Samstag, 7. Dezember 2019

Was stimmt nicht mit mir?






Manchmal wundere ich mich über Menschen. Eigentlich jeder, den ich kenne, hat eine genaue Vorstellung von seinem Leben. Vom Lieben. Vom Job und vom Miteinander. Aber die wenigsten, die ich kenne, leben das, wovon sie eine Vorstellung haben.
Die meisten beklagen die Dinge, die sie nicht in ihrem Leben haben. Fühlen sich betrogen vom Leben, vom Lieben, vom Job und vom Miteinander. Beklagen Dinge, die ihrer Meinung nach von anderen so nicht gesagt oder nicht so hätten getan werden dürfen. Und wenn man es bei Tage besieht.. Ist es nicht eher die nicht erfüllte eigene Erwartungshaltung, die da beklagt wird?

Das Jahr neigt sich langsam, aber endgültig dem Ende zu und ehrlich gesagt: Irgendwie atme ich auf, dass es vorüber ist. Es war ein.. zähes Jahr. Eins, das irgendwie klebrig an den Schuhsohlen haftete und mir das Gefühl vermittelte, nicht von der Stelle kommen zu können. Als würden zu beschwerliche Dinge an mir haften, an mir kleben, mich belasten, die mich daran hinderten, einen Schritt nach dem anderen zu tun.
Schaue ich auf das Jahr zurück, überkommt mich einmal mehr das Gefühl, dass in genau diesem Jahr viel mehr in meinem Kopf und in meiner Seele herumgetobt hat, das mit meinem eigenen Leben genau genommen.. nicht viel zu tun hat. Es war das Jahr des Zuhörens, des Schlichtens, des Sortierens und Ordnens, des Auf- und Abfangens aller möglichen Stimmungen und Schwingungen - und am Ende dieses Jahres habe ich das Gefühl, selbst ein wenig zu kurz gekommen zu sein. Das ist aber nur ein Gefühl, vermutlich ist das nicht die Wahrheit.
Vielleicht, weil ich zuviele Probleme, die nicht meine sind, in meinen Kopf, in meine Seele und in meinen Rucksack genommen habe?

Ob man das zugeben mag oder nicht: Am Ende möchte niemand von uns allein sein und allein sterben. Jeder ist irgendwie auf der Suche nach einem Menschen, der das eigene Leben bereichert allein dadurch, dass er da ist. Der eine verkrampft bei der Suche, der andere hat bereits aufgegeben in der unerfüllten Beziehung - und hofft auf ein Wunder. Oder jemanden, der ihn rettet. Der Dritte fürchtet die Konsequenz seines Tuns und kann trotzdem nicht anders handeln, weil er vielleicht trotz allem hofft, ihm würde die Entscheidung abgenommen. Der Vierte beginnt ein neues Leben, obschon das alte nicht wirklich abgeschlossen ist. Fürchtet zwar keine Konsequenzen und ist doch erstaunt über menschliche Reaktionen. Irgendwie haben sie alle eine Erwartungshaltung an ihr Gegenüber - ohne selbst wirklich aktiv zu werden.
Der eine beklagt seit langem seine Gewichtsentwicklung der letzten Jahre - und lebt weiter wie bisher.
Der andere beklagt das Beziehungsverhalten - und zieht keine Konsequenzen.
Der Dritte führt ein gutes Leben - und beklagt unzufrieden die Dinge, die ihm fehlen.
Der Vierte führt das Leben seiner Wahl - und kann das Glück und den Erfolg anderer trotzdem nicht ertragen.
Ich schaue zu, ich höre zu - und wundere mich immer öfter.

Doch was mich am allermeisten daran irritiert: was es mit mir selber macht.
Wie oft ich denke "Und worüber genau regt er/ sie sich jetzt eigentlich genau auf - und vor allem: warum?"
Wie oft ich innerlich die Schultern zucke und denke: "Ja nun... Gibt Schlimmeres..."
Und ich frage mich.. Ist diese Gelassenheit dem Alter geschuldet? Diese Gelassenheit, die Ruhe in sich selbst. Oder verwechsle ich da etwas und es ist schon nicht mehr Gelassenheit, sondern eher Gleichmut? Und ist der nicht eher negativ als positiv? Ist der nicht eher auch gefährlich?
Bis wohin ist es ein Schutzschild für das eigene Gemüt, das eigene Wohlbefinden - und ab wann ist es tatsächlich auch Gleichgültigkeit?

Am Montagabend traf ich meine Freundin aus L, die kurzzeitig in M verweilte. Aus der geplanten Kaffeestunde wurden über vier Stunden. Irgendwann sagte sie zu mir: "Du siehst wirklich viel besser aus. Eigentlich siehst du genauso aus wie damals, als ich dich kennen gelernt habe."
Damals, das war vor dreizehn Jahren.
Mich haben ihre Worte beschäftigt. Weil ich die Situationen verglich, die damals vor dreizehn Jahren - und die heute. Dazwischen liegen Jahre, die wirklich nicht so einfach waren. Die Jahre 2015 bis 2017 waren die emotional schwierigsten - anschließend kämpfte ich umso mehr mit dem Körper.
Nach und nach erhole ich mich, schüttle von mir ab und irgendwo auf diesem Weg muss ich wohl beschlossen haben, nicht alles mehr an mich so heranzulassen. Und bemerke stattdessen, dass für mein Empfinden viel zu wenig gelacht, viel zu wenig getanzt, viel zu wenig geliebt und geküsst, viel zu wenig gestreichelt wird.
Es wird viel zu viel gestritten und Zeit damit verschenkt, sich an Kleinigkeiten aufzureiben, sich das Leben gegenseitig unnötig schwer zu machen, anstatt zu genießen, dass man einander hat.

Und je öfter ich daran denke, desto öfter entwickle ich tatsächlich dieses Gefühl von... Gleichmut.. Ich nehme hin, ich akzeptiere, vielleicht einmal zu oft, ich bin mir da nicht sicher.
Frage mich, ob mit meinem Kopf alles stimmt oder ob ich da irgendwelche Enzyme zuviel oder zu wenig habe, dass ich so oft so entspannt auf mein Umfeld reagiere.

An der Stelle dann musste ich aber lachen und fragte mich, wie krank das eigentlich ist, dass man eine Störung in sich selbst vermutet, nur weil man beschlossen hat, bei dem ganzen bekloppten Irrsinn nicht mehr mitzumachen.

4 Kommentare:

DrSchwein hat gesagt…

Cooles Foto.

Dies und Jenes hat gesagt…

Diese Frage stelle ich mir schon seit einigen Wochen..... Du hast das klasse beschrieben mit den klebrigen Schuhsohlen, den feinen Schwingungen etc.

Zum einen ist es mir egal was die anderen von mir denken, ich mach mir über vieles gar keinen Kopf mehr es ist wie es ist - also der sogenannte Reissack in China der umfällt. Auf eine Art bin ich ja gleichmütig geworden. Ob ich jetzt das gemacht habe oder nicht, ob das jetzt zu schnell zu langsam war ob es jemand passt oder nicht. Ich hab gelernt. Gelernt dass ich ich bin und gut bin so wie ich bin. Jeder erwartet von mir. Ich erwarte nichts mehr von anderen. Ich hab lange genug funktioniert um Erwartungen anderer zu entsprechen.


Dann wieder wie heute eine harmlose Bemerkung einer Person und und ich bin sowas von durch den Wind.... wirft all mein zurechtgerücktes wieder über den Haufen. Mein Mann und ich hatten deswegen heute heftig Zoff. Meine Mutter hatte Besuch von Ihrer anderen Enkeltochter. Ich musste ihr was in der Stadt besorgen (sie kam kurz nach 8 an die Haustür und da war schon die erste Bemerkung - ist die schon auf... mit die meinte sie unsere Tochter.... der Blick der Ton sagte alles nur Ablehnung und gut ich brachte es ihr so gegen 1 nachdem wir zurück waren vom einkaufen und dann kam es schwall artig mit einem nicht zu überhörenden Unterton an mich: Die arme(also die andere Enkeltochter) lernt jetzt schon seit sie aufgestanden ist und gestern den ganzen abend - es war kurz nach 1 als ich kam - also schon gute 5 Stunden - was so viel heißt aber Deine Kinder hatten das ja nie gemacht deswegen können die auch nichts....

Da war es wieder nicht gut zu sein. Ich fing an zu heulen mir zog es das Herz zusammen. Das Unverständnis meines Mannes und das jetzt geh ich ich geh einfach jetzt und weg.... nein ich bin immer noch da....und nein mit dieser Frau kann man kein Gespräch führen. Es geht nicht.

Ich mein ich kann ja schlecht ner 80 jährigen abschlagen ihr nichts vom Einkaufen mitzubringen wenn sie schon wegen dem Enkelkind auf ihren üblichen Stadtgang verzichtet - nicht wegen meinen Kindern da hat sie es nie gemacht. Egal ist vorbei aber es tut weh.

Mich werfen solche Tage zurück. Ich brauch dann wieder. Aber ich hab heute schon mehr als 100 mal geschrieben Ich und meine Kinder sind gut so wie wir sind.

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und einen geruhsamen 2. Advent.

LG
Ursula


Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke, Doktor :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, Deine Worte erinnern mich an die Zeit früher in der Ehe. Wie oft ich nicht wusste, wo ich anfangen und wo ich aufhören sollte. Und demgegenüber der Schwiegervater, den ganzen Tag zu Hause, ne Einraumwohnung und trotzdem erwarten, dass Tochter und Schwiegertochter in seinem Haushalt mitmachen. Hat er mal gesagt "Da habe ich nun eine Tochter und eine Schwiegertochter und muss trotzdem alles alleine machen." Der war da Mitte 50, kein bisschen gebrechlich, aber alleine.
Die Kinder der Tochter hat er fast täglich aus der Kita geholt, meinen Kleinen nicht.
"Klar könnte ich den auch holen. Aber dann würde ich ihr (mir) ja einen Gefallen tun und das will ich nicht."
Von daher.. Alles lange vorbei, aber solche Sachen tun wirklich lange weh. Nicht wegen einem selbst - sondern der Kinder wegen. Wie der Junge sich wohl gefühlt hat, wenn der dem Opa am Bein hing und mit wollte und der sagte "Lass mal, deine Mutter holt dich doch nachher auch." Das hat mir der Schwiegervater selbst erzählt, sonst hätt ichs wohl damals nicht wirklich glauben können.

Und ja, ich glaube Dir sofort, dass solche Tage einen wirklich weit zurückwerfen können. Und dass das immer wieder Aufstehen manchmal beschwerlich ist. Trotzdem. Einer alten Dame könnte ich das Einkaufen auch nicht abschlagen - aber ich würde wohl eher auf Durchzug schalten und dann wieder heimgehen. Man ändert Menschen nicht. Man kann nur selbst etwas ändern.

Der 2. Advent ist nun vorbei, war jetzt auch nicht so dolle - aber es kommt ja bald der 3. :)