Nun ist es vorüber, das Wiedersehen, seit man vor fünfundzwanzig Jahren auseinander gelaufen und sich in alle Himmelsrichtungen verstreut hatte.
Hatte mich noch meine Freundin gefragt: "Und? Bist du schon aufgeregt?" und hatte ich wahrheitsgemäß geantwortet: "Nö, aber ich freu mich drauf", so finde ich es im Nachhinein doch immer noch erstaunlich, wie lange man sich nicht gehört und gesehen und wie schnell man doch wieder zueinander fand. (Möglicherweise lag das ja auch daran, dass von den paar, die da waren, die meisten Zwillinge-Geborene waren - so wie ich - und die sind ja nun weiß Gott nicht auf den Mund gefallen - wenn man sie lässt :))
Bis auf drei Personen habe ich sie alle sofort wiedererkannt und sie mich - leider - auch.
Ich meine, ich wäre schon gerne die große, rätselhafte Unbekannte gewesen, nur um festzustellen, dass ich zwar dank meiner Absatzsandaletten immer noch eine der Größten war, aber alles andere als rätselhaft oder gar unbekannt. "Du bist Helma - na klar, du hast dich überhaupt nicht verändert!" Na ich hoffe doch! Hallo?
Haare?
Mode?
Und - so wurde mir im Laufe des Abends bescheinigt - ich habe immer noch genauso herumgealbert wie einst, wofür ich vor Jahren insbesondere im Fach Englisch regelmäßig vor die Tür geschickt wurde. Dort sollte ich mich immer beruhigen und dann erst wieder reinkommen. Nur... kam ich bis zum Stundenende nicht wieder, weil ich ja auch nie ein Problem damit hatte, draußen vor der Tür alleine weiterzugackern.
"Ja, ist noch genau dasselbe Lachen wie früher!"
Diese und ähnliche Situationen kamen mir dann nach und nach in dieser geselligen Runde wieder in Erinnerung, bei den meisten jedoch wähnte ich in meinem Kopf ein Bermuda-Dreieck.
Sogar wollte mir eine weismachen, sie habe in Mathematik von mir abgeschrieben.
Was nie gewesen sein konnte.
Mathematik war schließlich etwas, das sich mir erst bei den Schularbeiten mit meinen Kindern erschlossen hatte - da bei mir abzuschreiben hätte sowas wie geistiges Harakiri bedeutet.
Jedenfalls, das Wiedersehen mit Menschen, mit denen du gut und gern zehn Jahre deines prägenden jungen Lebens verbracht hast, ist spannend genug - aber wirklich cool war das Graben in alten Erinnerungen, das Herumreichen von Fotos aus einer Zeit, als ich noch mit ihnen im Schnee getobt und die Eiskristalle aus den Handschuhen gesogen hatte.
Erinnerungen daran, dass ich schon zu Grundschulzeiten begonnen hatte, mir Geschichten nicht nur auszudenken, sondern auch aufzuschreiben, Geschichten um die Liebe (!), in denen der Mann meistens schwarze Haare und braune Augen hatte. (Keine Ahnung, was mich da geprägt hatte - ich kannte damals keinen, der so aussah.)
Erinnerungen an den Schwimmunterricht, zu dem man - welch Irrsinn! - vollkommen nackt sein musste, aber niemals ohne Badekappe ins Schwimmbecken steigen durfte, der männliche (!) Lehrer die Mädchen genüßlich Trockenübungen am Beckenrand machen und uns in Beckenmitte dem Ertrinken nahe wähnen ließ, ehe er den rettenden Stab mit dem Rettungsring in greifbare Nähe hielt. Nein - Schwimmen war eindeutig nicht mein Lieblingsfach!
Erinnerungen an den Russisch-Unterricht, wo ich mich regelmäßig zum Vokabel-Abfragen an die Tafel rufen ließ, weil ich auf gerade noch hängen gebliebenes Wissen sowie die Souffleuse aus der 1. Reihe vertraute, die stattdessen lieber irgendwelche Erlebnisse mit ihrem Banknachbarn auswertete.
Insofern war es schon schade, dass der eine oder die andere - wohl auch aus lauter Bequemlichkeit - den Weg heute und hierher nicht gefunden hatte, doch unterm Strich war ich einfach froh, dabei gewesen zu sein.
Auch wenns mit der Saalrunde nun doch nicht geklappt hatte, egal wie höflich, aber nachdrücklich ich die Mutti Lehrerin bei jeder Gelegeneit darauf hinwies. Auch weil ich mir nicht vorstellen kann, dass das Dasein im Ruhrpott freiwillig gut zu ertragen sei und auf ihre Aussage hin "Ist mir auch wirklich sehr schwer gefallen, mich da einzugewöhnen" ich höchst verständnisvoll nickte: "Das kann man sich auch nur schön trinken, komm, wir helfen dir alle dabei, die Runde geht auf dich!"
Jedenfalls, Oma Ziggenheimers Cam hat gnadenlos versagt, auf dem Handy sind nur ein paar unscharfe Erinnerungsfotos - aber vielleicht dauert es ja keine 25 Jahre bis zum nächsten Wiedersehen und vielleicht bekomm ich ja noch in diesem Jahr eine von den CDs mit dem wertvollen Bild- und Beweismaterial der anderen gut ausgestatteten Paparazzo des heutigen Abends. Ich freu mich drauf und bin zu gern wieder mit dabei. Doch jetzt... muss ich schlafen - der Blutalkoholpegel stimmt und ich bin müde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen