Donnerstag, 8. August 2019

"Ich werde es bereuen"


...wusste ich schon letzte Nacht beziehungsweise heute Morgen gegen halb zwei, als ich kühn auf meine Pinnwand schrieb "Keiner mehr da? Ist doch erst 1:29 Uhr?"
Erstaunlicherweise war ich dennoch, obschon der Tag hier in L für gewöhnlich etwa zwei Stunden eher beginnt als im Home Office (nein, nicht nur der Restaurationsarbeiten wegen, ich habe auch Anfahrt!), ziemlich fit in Geist und Körper. Erst in der Nachmittagsglut spürte ich die ersten Anzeichen der Ermüdung und begehrte kaum etwas weniger als den Moment, endlich heimfahren und mich auf dem Sofa niederlegen zu können. Wenigstens für ein paar Minuten. Wohl wissend, dass genau DAS das Tödliche daran ist: Man steht anschließend vielleicht nochmal auf, aber das, was man eigentlich alles noch erledigen wollte, wird verschoben. Muss jetzt zum Beispiel die Steuererklärung wirklich WIRKLICH sein oder isses jetzt nicht auch egal, weil der Monat August eh schon begonnen hat, der Stichtag 31.07. damit so oder so überschritten - und im Monat August ja auch noch  mindestens 1 Besuch in L angesagt ist, an dem ich mich der Steuer von Junior I widmen kann?
Ich denk mal schon.
Wenn ich mir selber Ziele stecke, kann ich derart überzeugend prokrastinieren, dass ich mir selber hundertprozentig glaube und null Gewissensbisse verspüre.

"Kann ich euch noch was abnehmen?" fragte heute die latent gelangweilte dritte Kollegin und ich schlug spontan ein: "JA! Ein paar Kilos!"
Darauf hat sie sich natürlich nicht eingelassen. Schade eigentlich.
Wenigstens haben wir alle ein bisschen amüsiert herumgegackert und - mal abgesehen von der Lieblingsmucke - ein bisschen Schwung in das ob der Hitze träge Vorzimmer gebracht.
Davon blieb auch der Chef nicht verschont, der mit müde dicken Augen irgendwann am späten Vormittag das Büro betrat und bereits am frühen Nachmittag wieder verließ.
"Termine, Termine!"
Na Gott sei Dank! So lässt es sich wenigstens in Ruhe arbeiten und die wichtigsten Punkte von der to-do-Liste streichen.
So zum Beispiel eine seiner Wohnungen in L inserieren.
"Du Kapitalist!" habe ich an der einen und anderen Stelle entrüstet ausgerufen, wenn er zum Beispiel für einen Tiefgaragenplatz fünfzig Euro haben wollte. "Das sind ja Münchner Preise!" Oder für die Einbauküche fünfzig im Monat. "Überleg dir mal, was das im Jahr ist! Für diese kleine Küchenzeile! Also weißte!"
Der Mietpreis für die Wohnung selbst mag sicherlich der dortigen Gegend (eine der Nobelecken in L) entsprechen - aber wenn ich dran denke, dass ich das alleine löhnen müsste, lebte ich alleine...
"Ja gut, dann mach eben 25 Euro für die Küche. Und den Tiefgaragenplatz lassen wir für die große Wohnung, wir haben eh nur einen."
Schlecht verhandelt, hab ich gedacht, is ja schlimmer als auf nem Basar. Jetzt bekommt der potentielle Mieter zwar die Küche günstiger, hat aber keinen Stellplatz. Hm.
Ich musste dann auch ein bisschen lachen: Mit mir ist tatsächlich kein Pappenstiel zu gewinnen - ich verschenke mehr und denke offensichtlich einfach nicht unternehmerisch genug.
Und vielleicht gehe ich auch zu sehr von mir aus. Nur.. Ich verdiene für Ost-Verhältnisse wirklich gut, aber selbst mir würde diese Miete weh tun. Am Stadtrand von L, wo ich noch die Jungen-Wohnung habe, zahlen wir nicht ganz 150 Euro im Monat weniger - und das ist ne Menge Asche. Da könnt ich mich an Kaffee nicht nur besinnungslos trinken, sondern auch noch drin baden.
Und mit 44 m² finde ich die Wohnung jetzt auch nicht wirklich groß - bei zwei Zimmern. Die hat ja nicht mal ne Badewanne! So eine Wohnung taugt tatsächlich nur für eine Person - und die muss das auch erstmal zahlen können.
Ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich aber dennoch, wenn ich grad selber lese, was ich hier so niederschreibe: Wenn Menschen bereit wären, auch seine Preise zu akzeptieren, hätte ich ihn dann nicht besser machen lassen sollen? Hm. Ich weiß es nicht, aber mir widerstreben knappe 600 Euro für zwei Zimmerchen OHNE BADEWANNE! Andererseits... Hier in M bekommt man dafür grad mal ein WG-Zimmerchen, das kleinste von allen und vermutlich ein Durchgangszimmer. Ist tatsächlich so bekloppt. So bekloppt wie Mietpreise von etwa zweitausend Euro mittlerweile für eine normale Wohnung mit drei Zimmern auf rund 65 Quadratmetern. Die haben nicht alle Latten am Zaun - schäume ich immer wieder, aber auch das hilft mir nicht. Wir leben immer noch in einer für uns viel zu kleinen Wohnung. Mir fehlt einfach ein bisschen Platz, ein bisschen Raum und Luft für ihn und mich.
"Du musst ja kein Home Office machen, du kannst ja auch hier im M arbeiten", grummelt der Mann hin und wieder - aber egal wie: Es wäre keine Lösung. Denn ob der Schreibtisch nun da ist oder nicht - die Wohnung bleibt zu klein. Man hat einfach keinen Rückzugsmoment. Und wenn man dann tatsächlich JEDEN Abend zu Hause ist, gar nicht mehr weg kann, mal die Jungs besuchen und nebenbei bisschen arbeiten und so, ich glaube, spätestens dann wird richtig eng im blauen Ziggenheim. Wenn ich eins so gar nicht mag, dann ist es dieses Aufeinanderhocken, jeden Tag, jeden Abend, egal, ob man Tischtennis draußen ums Eck spielt oder durch die Pampa joggt. Das tötet die Liebe und das Begehren. Jedenfalls für mich gilt das so. Und man kann ja auch nicht jeden Abend ausgehen. Ich muss mich auch daheim zurückziehen können, in die Welt des Malens, Schreibens, Musik hörens.
"Vor einem Jahr habe ich dir eine Staffelei geschenkt, bis heute hast du sie nicht benutzt", klagte der Mann letztens. Wie soll ich es ihm erklären, ohne undankbar zu erscheinen oder das Gefühl zu vermitteln, ich wollte zuviel? Ist es so vermessen zu sagen, dass ich noch wenigstens ein bisschen mehr kleinen Raum außer dem zum Wohnen und zum Schlafen brauche? Ist ja nicht so, dass nur ich diesen Wunsch hätte..
Wir hatten mal einen Traum vom Musik- und Mal-Zimmer.
Eins, wo Platz ist für all seine Vinyls und meine Staffelei und überhaupt das Malzeugs.
"Wir hatten viele Träume", resümiert der Mann dann nicht ohne Vorwurf.
Ich muss nicht alles immer sofort realisiert haben oder umsetzen. Es ist auch ein wunderbares Gefühl, auf etwas hinarbeiten zu müssen oder zu können. Es wäre nur schön, wenn.. da auch ein wenig Hoffnung bliebe. Aber die Hoffnung auf bezahlbaren Wohnraum in M habe ich mir längst aus dem Kopf geschlagen und von der Bucket List gestrichen. Stattdessen überlege ich derzeit alternative Wege.. Von denen der Mann jetzt aber auch nicht so angetan ist. Und vermutlich hat er auch Recht und es ist grad nicht der richtige Moment dafür.. Dann.. muss man warten können.

Grad frage ich mich, ob ich nicht doch zuviel will. Es gab mal Zeiten, da habe ich gedacht, gefühlt und gelebt: "Raum ist in der kleinsten Hütte, Hauptsache, man ist zusammen."

Und den heutigen Song, den habe ich gewählt, damit ich wieder hochkomme vom Sofa. S gibt noch einiges zu tun heute :)

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