Dienstag, 14. Oktober 2008

Nur Du bist Du!

Kennt jemand von Euch diese neue Coca-Cola-Werbung? Die ist doch so herrlich, ich amüsiere mich da immer wieder aufs Neue. Das Brautpaar, er so herrlich verspießert und ernst und überhaupt, während dank ihr unvergessliche Fotografien entstehen, über die man noch beim hundertsten Male lachen könnte. Oder die junge Frau im Büro, die ihr Gesicht so effektvoll plattdrückt an der Glasscheibe. Wirklich, das haben sie echt toll hingekriegt und das sind dann auch immer so Momente, wo ich mir jeglichen Hang zum ich-müsste-jetzt-mal-pieseln verdrücke, mich stattdessen noch entspannter in die Kissen zurückkuschel und den Spots zuschaue, als seien sie die Fortsetzung von Bridget Jones. Oder so :-)
Aber zurück zum realen Leben... Ruft mich doch heut Nachmittag mein Pubertäts-Kind im Büro an. Erst (!) auf meine Frage nach dem werten Befinden (es klagte gestern Abend so ein wenig über Bauchweh) sank augenblicklich der fröhlich-muntere Ton auf ein kläglich-leidvolles Level herab und wurde mir gesagt: "Mutti, mir gehts überhaupt nicht gut. Mir gehts noch ein dreiviertel Stückchen schlechter wie gestern." Hä? Ein dreiviertel Stückchen? Das klingt genauso merkwürdig wie: "Von um zwei bis halb vier gings mir gar nicht gut." Natürlich hab ich ihn schon einige Male zurechtgerückt, indem ich sagte: "Jetzt kneif mal bisschen die Backen zusammen und hör auf, dich selber zu beobachten, dann wird das auch wieder." Als dieser kluge Spruch eines Tages auch nichts mehr fruchtete, kaufte ich ihm einen sogenannten Placebo. Zu seiner Ehre muss ich sagen: Der hilft nicht immer :-) Und heute sagte er mir: "Deine Tablette hab ich genommen, schon in der 2. Stunde. Aber besser geworden ist es nicht. Schlechter zwar auch nicht, aber... eben auch nicht besser." So weit, so gut. Ich erinnerte ihn noch einmal an das Verhalten seiner Backen und brachte ebenfalls in Erinnerung, dass die Ferien bereits vor der Tür stünden und er es vergessen könne, jetzt so kurz vorher noch mal schlappmachen zu dürfen. Also mal ehrlich: Jeden Monat dieselbe Tour (vor allem 1 x pro Monat, da denkt man an PMS - das Prä-Menstruelle Syndrom - und solche Geschichten... aber bei einem knapp 13jährigen Jungen???), da schwankt die Bandbreite schon zwischen "oh mein süßer Kleiner" bis hin zu "jetzt lass dich doch mal nicht so gehen".
Jedenfalls, was soll ich sagen, ich kehrte heim, etwas früher als üblich, das Kind lag bereits entkleidet in seinem Bett (es weiß genau, dass ich weiß, dass es für ihn äußerst ungewohnt ist und immer auf eine ernstzunehmende Krankheit hindeutet) und erhob mit schwacher Stimme die Frage: "Mutti... die Hausaufgaben hab ich gemacht, aber könntest du mir noch bei Englisch helfen?" Worauf ich - Englisch kann ich wenigstens so ein bisschen - spontan antwortete: "Aber natürlich, was hast du denn auf?" Worauf es flugs aus den Laken sprang, mir ein Blatt Papier mit den Namen Shakespeare, Queen Elizabeth und so unter die Nase hielt und sagte: "Ich soll da Fotos einkleben, das Internet hab ich schon mal angeschalten." Im ersten Anflug meines Helfer-Syndroms nahm ich Platz vor dem PC, der zweite Anflug brachte erste leichte Ernüchterung und die Frage: "Nur die Fotos und sonst nichts? Und wieso bitte schaffst du das nicht alleine?" Na ganz einfach: Wenn man Headran Wall statt Hadrian's Wall ins Heft schreibt und auch noch Stein und Bein schwört, dass man es genau so von der Tafel abgeschrieben hätte, dann... müsste man auch mal auf eine Folge Sponge Bob verzichten, um seine Aufgabe ordentlich und gewissenhaft zu lösen. Also atmete ich erst einmal geräuschvoll tief ein und aus und fragte dann: "Gabs sonst noch was in der Schule?" Nachmittags am Telefon hatte er "Nein" gesagt, jetzt sagte er kleinlaut: "Ja" und als ich sah, wie er zu Hefter und Füllhalter griff, schwante mir, was kam: die Note 6 im Fach Englisch. Ein blütenweißes Blatt Papier mit zwei Zeilen meines Sohnes: "Ich habe die falsche Hausaufgabe gemacht. Ich habe keine Hausaufgabe." Woraufhin die Lehrerin korrigiert hatte: "Falsch! Du hattest keine Hausaufgabe und nicht die falsche!" Sechs. Setzen. Den Blick wagte das Kind gar nicht zu mir zu heben. Und ich? Ehrlich, ich war heute einfach zu müde, um aufzudrehen und loszulegen. Mir war viel eher nach Badewanne, Musik, Zuwendung, Nähe - aber nicht nach Auseinandersetzung. Aber was doch sehr bemerkenswert war: Als das Kind sah, die Mama unterschreibt und meckert gar nicht - vergessen alle Übelkeit! Vergessen alle Bauchschmerzen! Stolzer Blick: "Schau mal, ich hab in der Schule auch alles aufgegessen!" Und es waren übrigens noch alle Placebos VOLLZÄHLIG in ihrer Packung! Von wegen, in der 2. Stunde schon geschluckt... Später, der Schmunzelhase lag dann schon im Bett, musste ich lachen, weil mir die Worte einiger Menschen - getrennt voneinander befragt - einfielen: "Dein Kleiner weiß genau, wie er dich kriegt." Wisst Ihr was? Das weiß ich auch. Schon längst! Aber ich... bin eben auch nur ich ;-)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ausgezeichnet !

Anonym hat gesagt…

Welchen Blog soll ich nur kommentieren...? Alle Einträge habe ich am Stück gelesen. Ich wähle den derzeit letzten um zu sagen, dass du eine sehr lebendige Art hast zu schreiben, zu beschreiben. Wunderschöne Zeilen, geprägt von Freunde und Frust, Genuss und Schmerz... und vor Allem... Hoffnung und Liebe. Eine beeindruckende Art, scheinbar Alltägliches in besondere Worte zu fassen. Und das Beste ist...: Ich darf dich kennen. Werde nun öfter reinschauen und deine Zeilen lesen. Denn so oft sehen und sprechen wir uns ja nicht. Aber ich kann teilhaben an deinen Gedanken und das freut mich. Mach weiter, schreibe, male, mach, was dir gut tut. Und wenn du nen Weg gefunden hast, deinen Schmerz zu teilen...ich nehm ein Stück. Versprochen!
Peter