es anders. Heute genieße ich jeden einzelnen Tag und jeden Moment, den ich mit anderen teilen kann und darf. Jetzt, wo die Reise an das geliebte Meer nicht mehr so arg weit ist wie noch vor gut einem Jahr, jetzt bin ich öfter dahin unterwegs, habe meine Mama und meinen Papa öfter besucht als zuvor - und werde mir auch künftig mehr Zeit nehmen. Heute denke ich oft an meine Großmutter, die nicht nur einmal darum bat, ich möge doch öfter schreiben. Heute wünschte ich so sehr, ich hätte es getan. Heute wünschte ich, ich hätte mir ihre Strickjacke aufbewahren können, diese eine dunkelblaue mit den braunen Hirschhornknöpfen. In meinem Schrank hängen seither vermutlich um die fünfzehn Strickjacken, und auch wenn ich mir noch weitere fünfzehn kaufen würde: Keine davon ist diese eine.
Und das ist auch etwas, das mich umtreibt.. Die Furcht davor, zu spät zu kommen. Die Furcht davor, auf der Suche nach Dingen bleiben zu müssen, die nicht mehr ersetzt, nicht mehr repariert, nicht mehr wiedergutgemacht, nicht mehr nachgeholt werden können..
In samtigen Nächten wie diesen, mit dieser Musik in meinen Ohren, da fühle ich sie einmal mehr, diese Sehnsucht, diese tiefe Liebe zu wenigen Menschen - und zugleich das leise Schwingen dieser Furcht.
4 Kommentare:
Die Sache mit der Furcht kann ich gut nachvollziehen.
wie schreibt sich das Wort > geniessen"? Wenn dir ständig immer wieder nicht nur einmal und nicht nur von einem ...(ich weiß, dies ist schwer zu verstehen - zugeflüstert oder laut in die Ohren geplärrt wird: geniesse jetzt und nicht später, denn später ist zu spät"!
bei dem was ich aus Rücksicht auf andere mache - nämlich eigene Verantwortung übernehmen und nicht laut trällernd in den Tag hineinlebe...nach dem Motto: " nach mir die Sintflut".
ich versuche zumindest mich dabei weit gehenst zu entspannen und nicht zu stressen...
ich verstehe gut wie du dich fühlst - vor allem nachdem ich das Lied mitgehört habe..
jeder Tag ist eine Herausforderung die man vorher nicht einschätzen oder sich ansehen kann...
danke für den Post... herzlich angel
Hallo, das hier habe ich mir kopoiert: "... ich bin auch im Verdrängen ziemlich gut. Kann mittlerweile ganz gut zur Seite schieben, was ich nicht ändern kann. Das gelingt mir nicht immer, auch nicht immer gut - und ist natürlich auch immens abhängig von der Verfassung meiner Kinder und der Menschen, die ich liebe" Genau das hat die sehr gute Pastorin versucht, mir nahe zu bringen, denn ich räufel mikch oft auf wegen Dingen, die ich eh nicht ändern kann. Manchmal kann ich ganz gut mit allen schlechten Dingen des Lebens leben, manchmal eher nicht. Aber zum Glück gibt es immer wieder gute Bekannte, die mich auffangen. - Liebe Grüße zu dir von Clara
Oh ja ich hab auch so vor einigem Angst. Dann mach ich mir einen Kopf so groß wie der Mond... aber irgendwie krieg ichs hin, Wir hatten und haben eben unsere großen und kleinen Baustellen.
LG
Ursula
Kommentar veröffentlichen