Montag, 7. Dezember 2015

Liebe vorweihnachtliche Zerrissenheit


Wenn ich an Weihnachten zurückdenke, als ich noch klein war, dann denke ich an liebevoll in Seidenpapier gewickelte Orangen mit ihrem zarten Duft. An Heimlichkeiten und Vorfreude. An den Geruch von frischer Tanne. An Nachmittagen, die wir mit Trickfilm schauen verbrachten, selbstgebackene Kekse aßen und "den guten Kakao" tranken. (Die gezuckerte Variante, die sich in kalter wie warmer Milch auflöste, gab es nur zu diesen besonderen Tagen.)
Weihnachten war für mich als Kind, so klein ich damals war, etwas Besonderes. 
Ich habe früh geheiratet und Kinder bekommen. Über die Jahre hin verlor sich dieses Besondere. "Es muss teuer aussehen und wenig gekostet haben", war das Credo, das mir die Freude am Freude bereiten verdarb. Das allem einen schalen Beigeschmack vermittelte. Passend dazu der Weihnachtsbaum aus Polyester. Weil es so wenig mit dem wirklichen Freude bereiten zu tun hatte. Hauptsache, es gab etwas zu verpacken und zu verschenken. 
Im Januar 2003 zog ich aus.
Weihnachten 2003 verbrachte ich völlig allein. Nicht freiwillig allein, aber eben allein. Ich ging sehr früh zu Bett, ich glaube, ich hab nicht mal ferngesehen. Nur Rotwein getrunken und ein bisschen geweint bis zum Einschlafen.
In den folgenden Jahren danach entwickelten sich die Weihnachtstage wieder zu dem Besonderen, wie ich es als Kind empfunden hatte. Tannenzweige habe ich im Wald gesammelt und mir so den frischen Duft mit nach Hause geholt. Den Geruch der roten Weihnachtsäpfel auf dem Teller, eingebettet in die Nüsse und Mandarinen. Den samtigen Geruch der Vanille- und Karamellkerzen. Backen und Kochen mit Liebe. (Klingt pathetisch, aber die Dinge verändern sich tatsächlich, wenn man sie einfach nur aus bzw. mit Liebe macht.)
Und ich sorgte dafür, nie wieder ein Weihnachten einsam verbringen zu müssen. So wie es mir auch wichtig war, diese Zeit, diese Tage vor allem mit meinen Söhnen zu verbringen. 
Überraschungen vorbereiten, von denen ich zumindest immer wünschte, sie mögen diesen einen besonderen Glanz in die Augen zaubern. Diese Seligkeit, die ich als Fünfjährige empfand, als ich mein sehnlichst gewünschtes Puppenhaus bekam. So ganz schlicht und einfach zwei nebeneinanderliegende Zimmer aus Holz und Pappe gebaut, echte Tapete aufgeklebt, wenig Mobiliar, aber vor allem der winzige Puppenwagen dazu.
Es gibt Dinge, die vergisst man einfach nicht, auch die guten nicht.
Das war es, was ich mir immer irgendwie wünschte: Etwas von mir geben, das berührt, das freut - und das im Herzen bleibt, weil es von Herzen kommt. 
Ja, ich gebe zu, ich habe da meine eigene verklärte Auffassung. Aber ich lebe die Dinge, die ich liebe - wie sollte ich es auch anders tun? 
Inzwischen sind meine Söhne erwachsen, und woran es jetzt auch immer liegt - aber ich genieße die Verbundenheit, die sie insbesondere in diesen Tagen am ehesten zu mir führt. Zu uns mittlerweile.
Ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, ob das eine oder andere Geschenk angebracht, angemessen ist oder "es nichts Wichtigeres gibt". (Natürlich muss nicht alles Geld kosten; ich genieße ebenso auch Zweisamkeit, das Zusammensein mit der Familie als Geschenk. Aber ich liebe es auch, für jeden meiner Liebsten mir etwas ausgedacht zu haben.) Ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, ob Platz in der kleinsten Hütte ist oder nicht. Ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, wann es zu früh oder zu spät sein wird, nach Hause zu kommen. 
Aber ich muss darüber nachdenken - und es zerreißt mich im Inneren und es treibt mir das Wasser in die Augen.
Aus Rücksicht muss ich und will ich auch darüber nachdenken - und tue es auch - und weiß trotzdem nicht, wie der richtige Weg ist. 
Wenn das Zusammensein mit der Familie nicht mehr als Geschenk, sondern als Abringen der Gemeinsamkeit empfunden werden kann.
So viele Hoffnungen und Erwartungen von mehreren Seiten, von denen ich keine Ahnung habe, wie ich ihnen gerecht werden kann. Ohne dass auch nur ein einziger geliebter Mensch sich so fühlt wie ich mich Weihnachten 2003 fühlte. 

7 Kommentare:

Goldi hat gesagt…

Hm, kryptisch ein wenig.
Platzprobleme? Zum Feiern oder Übernachten? Übernachten kann man zur Not auch im Hotel gleich nebenan oder? Hat auch Vorteile, keine zusätzlichen Betten beziehen, man kann ausschlafen und trifft sich dann eben wieder zum brunchen oder wie auch immer. Zu früh kann es eigentlich nie sein, außer die Kinder sollen erst dann heimkommen, wenn der Baum geschmückt ist, die Lichter brennen und das Abendessen dampfend auf dem Tisch steht ;)

Zu spät? Noch schwieriger zu beantworten. Gerade an solchen Tagen, wenn es ums gemeinsame Essen geht und Du die Köchin, vielleicht einfach ein Buffet machen an dem sich alle dann bedienen können, wenn sie Hunger haben? Hat den Vorteil, das man nicht warten muss? "Bescherung" kann man ja auch mal nach Ami-Vorbild auf den 1. Feiertag verlegen oder auf 0.00 Uhr weil dann der dicke Pitter geschlagen hat und wirklich Weihnachten ist ;)

Wer oder welcher Umstand verlangt von Dir diese Gedanken? Kannst Du es evtl. "aufteilen"?

Meine Weihnachten waren bis zu Herrn Gold sehr gemischt. Von stimmungsvoll über Krankenhausanfahrt, weil sich der Ex beim Baumaufstellen selten dämlich anstellte, bis hin zu der Aussage am 24.12. morgens: "ich geh arbeiten, hab mit Weihnachten nichts am Hut, wenn es Dir nicht passt kannst Du ja ausziehen Frau Gold" (ein anderer Ex) war alles dabei.

Mit Herrn Gold gab es in den ersten Jahren neben unserem heiligen Abend (nur wir zwei) "ich muss kochen, aufräumen, putzen, noch mehr kochen, damit alle zufrieden sind, wenn sie dann zu Besuch kommen" selbst gemachten Stress pur. Ich stand nur in der Küche oder war aufräumend und putzend unterwegs. Bis Herr Gold fragte ob ich mir das wirklich Jahr für Jahr geben muss. Seit dem gibt es unseren heiligen Abend und unsere heiligen Tage. Kein Stress, gemeinsames kochen, viel gemeinsame Zeit und wenn jemand vorbei kommen möchte, dann kann er das gerne tun, aber mehr Aufwand ist nicht mehr und auch an diesen Tage gilt "wer sich bei uns nicht wohlfühlt, kann gerne den Staubsauger in die Hand nehmen, noch besser allerdings die Türklinke und von außen zu ziehen."

Der richtige Weg für Dich? Mh, aus dem Bauch heraus: das ist der Weg, der Dir am wenigsten Bauchschmerzen verursacht und mit dem Du Dich wohlfühlst. Niemand kann es allen recht machen ohne dabei auf der Strecke zu bleiben. Grenzen setzen ist nicht negativ, sondern Achtsamkeit sich selbst gegenüber. Und nur weil Weihnachten drüber steht bedeutet es nicht, dass man sich selbst vernachlässigen sollte, damit alle anderen ihre Bedürfnisse befriedigt bekommen.

Wenn Du meinst, dass Du rotweingetränkt um 22.48Uhr mit Hernn Blau aufschlägst, dann ist das so und wenn erwartet wird, dass Du/Ihr um 20.00Uhr gestriegelt, bierernst und bitte nicht lachend, da zu sein habt, dann überlegt ob das für Euch eine Umgebung ist, in der Ihr Eure Zeit wirklich verbringen wollt. Wenn nicht, hei es gibt noch andere Tage an denen man sich besuchen kann ;)

Vibesbild hat gesagt…

Liebe Helma,

mir geht es ähnlich wie Goldi, die Aussagen sind ein bisserl zu kryptisch, um konkret zu verstehen, um was es geht...

Was ich verstehe und herauslese, ist, dass es Dir wieder enorm wichtig ist, es allen direkt und indirekt Beteiligten schön und recht zu machen. Wenn dies der Gewährleistung weihnachtlicher Harmonie gilt, dann ist es natürlich richtig und gut - da Dir wichtig.

Schlußendlich lässt sich aber eben nicht auf sieben Hochzeiten tanzen. Und Du bist ja nun auch nicht die Erfüllungsgehilfin aller individueller Vorstellungen. Wirklich wichtig ist ja eigentlich nur die Frage, WAS Dir wichtig ist und da drumherum können dann die Konditionen verknüpft, verbändelt, geplant und umgesetzt werden.

Was passt denn da gerade nicht, wenn die Jungs Dir in Liebe zugetan sind und sogar - trotz ihres herangewachsenen Alters - mit Euch feiern wollen? Das ist doch eine herzerwärmende Geste?! Oder hat die Familie vom Lebensgefährten andere Vorstellungen und Erwartungen und Du möchtest diese und die Deiner Jungs nicht enttäuschen?

Dann frag einfach Dich, wie für Dich das ideale Weihnachten ausschaut, mit wem und wo. Der Rest wird dann ein Kinderspiel. Oder wir machen es dazu... ;)
(=> https://www.youtube.com/watch?v=vS4DNnp8ZhM )

Ach, Helma, Du bist so ein Seelchen. Manches Mal denke ich, in Wirklichkeit bist Du ein zartes Blumenelfchen und direkt aus einem Märchen mit schönen Feen und Prinzessinnen und Zauberschlössern in unser ver.ork.tes Hier und Jetzt geplumpst. Viel zu gut und schön für die Welt. Aber das ist natürlich Blödsinn. Wir sind ja froh, dass wir uns an Dir und Deiner Gefühlstiefe erfreuen können.

Fühl Dich lieb gedrückt!
Pippilotta Viktualia Emphraims Tochter Nana vom See samt Langstrumpf

Goldi hat gesagt…

Vibesbild besonders Deinen Absatz mit "Ach Helma..." möchte ich ganz dick, mehrfach unterschreiben - genau das trifft es super gut - Danke

Anna hat gesagt…

Ich erinnere mich noch sehr gut an diese vorweihnachtliche Zerrissenheit. Der Wunsch, es allen recht zu machen und zugleich so ein bullerbumäßiges Weihnachtsfest zu feiern, wie es scheinbar "normal" ist. Es ging nie gut, war immer extrem stressbelastet und die letzen 20 Jahr im Spagat zwischen meiner und der Schwiegerfamilie waren ... nicht schön.

Irgendwann war mir das zu blöd, zumal ich nach den Weinachtstagen am liebsten eine Woche Urlaub gehabt hätte. Ich mag die Weihnachtszeit wirklich, weil alles schön beleuchtet ist und man in Märchenfilmen und dicken Büchern versinken kann. Aber mit dem kirchlichen Weihnachtsfest selbst habe ich nichts am Hut. Kirchen besuche ich lediglich aus architektonischem Interesse (das allerdings sehr gerne!) und sonst nicht. Demzufolge ist mir die Fokussierung auf diese speziellen Tage suspekt und es mir auch wurscht, ob nun der 21., 24. oder 28. Dezember ist. Ich mag sie alle, keiner ist für mich bedeutsamer als der andere und jetzt, wo der Junior kein Kleinkind mehr ist, sehe ich das noch entspannter.

Dazu kommt: Wer mir an 360-364 Tagen im Jahr relativ egal ist und in meinem Leben eine untergeordnete Rolle spielt, bekommt am 365sten Tag keine Sonderstellung. Wer mir hingegen wichtig ist, der versteht dann auch, dass ich mir diesen Weihnachtsoverkill nicht mehr gebe. Das kommt nicht überall gut an - vor allem nicht bei denen, die mir eh egal sind. Aber warum sollte ich es denen recht machen wollen?

Und da ich selbst mit dieser Zerrissenheit gekämpft habe, neige ich auch nicht dazu, irgendjemandem böse zu sein, wenn er die Weihnachtstage anderweitig verbringen möchte/muss. Es gibt - wenn einem die Weihnachtszeit denn wichtig ist - vier Adventswochen, in denen man zusammekommen kann. Wenn man einander wichtig ist, dann schafft man es auch, da ein gemeinsames Treffen zu arrangieren, das müssen nicht zwanghaft diese Weihnachtsfeiertage sein. Und wenn ich mich das ganze Jahr über geliebt und nicht einsam fühle, dann habe ich persönlich kein Problem damit, die Weihnachtstage alleine zu verbringen. Das finde ich ehrlicher als dieses Schauspiel in der aktuellen Edeka-Werbung (finde ich sehr gut getroffen und wir spielen das gerade in einer leicht geänderten Variante nach), bei dem alle vereint am Weihnachtstisch sitzen und sich einen Zusammenhalt vorgaukeln, der so nicht existiert.

Den richtigen Weg für mich habe ich übrigens immer noch nicht gefunden. Gehe daher jedes Jahr einen neuen und schaue, ob der passt oder nicht. ;)


Vibesbild hat gesagt…

@Goldi: ach, das freut mich. Habe bei Deinem Kommentar auch an einem Stück "yepp" gedacht. Übrigens "kennen wir uns, liebe Goldi. Ich bin die transformiert (2day-)Falkin ;-) Lieben Gruß & Winkerz!

Meereswind hat gesagt…

Liebe Helma, meine 80'ste Leserin nach einem gefühlten Vierteljahrhundert - herzlich Willkommen bei Papatyam!!! Ich freue mich darauf, nun bei dir stöbern zu gehen.
Liee Grüße, M.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ihr Lieben, vielen, vielen Dank für Eure Worte! Warum ich bislang so "schweigsam" war, erklärte ich im heutigen Post - nach dem ich jetzt auch wieder richtig müde bin. Lesen und Schreiben strengt immer noch an :)
Liebe Nana, nein, es ging nicht darum, es allen recht machen zu wollen. Viel mehr ging es um Absprachen, meine Söhne in jenen Tagen bei mir haben zu können - und darum, dass diese Absprachen mehr oder minder gebrochen werden sollten. Inzwischen sind Kompromisslösungen gefunden, mit denen alle Beteiligten umgehen können. Das hat mir... eine extrem große Last genommen.
Damit beantwortet sich auch für Dich, Frl. K., die Frage? Im übrigen sehe ich es genauso wie Du: Stress möchte ich insbesondere in dieser Zeit nicht haben und mir auch nicht machen, schon gar nicht würde ich das tun für Menschen, die mir in den übrigen 11 Monaten des Jahres auch keine Wertschätzung entgegenbringen. Einen sogenannten Overkill würde ich insofern auch gar nicht mehr zulassen wollen.
Würden die Söhne geäußert haben, die Weihnachtstage woanders verbringen zu wollen, wäre ich genauso glücklich. Mir ist wichtig, dass es ihnen gut geht, dass sie sich glücklich fühlen - und nicht einsam so wie ich mich damals fühlte. Nicht, wenn es auch anders geht.